Protokoll der Sitzung vom 19.04.2000

Eines will ich hier aber ehrlich sagen: Ich sehe durchaus, daß zum Beispiel die Sparprogramme gerade im Sachmittelbereich Probleme verursacht haben.Das ist unbestritten. Aber auch diese Tatsache ändert nichts daran, daß die Universität in den Jahren 1998 und 2001 günstig gestellt worden ist. Das wird von ihr auch so gesehen.

Herr Salchow, Sie haben hier für eines keine Erklärung gefunden: Warum der Universitätspräsident im Zusammenhang mit der Erklärung der Dekane ausdrücklich gesagt hat, daß er die Vereinbarung zwischen der Universität und der Wissenschaftsbehörde, die durch eine Rahmenvereinbarung mit der Finanzbehörde abgesichert ist, gerade nicht in Frage gestellt sehen möchte und betont, daß daran festgehalten werden solle.

Sie haben dafür auch keine Erklärung gefunden, warum die Erklärung der Dekane in die Richtung zielt, daß es ihnen um weitere, nicht gewünschte Sparmaßnahmen geht.Aber gerade die weiteren Maßnahmen sind durch die Ziel- und Leistungsvereinbarung in dieser Legislaturperiode ausgeschlossen. Das ist eine Begünstigung, die die Universität durchaus sieht und die sie auch behalten möchte. Das Motiv der Dekane und des Universitätspräsidenten ist nachvollziehbar und durchaus verständlich. Sie möchten mit Blick auf die nächste Legislaturperiode vorbeugen und deutlich machen, wo die Interessen der Hochschule liegen. Es ist sicher, daß die Wissenschaftssenatorin bei dieser Frage an der Seite der Universität steht.Ich kann es nur begrüßen, wenn es auch in diesem Haus Unterstützung dafür gibt, daß es in der nächsten Legislaturperiode vor allem angesichts der großen Herausforderungen in den Bereichen Multimediaeinsatz in der Lehre, Qualitätssicherung, Profilbildung oder auch beim Ausbau der Weiterbildungsangebote keine weiteren Sparmaßnahmen geben soll.

Mit Blick auf die Universität möchte ich gerade in bezug auf den Generationenwechsel selbst eines sagen: Bis 2005 werden 200 und bis 2010 nochmals 230 Professorenstellen, also insgesamt 430 Professorenstellen frei.Vor diesem Generationenwechsel steht die Universität natürlich auch vor der Aufgabe, durch Umwandlungen und Umschichtungen nochmals selbst die Profilbildung deutlich voranzutreiben.Wer neue Studiengänge und Studienreformen fordert, der weiß doch auch, daß Profilbildung genau das bedeutet. Natürlich ist die Universität in der Lage, im Zuge des Generationenwechsels Umschichtungen in neue Schwerpunktbereiche vorzunehmen. Sie muß ebenso auch C2Stellen und frühere A14-Dozentenstellen in wissenschaftliche Nachwuchsstellen umwandeln, um beim wissenschaftlichen Nachwuchs wettbewerbsfähiger zu werden.

Zu der Professorenschaft muß man allerdings sagen: Im Vergleich mit den anderen großen Universitäten im Bundesgebiet ist das Studenten-Professoren-Verhältnis in Hamburg zahlenmäßig am günstigsten. Weder in München, Köln, Berlin oder Münster gibt es ein derart günstiges Studenten-Professoren-Verhältnis wie in Hamburg. Deswegen meine klare Aussage: Wenn wir nachbessern müssen, dann nach wie vor beim wissenschaftlichen Nachwuchs, auch wenn sich die wissenschaftlichen Nachwuchsstellen durch unsere Sonderregelung nicht verringert haben, sondern das Verhältnis eher günstiger geworden ist.

Man kann die Debatte eigentlich auf drei Punkte zusammenfassen:

Erstens: An den Sparvorgaben des Voscherau-Senats hat die Universität zweifellos noch heute zu knacken.

Zweitens:Sie ist jetzt durch die Politik des rotgrünen Senats sehr viel besser gestellt und will selbst auch an den Vereinbarungen mit diesem Senat festhalten.

Drittens: Sie warnt vor einem neuen Sparprogramm in der nächsten Legislaturperiode; das ist ganz im Sinne der Wissenschaftssenatorin.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Professor Karpen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Senatorin Sager, die Frage, warum die Universität den Aufstand probt und zugleich betont, an den geschlossenen Vereinbarungen festzuhalten, ist doch klar.Trotz der Absenkung der Sparquote bei den Tutoren- und Bibliotheksmitteln ist das Hemd einfach zu kurz. Nichts anderes wollte man damit sagen, um die Option für die Zukunft aufrechtzuerhalten.

Herr Marx, die Fraktion der CDU läßt sich sehr ungern den Vorwurf machen, sie sei Spezialist für das Unkonkrete.Das ist keineswegs so.Deswegen möchte ich Ihnen an drei, mitten aus dem Leben gegriffenen Beispielen der Universität zeigen, wie die Situation dort tatsächlich ist.

Zunächst zur Frage der Lehre. Eine gute Lehre hängt bekanntlich davon ab, daß man gute Lehrkräfte hat. Die Wissenschaftsbehörde ist zum Teil – das muß ich zugestehen – rechtlich nicht in der Lage und zum Teil auch nicht willens, gute Lehrkräfte durch das Aushandeln von vernünftigen Bedingungen nach Hamburg zu holen. Der Zustand der Universität ist wirklich nicht berauschend. Um den Widerstand zu überwinden und die Attraktivität von Hamburg zu nutzen, müßte man individuelle Besoldungen aushandeln. Was bei Architekten, Opernsängerinnen und -sängern, Malern gilt, muß doch auch für die Hochschule gelten.Hier hat die Flexibilität zunächst anzusetzen und nicht so sehr bei der Frage der Juniorprofessoren und der Habilitation; das sind weitreichendere Pläne, auf die es jetzt nicht unmittelbar ankommt.

Es kommt darauf an, die Lehre mit konkreten Mitteln zu verbessern. Denn, Frau Sager, Sie wissen – obwohl Ihr Studium weiter zurückliegt – durch Ihre Zusammenarbeit mit der Universität, daß zum Beispiel Hausarbeiten in den Rechtswissenschaften für 130 Studenten ausgegeben werden, aber lediglich zehn Buchexemplare des entscheidenden Kommentars zur Verfügung stehen. Das ist der Regelfall. Es bedeutet, daß die Studenten diese Kommentare ausschlachten, die entsprechenden Seiten herausreißen

(Zweite Bürgermeisterin Krista Sager)

und die Bücher verstecken, damit sie sie später auch noch zur Verfügung haben, oder sie gleich stehlen.Das ist ein unhaltbarer Zustand, den man durch eine geringe Aufstockung der Bibliotheksmittel beseitigen kann.

Zurück zur Lehre.In der großen Vorlesung ist es völlig egal, ob 300 oder 400 Zuhörer anwesend sind. Aber eine Arbeitsgruppe muß richtig besetzt werden können.Sie wissen selbst, daß sich mit mehr als 15 oder 20 Studenten eine individuelle und gute Lehre nicht mehr durchführen läßt.

Ich komme zum Schluß. Die Universität und die Hochschulen leben in der Forschung letztlich nur noch von den Drittmitteln. Das ist ein absurder Zustand. Die Grundausstattung ist inzwischen so gering, daß bei der VolkswagenStiftung, der Forschungsgemeinschaft und der ThyssenStiftung Drittmittel für Projekte eingeworben werden, die man aber nicht durchführt, weil man diese Mittel in die Grundausstattung steckt.Das ist den Stiftungen gegenüber ein Tanz auf dem Vulkan, wenn man begründen muß, sich ein bestimmtes Forschungsprojekt vorzunehmen, aber die Mittel dann letztlich für Stellen im Bereich der Grundausstattung verwendet. Hier manövrieren wir – wenn man es der DFG ehrlich erklären würde – am Rande des Illegalen.

(Vizepräsidentin Sonja Deuter übernimmt den Vor- sitz.)

Deswegen ist die Warnung der Dekane und des Präsidenten völlig berechtigt. Wenn Sie nicht in Zukunft eine noch weiter absackende Universität haben wollen, müssen Sie die Sparquote auf Null herunterfahren; nur dann geht es. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen zum letzten Thema der Aktuellen Stunde sehe ich nicht. Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.

Ich rufe die Punkte 2, 3, 4a und 4b auf: Deputiertenwahlen.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Finanzbehörde – Drucksache 16/3821 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales – Drucksache 16/4078 –]

[Unterrichtung durch den Ersten Vizepräsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drucksache 16/4125 –]

[Unterrichtung durch den Ersten Vizepräsidenten der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drucksache 16/4126 –]

Die Stimmzettel finden Sie auf Ihren Plätzen. Auf allen Stimmzetteln finden Sie jeweils drei Felder, und zwar ein Feld für Ja-Stimmen, ein Feld für Nein-Stimmen und ein Feld für Stimmenthaltungen.

Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß auf dem gelben Zettel der künftige GAL-Deputierte nicht Herr Schäfer, sondern Herr Schöfer heißt.

Ich bitte, die Stimmzettel mit jeweils nur einem Kreuz zu versehen; weitere Eintragungen oder Bemerkungen machen den Stimmzettel ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Ich darf nun bitten, die Stimmzettel einzusammeln.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Sind alle Stimmzettel eingesammelt worden? – Da sich kein Widerspruch erhebt, schließe ich die Wahlhandlung und bitte Sie, mit der Stimmenauszählung zu beginnen.

Ich gehe von Ihrem Einverständnis aus, daß wir ohne Unterbrechung in der Tagesordnung fortfahren. Die Ergebnisse dieser Wahlen werden im Laufe der weiteren Sitzung bekanntgegeben.

Kommen wir zum Tagesordnungspunkt 18: Große Anfrage der SPD zum Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Zehn Jahre Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer – Drucksache 16/3971 –]

Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort erhält Frau Dr. Schaal.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute vor genau zehn Jahren und zehn Tagen hat die Hamburgische Bürgerschaft das Gesetz über den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer verabschiedet. Unter den drei deutschen Wattenmeer-Nationalparks ist der hamburgische mit seinen 117 Quadratkilometern der kleinste. Er ist aber auch zugleich Hamburgs größtes und international bedeutendstes Schutzgebiet.

(Dr. Rolf Lange SPD: Wir haben die meisten See- hunde!)

Die Natur dort hat sich prächtig entwickelt. Ich könnte jetzt eine Dia-Schau hervorzaubern oder einen Film laufen lassen, um Ihnen alles zu zeigen; das geht aber nicht. Meine Damen und Herren, fahren Sie hin und beobachten Sie, was sich dort tut, schauen Sie sich die einmalige Natur an. Jeder Hamburger Abgeordnete und jede Hamburger Abgeordnete sollten wenigstens einmal in unserem Nationalpark gewesen sein.

(Unruhe – Glocke)

Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten? – Danke schön.

Im Hamburger Nationalpark gibt es im Gegensatz zu anderen Schutzgebieten kaum Konflikte. Der Nationalpark wird von seinen 33 Bewohnern auf der Hamburger Insel Neuwerk voll akzeptiert, und sie engagieren sich selbst auch beim Naturschutz. Sie überlassen drei Viertel ihrer landwirtschaftlichen Flächen dem Kiebitz, dem Rotschenkel und der Feldlerche. Natürlich sind sie auch für die vielen Menschen da, die die Natur erleben und genießen wollen. Die Vogelinsel Scharhörn und die vom Hamburger Senat geschaffene Insel Nigehörn sowie der Osten Neuwerks sind Natur pur.

Der gute Zustand des Nationalparks ist auch ein Verdienst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung, die ihren Dienst auch vor Ort tun. Ganz wichtig sind dabei die Inselgespräche. Dazu lädt die Verwaltung zweimal im Jahr die Neuwerkerinnen und Neuwerker und

Ergebnisse siehe Seite 3514 C.

(Dr. Ulrich Karpen CDU)

Vertreter der zuständigen Behörden ein, um die Entwicklung des Nationalparks und die anstehenden Probleme gemeinsam zu lösen.

Aber kein Naturschutz ohne Verbände.Der Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V.arbeitet mit der Nationalparkverwaltung eng zusammen, und zwar bei der Überwachung des Gebiets, der Kartierung der Vögel und vor allen Dingen bei der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Der Verein betreut eine kleine Ausstellung auf der Turmwurt, und das Konzept ist eine Gemeinschaftsproduktion; das Geld dafür hat die Behörde gegeben. Partner der Nationalparkverwaltung auf überregionaler Ebene ist der viel größere WWF, der dort auch eine Anzahl von Aktivitäten entfaltet und versucht, die drei Nationalparks zusammenzuschließen.

Wir als Politikerinnen und Politiker müssen dankbar sein, daß es Verbände gibt, die den Staat beim Naturschutz so engagiert unterstützen und das zu einem Teil auch ehrenamtlich.Vieles wäre ohne sie nicht zu leisten, wie zum Beispiel die Betreuung der vielen Gäste. Jährlich kommen 100 000 Besucher in den Nationalpark als Urlauber oder auch als Tagesgäste. Stadtmenschen können heute Natur meist nur noch im Urlaub erleben, und darum ist die Vermittlung von Erlebnissen, Kenntnissen und Verständnis der Natur im Nationalpark so wichtig, denn nur was man erlebt und kennt, lernt man schätzen und schützen.