Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

(Beifall bei der CDU, der SPD und bei Sonja Deu- ter GAL)

Das Wort hat Frau Brinkmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Uns liegt heute ein interfraktioneller Antrag vor. Frau Rudolph ist die Initiatorin gewesen, und deshalb hat sie auch etwas ausführlicher dazu gesprochen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ich möchte nur noch mit wenigen Anmerkungen ergänzen, weshalb sich meine Fraktion diesem Antrag angeschlossen hat.

(Eleonore Rudolph CDU)

Ich finde es traurig, daß, obwohl sich der Lebensstandard in den letzten 50 Jahren um ein Vielfaches verbessert hat und viele von uns auf sehr hohem Niveau leben, die Einrichtungen des Müttergenesungswerkes heute wichtiger sind als je zuvor. Immer noch werden in unserer Gesellschaft die besonderen Belastungen der Mütter unterschätzt. Bis heute bekommen Frauen noch nicht die Hilfe, die sie benötigen. Das hat sich zuletzt konkret bei der Gesundheitsreform 1997 gezeigt, als es auch um die Reform der Kuren ging. Davon hätte man die Mutter- und Kind-Kuren vielleicht ausnehmen oder anders berücksichtigen sollen. Denn eine Mutter kann nicht beruhigt verreisen und sich erholen, wenn sie weiß, daß ihre Kinder nicht gut versorgt sind. Deshalb bedeutet die nicht volle Zuzahlung der Krankenkassen heute bei den Begleitkindern, daß die Frauen auch nicht fahren können, weil gerade diese Frauen meistens das Geld nicht haben, um das für ihre Kinder bezahlen zu können.

Es kommt ein weiterer Punkt bei den Krankenkassen hinzu, den ich auch anmerken möchte. Gerade diese Mütter werden immer wieder darauf hingewiesen, daß die ambulanten Möglichkeiten, die sie vor Ort haben, von ihnen genutzt werden sollten. Mit diesem Argument werden dann stationäre, also Reisen, abgelehnt. Gerade das ist natürlich verkehrt, weil in diesen Fällen ein Verreisen unbedingt notwendig ist. Deshalb noch einmal unser Appell an die Krankenkassen, zukünftig dieses Problem ganzheitlich anzugehen.

Ein weiterer Punkt, der für uns wichtig war: Sowenig sich der Bedarf einer Kur geändert hat, so sehr haben sich aber nach den neuesten Erkenntnissen der Ablauf und der Inhalt einer Kur geändert. Deshalb ist es richtig und wichtig, die Notwendigkeiten nach Qualitätsstandards zu hinterfragen. Einige Träger haben bereits sehr umfassende Konzepte mit Qualitätsmaßnahmen und mit sehr strengen Kriterien erarbeitet, und dieses muß zukünftig für alle Träger gelten.Deshalb fragen wir danach, und dieses werden wir dann im Gesundheitsausschuß bearbeiten.

Der letzte Punkt richtet sich eigentlich an die Medien, die leider nicht mehr anwesend sind, was ich aber sehr bedauere. Uns war es sehr wichtig, daß dieser Punkt an die Öffentlichkeit kommt, denn 75 Prozent der Einnahmen des Müttergenesungswerkes kommen aus den Straßensammlungen, die in den nächsten Tagen wieder stattfinden werden.Wenn man die Gesellschaft auf diese Dinge nicht aufmerksam macht, dann gehen viele daran vorbei. Das war ein weiteres Anliegen von uns. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der GAL)

Frau Deuter hat das Wort.

(Uwe Grund SPD: Dem schließen wir uns an! Punkt! Mut zur Kürze!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In meiner Kindheit haben wir meiner Mutter zum Muttertag viel zu oft irgendwelche praktischen Haushaltshelfer geschenkt. Inzwischen bin ich selber Mutter und weiß, was Mütter brauchen.Einmal im Jahr ein bißchen Zuwendung ist es auf jeden Fall nicht. Der heutige interfraktionelle Antrag dagegen ist ein Schmankerl zum Muttertag in drei Tagen, und als solches möchte ich ihn hier auch benannt haben.

Ganz im Sinne wie Frau Rudolph, die es bereits ausgeführt hat, ermöglicht uns dieser Schritt zu evaluieren, wobei genau bei den Mütter- und bei den Mutter- und Kind-Kuren – das sind nämlich unterschiedliche Kuren – der Wurm drin ist.Denn diese Kuren können, wenn sie am Bedarf der heutigen Familien orientiert sind, enorm helfen. Ich sage hier absichtlich Familien, denn unser Rollenverständnis über Kindererziehung variiert in der Tat ein wenig von anderen vorgetragenen Beispielen. Alles, was ich heute hier sage, gilt ebenso für Väter, denn die sind laut Deutschem Arbeitskreis für Familienhilfe bereits zu 5 bis 7 Prozent pro Jahr bei den Kuren anwesend.Da es aber bei unserem Antrag heute um die Kuren des Müttergenesungswerkes geht, geht es in unseren Reden zwangsläufig um die Mütter, denn das MGW, wie es sich kurz nennt, bietet nur Plätze für Mütter und deren Kinder an.

Was eine erschöpfte Mutter braucht, ist neben Ruhe, Erholung und Entspannung medizinische Anwendung. Aber das allein tut es auch nicht. Die Beschwerden mögen zwar abklingen, wenn sie behandelt werden, doch die Ursache, warum der Körper und Geist Warnsignale schickten, ist damit noch nicht behoben, und das genau soll die Kur bewerkstelligen. Denn es soll sich – und das ist geradezu unabdingbar – einmal außerhalb der häuslichen vier Wände mit dem nötigen Abstand und fachlichen Kräften auseinandergesetzt werden, wo und warum es in dieser typischen Familienkonstellation immer wieder zu gewissen Problemen kommt. Also ist der wichtigste Ansatz bei einer Kur die individuelle Hilfe zur Selbsthilfe.

Bei den unterschiedlichen Angeboten und der Beratung zu den Kuren soll es laut Erfahrungsberichten unterschiedlicher Initiativen sehr große Schwankungen geben.Hier die therapeutischen Konzepte und deren Evaluation zu vergleichen, wie dies unser Antrag initiiert, ist ein unbedingtes Muß, um an den heutigen Bedarfen von Familien orientiert arbeiten zu können.

Nun gibt es inzwischen bedenkliche Tendenzen, die uns als Parlament überhaupt erst veranlaßten, einen Antrag zu erarbeiten. Ich hoffe, daß dieser Antrag hier klärend eingreifen kann, denn was nutzt es, wenn wir durch die neue Gesundheitsreform den gesetzlichen Zuzahlungsbeitrag auf 17 DM pro Tag absenken, wenn es zugleich im Befinden der jeweiligen Kasse liegt, ob sie eine Kur teil- oder vollfinanziert, und es dadurch zu hohen Kosten kommt.

Ich möchte einmal an einem Hamburger Beispiel ausführen, was das bedeutet. Die Hamburger Krankenkasse, und zwar die AOK,

(Unruhe – Glocke)

Es ist wieder zu unruhig, und ich bitte Sie, bis zum Schluß der Sitzung etwas mehr Ruhe zu wahren. Frau Deuter, Sie haben wieder das Wort.

Danke, Frau Präsidentin, zumal es jetzt um Hamburg geht. Die Hamburger AOK finanziert Kuren nur noch zu 70 Prozent. Die Hanseatische Ersatzkasse nur noch zu 50 Prozent.Diese Kosten schrecken kurbedürftige Mütter ab. 1500 DM bis hin zu 4000 DM sind die Kosten, die laut MGW je nach Kasse und Bundesland entstehen und dann dazu führen, daß bereits zugesagte Kurplätze wieder abgesagt werden. Von den Verbänden wurde mir zurückgemeldet, dann sei Urlaub billiger. Flüge nach Mallorca gebe es schließlich schon ab 200 DM. Pauschalangebote mit Kinderanimation für 699 DM.Das Fatale

(Petra Brinkmann SPD)

daran ist, daß so zwar kurzzeitige Erholung geschaffen werden kann, doch der Langzeiterfolg durch Hilfe zur Selbsthilfe bleibt aus. Zudem müßten berufstätige Mütter diese Tage dann als Urlaubstage nehmen, was sie bei einer Kur nicht brauchen.

Die Techniker-Krankenkasse, um auch einmal ein positives Hamburg-Beispiel zu zeigen, macht diese Probleme nicht. Weiterhin ist fatal, daß Kassen heute Ort und Zeitpunkt der Kur bestimmen. Das hat fatale Folgen, nämlich die, daß die Bestrebung, ein Kurhaus vollzubekommen, mehr zählt als die Notwendigkeit, mit dem Kind während der Schulzeit zu kuren, oder aber, daß Heilerfolge, die ja klima- und witterungsbedingt unterschiedlich verlaufen, nicht mehr nach der Kurgegend ausgesucht werden können. Hier kommt Ziffer 2 unseres Antrages zur Geltung.Wir müssen schleunigst eine verbesserte Genehmigungspraxis prüfen und aushandeln, zumal es Träger gibt, die bereits für die Antragsbearbeitung die Mütter zur Kasse bitten, was übrigens nicht legitim ist, aber bei meinen Ermittlungen habe ich das herausgefunden und werde das auch weiterleiten.

Lassen Sie mich mit vier Beispielen schließen, die Veränderungen bei Beratung und Kur bei anderen Verbänden aufzeigen, die wir bei den Verhandlungen berücksichtigen sollten, Frau Roth.

Die überwiegende Mehrheit der Mütter im Verband alleinerziehender Mütter und Väter suchen sich heute ihre Kur selbst aus. Oft finden sie durch Mund-zu-Mund-Propaganda ihre Einrichtung heraus, schreiben diese selbst an und holen sich dann die Formulare bei der Krankenkasse. Sie handeln auch selbst ihren Kurtermin aus. Beratungen nehmen sie oft nur bei Schwierigkeiten in Anspruch, und die folgenden Widersprüche, zusammen mit einer Fachkraft, führten bisher zu einem hundertprozentigen Erfolg. Es muß gewährleistet werden, daß Krankenkassen diesem Selbsthilfeansatz und dem Selbstbewußtsein der heutigen Mütter keinen Riegel vorschieben.

Der Deutsche Arbeitskreis für Familienhilfe bietet neben dem üblichen Vorgespräch ein Gruppentreffen vor der übrigens immer noch oft vierwöchigen Kur an mit einem Reiseservice, so daß schon die Möglichkeit einer gemeinsamen Anreise mit anderen Kurteilnehmern gegeben ist. Ein freiwilliges Nachtreffen, um die Erfahrungen auszutauschen, sich Feedback zu geben und das an Einrichtungen weiterzuleiten, rundet ihr Angebot ab.

Das Mütterhilfswerk e.V. schießt über zwei Stiftungen Geld für Kinder für den Mehrbedarf am Kurort zu. Niemand berücksichtigt nämlich bei all den entstehenden Kosten, daß jeder Artikel am Kurort viel teurer ist als zu Hause und viele sich allein schon aus diesem Grund die Kur nur schwer leisten können oder mit einem völlig überzogenen Dispokredit zurückkommen. Außerdem schließt das Mütterhilfswerk in seine Evaluation ein, wie es Müttern nach einem halben Jahr geht.

Nun geht es abschließend ins Ausland. In Israel gibt es gar ein alternatives Angebot des WISO-Zentrums, bei dem Mütter, statt mehrwöchig mit Kindern zur Kur zu fahren, einwöchige Workshops ohne Kinder in Urlaubsatmosphäre geboten bekommen. Diese finden in Bethäus, einem Erholungsheim für Mütter, statt, das übrigens dank einer großzügigen Spende des Müttergenesungswerkes zustande kam, womit wir wieder beim Jubilar angekommen sind.

Diese Kurse finden ausschließlich für Mütter mit ähnlichen Problemfeldern statt, zum Beispiel zum Thema Trennung, Tod eines Kindes, behinderte Kinder oder Neueinwanderung der Familie in dieses Gebiet.

Haushalt und Kinder sollen in dieser Zeit vom Vater betreut werden.Wo das nicht geht, gibt es eine Haushaltshilfe. Der Clou ist, daß diese Frauen immer aus einer Gegend kommen und in eine Kurgruppe zusammengeführt werden, so daß sich während der Kurzeit die Möglichkeit bietet, daß sich eine Gruppe zusammenfindet und auch weiterhin noch als Selbsthilfegruppe zusammenarbeiten kann.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt Ideen genug, die wir in unsere fraktionsübergreifende Initiative einfließen lassen können, um den Müttern zum Muttertag ein wirkliches Geschenk machen zu können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

(Zurufe von der SPD – Dr. Roland Salchow CDU: Welch eine Mutter! – Dr.Holger Christier SPD: Mut- ter, warum hast du so eine tiefe Stimme?)

Welche Freude in diesem Parlament. Der mütterpolitische Sprecher kommt jetzt. Ich möchte nur ein paar Sätze sagen.

Wir stehen auf diesem Antrag nicht drauf. Das ist ein Koordinationsproblem gewesen. Deshalb will ich noch einmal ausdrücklich sagen, daß ich diesen Antrag unterstütze und daß ich ihn richtig finde.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ausdrücklich möchte ich aus meinen Erfahrungen sagen, daß es besonders wichtig war, diese Kuren mit Kindern zu machen, und auch immer eine große Bedeutung haben wird. Dementsprechend finde ich es auch beängstigend, wenn die Zahl dieser Kuren insgesamt zurückgeht. Ich glaube, daß das ein wichtiges Thema ist, mit dem wir uns dann mit diesem Bericht genauer beschäftigen werden. Von daher ist dem Senat eine gute gemeinsame Aufgabe gestellt worden.

Natürlich kann man sich denken, daß ich ein paar kritische Anmerkungen

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das laß man weg! Das denken wir uns!)

im Zusammenhang mit dem Müttergenesungswerk und den veränderten Geschlechterverhältnissen habe, aber das will ich jetzt nicht ausführen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich wünsche noch einen schönen Abend.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wer will die Vorlage annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig erfolgt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Bericht des Wissenschaftsausschusses zur neuen Steuerung und Globalisierung im Hochschulbereich, Drucksache 16/4120.