Ja, und weil wir das Problem mit den Ausnahmegenehmigungen haben, das auch schon Ungerechtigkeit produziert, wollen wir auf keinen Fall dieses von Ihnen vorgeschlagene System noch perfektionieren, indem wir noch mehr Ungerechtigkeit schaffen.
Die Ausnahmegenehmigungen haben – wie erwähnt – schon einen Pferdefuß. Die Ausnahmegenehmigungen, wie sie jetzt gehandhabt werden müssen, setzen immer in Kraft, was wir absolut nicht wollen, nämlich die Abschaffung der Bindungen der Sozialwohnungen an die staatlichen Belegungsmöglichkeiten. Eine Belegungspraxis in Ihrem Sinne bedeutet, daß es Dringlichkeitsscheine und Paragraph-5-Scheine mit Aussicht auf Erfolg nicht mehr geben kann. Das wollen wir unter keinen Umständen, und das hindert uns, der Fortführung der Ausnahmeregelung zuzustimmen. In dieser Situation gibt es daher nur die Möglichkeit, die Bindungen soweit es geht beizubehalten. Wir wollen auch, daß in Hamburg der bereits begonnene Bindungstausch bei den Wohnungsgesellschaften in größerem Stil fortgesetzt wird, damit die Wohnungsgesellschaften die Fähigkeiten haben, eine eigene Belegungspolitik zu machen. Die Fehlbelegungsabgabe soll dann sukzessiv in bestimmten Teilen reduziert oder eines Tages ganz abgeschafft werden. Nur dieser Weg ist sozial gerecht, obwohl wir dann ein neues Problem bekommen werden: Wir müssen neu über die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus nachdenken und prüfen, wie das am besten geschehen kann, weil wir auf Dauer Sozialwohnungen nicht teuer subventionieren können, die nicht von denen bewohnt werden, für die sie subventioniert werden.
Das Problem stellt sich, wenn wir uns zu dem Schritt genötigt fühlen, die Fehlbelegungsabgabe zu reduzieren oder völlig abzuschaffen. Dann müssen wir darüber nachdenken, wie man beim sozialen Wohnungsbau Gerechtigkeit schaffen kann. Dieses Problem haben Sie in Ihrem Antrag nicht aufgegriffen. Deswegen lohnt es sich, darüber neu nachzudenken. Wir bleiben dabei – Frau Duden sagte es bereits –, Ihren Antrag an die Ausschüsse zu überweisen. Aber wir müssen noch viel nachdenken, bevor wir zu
einer gerechten und für die soziale Bindung des Wohnens verträglichen Lösung kommen. Denn Sie können sicher sein: Solange die GAL an der Regierung beteiligt ist, werden wir dafür sorgen, daß die Armen dieser Stadt die Möglichkeit haben, ordentlich zu wohnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der letzte Satz hat natürlich mein Herz aufgehen lassen. Ich werde immer anhand dieser Aussage überprüfen, was in dieser Stadt passiert. Wenn dieser Maßstab gilt, dann ist er zu begrüßen.
Ich möchte noch einmal auf Herrn Hesse eingehen. Er hat so viel diskriminierenden Müll von sich gegeben, daß ich dazu noch einiges sagen muß.
Im Prinzip haben Sie gesagt, daß Menschen mit wenig Geld keine guten Bewohner in bestimmten Stadtteilen sein können. Das ist das allerletzte!
Was zum Teufel ist das für eine gesunde soziale Mischung, wenn sie auch noch am Einkommen festgemacht wird?
Ich bin zur Ordnung gerufen worden, darum versuche ich, mich ordentlicher zu verhalten. Es ist allerdings ein Thema, bei dem ich jedesmal hochgehe.
Herrn Hesse scheint nicht klar zu sein, wieviel Armut in dieser Stadt existiert. Stellen Sie sich einmal die Frage, wie viele Menschen eine Sozialwohnung mit Paragraph-5Schein beziehen dürfen, weil sie aufgrund ihrer Einkommen darauf angewiesen sind: Es sind nahezu 40 Prozent der Hamburger Haushalte.
Sie reden von einer gesunden Mischung, die sich über das Einkommen definiert, und daß die von mir genannten 40 Prozent der Menschen nicht normal sind. Das werde ich zu keinem Zeitpunkt schweigend hinnehmen.
Natürlich sollen Menschen gern in ihren Quartieren wohnen. Das hängt aber auch davon ab, wieviel Miete sie bezahlen müssen. Es ist kein Geheimnis, daß ich schon immer der Meinung war, daß die Fehlbelegungsabgabe für alle zu hoch ist.
(Dr. Rolf Lange SPD: Ihre Forderung war doch 9 DM pro Quadratmeter! – Dr. Leonhard Hajen SPD: Da- mals!)
Die Absenkung der Fehlbelegungsabgabe ist der richtige Weg. Wir werden genau darauf achten, daß sie nicht zu Lasten des sozialen Wohnungsbaus geht und künftig der Umfang an sozialem Wohnungsbau und sein Bestand in dieser Stadt erhalten bleibt. Deswegen ist der CDU-Vorschlag in keiner Weise akzeptabel.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich lasse nunmehr über die Überweisungsanträge abstimmen, und zwar federführend an den Haushaltsausschuß und mitberatend an den Bau- und Verkehrsausschuß. Wer möchte so entscheiden? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 23: Gemeinsamer Antrag von GAL und SPD zum Projekt Privatvormünder für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge.
[Antrag der Fraktionen der GAL und der SPD: Finanzierung von 110TDM für die Fortsetzung des Projektes „Privatvormünder für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge“ – Drucksache 16/3856 –]
Hierzu liegt mir ein Antrag der CDU-Fraktion auf Überweisung an zwei Ausschüsse vor, und zwar federführend an den Sozialausschuß sowie mitberatend an den Haushaltsausschuß. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Die Abgeordnete Goetsch bekommt das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kinderschutzbund hat im Jahre 1993 anläßlich seines vierzigjährigen Bestehens eine große Veranstaltung zur Situation der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge mit dem Titel durchgeführt: „Endstation Sehnsucht“.
Als Konsequenz dieser Veranstaltung wurde unter anderem ein Projekt ins Leben gerufen, das Privatvormünder für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge akquirieren sollte. Diese Konsequenz besteht im Gegensatz zu vielen anderen Forderungen, die leider bis heute noch nicht umgesetzt wurden, auch heute noch. Aber gerade der Einzelvormundschaft für diese Kinder und Jugendlichen kommt besondere Bedeutung zu. Diese Einzelvormundschaft bedeutet für sie, die ihre Familien verloren, Krieg und Kriegsgreuel und teilweise schwere seelische Traumata erleben mußten, eine emotionale Unterstützung. Sie können bei diesen Bezugspersonen wieder Vertrauen gewinnen, die sie auch schulisch betreuen und sich um die medizinische Versorgung kümmern. Vor allen Dingen aber werden sie von ihnen beim Asylverfahren betreut, indem sie die Kinder und Jugendlichen in diesem komplizierten Bereich begleiten. Teilweise suchen die Privatvormünder die Wohnungen dieser Betroffenen auf – verlassen sich nicht nur auf die Platzbörse – und bauen Verzweiflung und die Ängste ab, die mir von den Privatvormündern genannt wurden. Zudem begleiten sie vor allem den oft angstbesetzten Besuch bei der Ausländerbehörde.
Auf die Frage einer Vormünderin an ihr Mündel, wofür der Jugendliche sie bräuchte, antwortete dieser: „Für die Seele. Für den Alltag sind meine Betreuer in der Jugendwohnung da.“ Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein, aber das
macht deutlich, wie wichtig dieser Bezug ist. Die Vormünderin bestätigte, daß sie die Konstante in seinem Leben sei, weil sie immer ansprechbar sei. Das wichtigste ist es wohl, Familienersatz in einer schwierigen Phase wie zum Beispiel der Pubertät zu sein. Wichtig ist es aber auch, als Vormund mit den Spannungsfeldern der verschiedenen Situationen umgehen zu können. Mitunter muß ein Mündel Hamburg nämlich wieder verlassen, und wenn ein Bezug zu diesen Kindern aufgebaut wurde, ist es nicht einfach, diese Situation zu ertragen.
Das Projekt „Privatvormünder für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge“ versucht, möglichst Kinder zu vermitteln, die ein längeres Bleiberecht erhalten. Die gründliche Vorbereitung der künftigen Vormünder, die fachliche Begleitung und Fortbildung, ist Grundvoraussetzung für ihre Arbeit. Deshalb muß eine Stelle dafür planungssicher im Haushalt verankert sein.
Bei der Betrachtung der langen Aufgabenreihe, der Kenntnisse und Erfahrungen läßt sich erkennen, daß an die Privatvormünder vielfältige Anforderungen gestellt werden. Darum ist es notwendig, sie auf ihre Aufgaben vorzubereiten, weil sie nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch Erfahrungen und Kenntnisse über andere Religionen und Kulturen und den Umgang mit Behörden – den sie zum Teil auch beim Ausländerrecht zu lernen haben – mitbringen müssen. Wir brauchen die Privatvormünder; das BGB sieht dies auch vor. Die Nachfrage nach ihnen steigt, anders als noch 1995, Gott sei Dank auch ohne Werbung an. Ein Privatvormund bringt gegenüber einem Amtsvormund die zehnfache Zeit für diese Kinder und Jugendlichen auf. Ein Amtsvormund hat – zum Vergleich – zwischen 30 und 100 Mündel.
Deshalb gilt dem Kinderschutzbund besonderer Dank, aber auch den über 100 ehrenamtlichen Privatvormündern in Hamburg.
Das ist vor allen Dingen die Ehrenamtlichkeit, wie wir sie sehr oft als Bürgerbeteiligung an dieser Stelle eingefordert haben. Diese Ehrenamtlichkeit wird nicht durch leere Worthülsen geleistet, sondern wird aktiv wahrgenommen. Das sollte hier besonders hervorgehoben werden. Die Privatvormünder sorgen auch für Akzeptanz der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge. Das ist bitter nötig. Neben der Betreuung des Aufenthalts und der Schulbegleitung – nicht bei der Ausbildung, weil ihnen die Arbeitserlaubnis verweigert wird – ist es wichtig, den Betroffenen aufgrund dieser persönlichen Beziehung Perspektiven zu geben.
Ich möchte das Beispiel eines Mündels erzählen, das als Straßenkind aus Rumänien angekommen und es hier auch weiter war. Durch die Privatvormundschaft wurde es – wie das Mündel selbst sagt – „domestiziert“ und hat den Realschulabschluß gemacht. Inzwischen wird er an der Staatlichen Fremdsprachenschule zum Fremdsprachenkorrespondenten ausgebildet. Meine Damen und Herren, mit diesem Projekt können wir zumindest das Notwendigste abdecken. Es ist nicht mehr von Restmitteln abhängig und hat nach langem Hin und Her endlich einen gesicherten Titel im Haushalt. Das wird neben den Dankesreden und -bekundungen den Initiatoren am meisten nutzen. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es ganz toll, daß es in Zeiten knapper Haushaltsmittel gelungen ist, für dieses Projekt noch Mittel freizumachen, und auch noch ein eigener Haushaltstitel eingerichtet werden kann. Es stand schließlich in keinem Verhältnis, daß dieses Projekt des Deutschen Kinderschutzbundes in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen hochgelobt wurde, während für seine Finanzierung nur noch Reste übrig waren. Damit ist jetzt endlich Schluß.