Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

An dieser Stelle möchte ich noch auf die dreijährige Ausbildung zu sprechen kommen. Auch hier war Hessen in besonderer Weise vorbildlich. Hessen hat das vorgelebt und eigentlich den Anstoß gegeben. Ich möchte daran erinnern, dass bereits am 15. November 2004 durch einen Erlass des zuständigen Ministeriums in diesen Spannungsbogen eingegriffen wurde. Alle, die mit der Gesundheitspolitik befasst sind, kennen diesen Spannungsbogen zwischen den Hilfskräften und den Ärzten: Wer darf wann was? – Da wird ganz genau geschaut. Seit 2004 ist man diesen Weg gegangen, erweiterte Versorgungsmaßnahmen durch qualifizierte Rettungsassistenten zuzulassen. Vielleicht wird der Minister das noch ein bisschen ausführen: Das ist ein Stück weit die Blaupause für das, was wir jetzt umsetzen.

Ich kann nochmals aus dem „Hessischen Ärzteblatt“ des Jahres 2013 zitieren, was das in der fachlichen Umsetzung für Hessen eigentlich bedeutet. Dazu sagt das „Hessische Ärzteblatt“:

Somit wird sich in Hessen nicht viel an den Befugnissen der Notfallsanitäterinnen und -sanitäter in Hinblick auf das „eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen“ ändern.

Bei der fachlichen Umsetzung sind wir in Hessen schon seit einiger Zeit an der absoluten Spitze. Wir sind sozusagen das Pilotprojekt, das das schon seit einem Jahrzehnt vorlebt und konsequent in einem Berufsbild umsetzt. Damit wird natürlich die Arbeit der dort Tätigen aufgewertet. Das ist auch richtig.

Wenn es richtig ist, dass wir in Hessen faktisch schon täglich viel von dem leben, dann möchte ich den Hinweis geben, zu prüfen, wie man diese Anerkennung für die qualifizierten Rettungsassistenten vernünftig umsetzt und dabei nicht zu viel Bürokratie, sondern mehr Augenmaß einsetzt. Ich hoffe, man ist da im Dialog und findet vernünftige Maßnahmen. Denn natürlich wollen wir nicht, dass es jetzt zu Engpässen kommt.

Es gab in diesem Bereich eine besondere Herausforderung. Auch die Flüchtlingskrise ist vom Rettungswesen hervorragend abgearbeitet worden. Hat jemand etwas gehört, was dort nicht gestemmt worden wäre? Ich meine nicht nur die Unterbringung, sondern gerade die große Herausforderung im Akutbereich, die Menge zusätzlicher Einsätze, die bewältigt werden mussten. Das Nachsteuern, das dort im System notwendig wurde, wurde bravourös bewältigt, und nirgendwo wurde öffentlich gemacht, dass es zu Engpässen gekommen sei. Auch für diese Leistung nochmals meinen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte jetzt gar nicht mehr auf die Einzelpunkte eingehen. Das IVENA-Projekt wurde genannt. Dazu kann man einfach nur sagen: Das ist richtig und gut. Es zeigt, dass das Informationszeitalter immer stärker Einzug nehmen wird und Leben rettet. Ich halte es für absolut unstrittig, dass das umgesetzt werden soll.

Einen Punkt möchte ich der Landesregierung allerdings noch als Aufgabe mit auf den Weg geben. Das ist das Thema – für die örtliche Bevölkerung spielt es keine Rolle; es trifft jedoch die Kostenträger und damit doch wieder die Bevölkerung – Leitstellen in Hessen. Das ist ein sensibles Thema, das ist mir klar. Ich bin selbst Mitglied eines Kreisausschusses, der großen Wert darauf legt, dass er eine tolle Leitstelle hat. Aber wenn man sich einmal in anderen Bundesländern umschaut, die ebenfalls eine hervorragende Versorgung haben, so ist festzustellen, es ist auch dort gelungen,

(Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie wollen Sie es denn machen?)

das mit einer den modernen Möglichkeiten angepassten Struktur der Leitstellen auf den Weg zu bringen.

(Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorschlag!)

Ich sage nicht, dass das einfach ist. Auch wir haben uns schon einmal daran versucht. Wir wollten ein Anreizsystem einführen, doch das hat keine Anreize ausgelöst, sondern die Situation weiter verfestigt.

(Lachen des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darum ist es auch mein Wunsch – und es ist legitim, ihn hier vorzutragen –, dass die neue Landesregierung das erneut versucht ins Auge zu fassen. Das Thema ist nicht einfach, aber man lässt sich doch nicht für einfache Themen wählen, sondern für schwierige.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Daher viel Erfolg dabei. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege René Rock. – Es gibt eine Kurzintervention. Frau Kollegin Schott.

Herr Präsident! Herr Rock, wenn Sie mir hier die Gelegenheit geben, nochmals in die Bütt zu gehen, indem Sie sagen, ich hätte den Rettungsdienst diskreditiert, dann finde ich das sehr gut. Denn dann kann ich nochmals deutlich machen, was ich tatsächlich gesagt habe: Es nützt nichts, zu loben, dass wir gut arbeitende Rettungsdienstmitarbeiterinnen haben, bei denen wir uns für ihr Engagement durch Klatschen bedanken. Leider sind sie unterbezahlt und müssen ständig Überstunden schieben. Eine bessere Bezahlung und mehr Personal wären allerdings eine angemessene Art, sich zu bedanken. – Diesen Satz wiederhole ich hier gerne.

(Beifall bei der LINKEN)

Und es geht weiter, ich bin noch nicht fertig: Das Rettungsdienstsystem funktioniert so lange, wie es Krankenhäuser vor Ort gibt. – Das war meine Aussage. Bei der bleibe ich auch. Das diskreditiert niemanden. Die Menschen dort machen eine hervorragende Arbeit. Die Rahmenbedingungen sind so, dass sie ihre Arbeit nicht so gut bewältigen können, wie sie sie gerne machen würden; denn sie haben nicht die Ruhepausen, die sie gerne hätten; und sie werden auch nicht angemessen bezahlt. Das kritisiere ich hier in aller Schärfe.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Dr. Daniela Sommer (SPD))

René Rock.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Schott, es war gar nicht mein Ziel, bei Ihnen Verärgerung hervorzurufen. Ich wollte nur deutlich machen, dass man sich diesem Thema auch von einer anderen Seite nähern und sagen kann: Man lobt erst einmal die Menschen dort für das, was sie leisten.

(Beifall der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn und Nico- la Beer (FDP))

Das habe ich ausgeführt. Der Gesamttenor meiner Rede sollte positiv sein. Das war der Unterschied.

Ich wollte Sie nicht in der Sache kritisieren, sondern habe einfach eine andere Formulierung gewählt.

(Zuruf des Abg. Boris Rhein (CDU))

Wir sind also gar nicht weit auseinander. Dort wird Hervorragendes geleistet. Das muss auch angemessen honoriert werden. Aber ich wollte den Menschen von der anderen Seite her ein Kompliment machen.

So, seid ihr euch wieder einig? – Dann geht es in der Debatte weiter. Der Kollege Bocklet hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein solcher Setzpunkt ist in der Tat immer eine Möglichkeit, einerseits eine Zwischenbilanz zu ziehen und eine Analyse vorzunehmen, eine Zustandsbeschreibung für den Rettungsdienst, und andererseits zu fragen: Vor welchen Herausforderungen stehen wir?

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich kann Ihnen sagen: Es gehört nicht zu den Pflichtaufgaben, sich bei allen Akteuren zu bedanken.

Manchmal ergibt es sich, dass Tagesordnungspunkte den Fokus auf die eigene Biografie lenken. Ich war mit dem Schreiben meiner Rede fertig, da fiel mir auf, dass ich eigentlich jahrzehntelang selbst Betroffener war. Das vergisst man dann. Mein Vater war über 40 Jahre lang bei der Berufsfeuerwehr Frankfurt und hat zehn Jahre lang selbst als Rettungssanitäter im Notarztwagen 5 in FrankfurtHöchst gearbeitet. Ich kann Ihnen berichten, dass ich gute Einblicke gewinnen konnte, dass diese Arbeit, dieses Engagement nicht immer einfach in der Einsatzkleidung hängen blieb, wenn man als Rettungssanitäter zu bestimmten Unfällen gefahren war, oder was man so alles erlebt hat. Ich kann Ihnen berichten, das ist nicht immer nur eine schöne Angelegenheit.

Aus dieser persönlichen Sicht kann ich nur nochmals allen Personen, Männern und Frauen, die in den Rettungsdiensten arbeiten, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, allerherzlichsten Dank für ihr Engagement sagen. Das ist mehr, als man erwarten darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Zu einer Bilanz gehört auch eine nüchterne Analyse. Ich finde es selbst manchmal ein bisschen müßig, immer wieder in Superlativen zu reden. Bei einer Bilanz aber ist es tatsächlich so, dass man sagen kann, wo man führt und wo man noch Nachholbedarf hat.

Wenn man sich als Bundesland – die CDU hat das vor vielen Jahren eingeführt – selbst als ehrgeiziges Ziel gesetzt hat, die kürzeste Hilfsfrist aller Flächenländer einzuführen, dann ist das erst einmal lobenswert.

Ich weiß, vom hr gab es auch andere Berichterstattungen. Aber wir wissen auch: Beim Rettungsdienst in Hessen ist bereits die Dispositions- und Ausrufzeit von zwei Minuten darin enthalten, Frau Dr. Sommer. Man hat dann bei 70 % der Einsätze den Notfallort bereits nach acht Minuten erreicht. Das finde ich ein sehr respektables, lobenswertes Ergebnis.

(Beifall des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Damit meint natürlich niemand hier im Saal, wir sollten aufhören, daran zu arbeiten, damit es nicht nur 90 % sind, sondern damit man nahe an die 100 % herankommt.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist aber wirklich ein bundesweit tolles Ergebnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben die kürzeste Rüstfrist aller Flächenländer. Wir haben ein dichtes Netz an Rettungswachen. Wir haben ein fantastisch dichtes Netz an Luftrettungsstationen – auch das übersieht man gerne einmal. Hubschrauber sind nämlich ein ganz wesentlicher Teil der Ausstattung der Rettungsdienste, gerade bei Notfalleinsätzen. Mit der Abdeckung des Gebiets um Gießen ist der letzte weiße Fleck auf der Landkarte Hessens beseitigt worden.

Wir berücksichtigen als erstes Bundesland die sogenannte Golden hour, weil man festgestellt hat, dass es in der Notfallversorgung logischerweise nicht nur wichtig ist, innerhalb von zehn Minuten am Notfallort zu sein, sondern auch, dass man einen Patienten relativ schnell in ein Krankenhaus bringt, damit er dort schnell und qualitativ hochwertig versorgt wird. Auch hier ist das Bundesland Hessen weit vorne.

Wir haben hervorragende Maßnahmen zur Vorbereitung auf Großschadensereignisse neu eingeführt. Gerade angesichts einer erhöhten Terrorgefahr müssen wir uns noch mehr darum kümmern, wie die Rettungsdienste ihre Kapazitäten sinnvoll und koordiniert zusammenführen können. Auch hierfür ist der Erlass von 2014 eine richtungsweisende Entscheidung. Er wird dazu führen, dass man in Hessen das gute Gefühl haben kann, dass dieses Bundesland, sollten solche schrecklichen Ereignisse eintreten, gut aufgestellt ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Hessen ist außerdem das erste Bundesland, das damit begonnen hat, Notfallsanitäter auszubilden – weil wir wissen, dass die präklinische Versorgung enorm wichtig ist, weil wir wissen, dass es entscheidend dazu beitragen kann, dass Leben gerettet werden, wenn ein Rettungssanitäter bei einem Notfall weiß, was er tun muss. All das führt, finde ich, in der Tat zu einer guten Bilanz.

Frau Dr. Sommer, ich finde die Diskussion, wie sie geführt wird, sehr sachlich. Sie haben natürlich auch Punkte genannt, bei denen man sagen muss: Wir wollen als Bundesland hier nicht stehen bleiben. Sie haben die richtigen Fragen gestellt, und ich will die Herausforderungen benennen, vor denen wir in der Gesundheitspolitik – in dem Fall bei den Rettungsdiensten – stehen.