Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Zu meiner ersten Vorbemerkung knüpfe ich an die Ausführungen von Frau Kollegin Wallmann an. Wir haben tatsächlich eine Koalition, die sehr gut arbeitet. Wir pflegen einen sehr reifen, erwachsenen Umgang. Zu diesem reifen, erwachsenen Umgang gehört auch, dass es auf bestimmten Feldern unterschiedliche politische Auffassungen gibt. Frau Kollegin Wallmann, da werden Sie mir recht geben. Wir haben in dieser Koalition zu bestimmten Punkten unterschiedliche Auffassungen. Klug ist es, dass wir diese Positionen untereinander austauschen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dazu gibt es auch ein Verfahren, das der FDP nicht unbekannt sein dürfte. Wenn es in der Landesregierung unterschiedliche Auffassungen gibt, kommt es im Bundesrat zu einer Stimmenthaltung. Das ist ein jahrzehntelang praktiziertes Verfahren. Das ist nicht neu. Das könnte die FDP insofern wissen.

Noch eine Vorbemerkung: Die Bundesregierung hat im März 2016 einen Gesetzentwurf eingebracht. Dazu hat der Bundesrat eine Stellungnahme abgegeben, aus der klar hervorging, dass es für dieses Gesetzesvorhaben der Bundesregierung keine Mehrheit geben wird. Weitere Gespräche haben seitdem nicht stattgefunden.

Wir haben als GRÜNE von Anfang an gesagt: Um welches Problem handelt es sich? Worum geht es überhaupt? Wie kann man das Problem lösen? – Wir waren von Anfang an gesprächsbereit, wie dies in vielen anderen Zusammenhängen ebenfalls der Fall ist. Wir haben auch schon einmal die Ausweitung der Zahl der sicheren Herkunftsstaaten abgelehnt. Im Falle des Westbalkans haben wir das mitgetragen, weil dies Teil eines Pakets war. Insofern ist das keine grundsätzliche Frage.

Nicht infrage gestellt wird der Grundsatz – und dabei gibt es auch keinerlei Wackeln –, dass jeder Mensch, der in Deutschland einen Asylantrag stellt, das Recht hat, dass dieser Antrag geprüft wird, egal aus welchem Land er kommt. Dieses Recht ist und bleibt unangetastet. Auch die Menschen aus Algerien, Tunesien und Marokko haben ein Recht darauf, dass ihr Asylantrag geprüft wird. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Das möchte ich an dieser Stelle einmal eindeutig feststellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man aber weiß, dass Asylanträge von Menschen, die aus dem Maghreb kommen, nur in 1 % bis 3 % der Fälle positiv beschieden werden, kann man sich in der Tat Gedanken darüber machen, warum die Verfahren in den Jahren 2015 und 2016 so lange gedauert haben. Das ist eine wichtige Fragestellung.

Die Bundespartei der GRÜNEN hat sich – ebenso wie wir im Land – für den Aktionsplan „Fast and Fair“ ausgesprochen. Das heißt, wir wollen, dass die Menschen, die aus dem Maghreb kommen, ein faires Verfahren bekommen, das aber schnell geht. Auch das ist mittlerweile umgesetzt.

Wie Sie wissen, geht das BAMF so vor, dass Menschen aus dem Maghreb in das Cluster B aufgenommen werden, sodass sie in den ersten 48 Stunden nach der Ankunft einen Asylantrag stellen können. Sie erhalten dann auch eine erste Entscheidung, gegen die sie Widerspruch einlegen können. Dann folgt auch eine Prüfung von Abschiebeverboten.

Aus unserer Sicht hat dies folgende Auswirkungen. Zunächst einmal ist die Zahl der Schutzsuchenden von mehreren Tausend vor eineinhalb Jahren auf wenige Hundert heute gesunken. Das Thema ist also längst nicht mehr so evident. Darüber hinaus werden die Asylverfahren beschleunigt. Jetzt bleibt noch das Problem übrig, was man mit den Abgelehnten macht. Da gibt es nur eine Alternative, nämlich: Abschluss von Rückführungsabkommen, und zwar solche Abkommen, die auch etwas taugen.

Wenn man also Menschen zurückführen will – und wir sind der Meinung, dass jeder, der politisch verfolgt wird oder vor Krieg und Terror flieht, hier Schutz bekommt, und die Menschen, die nicht diesen Schutz gewährt be

kommen, zurückgeführt werden –, dann muss man auch Sorge dafür tragen, dass es gelingt, diese Menschen in ihre Heimatländer zurückzubringen. Das ist Aufgabe der Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen möchte ich noch einmal betonen: Wir fragen uns, was das Problem ist. – Das Problem ist, dass wir viele Menschen haben, rund 98 %, deren Schutzgesuch abgelehnt wird. Wenn das schnell verarbeitet und diese Information klar über die Theke gereicht wird, dann ist das eine Problem abgearbeitet. Wenn das zweite endlich angegangen würde, dass die Bundesregierung mit den jeweiligen Ländern auch Rückführungsabkommen abschließt, sodass es auch für die Menschen ermöglicht wird, dass sie zurückkommen, dann, finde ich, haben wir eine Menge Probleme gelöst.

Dann braucht man auch keine symbolische Handlung, die praktisch nichts löst – über diese symbolische Handlung sind wir unterschiedlicher Auffassung –, nämlich eine reine Ausweitung der als sicher zu bezeichnenden Herkunftsstaaten. Damit haben Sie kein einziges Problem gelöst. Im Übrigen haben Sie aber auch keines wesentlich verschlimmert – es wird kein Asylrecht abgeschafft, das können Sie noch so oft erzählen. Jeder Mensch hat nach wie vor das Recht auf Asyl und Schutz, und nur, weil Sie es dauernd behaupten, wird es nicht wahrer. Andererseits nutzt es wenig, bringt wenig und ist eine symbolische Handlung.

Wir wollen, dass man Probleme tatsächlich angeht und Lösungsvorschläge vorlegt.

Herr Kollege Bocklet, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir wollen, dass man diese Lösungsvorschläge auf den Tisch legt und ernsthaft miteinander verhandelt. Wir GRÜNE sind gesprächsbereit, bisher gab es keine weiteren Gespräche. Ich finde, es ist wenig Aufregung, und zuallerletzt ist es ein Thema, bei dem sich die FDP darüber aufmuckern kann, dass hier Uneinigkeit herrsche. Das sind in der Tat unterschiedliche erwachsene Auffassungen, die man auch grundehrlich diskutieren muss. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Bocklet. – Das Wort hat der Abg. Ernst-Ewald Roth, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich mich gestern auf die Aktuelle Stunde der FDP vorbereitet habe, habe ich einmal ins Netz hineingeschaut und nachgesehen, was der Landtag zu diesem Thema bereithält. Dabei ist mir aufgefallen – da gab es die beiden Anträge, die jetzt auf dem Tisch liegen, noch nicht –, dass wir in dieser Legisla

turperiode 308 parlamentarische Initiativen zu Flüchtlingsfragen hatten. Ich frage mich – wenn ich höre, was die Kolleginnen und Kollegen allesamt gesagt haben – , ob wir beide Anträge heute tatsächlich gebraucht hätten.

(Beifall bei der SPD – Florian Rentsch (FDP): Da hat er recht!)

Ich erinnere mich sehr wohl an das Datum – es war der 4. Februar 2016 –, als mein Fraktionsvorsitzender zu diesem Thema – andere auch, aber er für uns – gesprochen hat. Wenn es sonst schon keiner tut, tue ich es. Ich darf zitieren:

Die Ausweitung des Konzepts der sicheren Herkunftsstaaten auf die Maghreb-Staaten ist umstritten, auch in meiner eigenen Partei.

Dann fügt er hinzu:

Um ein wichtiges Missverständnis auszuräumen, will ich es am Anfang gleich sagen: Die Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten führt ausdrücklich nicht zur Aussetzung des Art. 16a und des individuellen Rechtsanspruchs.

Kolleginnen und Kollegen, damit ist die gesamte Thematik, um die es geht, eigentlich beschrieben.

(Beifall bei der SPD)

Was uns dann beschäftigt, wozu sich der Bundestag zu verhalten hat – ich habe die Einschränkung erwähnt –: Am Ende ist es ein Kompromiss. Und bei Kompromissen ist es immer so, dass die einen, die mit einer festen Position hineingehen und die anderen, die mit einer festen Position hineingehen, am Ende so nicht wieder herauskommen. Ich glaube, dass der in dieser Frage vorgelegte Entwurf – und wir reden hier nur über Maghreb, nicht über Westbalkan, wir reden nicht über Afghanistan, was der Bundesinnenminister im Kopf hatte oder hat, wir reden nur über Maghreb –, zu dem man sich verhalten muss, ein solcher Kompromiss ist.

Ich will allerdings auch nicht verhehlen, dass es zwingend notwendig ist – auch diese Stichworte sind eben gefallen – und im Zusammenhang mit den sicheren Herkunftsstaaten umso notwendiger wird, über die Themen Einwanderungsgesetz und Zuwanderung viel deutlicher zu reden, als wir es bisher tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ein vierter und für mich letzter Punkt, auf den bereits hingewiesen wurde, sind Rückführungsabkommen. Eben ist klar gesagt worden, sowohl von der CDU wie auch von den GRÜNEN, wo die Verantwortung liegt. Es wurde gesagt, sie liege bei der Bundesregierung; das stimmt. Aber zuständig für die Frage sind der Bundesinnenminister und das Bundeskanzleramt – –

(Zuruf von der CDU: Der Außenminister!)

Ja, aber in deren Rückführungsabkommen sind genau die beiden diejenigen, die auch angekündigt haben, dass sie in den Maghreb-Staaten darüber verhandeln werden.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Deshalb ist es zwingend notwendig, dass von dort die Vorgabe kommt, die wir in der Frage zwingend brauchen. Dann, glaube ich, wird es auch der Koalition in Hessen leichter fallen, endlich zu Entscheidungen zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Roth. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Peter Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Frage der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer hat die Hessische Landesregierung durchaus noch Diskussionsbedarf. Ich greife da einen Satz auf, den der Kollege Greilich eben dazwischengerufen hat, und das gilt uneingeschränkt auch für die Hessische Landesregierung: Wir arbeiten daran.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das war die letzte Wortmeldung zu diesem Punkt.

Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst die namentliche Abstimmung zu Punkt 57:

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Hessen muss Blockadehaltung endlich aufgeben – Erweiterung sicherer Herkunftsstaaten im Bundesrat zustimmen – Drucks. 19/4456 –

Wer fängt an? – Bitte.

(Namensaufruf – Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Ist jemand im Raum, der noch abstimmen möchte? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und unterbreche die Sitzung zur Auszählung der Stimmen.

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben sich 105 Kolleginnen und Kollegen beteiligt. Mit Ja stimmten 5, mit Nein 66 Abgeordnete. 34 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Dringliche Antrag der FDP-Fraktion in namentlicher Abstimmung abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 58 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Abstimmung zu sicheren Herkunftsstaaten – Drucks. 19/4457 –