Eine Bürgerin hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß das Projekt finanziell gefährdet war. Mit vereinten Kräften ist es dann gelungen, die vorliegende Lösung zu finden. Allen, die daran mitgewirkt haben, möchte ich herzlich danken.
Meine Damen und Herren! Ich halte es auch für ein Signal gegen Fremdenfeindlichkeit, wenn sich Menschen in dieser Stadt für Flüchtlingskinder oder besser gesagt Kinderflüchtlinge engagieren. Das fördert bei Jung und Alt Toleranz und besseres Verständnis für diese Kinder, aber auch Toleranz und besseres Verständnis fremder Kulturen. Auch ich möchte mich bei den Frauen und Männern bedanken, die bereit sind, Verantwortung für diese Kinderflüchtlinge zu übernehmen. Diese Aufgabe kostet viel Kraft und Zeit und ist eine große Herausforderung, die bis in den privaten Bereich hineinreicht.
Unsere Anerkennung gilt auch den Verantwortlichen beim Hamburger Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes. Dort wurde ein Verfahren entwickelt, um Privatvormünderinnen zu werben, zu qualifizieren und bei ihrer schwierigen Aufgabe so vorzubereiten, daß Überforderung und Enttäuschung vermieden wird. Dies geschieht zum einen durch gründliche Informationen über die Anforderung an einen ehrenamtlichen Vormund, zum anderen auch durch sehr intensive Einzelgespräche. Für diejenigen, die eine Vormundschaft für ein fremdes Kind übernehmen wollen, ist es wichtig, daß die eigene Familie, die Angehörigen und die Freunde mitziehen. Das verschafft dem Vormund und dem Mündel einen positiven Rückhalt und vergrößert gleichzeitig das Netzwerk, das die Kinderflüchtlinge auffängt.
Sich auf ein fremdes Kind einzulassen, das aus einem fremden Kulturkreis stammt und oft noch unter dem Eindruck schrecklicher Erlebnisse steht, erfordert nicht nur ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, sondern auch eine starke Belastbarkeit und sehr viel Geduld und Toleranz.
Mit großer Erfahrung und vor allem auch Fingerspitzengefühl gelingt es dem Projektteam beim Kinderschutzbund in Hamburg, die richtigen Menschen für diese Vormundschaften herauszufinden. Auch bei der Vermittlung der Mündel ist höchste Sensibilität angesagt. Es werden nur Kinder und Jugendliche ausgesucht, die in besonderem Maße eine Einzelbetreuung brauchen und diese auch wollen. Nur, wenn auf beiden Seiten, also beim potentiellen Vormund und beim späteren Mündel, alle Vorbehalte ausgeräumt sind, kommt es zur Vermittlung durch den Kinderschutzbund. Ist dann zwischen Vormund und Mündel alles klar und haben auch die Behörden zugestimmt, werden die Privatvormünder vor dem Vormundschaftsgericht vereidigt.
Trotz zahlreicher amtlicher Pflichtaufgaben ist und bleibt die persönliche Begleitung und Betreuung des Mündels das Herzstück einer privaten Vormundschaft. Das unterscheidet sie dann auch grundsätzlich von der Amtsvormundschaft. Ein Privatvormund kümmert sich – Frau Goetsch hat
das gesagt – um die Schulaufgaben, um die Gesundheit des Kindes, verbringt aber auch viel Zeit mit ihm. Trösten und Helfen, Lachen, Weinen, Freude und Enttäuschung, alles liegt nahe beieinander, wie in einer Familie. Ein Privatvormund ersetzt eben auch ein bißchen Vater und Mutter, ist Freund und Vorbild, soll Identifikationsmöglichkeiten schaffen und Emanzipation ermöglichen. Der beste Beleg, daß dieses gutgeht, ist dann oftmals – in Hamburg achtmal geschehen – die spätere Adoption des Mündels durch den Vormund.
Die positive Entwicklung der Vormundschaftsverhältnisse hängt eng mit der Betreuung und Begleitung durch den Kinderschutzbund zusammen. Aber ganz wichtig ist auch der Erfahrungsaustausch unter den Vormündern selber. Insgesamt belegt dieses Projekt, daß es nicht immer Amtsvormünder sein müssen, wenn es um die Geschicke von Kindern in Not geht. Privatvormünder leisten mehr, indem sie zusätzlich Erziehungsaufgaben übernehmen. Vielleicht, meine Damen und Herren, sollten wir auch einmal darüber nachdenken, ob dieses Modell des Hamburger Kinderschutzbundes auch auf Hamburger Kinder in Not übertragbar ist.
Ich bitte Sie, dem Antrag gleich zuzustimmen und nicht zu überweisen, damit dann auch die Finanzierung sofort gesichert ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Blick in unsere Geschichte lehrt uns, was es bedeutet, Flüchtling zu sein. Einige Ältere von uns werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie sie als Kind unter dramatischen Umständen geflüchtet sind vor dem Krieg, vor dem herannahenden Feind, der später zum Befreier wurde, oder vor Hunger und Kälte. Es waren die Erfahrungen mit einer Diktatur und deren verheerenden Verfehlungen und das unendliche Leid, das der Zweite Weltkrieg über die Menschen brachte, die die Bundesrepublik dazu bewogen hat, sich gemeinsam mit anderen Staaten des schweren Schicksals der Flüchtlinge anzunehmen. Es waren gerade diese historischen Erfahrungen, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Kopf hatten, als sie das Asylrecht formulierten. Hinzu kommen unzählige nationale und internationale Verträge und Abkommen. Vieles konnte verbessert werden. An den Gründen, die die Menschen zu einer Flucht aus ihrer Heimat bewegen, hat sich jedoch bis heute nichts geändert. Krieg, Hunger, staatliche Unterdrückung und Verfolgung gehören wohl zu den schwerwiegendsten Gründen.
Auch heute ist die Situation der Flüchtlinge in vielen Teilen der Welt mehr als dramatisch. In besonderem Maße gilt das für die Kinder, die oft unter unglaublichen Umständen ihr Land verlassen haben. Immer wieder kommt es vor, daß sie sich ohne ihre Eltern auf den Weg in ein fremdes Land machen. Häufig verlassen sie nicht nur ihr Heimatland, sondern auch ihren Kulturkreis. Viele von ihnen haben Dinge mit eigenen Augen sehen oder sogar am eigenen Leib erfahren müssen, die man uns noch nicht einmal in der Tagesschau zumuten mag. Es wird wohl kaum jemand leugnen, daß es unsere Pflicht ist, diesen Kindern in wahrer Not, für die im Amtsdeutsch die Bezeichnung minderjährige
In dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, das die Vereinten Nationen 1989 verabschiedet haben, sind die Pflichten der Vertragsstaaten gegenüber den Kindern klar vorgegeben. Obwohl die Bundesrepublik das Übereinkommen 1992 unter dem Vorbehalt ratifiziert hat, daß das hier geltende Asylrecht davon unberührt bleibe, nimmt sie die ihr auferlegten Verpflichtungen sehr ernst. Ich bin überzeugt davon, daß im Interesse dieser Kinder noch eine ganze Reihe von Verbesserungen vorgenommen werden können und müssen. So finde ich es äußerst unbefriedigend, daß etwa die Hälfte der Flüchtlingskinder in den Unterkünften der Erwachsenen leben muß. Auch an der Behandlung der jungen Flüchtlinge muß noch gearbeitet werden. Generell gilt, daß Flüchtlinge sich in einer besonderen Situation befinden. Behörden und Sozialarbeiter müssen dem Rechnung tragen, wenn sie ihre Arbeit tun.
Kinder haben darüber hinaus völlig andere Bedürfnisse als Erwachsene. Aus dieser Erkenntnis ist in den letzten Jahren ein gänzlich neuer Arbeitsbereich innerhalb der Flüchtlingsarbeit erwachsen. Sozialarbeiter und Betreuer sind teilweise noch dabei, die Grundlagen zu entwickeln. Ein Beispiel ist das von der Jugendhilfsorganisation Woge e.V. und dem Münsteraner Institut für soziale Arbeit im vergangenen Jahr vorgelegte erste Handbuch zur Arbeit mit Kinderflüchtlingen. Auch andere Modelle, den Problemen der Kinder ohne Eltern in einem fremden Land zu begegnen, müssen diskutiert werden. Vielleicht ist eine Regelung, die Berlin geschaffen hat, dabei vorbildlich.
Auf Initiative der Ausländerbeauftragten Barbara John hat Berlin mit Rumänien – Frau Goetsch hat darauf hingewiesen – eine Vereinbarung geschlossen, mit der in Temesvar und einem weiteren Ort zwei Jugendeinrichtungen mit deutscher finanzieller Hilfe und Beratung eingerichtet werden. Ähnliche Regelungen könnte man mit anderen Ländern erreichen. Hamburg wurde von unserer Fraktion im Eingabenausschuß aufgefordert, sich anzuschließen. Ich weiß nicht, ob sich in dieser Hinsicht inzwischen etwas getan hat.
Abstrakt ist individuelle Vormundschaft pädagogisch natürlich sinnvoller als Staatsvormundschaft. Allerdings ist nach Einführung des sogenannten Kindervisums die Anzahl der jungen Flüchtlinge geringer geworden. Inwieweit dies zu Einsparungen bei den Einrichtungen und bei den Kosten für Sozialarbeiterstellen geführt hat, ist offen. Manchmal kommen Einsparungen nicht zum Zuge, weil es bei manchen Einrichtungen und Sozialarbeitern eine Planstellen vermehrende Fürsorglichkeit geben soll. Projekte wie Temesvar sind natürlich kostengünstiger, wenn man bedenkt, daß die Kosten in unseren Einrichtungen pro Kind und Monat 3200 bis 6000 DM betragen.
Wenn minderjährige unbegleitete Flüchtlinge statt in staatliche Einrichtungen in private Vormundschaft kämen, dann müßten in den betreffenden Etats zusätzliche Sparmöglichkeiten liegen. Jede Maßnahme, die die Situation der Flüchtlinge und ganz besonders der Kinder verbessert, sollte eingehend diskutiert werden. Meine Fraktion ist bereit, mehr Geld für sinnvolle Integration, insbesondere Sprachunterricht auszugeben, aber – und ich sage das ganz deutlich – natürlich nur für diejenigen, die auch Anspruch haben, zu bleiben. Das ist bei weitem nicht bei allen der Fall.
Wenn eine Mutter eines ihrer Kinder mit einer Decke zudeckt, um es vor Kälte zu schützen, dann wird sie jeder
loben. Wenn sie diese Decke aber einem anderen ihrer Kinder weggezogen hat, erscheint die gute Tat allerdings in einem anderen Licht.
Die Bundesrepublik hat – und das darf nicht vergessen werden – eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den Deutschen, die aus dem ehemaligen Einzugsbereich des Warschauer Paktes zu uns kommen möchten. Die gravierenden weltpolitischen Veränderungen seit 1989 haben es Tausenden von Deutschen ermöglicht, in ihre Heimat zurückzukehren.
Ich komme jetzt auf die Finanzierung zu sprechen. In den GUS-Staaten haben über 100 000 Menschen einen gültigen Aufnahmebescheid, der sie jederzeit zur Aussiedlung berechtigt. Die Mehrheit von ihnen hat bis jetzt auf dieses Recht verzichtet. Unsensible Aktionen und Äußerungen führen aber immer wieder zu Panikreaktionen. Es war die derzeit regierende Koalition aus SPD und Grünen, die im vergangenen Jahr die Flugkostenpauschale für Aussiedler zum 1. Januar 2000 streichen ließ. Das führte im Oktober und Dezember 1999 zu einer Massenaussiedlung, deren Folgekosten die Einsparungen bei weitem überstiegen. Zwar sind die Zahlen der Aussiedler seither zurückgegangen, im Vergleich zum Vorjahr sind sie allerdings konstant geblieben.
Meine Damen und Herren! Zusätzlich wird in Hamburg alles getan, um den Menschen einen raschen Einstieg ins normale Leben zu verwehren. Dringlichkeitsscheine werden, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich vergeben. Sie werden es gleich noch sehr deutlich hören. Daß Sie das nicht hören wollen, kann ich mir vorstellen.
In diesem Bereich Streichungen vorzunehmen, erscheint mir unverantwortlich. Es kann nicht unser Anliegen sein, Menschen, die unserer Unterstützung bedürfen, damit zu helfen, daß wir anderen, die ebenso bedürftig sind, etwas wegnehmen. Es ist grundsätzlich falsch, die Integration von Ausländern auf Kosten der Integration von Aussiedlern zu fördern und umgekehrt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, um im Ausschuß an einer sinnvollen Finanzierung arbeiten zu können, unserem Antrag auf Überweisung stattzugeben.
Ich muß zugegebenermaßen sagen, Herr Harlinghausen, das war eine der bemerkenswertesten Reden, die ich jemals von der CDU gehört habe,
(Dr. Hans-Peter de Lorent SPD: Es gibt immer einen zweiten Teil! – Rolf Harlinghausen CDU: Wenn Sie das sagen, muß ich etwas falsch gemacht haben!)
Das meine ich ehrlich. Wenn Sie sagen, daß jede Maßnahme, die die Situation von Flüchtlingen verbessert, ernsthaft diskutiert und durchgeführt werden muß, dann ist das zumindest sehr bemerkenswert, und ich würde mich freuen, wenn Herr Vahldieck daran anknüpft.
Das Projekt, über das es konkret geht, ist tatsächlich eines, das schon vielen Leuten helfen konnte und nach dem es
einen großen Bedarf gibt. Wenn Frau Schaal angedeutet hat, daß das ihrer Initiative zu verdanken ist, daß es noch weitergeführt werden kann, so kann ich mich erinnern, daß ich vor zwei Jahren, als ich noch Mitglied der GAL-Fraktion war, mit dem gleichen Finanzierungsproblem konfrontiert war. Dennoch kann man nicht darüber hinwegsehen, daß es immer noch zentrale Probleme gibt, an denen dieses Modell nichts verändert. Zu den zentralen Problemen gehört nach wie vor die unsägliche Altersfeststellung und die absolute Perspektivlosigkeit der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, gekennzeichnet von Arbeitsverboten, mangelnden Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten und natürlich auch gekennzeichnet durch Abschiebungsandrohungen. Die machen die Menschen, die die minderjährigen Flüchtlinge begleitet haben, nicht nur froh über ihre Aufgabe, sondern sie sind verzweifelt, wenn sie plötzlich mitbekommen, auf welche Art und Weise diese minderjährigen Flüchtlinge abgeschoben werden. Deswegen muß das zentrale Thema bearbeitet werden, wenn wir über dieses Projekt reden, nämlich das Thema „Wie geht Hamburg mit seinen Flüchtlingen um“. – Danke.
Dann lasse ich zunächst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer will die Vorlage zur federführenden Beratung an den Sozialausschuß und mitberatend an den Haushaltsausschuß überweisen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den GAL- und SPD-Antrag in der Sache abstimmen. Wer möchte denselben beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mehrheitlich beschlossen.
Wer will sodann den in erster Lesung gefaßten Beschluß auch in zweiter Lesung fassen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Beschluß auch in zweiter Lesung und somit endgültig gefaßt worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Drucksache 16/3857: Antrag der Gruppe REGENBOGEN zur Abschiebepraxis.
[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das Maß ist übervoll! Sofortige und vollständige Rücknahme der Verschärfungen in der Hamburger Abschiebepraxis – Drucksache 16/3857 –]