Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn man Sie so reden hört, meine Damen und Herren von der SPD,

(Dr. Holger Christier SPD: Kann man neidisch wer- den! – Barbara Duden SPD: Nichts begriffen!)

dann müssen Sie jetzt mit Feuer und Flamme fordern, daß der Lebensmittelhandel verstaatlicht wird. Nur so kann die Bevölkerung vor dem Verhungern bewahrt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, es ist wirklich ein starkes Stück, Herr Senator, was Sie sich hier leisten.

Der Senat hat von 1992 bis 2000 städtisches Tafelsilber im Volumen von 8 Milliarden DM verkauft. Das prominenteste ist das von der HEW, an der die Stadt früher mit 71 Prozent beteiligt war, jetzt noch mit 25 Prozent beteiligt ist. Sie haben staatliches Tafelsilber verkauft, auch Unternehmensanteile, aus denen anschließend weniger Gewinne in den Haushalt fließen. Aber wenn die CDU so etwas vorschlägt, dann ist das Piraterie, wenn Sie das tun, ist es gut für die kleinen Leute. Das ist lächerlich und unredlich, was Sie hier machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte eines klar sagen: Es ist falsch, wenn hier behauptet wird, wir würden sagen, Privat ist immer besser, Staat ist immer schlecht.

(Ingrid Cords SPD: Ist aber gesagt worden!)

Niemand sagt das. Ich kann hier ganz klar sagen, daß es sehr viele gute Mitarbeiter in den öffentlichen Unternehmen gibt und wir froh sein können, daß wir sie haben.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gibt es auch gute öffentliche Unternehmen in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben auch nicht gesagt, daß wir verramschen wollen und daß alle Unternehmen sofort verkauft werden sollen, sondern wir wollen überlegen, mit dem städtischen Tafelsilber noch Besseres machen zu können, weil es dem Haushalt schlechtgeht. Wir wollen mit dem Kapital der Stadt Umschichtungen vornehmen. Hamburg muß nicht einen Mehrheitsanteil am Flughafen haben, Hamburg muß nicht einen Mehrheitsanteil an einer staatlichen Bank haben.

(Dr. Monika Schaal SPD: Wer hat denn damit ange- fangen!)

Glauben Sie im Ernst, ein privater Investor beim Flughafen würde anschließend den Flughafen dichtmachen? Glauben Sie im Ernst, der Hafen würde zugeschüttet werden, wenn wir Anteile der HHLA verkaufen würden? Glauben Sie im Ernst, die Alster würde zugeschüttet werden, wenn wir die Alster-Touristik verkaufen würden? Das ist Unsinn. Das wissen Sie auch genau. Wir wollen aber Geld akquirieren, um mit diesem Geld für diesen Haushalt etwas zu tun, nämlich für die schwachen Menschen dieser Stadt. Die brauchen mehr Polizei und mehr Innere Sicherheit, und die wollen wir finanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es wirklich absurd, wenn von Ihnen diese Schwarzweiß-Positionen aufgestellt werden. Wir haben gesagt, daß wir eine ganz differenzierte Politik machen. Nichts wird verramscht, nichts wird verschleudert, sondern es wird sehr systematisch überlegt, was staatlich bleiben muß. Und wenn etwas staatlich bleiben muß, dann wird gefragt, mit welchem Anteil, in welcher Höhe, zu wieviel Prozent. Nur wenn wir uns ganz trennen wollen, können auch Komplettverkäufe in Frage kommen. Mit den Mehrerlösen würden wir zum einen Teil die Staatsverschuldung zurückschrauben, um mit den Zinsersparnissen effektive Spielräume für den Haushalt zu gewinnen und für die Menschen etwas zu tun, auch für die Verkehrsinfrastruktur, auch für die Bildung. Für die Zukunftsbereiche wollen wir den Bürgern keine Sparmaßnahmen aufzwingen, sondern aktive Gestaltung anbieten. Das können wir nur machen, indem wir den Haushalt umschichten. Wir wollen, daß die öffentlichen Unternehmen entflochten werden, und wir wollen vor allen Dingen, Herr Bausenator, daß sich nicht der SAGA-Aufsichtsratsvorsitzende hier hinstellt und Reden in eigener Sache hält. Wir wollen auch den Postenverschiebebahnhof in öffentlichen Unternehmen beenden.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, wir werden es so praktizieren wie andere Bundesländer, übrigens auch Bremen und Berlin, wo sozialdemokratische Senatoren beispielsweise im Abwasser- und Wasserbereich mitbeschlossen haben, daß dort 49 Prozent Staatsanteile verkauft werden. Ich wiederhole: In Bremen ist der Abwasserbereich zu 49 Prozent verkauft worden. In Berlin Wasser und Abwasser zu 49 Prozent mit sozialdemokratischer Zustimmung. Dort ist es richtig, hier soll es falsch sein. Das ist unredlich, meine Damen und Herren. Wir werden das tun, was andere Bundesländer mit Erfolg praktizieren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Zuckerer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ahrons, Sie haben eigentlich aus einem Gesetz zitiert. Die Grundlage eines öffentlichen Unternehmens ist ein staatliches Interesse oder/und die Tatsache, daß eine Aufgabe nicht anders, besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. Das ist die Grundlage, und sie ist gesetzlich festgelegt.

Wenn Sie hier behaupten, daß gegen diese Grundsätze verstoßen wird, behaupten Sie, daß der Senat gegen die Landeshaushaltsordnung verstößt, dann müssen Sie es belegen, Frau Ahrons.

(Beifall bei der SPD)

(Senator Eugen Wagner)

Wir können uns darüber streiten, was ein öffentliches Interesse ist. Darüber bin ich gerne bereit, mit Herrn Dr. Freytag zu streiten. Also, wo liegt der Unterschied? Sie wollen die HHLA verkaufen, und wir sagen, daß wir sie als Instrument der Hafenpolitik weiter benötigen. Darüber kann man streiten, Herr Dr. Freytag, man kann uns aber nicht vorwerfen, daß wir ein öffentliches Interesse sehen, und bisher haben Sie nichts belegt. Sie haben eine Polemik gefahren, daß der Hamburger Hafen nicht zugeschüttet wird, wenn die HHLA nicht mehr da ist. Sie haben keinen Beweis geführt, daß dieses Unternehmen nicht strategisch für Hamburger Hafenpolitik eingesetzt werden kann.

(Zuruf von Dr. Michael Freytag CDU)

Ach, Sie wollen sie nur noch teilweise verkaufen?

(Zuruf von Dr. Michael Freytag CDU)

Ich differenziere sehr wohl.

Wir kommen zu Ihrem nächsten Beispiel, zum Flughafen. Wir haben nur noch einen Teil des Flughafens. Ist Ihnen nicht die Diskussion in der ganzen Republik über die Verteilung von Flughäfen bekannt? Ist Ihnen das strategische Interesse, daß wir einen Flughafen halten müssen und nicht von Frankfurt abhängig sein dürfen, nicht gegenwärtig? Ist es also falsch, wenn wir einen Flughafen unterhalten, oder ist es richtig?

Ich will mit Ihnen die Instrumente diskutieren, die wir haben. Sind öffentliche Unternehmen Instrumente der Politik, oder sind sie es nicht mehr. Ich werfe Ihnen vor, daß Sie 10 Milliarden DM öffentliche Unternehmen veräußern wollen, ohne zu sagen, welches Unternehmen in Zukunft noch Daseinsvorsorge betreiben soll.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Welches öffentliche Unternehmen ist aus Ihrer Sicht noch für die Daseinsvorsorge dieser Stadt notwendig? Sagen Sie das doch. Die Wohnungsunternehmen mindestens, zum Teil aber auch nicht; der Flughafen nicht, die HHLA nicht und die Landesbank nicht. Insofern frage ich Sie, was übrigbleibt.

Nun komme ich zum zweiten Teil. Es gibt in der Tat 400 Unternehmen. Das Problem, daß die CDU vielleicht die Übersicht verliert, bedeutet aber nicht, daß sie außer Kontrolle sind. Das darf man vielleicht auch einmal sagen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es ist keine Frage der Größe, sondern ob sie ihre Aufgaben erfüllen. Diese Antwort bleiben Sie schuldig. Insofern wende ich mich an Herrn Waldhelm, der sagt, es solle entflochten werden. Entflechtung bedeutet Verkauf. Ich habe bisher noch von keinem Unternehmensführer der Welt gehört, daß Verkauf mehr Kontrolle bringt. Ich dachte immer, das bringt weniger Kontrolle. Damit Sie besser kontrollieren können, wollen Sie also etwas kleiner machen, nach dem Motto: Minimal-Art ist das, was die CDU beherrscht; das ist okay.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich werfe Ihnen nicht vor, daß Sie 10 Milliarden DM über den Verkauf öffentlicher Unternehmen realisieren wollen. Ich werfe Ihnen aber vor, daß Sie dabei die strategischen Interessen der Stadt nicht mehr definieren.

(Dr. Michael Freytag CDU: Ach komm; die SPD macht es doch selbst!)

Ich behaupte hier, daß es nicht darum ging, den öffentlichen Sektor zu verkleinern. Es ging darum, 10 Milliarden DM zusammenzuscharren, um Ihre Politik zu finanzieren, und das ist sehr einfach. Das Problem ist aber, daß es nicht billiger ist, als zu verkaufen und zu sagen, daß das CDU-Wahlprogramm dann finanzierbar sei. Deshalb sage ich Ihnen: Das ist billige Politik, teuer finanziert. Sie werden es erleben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Bürgermeister Runde.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bild, das die Opposition abgibt, ist schon ein bißchen merkwürdig. Bei allen konkreten Vermögensveräußerungen der letzten Jahre hat die CDU dagegen gestimmt. Ob es die HEW-Anteile, die Landesbank-Anteile oder die MVA in Stapelfeld waren, Sie sind immer dagegen gewesen.

(Zurufe von der CDU: Stimmt nicht!)

Jetzt sagen Sie, daß öffentliche Unternehmen umfassend privatisiert werden müssen. Herr Zuckerer hat bereits darauf hingewiesen, daß Ole von Beust in seine selbst aufgestellte Falle getapst ist.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja!)

Das zeigt sich deutlich in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung, in dem Herr von Beust mit der Frage konfrontiert wurde: „Sagen Sie, Herr von Beust, wie wollen Sie denn all diese Wahlversprechen finanzieren?“ Dazu ist ihm nichts Solides eingefallen, sondern es mußte der Griff in die Schatztruhe herhalten,