aus allen Fraktionen, meine Damen und Herren. Es ist unsere Sache, um die es hier geht. Sie wissen, Frau Senatorin, daß damit vor allem Sie gemeint sind.
Ich fordere Sie auf, den an die Spitzen der Hamburger Justiz gerichteten Erlaß, mit dem Sie uns Abgeordneten die Arbeit erschweren und Richtern und Staatsanwälten den direkten Umgang mit Bürgern und Abgeordneten verbieten, schleunigst aufzuheben. Diese Bevormundung, meine Damen und Herren, haben die Richter nicht verdient, und wir lassen sie uns nicht gefallen. Das haben Ihnen – weniger direkt als ich, aber doch klar verständlich – der Oberlandesgerichtspräsident und der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins gesagt.
Sie wollen den direkten Umgang von Abgeordneten mit Richtern und Staatsanwälten kontrollieren, beaufsichtigen und gängeln. Solche Bewußtseinslage wird, wie die Kommission nach dem Hamburgischen Abgeordnetengesetz sagt, Seite 35, dem Rang des Parlamentes und den Regeln der parlamentarischen Demokratie nicht gerecht.
Ich fordere Sie noch einmal auf, den vordemokratischen Kontaktsperreerlaß vom 14. Juni 1999 aufzuheben.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit sind die Großen Anfragen 16/3774 und 16/3972 besprochen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 39 auf: Drucksache 16/4085: Antrag der GAL-Fraktion zur medizinischen Versorgung in den Justizvollzugsanstalten.
[Antrag der Fraktion der GAL: Bericht über ein Gesamtkonzept zur medizinischen, vor allem psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung in den Hamburger Justizvollzugsanstalten – Drucksache 16/4085 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit ich für meine Fraktion für strafvollzugspolitische Fragen zuständig bin – immerhin seit 1993 –, waren Probleme bei der medizinischen Versorgung im Hamburger Strafvollzug und in der Untersuchungshaftanstalt immer wieder Thema der öffentlichen Debatte.
Ein Fall hat mich im Jahre 1996 besonders betroffen gemacht und für das zugrunde liegende Problem sensibilisiert. Ein psychisch kranker Gefangener saß seinerzeit in der Anstalt I ein und wurde wegen Freitodgefährdung mehrere Tage auf einer Sicherungsstation untergebracht. Anschließend wurde der Mann ohne sinnvolle Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit aus der Haft entlassen, praktisch direkt aus der Sicherungsstation heraus.Zwei Stunden – so wurde mir damals geschildert – stand er völlig orientierungslos vor der Anstalt. Dann verschwand er und ließ seinen Koffer mit seinen wenigen Habseligkeiten vor der Anstalt stehen.
Meine Damen und Herren! Dieses erschütternde Beispiel hat mich daraufhin zu weiteren Recherchen veranlaßt und hat mir verschiedene Probleme aufgezeigt. Es gibt offensichtlich Gefangene, die aufgrund ihrer psychischen Störung in der Strafhaft völlig fehl am Platze sind, vor allem dann, wenn eine sinnvolle Begleitung oder Versorgung im Vollzugsalltag nicht gewährleistet ist oder gewährleistet werden kann.
In der Folgezeit hat sich meiner Einschätzung nach dieses Problem eher noch verschärft. Die in den Anstalten tätigen psychologischen Fachkräfte sind schon aufgrund ihrer gestiegenen Verpflichtung, gutachterliche Stellungnahmen vor der Entlassung von Gefangenen anzufertigen, kaum in der Lage, eine durchgängige Betreuung der Gefangenen sicherzustellen. Schwierigkeiten hat es auch immer dann gegeben, wenn Gefangene aufgefordert wurden, sich
selbst um externe Therapeuten zu bemühen. Wenn sie dann schließlich einen gefunden hatten, der sich bereit erklärte, mit ihnen zu arbeiten, kam es nicht selten vor – so die Rückmeldung einzelner Gefangener bei mir –, daß der Therapeut von der Anstalt aus aus unterschiedlichen Gründen nicht akzeptiert wurde. Die Gründe mögen durchaus berechtigt sein, aber das ist halt ein Fakt. Auch hier wäre mehr Unterstützung der Gefangenen wünschenswert. Wir kommen in der Tat nicht umhin, uns diesen Problemen zu stellen, wollen wir uns nicht mit einem bloßen Verwahrvollzug zufriedengeben.Wer das Resozialisierungsgebot ernst nimmt – und das tun wir –, wird sich auch und gerade um die Kranken im Strafvollzug kümmern müssen.
Ich weiß, daß der Justizbehörde diese Gesamtproblematik bekannt ist. Aber um so schwerer ist es auch, in der Öffentlichkeit Verständnis dafür zu entwickeln, daß ein sinnvoller Strafvollzug auch seinen Preis hat, haben muß.
Daß Mauern von Gefängnissen möglichst hoch zu sein haben, daß technische Einrichtungen möglichst jede Sicherheitslücke ausfüllen sollen, davon ist die Öffentlichkeit ziemlich leicht und ziemlich schnell zu überzeugen. Aber nach Jahren, die ausgewiesenermaßen nicht nur, aber doch überwiegend von sicherheitspolitischen Erwägungen und Entscheidungen geprägt waren, die mit Millionenprogrammen im Hamburger Strafvollzug umgesetzt worden sind, sollte die Politik jetzt das Augenmerk auf den Kerngedanken des Strafvollzugs lenken, auf die Resozialisierung. Als ein wesentlicher Aspekt ist hierbei eine ausreichende und angemessene medizinische Versorgung zu nennen, die heute unser Thema ist.
Meine Damen und Herren! Mit dem Wechsel an der Spitze des Zentralkrankenhauses in der Untersuchungshaftanstalt verbindet nicht nur die GAL-Fraktion die Hoffnung, daß zum einen ein neues medizinisches Gesamtkonzept entwickelt wird und damit ein Schritt zur Verbesserung der Grundversorgung der Gefangenen im Alltag erfolgt, sondern daß zum anderen auch die eingangs geschilderten komplexen Problemlagen im Zusammenhang mit psychisch bedingten Erkrankungen konzeptionell angegangen werden. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage nach einer kontinuierlichen Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzug.Des weiteren die Frage, wie sichergestellt werden kann, daß in allen Anstalten gleiche Qualitätsstandards umgesetzt werden, oder welche Möglichkeiten eröffnet werden, um psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen nichtdeutschen Gefangenen zu ermöglichen, sich Psychotherapeuten gleicher sprachlicher Herkunft anvertrauen zu können. Denn das ist ein echtes Problem, wenn diejenigen, die kein Deutsch verstehen und unter traumatischen Erlebnissen leiden oder psychische Störungen haben, sich quasi selbst überlassen bleiben.
Ein weiteres ungelöstes Problem ist es, allen Drogenabhängigen im Vollzug neben ihrer Drogentherapie eine psychotherapeutische Versorgung anbieten zu können. Wir alle wissen doch noch aus der Debatte um geeignete Arbeitsplätze im Strafvollzug, daß viele Gefangene aufgrund ihrer desolaten psychischen Gesamtverfassung, die häufig mit Drogenabhängigkeit einhergeht, nicht zur kontinuierlichen Arbeitsaufnahme fähig sind. Ein Gesamtkonzept zur medizinischen Versorgung im Hamburger Strafvollzug ist erforderlich, wenn nicht sogar überfällig. Ein solches Konzept wird sich auch und gerade den Aspekten einer sinnvollen psychiatrischen und psychotherapeutischen Versor
gung widmen müssen. Die GAL-Fraktion hofft, daß mit der neuen Leitung des Zentralkrankenhauses diese Probleme konstruktiv angegangen werden und der Senat bis zum 30.Oktober der Bürgerschaft entsprechend berichten wird. – Vielen Dank.
(Beifall bei der GAL, vereinzelt bei der SPD und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke sowie bei Wolfhard Ploog CDU)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mahr, wer in einer Strafjustizanstalt einsitzt, soll nach Auffassung eines Gerichtes eine Straftat verübt haben, und die gegen ihn verhängte Strafe sieht eben Freiheitsentzug vor.
Während des Haftaufenthalts sind dann auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen die Rechte der Häftlinge erheblich eingeschränkt, aber völlig rechtlos sind Häftlinge natürlich nicht. Die Menschenrechte und – bezogen auf den hier in Rede stehenden Beratungsgegenstand – auch die Patientenrechte müssen selbstverständlich in den Gefängnissen eingehalten werden. Ich gehe sogar so weit, daß an die medizinische Versorgung in den Haftanstalten besondere Anforderungen zu stellen sind.Während des Haftaufenthaltes besteht ein besonderes Gewaltenverhältnis zwischen Häftling und Staat. Aus dieser Sachlage heraus ergibt sich in bezug auf die medizinische Versorgung quasi eine Fürsorgepflicht des Staates gegenüber dem Häftling.
Der Europarat hat mit seinen Empfehlungen vor rund zwei Jahren, nämlich am 8. April 1998, die medizinischen und ethischen Mindeststandards europaweit determiniert. In der Gesellschaft, aber auch im Gesundheitswesen vollzieht sich ein ständiger Wandel. Alle diese Veränderungen müssen auch bei der medizinischen Versorgung in den Haftanstalten berücksichtigt werden. Einem veränderten oder gar ungenügenden Gesundheitsbewußtsein der Häftlinge ist durch medizinisches Personal durch geeignete prophylaktische Maßnahmen entgegenzuwirken. Die Zusammensetzung der Häftlinge, zum Beispiel die Anzahl der Drogenabhängigen, beeinflußt doch sehr konkret die Nachfrage nach medizinischer Versorgung. Aber auch andere Kriterien, wie zum Beispiel die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, eine erfolgreiche Gesundheitsaufklärung oder der Ausbildungsstand des medizinischen Personals, wirken sich mehr oder weniger auf die tatsächliche medizinische Situation in den Haftanstalten aus. Diese sich ständig verändernden Realitäten in den Hamburger Haftanstalten bedürfen deshalb in gewissen zeitlichen Abständen einer Bestandsaufnahme, um sie mit den Empfehlungen des Europarates vergleichen zu können. Das ist eine typische parlamentarische Kontrollaufgabe.
Die medizinische Versorgung in den Hamburger Justizvollzugsanstalten war deshalb auch wiederholt Thema in diesem Hause. Auch die Versorgung von psychisch erkrankten Häftlingen wurde hier wiederholt diskutiert. Herr Ploog, Sie kommen heute gut weg.
Sie haben in Ihrer Rede am 2. Juli 1998 sehr zutreffend ausgeführt, daß die Seele in der Unfreiheit doch mehr als anderswo leidet. Hinzu kommt, daß viele Häftlinge schon mit erheblichen psychischen Defekten in den Haftanstalten
ankommen. Psychisch erkrankte Häftlinge, die nur über ungenügende deutsche Sprachkenntnisse verfügen – Herr Mahr hat es ausgeführt –, benötigen darüber hinaus einen muttersprachlichen Therapeuten.
Meine Damen und Herren! Sie sehen es an diesen kurzen Darstellungen, mit welchen komplexen Anforderungen die Leitung des Zentralkrankenhauses, die Justizverwaltung, das medizinische Personal, aber auch die politisch Verantwortlichen es zu tun haben. Mit welch hohem Maß an Verantwortung wir, die gesamte Hamburger Bürgerschaft, uns mit dem Thema befassen, belegen doch immer wieder die hier eingereichten Anträge. Wer die Diskussionen der letzten drei bis vier Jahre in der Bürgerschaft um dieses Thema verfolgt hat, weiß, wie heftig hier teilweise gestritten wurde. Inzwischen besteht aber ein erkennbarer Konsens, daß die Umsetzung eines modernen Strafvollzugs mit dem Ziel der Resozialisierung auf Dauer nur durch Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit sicherzustellen ist. Die Bürgerschaft kann diesen Prozeß politisch begleiten, ja sogar beeinflussen, indem sie die Steuerung über Ziele, Produktinformationen und Kennzahlen vornimmt.
Das von der GAL eingebrachte Ersuchen verfolgt offensichtlich die Absicht, sich ein Bild von der gegenwärtigen medizinischen und psychiatrischen Versorgung in den Hamburger Strafvollzugsanstalten zu machen. Es wird einen ausführlichen Bericht geben, mit dem wir uns sodann mit der gebotenen Ruhe befassen werden. So wie wir positive Veränderungen in der medizinischen Versorgung innerhalb der Haftanstalten gerne zur Kenntnis nehmen wollen, beabsichtigen wir, wenn es Anhaltspunkte gibt, uns auch mit Verbesserungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Für die SPD-Fraktion bitte ich deshalb, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß es jetzt langweilig werden wird, da in dieser Frage ein Konsens besteht. Insoweit wird es keine allzu spannende Debatte geben, weil es keine Differenzen geben wird.
Nun ist dieses Thema ein ewiges Thema der GAL, aber auch nicht ganz unberechtigt. Herr Franz hat bereits erwähnt, daß es sich um einen höchst sensiblen Bereich handelt. Die Gefangenen sind letztendlich der staatlichen Macht ausgeliefert. Sie können nicht frei zum Arzt gehen, sondern sie sind darauf angewiesen, daß sie dem Arzt zugeführt werden. Das ist natürlich eine ganz andere Situation.Es kann auch nicht angehen, daß Gefangene tagelang auf einen Arztbesuch warten müssen. Solche Zustände darf es nicht geben und hat es nur in weiter Vergangenheit gegeben und hoffentlich nicht in Zukunft.
Es gibt leider einige bedenkliche Situationen. Es gibt zum Beispiel einen sehr hohen Krankenstand im Bereich der Pfleger. Es sind zum Teil bis zu 30 Prozent des Pflegepersonals krank. Das sollte uns natürlich sehr zu denken geben: Warum sind sie krank? Welche Gründe können dafür sprechen? Darüber müssen wir uns auch sehr intensiv Gedanken machen.
Die Entscheidung, das Vollzugskrankenhaus in seiner heutigen Form umzubauen, war eine sehr vernünftige Ent
scheidung. Ich plädiere dafür, verehrte Senatorin, geben Sie den Ärzten den genügenden Freiraum, auch das zu entwickeln, was dort nötig ist, denn einiges muß umgestellt werden.
Was aber in diesem Zusammenhang beachtet werden muß, ist, daß es – zumindest für die vergangenen Jahre – Fehlinvestitionen gegeben hat. Es sind im Vollzugskrankenhaus Geräte angeschafft worden, die bis heute noch nie im Einsatz waren.Das sind klassische Fehlinvestitionen.Es fehlt das Personal, das diese Geräte bedienen kann. So etwas kann einfach nicht angehen.
Wenn wir hier bei Fragen des Geldes sind, fällt mir natürlich eine Entscheidung wieder auf. Im letzten Jahr hat die rotgrüne Mehrheit im Rechtsausschuß nach langer Debatte entschieden, daß die Krankenbekleidung geändert werden soll.15 000 DM wurden dafür aufgewendet, daß die gesamte Bekleidung ausgewechselt wurde.Ich frage mich, was ist eigentlich mit der alten Bekleidung geschehen? Das würde mich brennend interessieren.
Auf die Hinweise zu den psychiatrischen Erfordernissen plädiere ich für die CDU-Fraktion für einen fest angestellten Psychiater.Die gesamten Probleme im psychiatrischen Bereich haben erheblich zugenommen.Es muß festgestellt werden, daß inzwischen ein großer Teil der Gefangenen die Straftaten aus psychiatrischen Gründen begeht, und hier ist der beste Ansatzpunkt. Diese Menschen bekommen wir sonst nie zu fassen. Es ist sogar eher unsere Pflicht, hier die Menschen zu fassen zu kriegen und ihnen einen sinnvollen Ansatz für das weitere Leben zu geben.