Protokoll der Sitzung vom 15.09.2016

Wie soll das gehen? – Deutschland ist in der glücklichen Lage, über einen stabilen und gut vernetzten Ausbildungsund Arbeitsmarkt zu verfügen. Die Integration von Flüchtlingen ist möglich. Förderungs- und Qualifizierungsmaßnahmen wurden geschaffen. Der Kollege Bocklet hat viele dieser Programme genannt, erfolgreiche Programme wie „Wirtschaft integriert“, die Angebote schaffen, von Berufsorientierung bis zum Abschluss der Ausbildung und zur Integration in den Beruf.

Ich habe es bereits gesagt: Sprache ist ein Schlüssel zur Integration. Deshalb werden viele Mittel unseres Haushalts, in den Jahren 2016 und 2017 immerhin 11 Millionen €, in die Sprachförderung für Berufseinsteiger investiert. Die Berufsförderung hat an insgesamt 16 Standorten bereits begonnen, und weitere werden folgen.

Ich will an dieser Stelle deutlich Danke schön sagen, weil wir als Politik nur Rahmen setzen und Mittel zur Verfügung stellen können. Ich will den teilnehmenden Unternehmen Danke schön sagen, auch für die Mitarbeit der Wirtschaft am Asylkonvent im Februar 2016: 13 Partner, die sich daran beteiligt haben, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben und verpflichtet fühlen. Auch hierfür muss man ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ein weiterer wichtiger Schritt, der weithin diskutiert wurde, ist der Wegfall der Vorrangprüfung. Auch hier haben wir schon darüber gesprochen. Künftig kann ab dem vierten Monat ohne Vorrangprüfung eine Erwerbstätigkeit möglich sein. Bisher ging das erst ab dem 16. Monat – also eine deutliche Verbesserung. Ich habe in meinem Wahlkreis in Gesprächen mit Unternehmen genau dieses Problem erfahren, dass Unternehmen Asylbewerber hatten, die geeignet und motiviert waren, die aber nicht eingestellt und beschäftigt werden konnten, weil es das Beschäftigungsverbot in Deutschland gab. 16 Monate sind eine lange Zeit, in der junge Menschen oft sinnlos warten, wenn auf der anderen Seite Arbeit zur Verfügung steht, sie aber nicht erbracht werden kann.

Deshalb will ich an der Stelle auch Minister Stefan Grüttner Danke sagen, der sich für den Wegfall der Vorrangprüfung starkgemacht hat, damit wir diese Menschen hessenweit einsetzen können. Das ist eine Öffnung, die unser Arbeitsmarkt verkraftet. Wir haben hohe Beschäftigungsquoten, wir haben niedrige Arbeitslosenzahlen, und wir haben eine gute Wirtschaftslage. Wenn nicht jetzt, wann dann können wir die Hilfe anbieten, die die Menschen brauchen?

Das bringt den Abbau von Hemmnissen, und das schafft, auch für die Betriebe, den Abbau von Bürokratie; ich habe es an dem Beispiel eben gezeigt. Die 25,5 Millionen €, die das Land im nächsten Jahr für die zielgruppenspezifischen Maßnahmen beisteuert, sind eine hohe Summe, womit zumindest eine Grundlage dafür geschaffen wird, dass ver

besserte Möglichkeiten zur Arbeitsmarktintegration entstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zum Schluss zusammen: In Deutschland haben wir in den vergangenen Monaten bewiesen, dass wir unsere Werte und unser Grundgesetz ernst nehmen. Auch wenn Diskussionen darüber notwendig sind, wie sich Europa als Ganzes verhält und was ein einzelnes Land zu leisten in der Lage ist: Deutschland hat in dieser Frage Verantwortung übernommen und bewiesen.

Wir wollen denen, die rechtmäßig und auf Dauer in Deutschland bleiben, nicht nur Hoffnung und Perspektive geben, sondern ihnen auch ganz konkrete Maßnahmen zur Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt anbieten. Dabei gilt: Wer hier lebt, muss die deutsche Sprache beherrschen, muss unsere Werte und unsere Kultur respektieren und bereit sein, sich einzubringen, ganz nach dem Motto „fördern und fordern“. Damit kann die Integration von Flüchtlingen am Ende für beide Seiten eine Chance bedeuten: für den einen eine Chance auf ein besseres, selbstbestimmtes Leben, für unser Land die Chance auf den Gebieten der Demografie und der Fachkräftesicherung. Lassen Sie es uns anpacken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kasseckert. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Rock von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute das Thema Flüchtlingspolitik auf der Tagesordnung stehen. Es ist eine besondere Ausprägung des Themas, über die wir heute diskutieren wollen, nämlich die Frage: Wie integriert man Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt?

Aber ich glaube, man muss, wenn man über das Thema redet, immer zwei Sätze voranstellen. Wenn wir über die Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, und ihre Integration sprechen, müssen wir dazusagen, dass wir diese Debatte nur dann vernünftig und wirklich nachhaltig führen können, wenn dieses Land endlich ein Einwanderungsgesetz hat, das diesen Namen auch verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein solches Einwanderungsgesetz ist die Grundlage dafür, dass sich Menschen überhaupt hier integrieren können. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Ein Abgeordneter lädt junge Menschen in den Hessischen Landtag ein; er denkt, er könnte den jungen Flüchtlingen einmal zeigen, wie Demokratie funktioniert. Das Einzige aber, was die jungen Menschen in dem anschließenden Gespräch interessiert, ist: Können Sie mir bei der Frage helfen, ob ich hierbleiben darf oder nicht?

Diese Frage fixiert das Denken der Menschen ungemein: Habe ich hier überhaupt eine Zukunft? Kann ich mir etwas nachhaltig aufbauen? – Wie soll man einen solchen Menschen in dem Moment, da er Angst hat, dass das nicht möglich ist, davon überzeugen, dass es klug von ihm ist, intensiv Deutsch zu lernen und eine Ausbildung zu machen, statt irgendwo Bargeld für Arbeit zu bekommen, das

er seiner Familie schicken kann oder vielleicht auch dringend für sich selbst braucht?

Das ist keine erfundene Geschichte. Ich war bei einer IHK, die sehr intensiv versuchte, einen Flüchtling zu integrieren, der auch sehr gut geeignet war. Er stand vor der Frage: Mache ich, womöglich ohne eine Bleibeperspektive zu haben, eine langfristige Ausbildung, oder versuche ich, Geld zu verdienen?

Ich muss den Menschen, die ich integrieren will, eine dauerhafte Bleibeperspektive bieten oder ihnen zumindest innerhalb eines bestimmten Rahmens ermöglichen, eine dauerhafte Bleibeperspektive zu erlangen, indem ich, vielleicht gemäß dem Prinzip „fordern und fördern“, sage: Wenn du das und das erreicht hast, hast du auch die Möglichkeit, dauerhaft hierzubleiben. – Aber es muss eine Perspektive geben, sonst kann eine nachhaltige Integration einfach nicht funktionieren.

Das ist natürlich eine große Bremse, wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt über eine Ausbildung geht. Eine Ausbildung bedeutet nämlich zunächst einmal eine große Investition, einen großen Aufwand, und gleichzeitig wird befürchtet, es war alles umsonst.

Darum möchte ich diesen Appell voranstellen. Ich weiß, dass es eigentlich nur eine im Deutschen Bundestag – oder auch im Hessischen Landtag – vertretene Partei gibt, die ein Einwanderungsgesetz, das man auch so nennen darf, wirklich ablehnt. Das ist die Union. Wenn man die Kanzlerin reden hört, wundert man sich manchmal, dass es heute immer noch so ist. Ohne ein solches Einwanderungsgesetz wird nämlich jegliche Initiative deutlich erschwert.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Es wird auch viel darüber gesprochen, ob die Entscheidung der Bundeskanzlerin im September letzten Jahres klug war oder nicht und ob es eine historische Entscheidung war. Ich glaube, diese Entscheidung hat uns eines klargemacht – sie war eigentlich eine Art Katalysator –, nämlich dass Themen, die wir vielleicht verdrängt haben, die wir aussitzen zu können glaubten, jetzt mit einer Wucht auf uns zugekommen sind, die es so vorher nicht gab.

Aber das Thema war schon vorher bekannt. Schon eineinhalb oder zwei Jahre vor dieser Flucht vieler Menschen zu uns war ein enormes Anwachsen der Zuwanderung zu verzeichnen. Bereits damals gab es hier eine Debatte darüber, was wir tun können, um die Menschen besser zu integrieren.

Warum haben wir ein Integrationsministerium? Wir wissen, dass wir ein Problem mit Parallelgesellschaften haben. Wir wissen, dass wir in unserer Gesellschaft ein Integrationsversäumnis haben. Wir wissen auch, dass es gerade das Thema Islam ist, das viele Menschen in unserer Gesellschaft umtreibt: Wie gehen wir mit dem Islam um? Wir wissen – das erleben wir in Symboldebatten, z. B. in der Debatte über die Burka –, dass es das ist, was die Menschen umtreibt.

Durch den Flüchtlingszuzug vor einem Jahr ist dieses Problem viel stärker zu uns gekommen. Aber das Thema war immer da. Jetzt aber, da wir es mit dem Thema in einer besonderen Ausprägung zu tun haben, haben wir es auch politisch mehr auf der Agenda und müssen handeln.

An dieser Stelle – dabei vergebe ich mir nichts – möchte ich die GRÜNEN einmal ausdrücklich loben. Ich kann mir

vorstellen, dass es kein Spaziergang war, diese Regelung für Hessen durchzusetzen. Ich könnte mir denken, dass das nicht ganz einfach war und dass das eine Lösung ist, die es in anderen Bundesländern so nicht gibt. Ich glaube, von daher ist es okay, dass man hier einmal deutlich sagt, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Man könnte jetzt nachkarten und sagen: „Das ist überfällig, das hätte viel schneller kommen können“; aber es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, und dabei soll es auch bleiben.

Als Zweites möchte ich ausdrücklich mein Lob dafür aussprechen, dass man die Diskussion hier einmal an dem Thema Wirtschaft aufhängt. Das ist nämlich eine ganz wichtige Frage: Gelingt es uns, die Menschen, die zu uns gekommen sind, in unsere Wirtschaft zu integrieren? Das ist eine der wichtigsten Fragen im Hinblick auf die Akzeptanz der Zuwanderung.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Es wird in Deutschland keine Akzeptanz für die Zuwanderung geben, wenn es eine reine Zuwanderung in die Sozialsysteme ist. Eine Akzeptanz dafür wird es nicht geben. Vielmehr muss es sich um eine Zuwanderung in eine Gesellschaft handeln, die den Zugewanderten Chancen bietet. Die Zugewanderten sollen diese Gesellschaft bereichern. Nur so ist Akzeptanz möglich, und dabei spielt der Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle. Darum finde ich es gut, dass die Diskussion darüber auch einmal unter diesem Aufhänger gelaufen ist. Das ist mein zweites Lob an dieser Stelle.

Ich möchte aber noch etwas ergänzen und auch ein bisschen Wasser in den Wein schütten, nicht um hier die Stimmung zu verderben, sondern um einmal den Handlungsrahmen aufzuzeigen. Ich war vor wenigen Tagen in einer Arbeitsagentur. Abgeordnete aller Parteien waren eingeladen. Wir wurden dort einmal mit realen Zahlen konfrontiert, die sich darauf bezogen haben, was wir bis jetzt haben schaffen können.

In dieser Gebietskörperschaft leben rund 4.000 Flüchtlinge. Wir haben gut 30 von ihnen in den Arbeitsmarkt integriert. Dabei wissen wir nicht einmal, ob es sich um diejenigen handelt, die erst seit einem Jahr da sind. Das konnte man uns nicht sagen. Wahrscheinlich sind es sogar Flüchtlinge, die schon länger da sind. Mehr als die Hälfte ist in reine Helfertätigkeiten vermittelt worden.

Wir sehen, dass diese Problematik enorm ist. Eine Ausbildung im dualen System ist qualitativ hochwertig; das ist eine Herausforderung, die nicht verwässert werden kann und auch nicht verwässert werden soll. Darum ist auch das Programm, das hier aufgelegt worden ist, ein wichtiger Bestandteil. Wenn man sieht, wer das Programm trägt, stellt man fest, dass eigentlich alle Akteure im Boot sind. Jetzt muss man auch versuchen, die bürokratischen Hürden abzubauen.

Wir haben das Problem, dass wir wissen müssen, in welchem Rechtsregelbereich der Betreffende ist. Ist er im Asylverfahren, ist womöglich die Arbeitsagentur zuständig. Hat er einen Duldungsstatus, dann ist wieder eine andere Behörde, das SGB II zuständig. Wir haben hier in unserem fein ausformulierten Rechtsstaat wieder ganz viele Hürden, die immer automatisch entstehen, wenn man einmal etwas richtig voranbringen will.

(Beifall bei der FDP)

Darum ist da auch viel energisches Verwaltungshandeln der Regierungen von Bund und Land notwendig, auch in der Arbeitsagentur, um hier die Möglichkeiten zu verbessern.

Diese Weiterbildungsunterstützungsleistungen sind sehr wichtig. Es gibt keinen Engpass bei den Unternehmen, um Stellen für Flüchtlinge zu finden. Es gibt keinen Engpass an motivierten Flüchtlingen. Aber es gibt noch einen Engpass bei der Frage, wer qualifiziert genug ist, um eine Ausbildung überhaupt machen zu können. Er muss sinnerfassend lesen können. Er kommt aus einem Land, in dem er eine ganz andere Sprache gesprochen hat. Das ist natürlich in kürzestes Zeit nicht zu leisten.

Darum muss uns auch klar sein, dass das nichts ist, was wir in zwei oder drei Jahren gelöst bekommen. Darum ist auch enorm wichtig, dass diese Strukturen immer mehr verbessert werden, dass die Unternehmen dabei nicht mit Bürokratie belastet werden und dass die Flüchtlinge oder diejenigen, die sich einbringen wollen, nicht durch bürokratische Regeln, Altersgrenzen oder sonstige Ausschlusskriterien gehindert werden, an Fördermaßnahmen teilzunehmen.

Darum kann man hier, so glaube ich, sagen: Die Grundsetzentscheidung, die Vorrangprüfung abzuschaffen und nach vier Monaten die Möglichkeit zu haben, direkt ohne diese Hürde in den Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, ist gut. Ich habe einmal nachgeschaut, wie viele in diesem „Wirtschaft integriert“-Programm sind. Ich weiß nicht, ob das die aktuellste Pressemitteilung ist. Der Minister kann vielleicht etwas dazu sagen. Da stand etwas von 300 Personen. Das sind nicht alles Flüchtlinge. Das ist klar. Das Programm ist ja für alle gedacht.

Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Rock.

Das zeigt also, was wir noch an Handlungsbedarf haben. Ich glaube schon, dass das in die richtige Richtung geht. Es ist natürlich erst mal ein ganz kleiner Schritt – aber, wie gesagt, in die richtige Richtung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Rock. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Roth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine kurze Überschrift, ein ganz langer Text und eine schmale, wenn auch wichtige und richtige Regelung – das fällt mir ein, wenn ich mir diesen Antrag anschaue. Gestatten Sie mir eine Zusammenfassung, die, was die meisten Punkte in diesem Antrag angeht, die Zusammenfassung eines Theologen ist. Über die meisten Punkte könnte man schreiben: „Auf, ihr Knechte, jubelt mir zu.“

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Das gilt für uns gemeinsam. Denn – wer will das leugnen? – in den zurückliegenden Wochen und Monaten haben wir, was die Bewältigung der Flüchtlingskrise angeht, in diesem Haus eng zusammengestanden. Das halte ich auch für dem Thema und der Sache angemessen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abge- ordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe gesagt: Eine schmale, aber wichtige und richtige Regelung – und das ist das einzig Neue, was ich in diesem Antrag lese – ist die Aussetzung der Vorrangprüfung. Alles andere war noch einmal eine Bestätigung dessen, was wir in vielen anderen Anträgen und Papieren gelesen haben, miteinander verabschiedet haben. Jetzt geht es um diesen Punkt. Noch einmal sage ich: Es ist richtig und wichtig.

Dennoch bleiben Fragen. Ich habe mir die Mühe gemacht, im Gesetzestext des Bundesintegrationsgesetzes nachzuschauen. In der Erläuterung dazu ist zu lesen: