Wenn ich mir in Hamburg allerdings die aktuelle Diskussion um den autofreien Alibitag und insbesondere die teilweise panischen Reaktionen der SPD dazu ansehe, merke ich wieder, wie notwendig die Debatte um gesundheitliche Risiken des Straßenverkehrs ist. In Hamburg müssen beide leben können – da müßten Sie mir alle zustimmen –, sowohl die Menschen an den Straßen als auch der notwendige Verkehr auf den Straßen. Bisher wird jedoch immer nur gefordert, daß vor allem die Menschen, die dort wohnen, Beeinträchtigungen hinnehmen müssen. Wenn unser Nachbar, die Handelskammer, sagt, daß ein autofreier Tag die Axt an den Stamm des Wirtschaftsstandorts legt, kann man nur entgegnen, die heutige Verkehrspolitik legt die Axt an die Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger. Das darf nicht sein.
Wir schlagen in unserem Antrag drei Schritte vor. Der erste Schritt:Die Nachtruhe ermöglichen! Damit wesentlich mehr Menschen eine vom Verkehrslärm möglichst unbeeinträchtigte Nachtruhe haben können, sind die am stärksten verlärmten Straßenabschnitte kurzfristig mit entsprechenden Maßnahmen zu entlasten. Der zweite Schritt geht weiter, da geht es um eine generelle Reduzierung des Verkehrslärms. Wir erwarten, daß die sogenannten Schallimmissionspläne „Straße“ für Hamburg erstellt werden, damit man erkennen kann, in welchen Bereichen die am stärksten belasteten Straßen sind, um dort anzufangen und dann sukzessive weiter fortzuschreiten.
Der dritte Schritt wird sich von selbst ergeben, nämlich die Rückgewinnung der Straße als Lebensraum. Straßen mit weniger Verkehr und mit weniger Lärm werden wieder mehr Aufenthaltsqualität bieten. Nachbarschaftliche Klönschnacks werden ebenso wieder möglich sein wie das Spielen von Kindern. Die Menschen werden die Straße wieder als einen Teil ihres Lebensraums zurückgewinnen.
Lassen Sie uns eine Verkehrsplanung für Anwohnerinnen und Anwohner machen. Weniger Lärm ist mehr Gesundheit, und das hat Hamburg dringend nötig.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Sudmann hatte insofern recht, als zuviel Lärm krank macht. Sie haben medizinisch zutreffende Fakten
aufgezählt. Man könnte vielleicht noch hinzufügen, daß eine zwanzigprozentig höhere Wahrscheinlichkeit besteht, einen Herzinfarkt zu bekommen, wenn der Schallpegel auf 66 dB(A) steigt.Diese Probleme haben die Umweltbehörde und der Hamburger Senat insgesamt erkannt.Deswegen – darauf wies Frau Sudmann hin – gibt es Untersuchungen für Schallimmissionspläne in Altona, aber auch in Hamburg-Nord. Die Umweltbehörde hat das also in Arbeit.
Nach Auskunft der Umweltbehörde sind, nachdem diese Pläne abgeschlossen sind, als nächstes Lärmmessungen an Hauptverkehrsstraßen geplant. Auch das ist also in Arbeit, hier ist man aktiv.Insofern ist Punkt B.1.überflüssig, als es bereits gemacht wird.
Frau Sudmann wies bereits auf den Berliner Modellversuch zur Minderung von Verkehrslärmimmissionen hin. Dieser Modellversuch läuft jetzt aus. Ende März soll es nach Auskunft aus Berlin wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse geben, die folgendes schreiben:Die Folgen sind nicht nur, wie man jetzt schon feststellt, daß sich der Verkehrslärm deutlich verringert hat – das ist etwas Schönes –; gleichzeitig ist der Verkehr nicht weniger geworden, sondern schlicht in andere Gebiete verdrängt worden, die in den zweifelhaften Genuß von mehr Lärm gekommen sind. Ich weiß nicht, ob das ein Ziel von Verkehrspolitik ist, den Lärm nur etwas anders über die Stadt zu verteilen.
Nach Ihrer Theorie sinken dann dort die Mieten. Das mag für die Bewohner, die viel Lärm haben, finanziell günstiger sein, aber trotzdem ist das insgesamt kein gutes Ergebnis, wenn man den Lärm entsprechend weiter über die Stadt verteilt. Insofern sind diese Punkte Ihres Antrags – Buchstabe A.3. und Buchstabe B.2. – im Moment keine Alternative.
1.dafür zu sorgen, daß mehr Menschen in Hamburg eine von Verkehrslärm möglichst ungestörte Nachtruhe haben können.“
Mir sind noch andere Wünsche eingefallen:Der Senat solle dafür sorgen, daß alle Hamburger mehr Einkommen haben, gesünder werden und alle Menschen Hamburgs glücklich werden.Das kann man alles unterschreiben.Aber darüber, wie man es macht, streiten wir uns, und es ist vielleicht gar nicht möglich, das zu sagen.
Es gibt noch keinen plausiblen Weg, wie man Verkehrslärm verringert, ohne daß andere Leute mehr Lärm haben. Wenn Sie Wege aufzeigen können, wäre das toll.
In Hamburg sind bereits 700 Tempo-30-Zonen eingerichtet. Damit bewegt sich Hamburg in der Bundesrepublik an der Spitze. 45 Prozent des Straßennetzes betrifft das. Auch da haben wir eine Spitzenstellung. In Hamburg wird etwas getan, um durch Verlangsamung des Verkehrs in Wohngebieten den Verkehrslärm entsprechend zu reduzieren.
Wenn wir wollen, daß bei den Autofahrern weiterhin eine Akzeptanz für Tempo 30 herrscht, dürfen wir sie nicht auf
das ganze Stadtgebiet ausdehnen. Wir müssen weiterhin Hauptverkehrsstraßen haben, auf denen die Menschen in ihren Autos Tempo 50 fahren können, um damit auch zügig voranzukommen.
Andernfalls sinkt die Akzeptanz im gesamten Gebiet Hamburgs, und die Leute befürchten nur Schikane. Deswegen ist Tempo 30 nur noch begrenzt ausweitbar. Das steht auch so im Entwurf des Verkehrsentwicklungsplans, wie überhaupt dort die Maßnahmen Ihrer Lektüre empfohlen werden. Der Verkehrsentwicklungsplan kündigt in Szenario C an, daß es einen Rückgang der Lärmimmissionen um 8 Prozent geben wird, wenn alle diese Maßnahmen verwirklicht werden. Das erhoffen wir uns, und deswegen unterstützen wir das. Wir wissen aber auch, und darauf wiesen Sie hin – das möchte ich noch über diesen Antrag hinaus sagen –, daß es durchaus gegenteilige Vorschläge gibt. Die Handelskammer zum Beispiel hat vorgeschlagen, Ring 2 und Ring 3 großzügig und kreuzungsfrei auszubauen. Wenn das verwirklicht werden würde, würden wir weitere lärmgeplagte Anwohner haben, würde der Individualverkehr zunehmen, würde der öffentliche Personennahverkehr unattraktiver werden und entsprechende Lebensqualität in Hamburg sinken.Das werden wir auf keinen Fall tun.Wir meinen, es lohnt ein Appell an die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, den öffentlichen Nahverkehr zu bevorzugen, auf das Fahrrad umzusteigen oder zu Fuß zu gehen, aber bitte freiwillig und durch Einsicht in die Notwendigkeit, dann wird in Hamburg auch alles besser. Wir wollen keinen zu seinem Glück zwingen. Deswegen sagt der Verkehrsentwicklungsplan auch, wir streben an, daß der Individualverkehr um bis zu 460 000 Fahrten pro Tag verringert werden soll. Das ist der Stand von 1990. Dieses Ziel unterschreiben wir. Deswegen werden wir den Verkehrsentwicklungsplan, wie er vorliegt, unterstützen. Er zeigt die notwendigen Handlungsschritte, aber dieser Antrag nicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist interessant, wenn Herr Polle schon vor den Anhörungen zum Verkehrsentwicklungsplan sagt, es ist alles richtig, was darin steht.Wenn wir mit dem Geist in die Anhörung gehen, wird es sich richtig lohnen, vier oder fünf Anhörungen zu dem Thema durchzuführen.
Zu dem vorliegenden Antrag, Frau Sudmann:Das Ziel einer Reduzierung des Verkehrslärms ist absolut richtig, allerdings ist es – in dem Punkt muß ich Herrn Polle als Ausgleich ein bißchen recht geben – auf dem Wege nicht erreichbar. Ihr Ansatz ist falsch.
Ich will das an einem Punkt, Frau Uhl, besonders offensichtlich machen. Wenn man diesen Antrag liest, hat man den Eindruck, als ob Lärm in Hamburg überhaupt nur von der Straße ausgeht.
Liebe Frau Sudmann, wir haben auch erhebliche Zahlen von Hamburgern, die unter Lärm von Bahnstrecken leiden; seien es S-Bahn, U-Bahn oder andere Strecken.
Sie sprechen nur davon, daß Sie den Straßenlärm reduzieren wollen, um die anderen Themen kümmern Sie sich nicht. Das muß dann von den Bürgern toleriert werden.
Sie tun in Ihrem Antrag so, als bestünde ganz Hamburg nur aus Anwohnern, die alle fürchterlich unter Verkehrslärm leiden. Es gibt eine zweite Gruppe von Menschen, die bösen Lkw-Fahrer, insbesondere die der schweren Lkws, die, nur um diese Anwohner zu ärgern, nachts immer mitten durch Hamburg fahren. Mit dem, was Sie uns hier vorschlagen, betreiben Sie in der Tat Verkehrsplanung nur für die Anwohner und Anwohnerinnen, aber eben nicht für Hamburg insgesamt.
Ein richtiger Ansatz wäre, sich die Frage zu stellen, wie wir den Verkehr so organisieren, daß die Anwohner einerseits wenig belastet sind und zweitens der Verkehr auch fließt. Da gibt es einige Möglichkeiten.Beispielsweise kann durch bauliche Maßnahmen – das ist ein ganz entscheidender Unterschied zu Herrn Polles Vorschlägen – der Verkehr auf dem Ring 2 oder auf dem Ring 3 sehr viel flüssiger abgewickelt werden. Durch Telematik kann ebenfalls dafür gesorgt werden, daß der Verkehr besser fließt.Wir haben zur Lösung dieses Problems vier Ansatzmöglichkeiten. Es gibt zum einen – das sei noch einmal ins Gedächtnis gerufen – die langfristige Perspektive, die stadtplanerische, die schon von dem früheren Oberbaudirektor Kossak angesprochen wurde. Er sagte, wir müssen uns für die Hauptverkehrsstraßen etwas einfallen lassen, was die Randbebauung angeht, wenn Wohnen dort nicht mehr zumutbar ist.
Die zweite Ebene ist die der Verkehrsplanung. Da liegt ein entscheidender Unterschied zu Berlin, Frau Sudmann.Wir haben in Hamburg keine Stadtautobahn, und wir haben im Gegensatz zu anderen Städten keine Ringautobahn. Wir zwingen durch das Nichthandeln des Senats den Schwerverkehr beispielsweise durch die Stresemannstraße und durch die Kieler Straße, weil hier keine Alternative angeboten wird.
Natürlich sind diese eben genannten Straßen und viele andere hochbelastet. Aber wenn Sie auf den Hauptverkehrsstraßen Durchfahrtverbote, Tempo 30 und Rückbau praktizieren, dann führt es dazu, daß der Verkehr auf die Nebenstraßen umverteilt wird und daß damit auch – Herr Polle hat darauf hingewiesen – die Nebenstraßen stärker unter Verkehrslärm leiden. Sie führen mit Ihrer Politik eigentlich den Begriff Hauptverkehrsstraßen ad absurdum.
Kommen wir damit zur dritten Ebene:den Verkehr zum Rollen bringen beziehungsweise rollen lassen.Der größte Verkehrslärm entsteht bei Beschleunigungs- und bei Abbremsvorgängen. Hier können wir bei Ampelschaltungen mit grüner Welle entsprechend speziellen Lkw-Rhythmen eine ganze Menge erreichen. Aber die Stadt kann auch noch mehr tun, und das ist der Bereich, in dem wir Herrn Senator Wagner heute nicht zum ersten Mal ein Versäumnis vorwerfen.Verkehrslärm entsteht auch dadurch, daß ein Lkw durch die Schlaglöcher knallt. Dann haben Sie jedes
Mal ein schönes „Wumms“ und zusätzlichen Verkehrslärm. Wenn der Herr Senator seine Straßen in Ordnung brächte, hätten wir auch schon einen Teil des Problems gelöst.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Hamburger Lärmverkehrspolitik ist lange keine gewesen. Sie wird vielleicht gerade eine. Deswegen teile ich nicht den Optimismus meines Koalitionspartners Polle, daß eigentlich alles gut ist. Man müßte nur die Hamburger noch auffordern, es freiwillig besser zu machen, und dann ginge das so.