Protokoll der Sitzung vom 23.02.2017

Astrid Wallmann, vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Janine Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landeshauptstadt Wiesbaden ist die einzige der vier größten Städte Hessens, die ihren Nahverkehr komplett mit Bussen abwickelt. Sie ist damit schon längst an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen. Zum Beispiel kommen am Bahnhof oftmals gleichzeitig mehrere Hundert Menschen mit Zügen an. Sie quetschen sich dann in wenige Busse.

In der Innenstadt blockieren sich die in dichtem Takt fahrenden Busse oft gegenseitig. Oft sind sie überfüllt. Gerade wenn es zu Verspätungen kommt, laufen die Busse aufeinander auf.

Die Busse sind schlecht beschleunigbar. Sie stehen oft im gleichen Stau und an den gleichen Ampeln wie die Autos

und haben damit oftmals keinen Zeitvorteil. Eine Schienenlösung hätte da klare Vorteile, wenn sie, wo immer es möglich ist, baulich vom restlichen Verkehr getrennt und ansonsten klar priorisiert durch die Stadt geführt würde.

Generell bevorzugen Fahrgäste Bahnen gegenüber Bussen. Für diesen sogenannten Schienenbonus gibt es gute Gründe: Die Linien sind im Stadtbild klar erkennbar, die Fahrten sind komfortabler und zuverlässiger, die Bahnen sind geräumiger.

Wir reden hier nicht nur über den Vorteil der Schiene, sondern wir reden vor allem auch über die Elektrifizierung des Verkehrs. Wiesbaden hat nämlich noch ein anderes Alleinstellungsmerkmal unter den hessischen Großstädten, den NOx-Baum vor dem Bahnhof. Die Lichtinstallation im Baum zeigt farbig an, wie es um die Luftqualität in der Stadt steht. In der Wiesbadener Kessellage ist sie besonders verheerend. Bei Überschreitung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid in der Luft leuchtet der Baum rot. Dieser Baum ist leider meistens rot. In diesem Fall ist rot ausnahmsweise nicht gut.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Rot bedeutet immer Gefahr, das ist schon in der Natur so!)

Gerüchteweise soll dieser Baum in klaren Nächten einmal vorübergehend grün leuchten. Aber in der Regel leuchtet er rot und zeigt an, dass wir eine hohe Schadstoffbelastung in der Stadt haben.

Schuld sind vor allem die Dieselfahrzeuge in der Stadt. Dazu gehören natürlich auch maßgeblich die Busse.

Natürlich braucht es beim Neubau der Stadtbahn die Einbindung und Beteiligung der Menschen in der Stadt und in der Region. Es bedarf besonders der Einbindung der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner.

Natürlich ist es mit der Stadtbahn nicht getan, will man die Verkehrswende in der heutigen Autostadt Wiesbaden. Dringend notwendig ist z. B. der Ausbau des Radverkehrs. Die Radwege müssen vor dem Zuparken geschützt werden. Das Zuparken in der Stadt ist ein großes Problem. Es geht aber auch um ein kostenloses Leihradsystem. All das könnte dazu führen, dass Wiesbaden ein Stück weit von Lärm und Autos entlastet würde.

Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Wiesbadener Verkehrsdezernent auch die kostenfreie Nutzung des ÖPNV als ein Werkzeug im Kampf gegen die Schadstoffbelastung in der Stadt ins Spiel gebracht hat. Auch wir diskutieren und fordern den Nulltarif. Von daher freut es mich, wenn diese Debatte auch bei den verantwortlichen Kommunalpolitikern so geführt wird.

Das Beispiel der Stadtbahn Wiesbaden zeigt, wie wichtig auch große Investitionen in die kommunale Nahverkehrsinfrastruktur sind. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden viele Großprojekte verwirklicht, in Hessen natürlich allem voran die Errichtung der U- und S-Bahnen in Frankfurt.

Mittlerweile wird aber nur noch punktuell in neue ÖPNVInfrastruktur investiert. Dabei wären auch weiterhin große Visionen und große Investitionen notwendig, die die Kommunen in Zukunft nicht alleine werden stemmen können. Deshalb ist es wichtig, dass der Bund die Gemeindeverkehre noch mehr als bisher finanziell unterstützt. Aber

auch das Land muss unterstützen, um nachhaltige und umweltfreundliche Alternativen zum Auto zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Errichtung einer Stadtbahn in Wiesbaden ist mehr als überfällig. Sie kommt viel zu spät. Fast 20 Jahre wurden verloren, weil insbesondere durch die FDP, aber auch durch die CDU das Projekt immer wieder sabotiert wurde. Das muss man auch sagen: Die CDU war, um es mit den Worten der GRÜNEN zu sagen, in diesem Fall auch lange eine Dagegen-Partei. Nach der Kommunalwahl im Jahr 2001 – die Finanzierung war zu diesem Zeitpunkt schon gesichert – verwarfen CDU und FDP die weit gediehenen Stadtbahnpläne. Im Jahr 2013 tat der FDP-Verkehrsminister Rentsch noch einmal alles, um das Projekt zu verhindern, weswegen die Planungen wieder gestoppt wurden.

Jetzt kann die FDP gerade einmal auf keiner Ebene Steine in den Weg werfen. Deshalb muss die Errichtung jetzt angegangen werden. Dabei geht es nicht nur um die Errichtung einer Linie. Vielmehr brauchen wir ein Stadtbahnnetz in Wiesbaden. Die angedachten Anbindungen nach Mainz und über die Aartalbahn nach Bad Schwalbach wären sehr sinnvoll. Das könnte der Mobilität in der Region neue Impulse geben. Das begrüßen wir ausdrücklich. Das muss jetzt angepackt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Wissler, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Ernst-Ewald Roth für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wiesbadener Abgeordneten haben gemeinsam, dass sie stark erkältet sind.

(Horst Klee (CDU): Nein, ich nicht! Ich sage ausdrücklich: ich nicht!)

Zunächst möchte ich auf die Historie dieses Themas zu sprechen kommen. Das wurde von einigen schon angesprochen. In den Neunzigerjahren bis Anfang 2000 gab es im Stadtparlament eine große Mehrheit für die Errichtung der Stadtbahn. Dann nutzte die FDP im Kommunalwahlkampf 2001 die Gunst der Stunde und hat das zum Wahlkampfthema gemacht. Sie hat dann in der Tat in dieser Stadt stark dazugewonnen.

Kollegin Wissler, das muss in der Tat der Aufrichtigkeit wegen wirklich gesagt werden: Danach gab es eine Gestaltungsmehrheit in dieser Stadt aus CDU, FDP und einem Republikaner, die dieses Projekt dann gestoppt hat.

Zweiter Versuch. Vor knapp fünf Jahren gab es eine Neuauflage unter der Überschrift „Regiobahn“ – eine Initiative der Stadtentwicklungsdezernentin Möricke. Das ist gescheitert – in der Tat nicht an der FDP, aber an einem FDP-Minister, der jetzt hier im Hessischen Landtag Fraktionsvorsitzender ist.

(Florian Rentsch (FDP): Auch an der Verkehrsdezernentin Ihrer Partei!)

Dritter Versuch. ESWE-Verkehr im September 2016 – jetzt heißt das ganze Projekt Citybahn. Es ist erfreulich, dass sieben von acht Fraktionen im Stadtparlament dieses

Projekt unterstützen und einen Brief an den amtierenden Wirtschafts- und Verkehrsminister unterschrieben haben, der sich dieses Projekts angenommen und 15 % der Planungskosten in Aussicht gestellt hat. Ich könnte jetzt aus meiner Fraktion viele Namen nennen, die sich meinem Dank anschließen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))

Von den vielen Dingen, die von den Vorrednerinnen richtig benannt wurden, will ich wenigstens noch zwei Punkte nennen. Wir gehen derzeit von einem Fahrgastaufkommen von 82.000 Personen täglich aus, darunter 22.000 neue, die vom Auto auf den ÖPNV umsteigen. Die anderen Projekte, was die Senkung der Schadstoffbelastung und viele andere Punkte mehr angeht, sind genannt.

Ich sage das jetzt an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN: Wir wünschen uns, dass die Citybahn ins Rollen kommt, aber wir sind in einem weit entfernten Stadium. Frau Wallmann hat es angesprochen. Die Stadtverordnetenversammlung hat das am 16. Februar Gott sei Dank beschlossen. Mein Wiesbadener Parteivorsitzender hat gesagt: Wir entscheiden heute nicht über die Details der Streckenführung, nicht über die Standorte der Haltestellen, nicht über die Taktung der Bahnen, nicht über Rasengleise, nicht über Oberleitungen und nicht darüber, ob der Grundwasserschutz gewahrt ist oder ob und welche Buslinien in Zukunft anders fahren werden. Wir entscheiden heute einzig und allein über eine Vor- und Entwurfsplanung, die Vorbereitung der Gründung einer Citybahn GmbH und die Bereitstellung von Mitteln für dieses Projekt.

Die Vorplanung ist entschieden. Wir alle wissen aus anderen Projekten im Lande Hessen, bei denen schon Bagger gerollt sind, wo wir jetzt stehen. Hier ist es so: Ich hoffe, dass die Citybahn ins Rollen kommt, aber wir sind noch weit davon entfernt.

Ein Punkt unter vielen, der in der Kritik der FDP zu allen Zeiten eine Rolle gespielt hat, war das Schotterbett in dieser Stadt. Da wird ein Schotterhaufen quer durch die Stadt gezogen – das kann man vergessen. Mir fallen dabei Hänsel und Gretel ein, die eine Kiesspur gezogen haben

(Horst Klee (CDU): Das hatten wir aber in Wiesbaden schon!)

ja, das gab es schon –, damit sie wussten, wie sie von A nach B wieder zurückfinden. Herr Kollege Lenders, so wie Sie es gesagt haben, kann man nicht irgendwo in den Bus einsteigen. Man muss sich da schon orientieren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, lieber Herr Kollege Ernst-Ewald Roth. – Das Wort hat Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Citybahn in Wiesbaden ist ein zentrales Vorhaben für einen leistungsfähigen, umweltfreundlichen und zukunfts

fähigen Personennahverkehr in der Stadt Wiesbaden. Es ist leistungsfähig, weil Wiesbaden mit der Citybahn in der Lage wäre, das wachsende Fahrgastaufkommen im ÖPNV in ausreichender Qualität zu bewältigen. Ein weiterer Ausbau des Busnetzes würde angesichts der Tatsache, dass die Busse schon jetzt teilweise sich gegenseitig und auch andere Verkehrsteilnehmer behindern, sicher ein großes Problem werden und zu einem Dauerstau beitragen.

Zweitens. Es ist ein umweltfreundliches Projekt, weil eine Straßenbahn Emissionen von CO2 und sonstigen Schadstoffen vermindert. Das heißt, die Ziele des Klimaschutzes und der Luftreinhalteplanung würden an dieser Stelle gefördert, und das wäre ein entscheidender Beitrag zur dauerhaften und – im wahrsten Sinne des Wortes – nachhaltigen Schadstoffentlastung in Wiesbaden. Wir haben die absurde Situation, dass Wiesbaden mit die größten Probleme bei der Luftreinhaltung hat und gleichzeitig eine der größten Dieselbusflotten in Hessen betreibt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Projekt ist zukunftsfähig, weil man in der Landeshauptstadt zeigen könnte, wie man mit einem guten ÖPNV-Projekt die Lebensqualität in der Stadt verbessert. Eines muss man sagen: Die Menschen – das wissen wir – fahren lieber mit der Bahn als mit dem Bus. Das sagen uns die Lebenserfahrung und jede Untersuchung. Wenn man sich das einmal insgesamt anschaut: Es gab in den Siebzigerjahren überall die Situation, dass man Busverkehre neu eingerichtet und Straßenbahnen teilweise stillgelegt hat. Man hat gedacht, das funktioniert jetzt alles nur noch auf der Straße. Dann stellte man fest: Es funktioniert eben nicht, weil die Menschen lieber in die Bahn als in den Bus steigen. Deswegen muss man aus meiner Sicht alles dafür tun, dass man auch kommunale ÖPNV-Projekte, die die schienengebundenen Verkehre fördern, an dieser Stelle unterstützt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen weiteren Punkt, der über die Stadt Wiesbaden hinausgeht – jetzt fangen die Vorplanungen an. Natürlich gibt es einen Teil, an dem das Ganze als länderübergreifendes Projekt geplant ist. Ich glaube, wir haben in der letzten Plenarwoche über Brücken zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen gesprochen. Es wäre eine grenzüberschreitende Straßenbahn, weil sie nämlich das Mainzer Straßenbahnnetz mit benutzen würde. An dieser Stelle würde das sicherlich auch einen Beitrag dazu leisten, in einer solchen Situation die Beziehungen zwischen Mainz und Wiesbaden, die gerade beim Fasching nicht immer die besten sind, im wahrsten Sinne des Wortes zu verbessern. Es gibt ebenfalls – wir sind gespannt darauf, was die Vorplanungen und die weiteren Planungen ergeben werden – noch die Aartalbahn.

(Beifall des Abg. Marius Weiß (SPD))

Wenn man das Ganze einmal weiterdenkt in Richtung Bad Schwalbach, dann könnte auch das – wenn es klappt, das ist noch nicht sicher – einen Beitrag dazu leisten, die dortige Engpasssituation, Stichwort: B 54 und Eiserne Hand, zu entschärfen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, das ist ein gutes Projekt. Es ist teuer. Die geschätzten Kosten liegen bei ca. 200 Millionen € zuzüglich ca. 40 Millionen € für die Fortführung nach Mainz, im Falle eines Falles dann noch einmal 70 Millionen € für die Verlängerung ins Aartal bis Bad Schwalbach. Aber es ist ein kluges Projekt. Die Zusammenarbeit mit Mainz führt zu einer Kostenersparnis auf beiden Seiten, weil man sich dann nämlich hier den Betriebshof und die sonstigen Wartungseinrichtungen sparen könnte. Die Mainzer könnten wiederum ihre Kapazitäten besser auslasten. Ich glaube, dass man das auf Neudeutsch Win-win-Situation nennt. Wir wollen das Projekt unterstützten. Wir als Verkehrsministerium haben jetzt die Vorplanung unterstützt, weil es aus unserer Sicht ein besonders förderungswürdiges Projekt ist. Wir haben uns auch jetzt schon an das Bundesverkehrsministerium gewandt und gesagt, dass es wichtig sei, dass wir die Zuschüsse des Bundes bekommen. Sonst ist dieses Projekt nicht durchführbar.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass der Bundesverkehrsminister die Bereitschaft zur Förderung des Vorhabens signalisiert hat, aber natürlich nur unter der Bedingung, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Deswegen ist das Projekt mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der vergangenen Woche endlich auf einem guten Weg. Wir begrüßen das ausdrücklich.