Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Ich kenne von der FDP beim Thema Klimaschutz immer nur, gegen was Sie sind. Sie sind gegen Windenergie. Sie sind gegen das EEG. Zu viel Energieeffizienz in Wohnungen ist auch schlecht. Sie finden das Recht auf Rasen um einiges wichtiger, als dass man den Ausbau des ÖPNV

voranbringt. Fahrräder finden Sie peinlich, haben Sie schon in mehreren Plenardebatten gesagt, und Ökologie bei der Landwirtschaft – das sehen wir nachher noch – ist Nebensache. Ich weiß also, gegen was Sie sind. Aber für was sind Sie eigentlich beim Thema Klimaschutz, Herr Kollege Rentsch?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wissen Sie, wir in der Koalition ringen um Lösungen. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass wir beim Thema Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie durchaus intensiver ringen. Aber ich bin mir sicher, dass wir am Ende mit diesen 300 Seiten Klimaschutzplan, mit diesen verschiedenen Vorschlägen, gemeinsam gute Lösungen entwickeln, weil wir um die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie ringen. Das ist der Unterschied zu Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Rentsch, ich glaube auch, dass sich das lohnt. Wir haben vom Wirtschaftsministerium eine repräsentative Umfrage aus dem letzten Jahr. Da geben 89 % aller Menschen in Hessen an, ihnen ist die Energiewende wichtig oder sehr wichtig. Ich finde, diese Menschen haben ein Recht auf gute Lösungen. Wenn man fragt, wem die Energiewende nicht wichtig ist, dann sind das 2 % aller Menschen in Hessen. Die brauchen auch keine Lösungen.

Meine lieben Kollegen der FDP, wenn es Ihnen reicht, Protestpartei für eine ganz kleine Minderheit zu spielen, dann machen Sie gerne so weiter, dann machen Sie weiterhin solche überzogenen Aktuellen Stunden. Uns reicht das nicht. Wir wollen echte Lösungen, weil die Menschen sie von uns zu Recht erwarten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn. – Das Wort hat Herr Abg. Timon Gremmels, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns in die Debatte zunächst mit ein paar Fakten eintreten. Am 12. Juli dieses Jahres, als vor zwei Tagen, hat die Munich Re, das ist der große Rückversicherer, eine Halbjahresbilanz für 2016 vorgelegt. Sie haben deutlich herausgearbeitet, dass die Zahl der klimabedingten Unwetterkatastrophen in diesem Jahr in Europa deutlich zugenommen hat. Der Gesamtschaden durch Unwetter in Europa im Mai und im Juni betrug 6,1 Milliarden €. Wissenschaftliche Studien, auf die sich Munich Re bezieht, haben ergeben, dass die Starkniederschläge in einzelnen Regionen Europas in den vergangenen Jahrzehnten häufiger geworden sind. So nahm von 1951 bis 2010 die Zahl der Starkniederschläge im Frühjahr, die früher rechnerisch alle 20 Jahre entstanden sind, um den Faktor 1,7 zu. Daran hat der Klimawandel seinen Anteil – so Munich Re.

Das ist der Rückversicherer der Versicherungswirtschaft, einer Branche, die eher der FDP nahesteht als uns. Die sagen: Klimaschutz ist ein Wirtschaftsfaktor.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin immer gerne dabei, die GRÜNEN und die Landesregierung zu kritisieren, wenn es um die Sache geht. Aber ich bitte Sie, Herr Rentsch, und die FDP: Lassen Sie uns doch gemeinsam die Chancen sehen, die der Klimaschutz auch für die Wirtschaft bietet. Ich war mit dem Kollegen Schäfer-Gümbel fünf Tage in China. Wir waren in Peking und in Shanghai und haben dort auch mit der Industrie gesprochen. Wissen Sie, was in den großen Städten in China gerade das Hauptthema ist? – Der Klimaschutz; denn sie wollen saubere Luft. Sie fragen uns in den Gesprächen: Habt ihr deutsche Produkte, habt ihr Umwelttechnologie, habt ihr wirtschaftlich in diesem Bereich etwas zu bieten? Daran sind wir interessiert.

Deswegen lassen Sie uns doch nicht Ökologie und Ökonomie gegeneinander ausspielen, sondern unsere hessische Wirtschaft fit machen, damit wir in diesem Bereich profitieren können.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so muss es doch gehen, und deswegen möchte ich das an dieser Stelle voranschicken. So müssen wir Wirtschaft definieren, so müssen wir Wirtschaft sehen.

Wenn wir das nicht tun, wenn wir sagen, wie es die FDP anscheinend will, dass alles so bleiben soll, wie es ist, dann ist die Gefahr groß, dass uns andere Länder, andere Wirtschaften irgendwann überholen. Aber das wollen wir doch gemeinsam nicht. Natürlich ist es eine Herausforderung, auch in unserem Bundesland Hessen Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Das ist nicht immer leicht. Dafür gibt es auch nicht immer eine Blaupause. Aber den Weg müssen wir gehen.

Zu dem Prozess, den Herr Kollege Rentsch völlig zu Recht kritisiert hat, wie in Hessen der Klimaschutzplan entsteht, möchte ich für die SPD-Fraktion eines sagen. Wir sind es leid, in x-tausend Gremien, Kreisen, Konferenzen, Gipfeln und Zipfeln und Tischen miteinander zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Die wichtigen Debatten gehören in das Parlament, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP – La- chen des Ministers Tarek Al-Wazir)

Herr Al-Wazir, Sie müssen gar nicht von der Regierungsbank aus laut lachen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, gehen Sie nach vorne. Sie können das als Minister jederzeit tun. Ich finde, das gehört sich nicht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich sage ganz deutlich, als gewähltes Parlament müssen wir die Debatten im Landtag führen. Da bringen wir uns ein.

Ich habe es mir angeschaut. Sie haben auf die mündliche Frage von Herrn Kollegen Rock am Dienstag groß verkündet, Frau Hinz: 152 Maßnahmen, 936 Kommentare, ein großer Erfolg für die Beteiligung im Internet.

Reden Sie einmal mit den Unternehmen. Die wurden quasi genötigt, sich nicht an einer normalen Regierungsanhörung zu beteiligen, sondern ihre Kommentare im Internet abzu

geben. Die Stellungnahmen von großen Verbänden wurden den einzelnen Maßnahmen zugeordnet, und damit wurden aus einer Stellungnahme, weil das den Maßnahmen zugeordnet wurde, rechnerisch zehn Stellungnahmen, und so kommt man auf die 936 Kommentare.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Von der PR her kann man das so machen. Das ist völlig okay. Das hätten wir vielleicht ähnlich gemacht.

(Michael Boddenberg (CDU): Ah!)

Ja, das gehört zum Spiel dazu. – Aber es ist deutlich, dass hier eine Pseudobeteiligung gemacht wird. Wir als SPD werden es dann bewerten, wenn die Landesregierung zu einer einvernehmlichen Meinung gekommen ist,

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die SPD ist gegen runde Tische! Das finde ich klasse! – Glockenzeichen des Präsidenten)

wenn sie Ende des Jahres ihren Klimaschutzplan vorlegt, wenn nicht nur grüne Wunschträume dabei sind, sondern man sehen kann, was Sie gegenüber Ihrem Koalitionspartner CDU durchsetzen können. Da sind wir einmal gespannt, auch darüber, was die CDU Frau Hinz abringen kann.

Deswegen werden wir das, was im hessischen Klimaschutzplan steht, dann bewerten, wenn es dem Parlament vorliegt. Dann werden wir auch eine ordentliche Anhörung einfordern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann werden wir auch die Fragen, die die Kollegen Rentsch und Rock zu Recht gestellt haben, zum Thema machen.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn für die Zukunft unseres Landes wichtige Diskussionen gehören ins Parlament und sonst nirgendwohin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinne Glück auf für Hessen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Kollege Gremmels. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In ihrem Koalitionsvertrag hat die Hessische Landesregierung ein Treibhausgasreduktionsziel von 40 % bis 2030 festgelegt, eine Vorgabe, von der von Anfang an klar war, dass sie nicht ausreichen würde, das 2-Grad-Ziel zu halten. Das haben wir bereits mehrfach scharf kritisiert.

Nach einer Vorstudie vom Februar dieses Jahres, die das Umweltministerium zu Erarbeitung des hessischen Klimaschutzplans in Auftrag gegeben hat, muss die Minderung der Treibhausgase in Hessen im Vergleich zu 1990 30 % bis 2020 und weitere 10 % bis 2025 betragen. So könnte im Jahr 2050 die Klimaneutralität annähernd erreicht werden.

Diese Zwischenziele hat die Umweltministerin inzwischen übernommen. Es bleibt aber völlig unklar, wie die Landesregierung von 2025 bis 2050 – dann sind es vielleicht auch andere Regierungen, aber man muss daran arbeiten – die zur Klimaneutralität fehlenden

(Timon Gremmels (SPD): Die Umweltministerin Marjana Schott?)

ich bestimmt nicht mehr – 60 % der Treibhausgasemissionen reduzieren will.

Die Zwischenziele der Landesregierung sind zum wiederholten Male nicht realistisch. Sie machen den Menschen etwas vor und scheuen konkrete und zum Teil sicher auch ordnungspolitische Maßnahmen.

Als Politikerinnen und Politiker müssen wir aber mit Weitblick handeln, den Menschen die Wahrheit sagen und der Wirtschaft klare Rahmenbedingungen setzen. Oder aber wir verabschieden uns von dem großen Ziel, die globale Klimaerwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Das scheint gerade auf Bundesebene zu passieren, vorangetrieben von Union und SPD.

Kaum wurde das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet, verlässt die Große Koalition in Berlin den Korridor für das 1,5-Grad-Ziel: Kohleausstieg – nach hinten verschoben. Ausbau der erneuerbaren Energien – mit EEG ausgebremst. Das klimaschädliche Fracking – nicht verboten.

(Timon Gremmels (SPD): Doch!)

Das sind die Eckdaten des Klimaschutzes der Großen Koalition. Diese Politik holt uns ein. Bis 2050 erwarten Wissenschaftler eine klimabedingte Völkerwanderung von zwischen 50 und 350 Millionen Menschen plus ein großes Potenzial von Armutsmigranten. Weltweit müsse man von bis zu 400 Millionen Menschen ausgehen.

Unsere Gesellschaft und ihre Politiker haben sich im vergangenen Jahr mit einer weitaus kleineren Zahl von flüchtenden Menschen schon sehr schwergetan.