Die Prävention ist bei Jugendlichen dann am erfolgreichsten, wenn ohne moralischen Zeigefinger über die Gefahren und Wirkungsweisen von verschiedenen Drogen informiert wird. Insofern lehnt die GAL das Drogenchecking nicht einfach pauschal ab. Es ist eben nur die Frage, wie es so organisiert werden kann, daß die genannten Gefahren umgangen werden. Es gibt Erfahrungen aus Berlin und Hannover, die ich noch nicht genau kenne, die aber auf jeden Fall bei der endgültigen Beurteilung berücksichtigt werden müssen.
Dieser Antrag wird heute abgelehnt werden, aber das Thema ist damit nicht erledigt. Es ist deshalb nicht erledigt, weil selbstverständlich überprüft werden muß, wie die Zahl der Drogentoten weiter reduziert werden kann, und dazu kann Drogenchecking durchaus eine Möglichkeit sein. Herr Professor Püschel vom Institut für Rechtsmedizin hat bereits einmal Heroin für eine Drogeneinrichtung in dieser Stadt untersucht. Aber auf der anderen Seite ist auch der Einwand von LKA-Chemikern ernst zu nehmen, die sich vor einem Dreivierteljahr in Hamburg getroffen und gesagt haben, wenn wir Stoff bekommen, kann er zwei, drei Tage später schon anders sein, unsere Ergebnisse sind zuverlässig für die Situation, aber nicht zu verallgemeinern.
Über diese Argumentation sollten Sie noch einmal nachdenken, denn wenn Sie das weiterdenken, legen Sie die Axt an einen großen Teil des Hilfesystems, und das würde auch bedeuten, daß Abschreckung durch möglichst große Verelendung, durch hohe Zahlen von Toten eine sinnvolle
Methode wäre. Das ist doch keine Argumentation, die ins 21. Jahrhundert gehört, denn jeder Drogentote in dieser Stadt ist ein Drogentoter zuviel.
Es geht nicht darum, den Rauschmittelkonsum etwas mehr oder weniger attraktiv zu machen. Sie sagen doch selbst, daß es viele Menschen gibt, die niemand daran hindern kann, Drogen zu nehmen, und Sie wissen auch, daß es für viele Menschen eine Episode in ihrem Leben ist. Deshalb muß es darum gehen, ein umfassendes Hilfesystem zu installieren, um möglichst vielen Menschen die Chance zu geben, ihre Drogensucht zu überleben. Deshalb ist Drogenchecking ein Baustein in dem ganzen Hilfesystem, damit alle im Blick haben können, was sie einnehmen, damit sie die Chance bekommen, mit ihrer Droge weiterleben zu können.
Herr Schäfer, natürlich wäre es am besten, wenn es eine kontrollierte Abgabe des Stoffes gäbe, den die Menschen brauchen.
Das Überzeichnende ist natürlich plumpe Polemik, aber was soll’s, Herr Wersich. Es ist natürlich in Ihrem Sinne, das so aufzubauen, damit Sie eine Ebene bekommen, auf der Sie es ablehnen können, denn eigentlich ist auch Ihnen klar, daß es notwendig ist, möglichst vielen Menschen den Stoff in einer Form zu verabreichen, der sie gesundheitlich nicht weiter schädigt. Dafür wäre es notwendig, das Heroinmodell in Hamburg in einem weit größeren Umfang zu realisieren. Das wird es leider mit dieser rotgrünen Regierung nicht geben, das ist ein ausgesprochen schlechtes Ergebnis Ihrer bisherigen Politik.
Sie haben gesagt, das klappt alles nicht, das funktioniert nicht. Diese Argumente kenne ich, die haben wir gehört, als es darum ging, den Spritzentausch zu etablieren. Auch da gab es immer wieder die Mahner, die gesagt haben, so etwas funktioniert in dieser Stadt nicht, die Leute werden sich keine neuen Spritzen holen, wenn sie die Notwendigkeit haben, jetzt etwas zu drücken. Wir haben erlebt, daß es sehr gut funktioniert. Es hilft sehr vielen Menschen in dieser Stadt tatsächlich, weniger in Gefahr zu geraten. Sie müßten an dieser Stelle auch einmal über Ihren Schatten springen können und ein weiteres Hilfeinstrument etablieren, denn es macht die Einnahme von Rauschmitteln nicht gefährlicher. Ihnen ist auch klar, daß es nicht gefährlicher wird, wenn man die Rauschmittel vorher überprüfen läßt, sondern es macht den Umgang mit diesen Drogen ein klein wenig sicherer und kann vieles verhüten, von dem ich bisher den Eindruck hatte, daß auch Sie es verhüten wollen.
Es gibt durchaus schon das eine oder andere Beispiel, wie das umgesetzt werden kann. Ich hätte gerne mit Ihnen die Debatte im Gesundheitsausschuß geführt, wie die Erfahrungen in Berlin aussehen, denn dort ist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Gerichtsmedizin ein Verfahren gefunden worden, das zum einen legal und zum anderen praktikabel ist, und es wird von den Leuten auch angenommen und hilft ihnen.
Es ist sehr bedauerlich, daß Sie sich heute nicht dazu durchringen können, diesen einen Schritt zur Optimierung des Hamburger Hilfesystems zu tun. Ich hoffe, Sie überlegen sich das in nächster Zeit noch einmal anders.
Ich bin einfach überrascht, wie in so einer Debatte in Nebensätzen der Konsens gemeinsamer Drogenpolitik aufgekündigt wird. Das Beispiel des Alkohols, der nun wirklich legal ist, der die meisten Toten verursacht, sagt doch ganz klar, daß es nicht darum geht, ob es legal oder illegal ist, sondern darum, daß diese Drogen schädlich sind.
Es geht in der Drogenpolitik darum, den Menschen zu helfen, von diesen Drogen wegzukommen, Arbeit zu finden, eine Wohnung zu finden.
Nein. – Sie unterschätzen die Dynamik des Drogenmarkts, des internationalen Drogenhandels, der Chemielabore, die immer wieder neue bunte „klasse“ Stoffe entwickeln, mit denen sie auf Jugendliche zugehen. Es gibt nicht die Lösung, alles freizugeben, weil man an Fünfzehn-, Sechzehnjährige nicht alles freigeben kann. Irgendwann kommen immer die Grenzen, wo man als Staat sagen muß, es geht nicht um Freigabe, sondern wir müssen den Menschen helfen, von den Drogen loszukommen, und wir müssen die Kinder und Jugendlichen davor schützen, in die Drogensucht hineinzukommen, und da hilft keine Freigabe.
(Beifall bei der CDU – Heike Sudmann REGEN- BOGEN – für eine neue Linke: Wie viele Menschen sterben an einer Überdosis Alkohol?)
Frau Präsidentin! Herr Wersich, keiner hat hier davon gesprochen, irgend etwas freizugeben. Ich habe es jedenfalls bei keinem einzigen so verstanden, Herr Wersich.
(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Dann waren Sie beim ersten Teil der Debatte nicht da! Lesen Sie das nach!)
Wenn Sie mit dieser Art und Weise versuchen, von einem Konsens zu reden, den wir kaputtmachen wollen, so machen Sie ihn kaputt, wenn Sie so reden. Keiner hat hier gesagt, wir wollen etwas freigeben. Es wurde nur dargelegt – das ist medizinisch völlig klar und eindeutig –, daß es, wenn man einen Stoff zu sich nimmt, von dem man weiß, wie hoch der Reinheitsgehalt ist, gesundheitlich sehr viel besser ist, als wenn man einen Stoff zu sich nimmt, von dem man nicht weiß, was der Inhalt ist. Das ist die einzige Aussage, die hier gemacht worden ist, und keine andere.
Selbstverständlich ist es richtig, Herr Wersich, wenn Sie sagen, daß andere Drogen dazugenommen werden und man das gar nicht klarlegen könne. Die meisten Drogenabhängigen sind nicht nur von einer einzigen Droge ab
da die Drogenabhängigen mehrere Drogen nehmen und man überhaupt nicht klarlegen kann, was für einen chemischen Cocktail sie zu sich nehmen. Aber hier hat kein einziger dargelegt, daß wir alle Drogen freigeben wollen. – Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wer stimmt dem Antrag zu? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Neue Unternehmen und Gründungskultur in Hamburg – Drucksache 16/3217 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der GAL-Fraktion zu neuen Unternehmen und Gründungskultur und die Antwort des Senats haben aufgezeigt, wie breit inzwischen das Gründungsgeschehen in Hamburg gediehen ist; das möchten wir erst einmal positiv vermerken. Es wäre vor einigen Jahren nicht denkbar gewesen, wie weit sich inzwischen die Medien und auch die Menschen mit dem Thema Gründungen, Existenzgründungen, Unternehmenserweiterungen et cetera auseinandersetzen. Weil es aber so ein breites Thema ist, möchte ich mich auf ein paar Aspekte, die meiner Fraktion wichtig erscheinen und die auch im Hinblick auf eine Verbesserung der Situation eine Rolle spielen, beschränken.
Ein erster Punkt, der wahrscheinlich dem Leser zuerst aufgefallen sein dürfte, ist die mangelnde Statistik. Die ganze Gründungsstatistik ist nach den beigefügten Anlagen des Statistischen Bundesamts nicht geeignet, fundierte Politikansätze daraus zu entwickeln; das finden wir natürlich sehr ärgerlich. Wir haben daraufhin ein Gespräch mit dem Statistischen Landesamt in Hamburg geführt, das sämtliche Anlagen der Großen Anfrage erst einmal in Frage gestellt und gesagt hat, um Gottes willen, lesen Sie daraus nicht ab, das seien nur die neuen Betriebe oder weniger Betriebe oder was auch immer, wir sind da selbst unzufrieden.
Ich halte es vor diesem Hintergrund und auch durch die vielen Gespräche, die sich mit anderen Instituten ergeben haben, für absolut notwendig, politisch dafür zu sorgen, daß wir bessere Daten erhalten.