Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Das ist aber grundfalsch, was Sie hier immer wieder vortragen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie wollen die Leute alle abschieben)

Deshalb danke ich Herrn Greilich, dass er das eben noch einmal richtiggestellt hat. Das haben wir übrigens in der letzten Debatte auch getan. Es ist natürlich nicht so, dass jemand, der einen Schutzgrund vorträgt, keine Anerkennung auf Asyl mehr erhalten kann.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie wissen doch, wie das hier ist!)

Nein, das ist nicht so. Den Ländern, die bereits sichere Herkunftsstaaten sind, werden natürlich auch Schutzquoten erteilt. Menschen aus den Ländern werden selbstverständlich, wenn sie entsprechende Gründe vortragen, auch anerkannt. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Prüfung der Verhältnisse in den drei nordafrikanischen Ländern zu dem Ergebnis gekommen, dass sie die Bedingungen, die wir an einen sicheren Herkunftsstaat stellen, erfüllen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir als CDU halten die Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten für richtig. Dafür setzen wir uns auch ein. Herr Greilich – das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen –,

(Florian Rentsch (FDP): Jetzt bin ich gespannt!)

mich würde einmal interessieren, ob sich Ihre Bemühungen auch in Richtung Rheinland-Pfalz richten;

(Michael Boddenberg (CDU): Das wäre schon was!)

denn da sind Sie an der Landesregierung beteiligt. Sie haben also, wie Sie das eben so schön gesagt haben, dort Ihre Machtoptionen genutzt. Es würde mich jetzt doch interessieren, was Sie in Richtung Rheinland-Pfalz tun – Sie sind ja Kollegen, da besteht doch sicherlich ein enger Kontakt –, damit die FDP die dortige Landesregierung beeinflusst.

(Wolfgang Greilich (FDP): Wir arbeiten daran! – Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der FDP)

Herr Greilich, „wir arbeiten daran“ – das war ja sehr entlarvend. – Die Debatte in Rheinland-Pfalz ist in der Woche auch gelaufen. Die Ergebnisse sind relativ klar. Anstatt hier im Hessischen Landtag Wiederholungsanträge zu stellen, wäre es sicher sinnvoll, sich noch einmal in Richtung Rheinland-Pfalz zu bemühen.

(Florian Rentsch (FDP): Wir kümmern uns darum! Wir sind ja hessische Abgeordnete! Sie auch, Frau Kollegin Wallmann!)

Frau Kollegin Wallmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das mache ich gern, Herr Präsident.

Mir ist noch wichtig, zum Schluss zu sagen: Die Koalition in Hessen steht eng beieinander.

(Florian Rentsch (FDP): Das sehe ich aber nicht!)

Das mag Ihnen nicht passen. Da können Sie Anträge stellen, so viele Sie wollen. Das wird sich auch nicht ändern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Sieh zu, sonst mache ich Schluss. Bitte sehr, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 2014 und 2015 hatten CDU und SPD mit Unterstützung der GRÜNEN die sechs Balkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und Kosovo zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Heute fordert die FDP, die Liste der angeblich sicheren Herkunftsstaaten auf die MaghrebStaaten, also auf Marokko, Algerien und Tunesien, auszudehnen, und dass Hessen im Bundesrat „endlich“ dafür

eintritt. Meine Damen und Herren, die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ist nichts anderes als die Zementierung eines Zwei-Klassen-Asylrechts, und das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen ganz klar Nein zur weiteren Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes. Schutzsuchende aus einem angeblich sicheren Herkunftsstaat bekommen asylrechtlichen Schutz nämlich nur noch in rudimentärem Umfang. Aus der Sicht hiesiger Behörden stellen sie einen unbegründeten Asylantrag, und zwar alle. Sie werden in Sonderlagern untergebracht, unterliegen einer verschärften Residenzpflicht und sind von allen möglichen Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen, die von Anfang an nötig wären.

Meine Damen und Herren, das Recht auf ein faires Asylverfahren, der Anspruch auf eine individuelle Beurteilung, muss weiterhin in vollem Umfang bestehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen einen effektiven Flüchtlingsschutz und lehnen diskriminierende Sonderbehandlungen ab.

Es ist doch jetzt schon klar, dass mit der Deklarierung der Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht sein wird. Die CDU will z. B. sogar den Folterstaat Gambia zum sicheren Herkunftsstaat erklären. Wenn es so weit ist, befürchte ich, dass sich leider auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch weiter von der Idee eines effektiven Flüchtlingsschutzes verabschieden wird. Wenn Winfried Kretschmann von der „kriminellen Energie junger Menschen nordafrikanischer Herkunft“ fabuliert – –

(Zuruf von der CDU: Guter Ministerpräsident!)

Bei Herrn Greilich kann ich das ja noch verstehen. Wenn aber Herr Kretschmann seine Unterstützung für die weitere Asylrechtsdemontage damit rechtfertigt, dann ist das nicht nur traurig, sondern auch alarmierend.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn das ist nichts als rassistischer Unfug. Die GRÜNEN in diesem Hause sollten sich ernsthaft fragen, ob sie sich wirklich weiter in diesem Fahrwasser bewegen möchten.

(Florian Rentsch (FDP): „Rassistischer Unfug“ ist schon stark!)

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat der Möglichkeit, Staaten pauschal als sicher zu deklarieren, enge Grenzen gesetzt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts darf das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten schon dann nicht zur Anwendung kommen,

(Zuruf von der CDU: „Rassistischer Unfug“!)

wenn ein Staat überhaupt zu politischer Verfolgung greift, sei diese auch nur auf wenige Personengruppen begrenzt. Tut er dies – so das Verfassungsgericht –, ist auch die übrige Bevölkerung nicht mehr vor Verfolgung geschützt.

Meine Damen und Herren, genau das trifft auf die Maghreb-Staaten zu. In allen drei Maghreb-Staaten bestehen keine ausreichenden rechtsstaatlichen Standards. Sicherheitskräfte foltern und misshandeln, um Geständnisse zu erzwingen. Gesetzlich garantierte Rechte werden nicht gewährt. Regierungskritiker und Journalisten laufen stets Gefahr, von staatlichen Stellen inhaftiert zu werden. Sie kön

nen nicht hier die Pressefreiheit fordern und ignorieren, dass es sie woanders nicht gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Versammlungsrecht und das Recht, sich zu organisieren, sind eingeschränkt. Frauen, die Rechte wahrnehmen, wenn sie sich beispielsweise von ihrem Ehemann trennen, werden staatlicherseits nicht geschützt. Sexuelle Übergriffe werden oft nicht geahndet. Ich nenne nur Vergewaltigungen und die Verheiratung Minderjähriger. Auch Homosexuelle werden systematisch verfolgt.

Meine Damen und Herren, alle Fakten sprechen dagegen, Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Wer diese Staaten als sicher einstuft, ermutigt auch ihre Regierungen, weiterhin diese Menschenrechtsverletzungen zu praktizieren.

Die Landesregierung darf, wie sie es im Fall von Abschiebungen nach Afghanistan tut, nicht die Augen vor der Realität verschließen. Wer sich Humanität auf die Fahnen schreibt, muss Farbe bekennen und im Bundesrat gegen den weiteren Abbau des Flüchtlingsschutzes stimmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. Ihre Äußerung „rassistischer Unfug“ muss ich rügen.

(Beifall bei der CDU – Astrid Wallmann (CDU), zu Abg. Gabriele Faulhaber (DIE LINKE) gewandt: Das ist das Allerletzte, was Sie da machen! – Zuruf von der CDU: Immer wieder diese Ausfälle!)

Das ist gerügt und damit erledigt. – Dann hat jetzt der Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

(Holger Bellino (CDU): Das finden die noch witzig bei den LINKEN!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihr Antrag ist der erneute Versuch, auf kleinstem politischen Karo einen Erfolg zu erzielen, indem Sie versuchen, ein, wie ich finde, sehr sensibles Thema zu politisieren und auf kleinstem politischen Karo daraus Profit zu schlagen. Ich kann Ihnen nur sagen, das wird Ihnen bei dieser Frage nicht gelingen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zu meiner ersten Vorbemerkung knüpfe ich an die Ausführungen von Frau Kollegin Wallmann an. Wir haben tatsächlich eine Koalition, die sehr gut arbeitet. Wir pflegen einen sehr reifen, erwachsenen Umgang. Zu diesem reifen, erwachsenen Umgang gehört auch, dass es auf bestimmten Feldern unterschiedliche politische Auffassungen gibt. Frau Kollegin Wallmann, da werden Sie mir recht geben. Wir haben in dieser Koalition zu bestimmten Punkten unterschiedliche Auffassungen. Klug ist es, dass wir diese Positionen untereinander austauschen.