Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Es ergibt sich eigentlich schon aus der Hessischen Verfassung, dass wir unserer Einnahmeverantwortung nachkommen und die im Art. 47 vorgeschriebene progressive Besteuerung von Vermögen als Gesetzgeber auch endlich umsetzen. Doch auch das Grundgesetz sieht die Vermögensteuer explizit vor und weist ihre Erhebung den Ländern zu. Nachdem wir aber ein seit 21 Jahren als verfassungswidrig geltendes Bundesgesetz haben, das der formale Grund dafür ist, dass die Länder diese Steuer nicht erheben dürfen, ist es an der Zeit, die Debatte über die Vermögensteuer wieder deutlich aus den Ländern herauszuführen.

Insofern habe ich mich schon sehr über die Kommentierung der Anhörung der SPD-Fraktion von Frau Kollegin Arnoldt gewundert. Sie haben in Ihrer Pressemitteilung vom 24.06.16 erklärt:

Mit dem Wiederaufwärmen der Idee einer Vermögensteuer beim Wähler punkten zu wollen, ist sehr durchschaubar. Jetzt sollen wohl andere dafür zahlen, dass die SPD im Umfragetief steckt – und dies ausgerechnet in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen. Der Applaus der LINKEN ist Herrn Schäfer-Gümbel sicher.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wo ist der Applaus? – Gegenrufe der Abg. Janine Wissler und Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir haben geklatscht!)

Ich darf ja nicht. – Es mag sein, dass DIE LINKE die Idee einer Vermögensteuer deutlicher und glaubwürdiger vertreten kann als jene, die sie in der Regierungsverantwortung nicht wieder eingeführt haben. Frau Arnoldt, dabei aber allein auf die SPD zu zeigen ist etwas kurzsichtig; denn auch bei Ihrem Koalitionspartner gibt es eine lebhafte Debatte über die Vermögensteuer. So hat beispielsweise Jürgen Trittin, der nicht unbekannte GRÜNE, letzte Woche in einem Gastbeitrag in der „FAZ“ – ich muss dazu sagen, im Feuilleton versteckt – geschrieben.

(Zuruf)

Ich lese immer die klassengegnerische Zeitung, das ist doch völlig klar. – Ich zitiere:

Wenn die Gewinne aus schnell wachsenden Vermögen nicht mehr investiert werden, wir aber mehr investieren müssen, spricht alles für eine Vermögensteuer. Die trifft nach den Vorschlägen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nicht einmal 1 % der Bevölkerung. Sie ist eine Superreichensteuer. Werden die daraus resultierenden 9 bis 18 Milliarden € in Infrastruktur, Bildung und Klima investiert, dann ist das gut für Mittelstand und Mittelschicht. Sie bekommen mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Aufträge, mehr Arbeit.

So weit das Zitat von Jürgen Trittin.

(Beifall der LINKEN)

Ich finde, diese Debatte lohnt sich. Sie lohnt sich, weil wir seit Jahren beobachten, dass nicht nur die öffentlichen, sondern auch die privaten Investitionen sinken. Gerade vor dem Hintergrund der viel beschworenen Generationengerechtigkeit wird dabei deutlich, dass die Schuldenbremse, kombiniert mit einer neoliberalen Kürzungspolitik, eben nicht generationengerecht ist.

Daraus gibt es nur zwei Auswege: Entweder wir finden trotz Schuldenbremse Wege, Investitionen, die den nachfolgenden Generationen nutzen, über Kredite zu finanzieren – Herr Schäfer, durch die Kapitalerhöhung bei der Nassauischen Heimstätte haben Sie es schon einmal versucht; das hat ansatzweise gezeigt, wohin das führen kann –, oder wir erschließen zusätzliche Einnahmequellen für den Staat.

Die Vermögensteuer ist hier ein Weg, über den wir diskutieren sollten. Sie hat neben dem Ertrag noch eine Wirkung, nämlich eine Lenkungswirkung. Mit ihr kann der Staat direkt auf die Verteilung von Vermögen in der Gesellschaft Einfluss nehmen. Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Vermögensungerechtigkeiten ist dies auch angebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ungleichheit in Deutschland hat nämlich mittlerweile Ausmaße erreicht, die ich schlicht für obszön halte, z. B. wenn die drei Großaktionäre von BWM im Jahr 2015 zusammen etwa 815 Millionen € an Dividenden allein dafür kassieren, dass sie diese Unternehmensanteile besitzen. Dann stellt sich schon die Frage, wie hier eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu sehen ist.

Es mag sein, dass das auch etwas mit einer wirksamen Besteuerung von Erbschaften zu tun hat – wie Sie in Ihrem Antrag konstruieren – oder damit, dass Dividenden nur mit 25 % besteuert werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Aber nicht nur!)

All das spricht aber gerade nicht gegen die Vermögensteuer, sondern dafür, sie einzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sollten endlich eine Debatte darüber führen, wie wir auch mit steuerpolitischen Maßnahmen die Verteilung von Vermögen in Deutschland so ändern können, dass für Investitionen und angemessene Sozialleistungen, für gute Bildung und erneuerbare Energie genügend Geld da ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Vermögensteuer ist aus unserer Sicht der richtige Ausgangspunkt dafür – wenn auch nicht der einzige. Deshalb greifen wir die von der Fraktion der SPD beantragte Anhö

rung auf. Es ist richtig, dass wir alle – nicht nur die SPD – uns mit den Fragen beschäftigen, die sich bei der Wiedererhebung der Vermögensteuer ergeben.

Es geht uns aber ausdrücklich nicht darum, hier eine Veranstaltung stattfinden zu lassen, in der wir uns einseitig von den Freunden der Vermögensteuer erklären lassen, warum diese gut und richtig ist. Ich will auch von den Gegnern hören, welche Argumente konkret dagegen sprechen. Bisher führen wir diese Debatte nämlich immer nur auf dem niedrigen Niveau, dass in wechselnder Kombination pauschal behauptet wird, die Vermögensteuer sei verfassungswidrig, sie sei mit einem vertretbaren Aufwand nicht ertragreich zu gestalten, und sie führe dazu, dass die Reichen das Land verlassen.

Das reicht mir, ehrlich gesagt, aber nicht aus; denn so einfach ist es bei Weitem nicht – allein aufgrund der Tatsache, dass sich die Welt seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1995 weitergedreht hat. Heute sind die Vermögen in Deutschland deutlich ungleicher verteilt, und die Aufgaben des Staates sind deutlich schwerer zu finanzieren.

Ich finde jedenfalls, der Hessische Landtag hat es mehr als nötig, diese Debatte auf einem fachlich fundierten Niveau zu führen. Eine Anhörung ist dafür das richtige Mittel, auch wenn sie nicht dazu dienen kann, die politischen Unterschiede zwischen den Fraktionen aufzuheben. Deshalb finde ich, es ist keine gute Idee, dass Sie sich in Ihrem schwarz-grünen Antrag, der heute vorgelegt worden ist, aus fadenscheinigen Gründen dieser Diskussion verweigern.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Daher werbe ich ausdrücklich bei allen Fraktionen dafür, eine solche Anhörung durchzuführen. Wenn Sie an einer ehrlichen Debatte interessiert sind, stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Arnoldt, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr van Ooyen, wenn ich den Antragstext und jetzt auch Ihren Redebeitrag richtig verstanden habe, möchten Sie eine öffentliche Anhörung im Haushaltsausschuss durchführen, um zu klären, ob die Einführung einer Vermögensteuer notwendig und sinnhaft ist. Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir dies gut und gerne hier und jetzt klären können und dazu keine Anhörung brauchen.

(Lachen bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir sind alle Experten!)

Ich darf einen großen Hessen zitieren, nämlich Johann Wolfgang von Goethe. Er sagte einmal so schön:

Getretner Quark wird breit, nicht stark.

Was hat er damit gemeint, und vor allem, was hat das mit Ihrem Antrag zu tun? Goethe meinte damit, dass etwas Banales auch durch einen großen Aufwand, durch viele Wor

te und durch ständige Wiederholungen nicht auf ein höheres Niveau gebracht werden kann.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Was ist banal?)

Das ist auch der Grund, warum unser Gegenantrag nicht vieler Worte bedarf. Ich darf bezüglich der Notwendigkeit feststellen: Erstens. Die Vermögensteuer ist in ihrer bisherigen Fassung nicht verfassungskonform, sie wurde seit 1997 nicht mehr erhoben, und als Kompensation der entfallenen Einnahmen aus der Vermögensteuer erfolgte unter anderem eine Anhebung der Grunderwerbsteuer.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Zweitens. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie konnten bis heute keinen Gesetzentwurf vorlegen, der den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts standgehalten hätte.

Drittens. Die Vermögensteuer – wie auch immer man sie gestaltet – wird aus unserer Sicht nicht den Zweck erfüllen, den Sie verfolgen. Im Gegenteil, sie wäre für den Wirtschaftsstandort Deutschland und auch für viele Unternehmen in Hessen schädlich; denn sie gefährdet Investitionen und Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Wie funktioniert das?)

Wenn Sie eine verfassungsgemäße Vermögensteuer haben wollen, brauchen Sie eine kontinuierliche und gegenwartsnahe Bewertung von Vermögen. Das wird zu enormen Kosten und einer erheblichen Belastung der Steuerverwaltung führen. Die Verwaltungskosten beliefen sich in der Vergangenheit, als die Vermögensteuer noch erhoben wurde, auf etwa ein Drittel der Einnahmen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das stimmt ja nicht!)

Die Vermögensteuer gilt damit als eine der ineffizientesten Steuern überhaupt.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): So stimmt das nicht! Das ist falsch!)

Zur Berücksichtigung von Vermögensumschichtungen habe ich auch noch einige Anmerkungen zu machen. Sie behaupten, die Vermögensteuer sei sozial gerecht – das klingt gut, nett und schön –, und Sie erklären immer, mit Ihren Plänen nur die Reichen zu treffen. Die Wahrheit ist aber, Sie benachteiligen damit den für uns auch so wichtigen Mittelstand.

(Manfred Pentz (CDU): Ganz genau!)

Ich darf aus der Stellungnahme der VhU zu der Anhörung zitieren, die kürzlich stattgefunden hat:

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Weil die den Mittelstand vertreten!)

Eine Vermögensteuer würde größtenteils betrieblich gebundenes Kapital und nur zum kleineren Teil Privatvermögen belasten.