Erstens: Der Senat hat in der Drucksache festgestellt, daß Kinder, die in dieser Stadt von Sozialhilfe leben, besonders häufig in die Lebenssituation kommen, in der die Familie auf Hilfen zur Erziehung angewiesen ist. Kinder und Jugendliche erfahren also damit oft eine doppelte Stigmatisierung. Sie leben von Sozialhilfe und sind ein sogenannter Fall für das Jugendamt. Damit macht die Drucksache deutlich, daß der wichtigste Schritt zur Reduzierung von Hilfen zur Erziehung Schritte gegen die zunehmende Verarmung in der Stadt und für eine Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien sind.
Zweitens: Noch einmal zur aktuell veränderten Bewilligungspraxis. Wir haben vor kurzem eine Anfrage zum Thema gestellt, und die Antwort hat gezeigt, daß zur Zeit fast doppelt soviel Hilfen für männliche Kids bewilligt werden. Diese Kids zeichnen sich eher dadurch aus, daß sie Probleme nach außen tragen, während Mädchen eher durch selbstschädigendes Verhalten auf Probleme reagieren. Offensichtlich spielt also bei der Bewilligung von Hilfen zur Erziehung mittlerweile vor allem eine Rolle, ob die Kids Probleme machen, weniger, ob sie Unterstützung bei der Bewältigung von Problemen brauchen und möchten. Das ist eine Entwicklung, die noch einmal mehr die Gefahr unterstreicht, daß Hilfen zur Erziehung durch die restriktiven Bewilligungskriterien zu Repressionshilfen verkommen, und das ist eine Entwicklung, die unseres Erachtens so nicht weitergeführt werden kann.
Drittens: Die Sonderregelungen für den LEB sind aufgrund der vorhandenen Arbeitnehmerinnenrechte der Beschäftigten natürlich völlig nachvollziehbar. Kritikwürdig ist aus unserer Sicht aber, daß der Senat das Potential des ehemaligen Landesbetriebes nicht dafür nutzt, als Motor bei der viel diskutierten Entsäulung der Jugendhilfe zu fungieren. Statt die nicht genutzten Kapazitäten des LEB im Rahmen der notwendigen Strukturreformen gezielt in Projekten an den Schnittstellen zwischen HzE und offenen Angeboten einzusetzen, bleiben die beschriebenen Maßnahmen in der ganz engen Logik von Einzelfallhilfen. Das ist doch angesichts der Zielsetzung – und da sind wir uns auch einig – kontraproduktiv, aber möglicherweise auch ein bißchen symptomatisch für das Verständnis von Jugendhilfen in dieser Stadt jenseits der Sonntagsreden.Das macht nebenbei deutlich, wieviel Arbeit der neuen Jugendsenatorin, Frau Pape, noch geblieben ist. Viel Erfolg dabei.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Senatsmitteilung informiert der Senat über die aktuelle Entwicklung im Bereich Hilfen zur Erziehung und antwortet auf das Ersuchen zur Kapazitätsauslastung beim LEB. Es werden dabei fachliche wie finanzielle Aspekte behandelt, so wie eben auch in der Debatte. Zu drei Punkten möchte ich Stellung nehmen.
Erstens:Die nun eingeleiteten Steuerungsmaßnahmen beginnen zu greifen. Durch die im letzten Jahr eingeleiteten Maßnahmen ist es nun erkennbar gelungen, den starken Anstieg der Fallzahlen im ambulanten Bereich zu bremsen und einen deutlichen Rückgang der Gesamtfallzahlen zu erreichen. Die aktuelle Fallzahl Ende Februar dieses Jahres liegt um etwa 360 Fälle unter der für den Haushalt 2000 kalkulierten Fallzahl. Bei den stationären Fällen sehen wir sogar 200 Fälle weniger, als für den Haushalt 2000 vorgesehen sind.
Diese Entwicklung zeigt, daß das Instrumentarium der Globalrichtlinie, der Dienstanweisung der Bezirke und der Kontingentvereinbarung mit den Wohlfahrtsverbänden geeignet ist, die Entwicklung der Hilfebewilligungen besser zu kontrollieren als in den Jahren zuvor. Allerdings wird man die Entwicklung weiterhin zeitnah überwachen müssen. Es ist noch keineswegs der Zeitpunkt erreicht, in dem sich alle Beteiligten zufrieden zurücklehnen dürften.
Zweitens: Vor allem im zweiten Halbjahr 1999 haben alle Bezirke erkennbar ihre Steuerungsanstrengungen verstärkt und den Versuch unternommen, die Budgets einzuhalten. Die Bezirke Harburg und Wandsbek waren aber als einzige Bezirke aufgrund ihrer mehrjährigen intensiven Steuerungsbemühungen in der Lage, erstmalig Minderausgaben zu erwirtschaften. Diese Minderausgaben betrugen für die Jahre 1998 und 1999 – zusammen betrachtet – im Bezirksamt Wandsbek circa 1,2 Millionen DM, beim Bezirksamt Harburg 500 000 DM, Frau Pawlowski.
Weil Sie vorhin Zweifel angemeldet haben, sage ich es ganz speziell für Sie noch einmal ganz ausdrücklich und genau:
Entsprechend der Vereinbarung, daß 50 Prozent der ersteuerten Summen in den Bezirken verbleiben, erhielt der Bezirk Wandsbek – dem Haushaltsbeschluß entsprechend – bereits 600 000 DM und der Bezirk Harburg 250 000 DM aus diesen Minderausgaben zurück.Beide Bezirke konnten diese Gelder in präventive Angebote der bezirklichen Jugendhilfe investieren. Nach Abschluß des Haushaltsjahres 1999 hat der Senat nun eine erneute Bewertung der Steuerungsergebnisse vorgenommen und ist zu dem Schluß gekommen, daß dem Bezirksamt Wandsbek nochmals 100 000 DM zur Stärkung der offenen Kinder- und Jugendarbeit zufließen sollen, und so wird verfahren.
Angesichts dieses Ergebnisses bewertet der Senat das von ihm eingeführte Anreizsystem positiv und beabsichtigt, die getroffenen Regelungen grundsätzlich fortzuführen. Es ist geeignet, die getroffenen Steuerungsmaßnahmen konstruktiv zu ergänzen, und eröffnet den Bezirken Handlungspotentiale, die fachlich und jugendpolitisch genutzt werden können.
Drittens: Die Bürgerschaft hat den Senat aufgefordert, darzustellen, wie vermieden werden kann, daß beim Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung Kapazitäten unausgelastet bleiben, und geeignete Maßnahmen zur besseren
Kapazitätsauslastung zu ergreifen. Dazu möchte ich feststellen, daß der Landesbetrieb in der Vergangenheit in erheblichem Umfang stationäre Plätze abgebaut hat. Er hat – vom Jahre 1996 bis 1999 ausgehend – von weit über 900 Plätzen auf circa 600 Plätze reduziert. Das entspricht einem Abbau von 34 Prozent. Damit ist der Marktanteil, den der Landesbetrieb im Vergleich zu Freien Trägern in Hamburg und zu auswärtigen Trägern im Jahre 1996 bei gut 40 Prozent hatte, jetzt auf einen Anteil von 24 Prozent im Bereich der stationären Angebote im Februar des Jahres 2000 gesunken. Gegenwärtig stellen demgegenüber die Freien Träger in Hamburg 45 Prozent und die Freien Träger außerhalb von Hamburg 31 Prozent aller Plätze für die stationären Hilfen zur Erziehung zur Verfügung.
Das Ziel muß weiterhin sein, den Landesbetrieb besser auszulasten. Es darf nicht sein, daß anderswo neue Plätze geschaffen und finanziert werden, während im LEB Plätze leerstehen. Dazu ist es jedoch zwingend, daß der LEB seine Angebote den Bedarfen anpaßt und weiter an der Verbesserung der Qualität seiner Angebote arbeitet. Die BSJB hat eine Projektgruppe eingesetzt, um zeitnah die Maßnahmen zur Kapazitätsauslastung des LEB weiterzuentwickeln.
Vor dem Hintergrund dieser Maßnahme ist die in der Zuweisung des Budgets an die Bezirke für das Haushaltsjahr 2000 enthaltene Aufteilung in einen Anteil für den Landesbetrieb und einen Anteil für Freie Träger auf gesamtstädtischer Ebene als flankierende Maßnahme zu verstehen. Aber ich sage auch ganz klar:Den Anstrengungen des Landesbetriebes hinsichtlich fachlich notwendiger Veränderungen müssen Anstrengungen der Bezirke folgen, diese Angebote bei Einzelfallunterbringung auch zu nutzen oder aber weitere, als notwendig angesehene Veränderungen abzufordern.
Meine Damen und Herren! In der Debatte sind Sie auf eine Vielzahl von fachlichen und auch fiskalischen Einzelfragen eingegangen. Ich denke von daher, daß es sehr gut ist, diese Fragen in der Ausschußsitzung weiter zu vertiefen. Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir sind auf einem guten Weg, aber Wachsamkeit und weitere Anstrengungen sind geboten. – Danke schön.
Wer stimmt einer Überweisung zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuß sowie mitberatend an den Jugend- und Sportausschuß zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit wurde diesem Begehren einstimmig nachgekommen.
[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Rechtsreformvorhaben zum Gnadenrecht und Strafrecht – Drucksache 16/3972 –]
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gnade geht vor Recht. Das Gnadenrecht ist ein uraltes Recht des Souveräns, jetzt des Staatsoberhauptes und bei uns des Senates. Sie, Frau Senatorin, benutzen Ihr unbestrittenes verfassungsrechtliches Vorbehaltsrecht des Gnadenerweises, um aus rechtspolitischen Gründen das geltende Recht und die dieses Recht nur anwendende Rechtsprechung zu unterlaufen.Sie tun das, indem Sie Ersatzfreiheitsstrafen zumindest teilweise serienmäßig niederschlagen. Gnade soll einem Straftäter im Einzelfall widerfahren, einem Straftäter, den ein Urteil besonders hart trifft, weil das geltende Recht in seinem Falle unverhältnismäßig, übermäßig einschränkt, weil in seiner Person liegende Gründe eine solche Strafe nicht rechtfertigen. Im Einzelfall soll korrigierende Gerechtigkeit geschaffen werden.
Mit diesem Verständnis des Gnadenrechtes, über das wir gewiß nicht streiten werden, ist es unvereinbar, wenn Sie Täter, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind und nicht zahlen, sogleich oder später begnadigen und damit von der Verbüßung der vollen Ersatzfreiheitsstrafe serienweise freistellen.Daß das geschehe, haben Sie immer wieder bestritten. Wir haben nicht lockergelassen. Auf Seite 3 der Drucksache 16/3774 ist nun eingeräumt, daß in 62 Prozent der Gnadenverfahren, die dort genannt sind, die Ersatzfreiheitsstrafe erlassen wurde, in absoluten Zahlen also von 1885 Gnadensachen 1172 positiv entschieden wurden. Das ist eine Serie. Hier immer noch von sorgfältiger Einzelfallprüfung im Blick auf individuelle Korrektur einer zu harten Bestrafung zu sprechen, wie Sie es tun, heißt, daß Sie die Öffentlichkeit und uns nicht ernst nehmen. Nur im Hinblick auf den parlamentarischen Sprachgebrauch möchte ich darauf verzichten zu sagen, daß Sie uns einfach für dumm verkaufen. Ein Richter, mit dem ich Ihre Argumente besprochen habe, Begnadigungen von 65 Prozent der Fälle geschähen nach sorgfältiger Einzelfallprüfung, antwortete schlicht: Dazu fällt einem nun überhaupt nichts mehr ein.
Das Gnadenrecht, das die beiden anderen Gewalten, nämlich Gesetze und Richtersprüche, überspielt, muß aber ein Einzelfallrecht bleiben. Sonst wird die Gewaltenteilungskorrektur zu einer Verfassungsverfehlung. Die Richter und das Parlament müssen das nicht hinnehmen. Sie haben versucht, Ihre Gnadenpraxis durch ein Gefälligkeitsgutachten legitimieren zu lassen. Es wurde Ihnen mit byzantinistischer Unterwürfigkeit angedient und kommt dennoch zu einem falschen Ergebnis.
Sie bemühen sich um eine Reform des Rechts der Ersatzfreiheitsstrafen. Sie wollen vor allem den kurzfristigen Freiheitsentzug zurückdrängen. Das ist Ihr gutes Recht. Mag auch sein, daß Sie das positive Recht völlig ausschöpfen, bis die von Ihnen gewünschten Reformmaßnahmen geltendes Recht sind.Unzulässig ist es aber, daß Sie Ihre verfassungsrechtlichen Vorbehaltsrechte benutzen, um das geltende Recht zu unterlaufen. Rechtsanwendung und Rechtspolitik sind strikt zu trennen.
Letztlich ist Ihre Begnadigungspraxis auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.Wir reden hier von den kleinen Leuten mit dem kleinen Geldbeutel, die ja gerade unter den Schwarzfahrern reichlich vorhanden sind. Einige Straftäter legen sich krumm, nehmen eine Einschränkung ihrer Lebensführung in Kauf und zahlen die Geldstrafe. Andere, die wegen derselben Delikte verurteilt werden und
nicht zahlen, werden durch die regelhafte Begnadigung wegen der Ersatzfreiheitsstrafe belohnt. Sehen die, die gezahlt haben, das eigentlich als höhere Gerechtigkeit an wie Sie, Frau Senatorin, oder schlicht als Ungerechtigkeit? Frau Senatorin, Sie gelten als beratungsresistent.
Wir haben über diese Sache seit beinahe zwei Jahren gesprochen. Sie bewegen sich nicht. Das ist nicht gut. Das Gnadenrecht hängt gewissermaßen über der Alltagsrechtsprechung.Wir brauchen es, weil auch Gesetze und Rechtsprechung menschlich fehlsam sein können. Dieses vornehme Recht der Exekutive ge- oder besser mißbrauchen Sie massenweise und entwerten es damit.Im Interesse der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung fordere ich Sie auf, zu einer klugen und angemessenen Gnadenpraxis zurückzukehren. – Danke sehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema Gnadenpraxis in Hamburg entwickelt sich langsam zu einem Dauerbrenner in dieser Legislaturperiode.
Nun hatten wir schon nach der umfassenden Behandlung, zum Beispiel beim Fall Nana im Mai 1998 und danach noch einmal im September 1998 gedacht, daß uns die so emsig Große Anfragen produzierende CDU-Fraktion die Gnade zuteil werden lassen könnte, das Thema nicht schon wieder aus der Oppositionsmottenkiste zu holen.
Da Ihnen, Herr Professor Karpen, offenbar nichts Neues mehr einfällt – offenbar sind Sie widerstandsfähig gegen Erkenntnis –, muß das Thema nochmals auf die Tagesordnung. Aber eines sollten Sie sich doch merken, Herr Professor Karpen: Für das Verfassen von immer mehr Großen und Kleinen Anfragen mit immer den gleichen, häufig wenig erhellenden Fragen zu immer den gleichen Themen beweisen Sie einmal mehr, daß Ihre Oppositionspolitik im Justizbereich gescheitert ist.
Was Sie hier und in Ihrer Anfrage präsentiert haben, ist schon ein starkes Stück. Da das von Ihrer Seite in dieser Legislaturperiode schon mehrmals dargeboten wurde, müssen wir Sie nunmehr als Wiederholungstäter einstufen, was – und Sie wissen es – nicht mildernd für Sie spricht. Immer die gleichen Unterstellungen, immer die gleichen unbewiesenen und falschen Behauptungen, immer die gleichen Suggestivfragen. Fällt Ihnen nichts Neues mehr ein? Sie dokumentieren einmal mehr, daß Ihre Oppositionspolitik oder sollte man besser sagen Obstruktionspolitik im Justizbereich gescheitert ist.
Der Senat beweist in seiner Antwort erneut klar, deutlich und nachvollziehbar, daß es in Hamburg keine pauschalierten Gnadenentscheidungen gibt, wie Sie behaupten,