Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Die SPD-Fraktion unterstützt dieses deutliche Signal, das sich einreiht in die allgemein abgesenkte Sparquote der Justiz gegenüber anderen Bereichen im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung und die erheblichen Zukunftsinvestitionen in die Justiz, unter anderem im Rahmen von Justiz 2000.

Wer hier ein Urteil über die Justizpolitik fällt, sollte sich das ganze Bild machen. Ihr Sichtfeld, meine Damen und Herren von der Opposition, ist allerdings diesbezüglich reichlich getrübt. An die Richter hingegen möchte ich appellieren: Wir sind im letzten Jahr der Konsolidierung, und damit ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Durch die neuerliche Marscherleichterung ist das Licht am Ende des Tunnels sogar noch ein wenig heller geworden.

Alle Bereiche der Hansestadt sind von der unbedingt notwendigen Sparpolitik betroffen gewesen. Das kann nicht anders sein, wenn wir in Hamburg keine Berliner Verhältnisse haben wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Auch die Justiz kann dabei nicht ausgeschlossen bleiben. Ihre besondere Stellung als Garant der Rechtsgewährung und des Rechtsfriedens haben Senat und Bürgerschaft jedoch seit Beginn der Konsolidierung mit beachtet und berücksichtigt. Alle Statistiken und Ländervergleiche zeigen, daß Hamburg nicht nur gut mithält, sondern in manchen Bereichen vorn ist. Die Hamburger Justiz erfüllt ihre Aufgaben. Das ist die Wahrheit.

Mein Appell an alle Beteiligten: Kurs halten und die Konsolidierung verantwortbar gestalten, und dafür stehen wir im Dialog mit den Gerichten. Ihre Forderung dagegen, verehrte Kollegen von der CDU, das Personal an den Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft um 10 Prozent aufzustocken, ist nur eines, nämlich in höchstem Maße unseriös. Sie stellen hier einen ungedeckten Scheck aus. Ihre Parteikollegen in Berlin haben gerade vorexerziert, daß ohne verantwortliches Wirtschaften eine Stadt in schwerstes Fahrwasser kommt. Mit uns gibt es keine ungedeckten Schecks. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Wer stimmt dem Antrag aus der Drucksache 16/6327 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 64, Drucksache 16/6281: Zwischenbericht des Bau- und Verkehrsausschusses zum Thema Unfallschwerpunkte in Hamburg.

[Zwischenbericht des Bau- und Verkehrsausschusses über die Drucksache 16/5600: Unfallschwerpunkte in Hamburg (CDU-Antrag) – Drucksache 16/6281 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Schmidt, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte ist gewissermaßen der Dank dafür, daß die CDU heute einen Regierungsantrag zur Debatte angemeldet hat. Also melden wir heute einen CDUAntrag zur Debatte an.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der CDU)

Dieser CDU-Antrag ist im Bau- und Verkehrsausschuß diskutiert worden, und Sie haben den Bericht vorliegen. Interessant an dem Bericht ist nicht, was die Fraktionen oder die Abgeordneten gesagt haben, sondern was die Senatsvertreter vorgetragen haben. Daraus haben wir alle – und ich vermute, auch die CDU-Abgeordneten – einiges gelernt. Wir wissen jetzt, daß es auch in Hamburg eine sogenannte Unfallkommission gibt, in der alle wichtigen Informationen über das Verkehrsunfallgeschehen zusammenfließen und in der über die geeigneten Maßnahmen beraten wird, und zwar auch so, daß die Ergebnisse der Unfallkommission bis nach unten durchkommen und es auch von unten nach oben genügend Informationen gibt. Also gehe ich davon aus, daß hier weiter auf einem hohen Niveau gearbeitet wird. Das ist auch nötig, denn die Ergebnisse des letzten Verkehrsberichtes über das Jahr 2000 liegen jetzt vor, und die sind wichtig. Deswegen muß an dieser Stelle ein bißchen über die Unfallgeschehen des letzten Jahres geredet werden.

Die allerbeste Nachricht ist die, daß Hamburg bei der Zahl der Verkehrstoten den niedrigsten Stand erreicht hat, seitdem diese Zahlen erhoben werden. Wir haben im vorigen

Jahr nur noch 41 Verkehrstote gehabt. Zum Vergleich: 1950 waren es 138 und 1970 waren es 379. Hamburg liegt damit einerseits im Trend, denn bundesweit gehen die schweren Verkehrsunfälle auch zurück, aber Hamburg liegt auch in diesem Trend mit seinen sehr niedrigen Zahlen vorne oder, besser gesagt, glücklicherweise weit hinten.

Noch ein Hamburger Vergleich: Die Zahl der Drogentoten in Hamburg ist mehr als doppelt so hoch im Jahr. Die Zahl der mit einiger Plausibilität zu berechnenden Toten, die durch Rauchen ums Leben kommen, ist ein mehrfaches dieser Zahl. Auch die, die durch Mord und Totschlag in dieser Stadt ums Leben kommen, sind mindestens mehr als doppelt soviel wie die Verkehrstoten.

Die Ursachen der Reduzierung der Verkehrstoten sind vielfältig und nicht nur positiv. Eine der Ursachen ist die Reduktion der innerstädtischen Geschwindigkeit durch die Anordnung von Tempo 30 in vielen Straßen seit 1982 und die seit 1993 erfolgte Rücknahme der Geschwindigkeit auf vielen Ausfallstraßen von Tempo 60 oder 70 auf Tempo 50, die von der Opposition immer wieder heftig angegriffen wird.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Von der CDU!)

Ein weiterer Grund ist zweifellos die Zunahme des Autoverkehrs, die den Autoverkehr insgesamt auch in Hamburg etwas verlangsamt hat, denn Hamburg war vor 20 Jahren eine sehr viel schnellere Autostadt als heute. Damals wurde man, wenn man mit Tempo 50 über die Elbbrücken fuhr, von der Polizei angehalten, doch bitte etwas schneller zu fahren. Das ist heute vorbei. Eine weitere Ursache ist die Verbesserung, aber gleichzeitig drastische Reduzierung der Überquerungsmöglichkeiten von Fußgängern an Straßen. Eine weitere Ursache ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung von Opfern von Verkehrsunfällen, und gleichzeitig ist damit die Lebensdauer von Schwerverletzten oft so verlängert worden, daß sie nicht mehr, wenn sie dann doch noch sterben, in der Statistik für Verkehrsunfälle auftauchen.

Schließlich gibt es zahlreiche technische Verbesserungen an den Autos, und schließlich haben sich alle Menschen an die Autogesellschaft soweit gewöhnt, daß Alte und Kinder etwas besser dressiert sind als früher.

Aber die vorgelegte Statistik zeigt uns auch, daß es nach wie vor Unfallschwerpunkte gibt, wo viel zu tun ist. Ich greife zunächst Personengruppen heraus und dann geographische Dinge. Die Daten zeigen, daß Fußgänger und Radfahrer – und unter denen besonders Kinder und Alte, die freilich nur als Fußgänger – nach wie vor gefährlich leben, und zwar einerseits, weil sie noch nicht autogerecht dressiert oder dressierbar sind, und andererseits, weil Autofahrer oder -fahrerinnen immer wieder zuwenig Rücksicht auf Fußgänger und Radfahrer nehmen. Das können Sie sehr genau in dem Verkehrsbericht des Jahres 2000 nachlesen. Die Fußgängerunfälle haben sich im vergangenen Jahr vermehrt. Auch die Zahl der getöteten Fußgänger ist gestiegen. Betroffen von den Fußgängerunfällen sind hauptsächlich Kinder.

Der Bericht macht auch deutlich, daß es nicht ausreicht, die Schulwege der Kinder zu sichern. Kinder gibt es auch außerhalb der Schulwege. Wörtlich heißt es dort: Verkehrssicherheit darf sich also nicht auf den Schulweg beschränken. Daraus müßten eigentlich Schlußfolgerungen gezogen werden, die Mobilität von Kindern muß gefördert werden.

Die Zahl der verunglückten Radfahrer ist fast gleich geblieben mit weit überwiegendem Anteil von Kindern als Betroffene und Autofahrern als Verursacher. Was wir leider nicht haben, sind Daten zu der alten Streitfrage, ob Radfahrer auf Radwegen oder auf der Straße sicherer fahren.

Eine weitere aus dem Bericht deutlich hervortretende Personengruppe sind die jungen Autofahrer. Nach wie vor machen junge Leute – überwiegend Männer – in den ersten Jahren ihres Autofahrerglücks weit überproportional schwere Unfälle. Alle Appelle an die Fahrschulen, die Ausbildung der Kids zu verbessern, fruchten nicht. Deswegen ist es an der Zeit, die Fahrausbildung zu verändern. In einigen Bundesländern gibt es schon Versuche, bei denen das Autofahrenlernen eng an einen allgemeinen Verkehrsunterricht angekoppelt wird, der auch die ökologischen Aspekte des Autofahrens mit einbezieht. Wir finden, daß Hamburg in seinen Schulen da auch etwas tun muß.

Was die geographischen Unfallschwerpunkte anbelangt, so ist eines unverändert: Die meisten schweren Verkehrsunfälle passieren weder auf den Autobahnen noch in den Tempo-30-Zonen, sondern auf den durch Hamburg führenden Hauptverkehrsstraßen. Tempo-30-Straßen hingegen erfüllen nach wie vor die ihnen zugedachte Funktion. Sie vermindern nicht die Zahl der Unfälle, aber verwandeln die Art der Unfälle von Blut zu Blech. Wer das auch in der Stresemannstraße wieder ändern will, der soll es nur laut sagen.

Der Polizeibericht macht schließlich auch deutlich, was der Senat im Ausschuß berichtet hat, nämlich wie beispielhaft an einigen Kreuzungen das Unfallgeschehen durch genaues Erforschen der Ursache reduziert wird.

Zusammenfassend kann man sagen: Hamburg ist und war bei der Unfallbekämpfung erfolgreich. Insbesondere ist der Rückgang der Zahl der Verkehrstoten außerordentlich. Das ist nicht nur, aber auch, auf die Verkehrspolitik zurückzuführen. Hamburg muß aber weiter große Anstrengungen unternehmen, um die Zahl der Verkehrsunfälle, besonders die mit schweren Personenschäden, zu reduzieren. Der Kampf für die weitere Senkung der Unfallzahlen muß aber auch immer ein Kampf für die Wiedergewinnung städtischen Lebensraums, besonders für Kinder und Alte, sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Polle.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist neidlos zu begrüßen, daß auch die CDU sich um Verkehrsunfälle kümmert. Das ist eine Aufgabe für uns alle, daß wir das Leid der Menschen unserer Stadt im Straßenverkehr verringern wollen. Insofern ist es gut, daß auch gefordert wird, daß Unfallbrennpunkte entschärft werden, aber das macht der Senat bereits seit langem. Die Unfallkommission tagt. Mir wurde berichtet, daß sie gerade gestern wieder getagt hat. Sie hat gestern Kreuzungen besichtigt und ist dabei, eine Prioritätenliste aufzustellen beziehungsweise die vorhandene zu aktualisieren. Es passiert.

Herr Dr. Schmidt wies darauf hin, daß im Verkehrsbericht sehr anschaulich anhand von Beispielen deutlich gemacht wird, wie effektiv sich zum Beispiel die Polizei um die Entschärfung von Unfallschwerpunkten kümmert. Am Beispiel Julius-Vosseler-Straße wird das deutlich. Dort wurden zu

(Rolf-Dieter Klooß SPD)

Anfang, nachdem sich Verkehrsunfälle, Auffahrunfälle, häuften, erst einmal als Sofortmaßnahme Warnschilder aufgestellt. Dann wurde ein Signalmast umgestellt, damit das nicht so überraschend kam, wenn die Ampel rot zeigte. Als nächstes wird die Asphaltdecke erneuert, aufgerauht, damit Autofahrer – wie das so schön im Bericht heißt – nicht mehr ausrutschen auf ihren Reifen.

So wird also ein Unfallschwerpunkt nach dem anderen entschärft, und wir sind sicher, daß dies auch weitergeht. Allerdings kann man nicht erwarten, daß die Zahl der Unfälle gegen Null geht, denn rücksichtslose und unachtsame Autofahrer wird es weiterhin geben. Das ist ein menschliches Verhalten, auf das man nur begrenzt einwirken kann. Außerdem steigt in Hamburg die Zahl der Fahrzeuge. Im letzten Jahr hat es 5,5 Prozent mehr gegeben; es sind jetzt 900 000. Wie Herr Dr. Schmidt zutreffend sagte, fährt man langsamer, weil der Verkehr dickflüssiger wird, und es gibt mehr Blechschäden statt Blut, und das ist auch sehr gut. Die GAL hat vor etwa zehn Jahren einen Antrag zur „Halbierung der schweren Verkehrsunfälle“ gestellt. Sie sind mehr als halbiert worden. Das hat Herr Dr. Schmidt – auch bezogen auf die Todesfälle – gut ausgeführt. Im letzten Jahr ist kein Kind umgekommen, und – was Herr Dr. Schmidt auch anführte – zur Stresemannstraße gibt es sehr Erfreuliches und Denkwürdiges zu berichten. Das 50-Kilometer-Stresemannstraße-Gebiet umfaßt 66 Prozent, das heißt zwei Drittel der Stresemannstraße. Auf einem Drittel der Stresemannstraße wird Tempo 30 gefahren. In diesem einem Drittel sind aber nur 24 Prozent der Verunglückten zu verzeichnen. 76 Prozent sind auf dem Tempo-50-Gebiet verunglückt. Wenn man jetzt einmal rechnerisch überlegt, was es bedeutet, aus Tempo 30 Tempo 50 zu machen, hätten sie 27 Verletzte mehr auf der Stresemannstraße. Wollen Sie das verantworten, wo Sie doch angeblich gegen Unfälle und Verunglückte etwas tun?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist doch unseriös!)

Das können Sie nachrechnen, denn die Zahlen sind ganz offiziell.

Wir sagen: Verlangsamen des Tempos und nicht schneller fahren sorgt dafür, daß die Zahl der schweren Verkehrsunfälle zurückgeht. Wie Sie bei Ihrem Antrag deutlich machen, ist das auch Ihr Ziel. Wir hoffen also, daß Sie von Ihrem Irrweg abkommen, hier wieder den Verkehr in der Stadt beschleunigen zu wollen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Hesse.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schmidt, ich muß Ihnen leider bei einer Ihrer Abschiedsreden hier heftig widersprechen und Herrn Polle sowieso, und dies leider nur sehr kurz, weil wir nur noch wenig Redezeit haben.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Ich bedanke mich zum einen, daß Sie den CDU-Antrag angenommen haben, möchte aber auf Sie, Herr Polle, gleich antworten, da Sie gesagt haben, weniger Geschwindigkeit hieße automatisch auch weniger Unfälle. Ein von Ihrer Behörde in Auftrag gegebenes Gutachten hat ergeben, daß die Geschwindigkeitsrücknahme von 60 auf 50 auf den Hamburger Ausfallstraßen hinsichtlich der Unfälle nichts gebracht hat und absolut unnötig war. Sie haben da

mit den Verkehr nur verlangsamt. Insofern bringt das alles nichts.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Zwischenbericht macht deutlich, daß dieses Parlament über einen Entwicklungsprozeß informiert wird, es aber noch gewaltig Defizite in der Verwaltung gibt. Wir haben einen Zwischenbericht gemacht, weil wir uns natürlich auch in der nächsten Legislatur damit beschäftigen müssen.

Dank gilt dem Institut für Straßenverkehr, das eigentlich Initiator für die Einführung von Unfallkommissionen – wie sie hier eben genannt wurden – in Deutschland ist und auf dessen Initiative Hamburg überhaupt erst tätig geworden ist, denn das, was Sie hier eben vorgegaukelt haben, Herr Dr. Schmidt und Herr Polle, stimmt nämlich nicht. Diese Unfallkommission, die Sie so kräftig loben, gibt es in Hamburg erst seit April dieses Jahres.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Nein!)

Vorher wurde nur ausgebildet, Herr Dr. Schmidt, das ist so, und so steht es auch in diesem Bericht. Unfallkommissionen in anderen Städten, wie zum Beispiel München, arbeiten allerdings schon seit Jahren sehr, sehr aktiv und erfolgreich.