Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Ganze Schulklassen benutzen einen Tag lang nicht die Toilettenspülung.

(Heiterkeit bei der CDU)

Jetzt könnte man natürlich einwenden, die holen das am nächsten Tag dann nach;das ist ein kleinkarierter Einwand. Entscheidend ist das Bewußtsein, das sich gebildet hat.

(Beifall bei der CDU)

Oder wir führen einen fluglärmfreien Tag ein, gehen selber mit gutem Beispiel voran, bitten aber natürlich auch die nordrhein-westfälische Landesregierung, was Fluglärmfreiheit betrifft, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Oder – wegen des schönen Wortspiels – wir führen in Hamburgs Rotlichtviertel einen freierfreien Tag ein. Dies hätte, um Ihre Lyrik aufzugreifen, folgenden wunderbaren Effekt. Dann könnten die Hamburger und Hamburgerinnen einmal einen Tag erleben, an dem es in unserer Stadt von Sitte und Anstand nur so wimmelt.

Es gibt auch noch eine weitere Möglichkeit, zum Beispiel einen müllfreien Tag.

(Manfred Mahr GAL: Eigentlich sollten sie mal zur Sache kommen!)

Da werfen die Hamburger endlich mal nicht so viel Müll überall hin, und zweitens könnte dieser Tag dann nützlich sein – dazu fordere ich speziell Sie auf –, einmal keine Anträge zu verfassen, schon haben wir weniger Müll.

(Beifall bei der CDU)

Vorletzter Punkt: Wir können auch die Bundesregierung über den Bundesrat bitten, ab dem 22. September 2000 jedes Jahr einen Freitag um diese Zeit allgemein als autofreien Tag in Deutschland einzuführen, sozusagen Tag der deutschen Autofreiheit:

(Peter Zamory GAL: Ein CDU-freier Tag!)

Den halten wir dann drei Jahre lang bei – soweit übrigens zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der ganzen Frage –, schaffen ihn dann wieder ab und finanzieren davon endgültig die Pflegeversicherung.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben von unserer Seite nichts dagegen, das Bewußtsein bei der Bevölkerung zu initialisieren, stärker auf öffentlichen Nahverkehr zuzugreifen, von unnötigen Autofahrten weniger Gebrauch zu machen, das Auto nur dann zu verwenden – Herr Schmidt, Sie geben das auch zu –, wenn es

sinnvoll ist. Aber mit einem solchen Verfahren und einem solchen Theater, wie das diese Landesregierung vorgeführt hat, erreichen Sie das genaue Gegenteil, und deswegen lehnen wir diesen Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU – Barbara Duden SPD: Die Landesregierung hat gar nichts gemacht!)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

Was ist los, meine Damen und Herren von der CDU und SPD, Untergang des Abendlandes? In Hamburg, so habe ich jetzt verstanden, werden die Lichter ausgehen, die CDU wird nicht nur am 22.September an Verstopfung leiden.Wir werden keinen Strom haben, nichts wird mehr klappen.

Wenn ich mir anhöre, was in dieser Debatte läuft, dann wünsche ich mir nicht nur einen autofreien Tag. Ich wünsche mir einen Handelskammer-, CDU- und auch SPDfreien Tag. Was Sie hier an Debattenbeiträgen abgeliefert haben, das ist wirklich ein starkes Stück.

Frau Duden, Sie sprachen von Zwangsbeglückung. Wenn die SPD wenigstens anders beglücken könnte, wären wir schon ganz froh. Aber Sie haben so viel Angst in der Hose, daß Sie sich an dem Tag nicht mehr fortbewegen könnten. Was kann passieren? Haben Sie Angst davor, daß die Bürgerinnen und Bürger vielleicht auf den Geschmack kommen, daß sie feststellen, ich komme sogar ganz gut mit Bus und Bahn zur Arbeit, ich könnte das öfters machen? Ist das Ihre größte Angst? Haben Sie Angst, daß die Leute eventuell erkennen, ich brauche das Auto gar nicht immer? Das kann es nicht sein.

Und zur CDU, lieber Herr Engels: Die Mobilität bei Ihnen paßt auf einen Kronenkorken, und Ihr Geistesreichtum paßt auch dicke auf einen Kronenkorken. Dafür brauchen Sie keinen Bierdeckel mehr.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Ah-Rufe bei der CDU)

Die GAL hat uns ursprünglich einen Antrag vorgelegt, der schon sehr harmlos war und die ganze Aufregung überhaupt nicht rechtfertigte, weil die in der Pressekonferenz genannten Maßnahmen gar nicht darin vorkamen.Was uns jetzt vorliegt, ist einfach so schön, daß ich es noch einmal vorlesen muß.

„Es wäre zu begrüßen, wenn sich die Hamburgerinnen und Hamburger auf freiwilliger Basis diesem anschließen könnten.“

Das ist nicht nur ein doppelter Konjunktiv, es ist einfach Quatsch. „Es ist zu begrüßen“ und „freiwillige Basis“ bringen eigentlich relativ wenig. Die vorgelegte Neufassung ist der Abschied vom autofreien Tag. Liebe GAL, ihr seid wirklich ganz toll als Tiger gestartet und mit der Neufassung als Bettvorleger gelandet.

(Dr. Roland Salchow CDU: Martin Schmidt ist der Bettvorleger!)

Wenn keine Straße gesperrt wird, wenn nichts passiert, wird es keinen autofreien Tag geben. Die anderen hier lang und breit genannten Städte haben Straßen gesperrt. Da ist niemand an dem Tag verhungert, da ist niemand an dem Tag nicht zur Arbeit gekommen, sondern es hat öffentliche Aufführungen gegeben.Auf einer großen Kreuzung ist eine Oper öffentlich aufgeführt worden, und alle waren begei

(Hartmut Engels CDU)

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stert. Und daß 86 Prozent der französischen Bürgerinnen sagen, es ist toll, kann auch nicht nur so aus dem Bauch kommen.

Aber wir werden Ihnen garantieren, daß wir dafür sorgen, daß Straßen gesperrt werden. Wir werden zahlreiche Demonstrationen zusammen mit verkehrsbewegten Menschen anmelden, wir werden nette Kundgebungen machen, und ich hoffe, wir bekommen auch ein schönes Kulturprogramm hin.Es kann doch nicht sein, daß in Hamburg, wie es einmal so schön treffend in einer Zeitung stand, nur für Freßmeilen – oder wenn wir es Alstervergnügen nennen – alle möglichen Straßen gesperrt werden.

Wir wollen keine verkehrspolitische Eintagsfliege, wir wollen, daß sich in Hamburg generell etwas im Verkehr für die Menschen ändert. Deswegen finde ich es um so bescheidener, daß unser Antrag zum Verkehrslärm locker abgelehnt wurde.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den GAL-Antrag abstimmen. Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mehrheitlich angenommen.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 24 auf, Drucksache 16/3673: Bericht des Jugend- und Sportausschusses über die Kindertagesbetreuung 2000.

[Bericht des Jugend- und Sportausschusses über die Drucksache 16/3047: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 14./15./16. Dezember 1998 (Drucksache 16/1847) – Kindertagesbetreuung 2000 – (Senatsvorlage) – Drucksache 16/3673 –]

Hierzu bekommt der Abgeordnete Böwer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst hoffe ich angesichts der fortgeschrittenen Zeit, daß die Hauptzielgruppe, über die wir jetzt reden, schon im Bett ist. Es ist für Eltern der beste und schönste Augenblick, wenn ein leichtes, regelmäßiges Schnurcheln aus den Kinderzimmern zu hören ist, und es ist für alle Beteiligten das Ende eines gut durchorganisierten Tages, der bei manchen morgens um 6 Uhr anfängt und dann halt um diese Uhrzeit hoffentlich aufhört.

Wir reden heute das dritte Mal in der Bürgerschaft über den Bereich Kita 2000. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir gemeinsam den Senat im Dezember 1998 aufgefordert haben, das bisher angebotsorientierte System der Hamburger Kindergartenbetreuung auf ein nachfrageorientiertes System umzustellen.Dazu hat der Senat im September letzten Jahres einen Zwischenbericht vorgelegt, der Anlaß ist, Ihnen heute noch einmal kurz den Fortgang der Bemühungen und der Diskussionen um dieses Reformvorhaben zu verdeutlichen und Sie darüber zu informieren.

Kita 2000 ist ein ambitioniertes Reformvorhaben, und es hat – das zeigen die Besucherzahlen in den Jugendausschußsitzungen – zu einem enormen Informations- und Gesprächsbedarf geführt. Die Sitzungen des Jugend- und Sportausschusses finden im größten Saal statt, da mittlerweile 300 Eltern und Kinder das sehr aufmerksam verfolgen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Aber die sind nicht nur zum Jubeln gekommen!)

Das ist schon klar, Herr Harlinghausen, die sind nicht nur zum Jubeln gekommen, die sind auch gekommen, weil sie einen Informations- und Gesprächsbedarf haben und natürlich auch ein gewisses Maß an Skepsis, das immer damit verbunden ist, wenn man ein System ändert.

Wir als SPD-Jugendpolitiker haben dies zum Anlaß genommen, im Herbst letzten Jahres ein Gesprächsangebot an die über 800 Kindergärten auszusprechen mit dem Ergebnis, daß die Jugendpolitikerinnen und Jugendpolitiker unserer Fraktion in den nächsten Wochen durch etwa 150 Kindergärten gehen werden und dort das Gespräch mit Elternräten und Erzieherinnen suchen werden. Wir führen darüber hinaus seit geraumer Zeit Gespräche mit den Spitzenverbänden der Hamburger Kindergartenlandschaft, mit Soal, mit der „Vereinigung“, mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, denn wenn man ein Reformvorhaben wie Kita 2000 in Angriff nehmen will, dann kann es nur unter den Bedingungen größtmöglicher Transparenz und größtmöglichen Konsenses stattfinden, sonst funktioniert das nicht. Das ist etwas, wo sowohl die Kindergartenträger als auch Politiker und Politikerinnen voneinander lernen. Das ist auch etwas von neuer Kultur in diesem Bereich, zu der wir als Politiker beizutragen versuchen neben den Gesprächen, die das Amt für Jugend und der Senat mit den Trägern führt.

Das hat dazu geführt, daß wir uns über bestimmte Kernfragen, die im Zusammenhang mit Kita 2000 stehen, einig geworden sind. Wenn Sie sich noch an den Bericht erinnern, dann spricht er von einem Automatismus von Ganztagsbetreuung bei Berufstätigkeit. Wir haben in den Gesprächen mit den Spitzenverbänden der Hamburger Kindergartenträgerlandschaft Einigkeit darüber erzielen können, wie wir dieses bewerkstelligen können.Wir sind dabei, über einen weiteren Bereich zu diskutieren, und zwar, wie organisieren wir den pädagogischen Bedarf von Kindern, die aufgrund besonderer familiärer oder sozialer Bedingungen eine Betreuung von mehr als vier oder fünf Stunden brauchen?

Wir haben angeregt, daß ein weiterer Punkt ebenfalls unter solchen dialogischen Bedingungen vereinbart wird. Eines der Instrumente von Kita 2000 wird der Bereich des Bezirksbudgets sein. Deswegen regen wir an, das Modell, das diesem Bezirksbudget zugrunde liegt, gemeinsam zu erarbeiten. Das heißt, die Kindergartenträger, die sieben Bezirke und das Amt für Jugend erarbeiten zusammen dieses Modell, um von vornherein eine größtmögliche Transparenz herzustellen. Eines ist insbesondere den Vertretern der Regierungsfraktionen immer wieder begegnet. Nach den notwendigen 27 Millionen DM an Konsolidierungsmaßnahmen gibt es ein hohes Maß an Skepsis in der Szene. Es gab immer wieder den Vorwurf, ihr macht auf intelligente Weise mit der Konsolidierung weiter.

Ich glaube, wenn wir hingehen und von vornherein sagen, beim Bezirksbudget entwickeln wir dieses Modell gemeinsam oder bitten diese drei beteiligten Gruppen, es gemeinsam zu entwickeln, wird durch diese Transparenz auch klar, daß Kita 2000 eben kein weiteres Konsolidierungsprogramm ist, sondern am Ende der gemeinsamen Bemühungen ein System stehen wird, das noch näher an den familiären Bedürfnissen ausgerichtet ist.

Deswegen ist auch der Zwischenbericht nicht nach dem Motto „Friß, Vogel, oder stirb!“ das Ende aller Überlegun

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

gen, sondern nicht mehr oder weniger als eine Zusammenfassung des Standes September 1999, und wir machen in dem Bereich weiter.