Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Es wurde bereits gesagt, daß die DGB-Gewerkschaften kürzlich in einem gemeinsamen Aufruf zum Handeln aufgerufen haben. Doch was heißt das? Auch hier ist Gelassenheit gefragt, wenn auch nicht Leichtfertigkeit.

Der Innensenator hatte nach der umstrittenen Demonstration im Juli letzten Jahres angekündigt, daß die Innenbehörde für die Zukunft gutachterlich prüfen lassen wollte, ob es nicht doch für die Zukunft in vergleichbaren Situationen Möglichkeiten gebe, derartige Demonstrationen zu verbieten oder aufzulösen. So wäre es einmal interessant zu hören, ob es hierzu bereits relevante Erkenntnisse gibt. Bei allen Überlegungen sollte gleichwohl sorgfältig bedacht werden, daß das Versammlungsrecht nicht weiter ausgehöhlt wird. Wir haben eben die Steilvorlage von Herrn Vahldieck gehört, aber man kann es auch umgekehrt sehen. Eines ist klar, meine Damen und Herren, das Recht ist nicht teilbar. Verbote und Auflösungsverfügungen müssen sich an geltendes Recht halten, wenn wir nicht wollen, daß die Rechtsextremen am Ende dann vor Gericht triumphieren können. Auch das haben wir bereits erlebt, und ich möchte das nicht zur Dauereinrichtung haben.

So ist es auch wenig hilfreich und, ich meine, sogar blanker Unsinn, wenn die „taz“ behauptet, wie vor zwei Tagen, daß Hamburg als Demonstration getarnte Naziaufmärsche gern erlaubt.Mir ist jedenfalls bei aller Differenz, die ich vielleicht mit einigen Herren aus der Polizeiführungsebene habe, niemand bei der Polizei bekannt, den es besonders ergötzt, wenn Polizistinnen und Polizisten den Neonazis den Weg bahnen müssen, weil diese sich auf Artikel 8 berufen.

(Beifall bei Elisabeth Schilling SPD)

Denn, meine Damen und Herren, das weiß ich nun genau, es ist durch dieses Mittel, das Sie eben gefordert haben, jahrelang gelungen, solch einen Spuk in Hamburg zu verhindern. Aber man muß auch sagen, daß diese Herrschaften klüger geworden sind, wie sie so etwas anmelden und wie so etwas auch vor Gericht Bestand hat. Damit müssen wir uns auch ein Stück auseinandersetzen.Das ist die Realität.

Wir müssen aber aufmerksam sein, daß wir die Entwicklungen in der Szene der Neonazis und Rechtsextremisten nicht schlicht verschlafen. Spätestens mit der Nähe zur nächsten Bürgerschaftswahl wird der rechte Spuk wieder zunehmen. Eine der vornehmsten Aufgaben sollte es deshalb für uns Abgeordnete sein, Themen zu Fragen der öffentlichen Sicherheit möglichst sachlich zu verhandeln, um nicht zu Wegbereitern derjenigen zu werden, über die wir gerade reden. Aber das ist ein frommer Wunsch, den wir seit Jahren haben. Die gestrige Debatte läßt wenig Hoffnung bei mir aufkommen. Die Ankündigung der Neonazis im Schanzenviertel, eine Demonstration gegen die Rote Flora durchführen zu wollen, spricht letztendlich im Ergebnis auch für sich.

Meine Damen und Herren! Auch ich rechne damit, daß der nächste Verfassungsschutzbericht etwas zu den Punkten sagen wird, die Gegenstand des REGENBOGEN-Antrages sind. Gleichwohl sollten wir die Möglichkeit nutzen, das Thema im Ausschuß zu behandeln und auch Nachfragen zu stellen. Sollte der Verfassungsbericht dann schon vorliegen – und es bietet sich vielleicht sogar an zu warten, bis er vorliegt, das wird ja in den nächsten Wochen passieren –, kann man natürlich auf der Grundlage dieses vorliegenden Berichtes auch gezielte Fragen stellen. In der Tat ist es so, wie Herr Vahldieck sagte: Der Senat wird sich, glaube ich, nicht verweigern, sich zu diesem Thema zu äußern. Es wird natürlich Einzelfragen geben, wo er sich auf das geltende Recht bezieht und zu Einzelfragen in der Öffentlichkeit nichts sagen wird.

Eine alte bürgerrechtliche Weisheit besagt, daß der beste Verfassungsschutz aufmerksame Bürgerinnen und Bürger sind. Vielleicht ergeben sich aufgrund der Debatte im Innenausschuß neue Ansatzpunkte, wie wir fraktionsübergreifend – ich meine da wirklich alle hier im Hause – dem Rechtsextremismus in Hamburg die Stirn bieten können. Lohnen würde es sich allemal.

Ob allerdings die Forderung nach Verboten von Neonazigruppen und Parteien, wie es im REGENBOGEN-Antrag unter Punkt 2 thematisiert wird, wirklich weiter hilft, ist in der Tat ein alter Streit.Ich bin mir bis heute nicht darüber im klaren, ob das wirklich der richtige Weg ist. Sie erinnern sich an die Frage der Berufsverbote, die ja unmittelbar mit der Frage zusammenhängt, ob Parteien verboten werden oder nicht.

Gleichwohl teile ich emotional Ihren Antrag in der Intention hundertprozentig. Aber über die Wirksamkeit solcher Verbote sind die Meinungen seit den fünfziger Jahren bekanntlich sehr geteilt. In der Regel haben sich nach entsprechenden Verboten sofort – ich glaube, Herr Kleist sagte das – neue Gruppen unter einem anderen Namen gebildet, oder rechtsextreme Parteien – wie jüngst auch die NPD – wurden durch Mitglieder verbotener Organisationen unterwandert.Insofern gilt es genau abzuwägen, welcher Schritt der richtige, der nächste und der sinnvolle ist.

Meine Damen und Herren! Wir sollten im Ausschuß alles weitere beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Senator Wrocklage.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Drei kurze Feststellungen.

Erstens: Wir werden den Verfassungsschutzbericht spätestens Ende Mai, Anfang Juni vorlegen.

Zweitens: Herr Mahr und Frau Sudmann, ich habe selber dieses Thema in die Innenministerkonferenz getragen, also auf Hamburger Initiative hat es die Erörterung gegeben.Insofern können wir im Ausschuß dann auch über die dortigen Erörterungen reden.

Drittens: Herr Mahr, ich habe das umgesetzt, was ich angekündigt habe. Inzwischen liegt das Gutachten vor. Wir sind dabei, es auszuwerten.Ich werde darüber in Kürze die Öffentlichkeit unterrichten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Hackbusch hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte diesen einen Punkt noch einmal unterstützen, weil er in der Debatte etwas zu wenig beachtet worden ist. Hamburg ist von den Großstädten bundesweit die Hochburg neonazistischer Gewaltaktivitäten. Das ergibt der neue Verfassungsschutzbericht, der deutlich zeigt, daß Hamburg proportional pro Einwohner weit vor Bremen, sogar vor Berlin und vor allen anderen westlichen Ländern steht.

(Hartmut Engels CDU: Gucken Sie mal nach Bran- denburg! Quatsch!)

Dieses Problems hat sich diese Stadt auch bewußt anzunehmen und es nicht zu verdrängen.Wir fordern, daß diese Stadt die Verantwortung wahrnimmt und sich anguckt, welche Gewalttaten das waren, denn mich hat es völlig erschreckt, daß ich mich gar nicht an diese Gewalttaten erinnern kann. Deshalb ist es für unsere Diskussion auch entscheidend, eine Liste darüber zu bekommen, um zu wissen, wo wir die Hochburg in diesem Bereich sind. Das gehört auch zur politischen Kultur, sich das genau anzusehen und nicht zu sagen, Hamburg ist gar nicht so schlimm und das legen wir mal zur Seite, sondern, wenn wir in solch einer Liste weit oben stehen, müssen wir uns dieser Sache auch annehmen und uns damit beschäftigen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Carmen Walther SPD)

Die Situation hat sich nun einmal verändert, und der Verfassungsschutzbericht weist bundesweit darauf hin, daß Gewalttätigkeiten von Nazis das neue große Problem darstellen. Deshalb ist es keine Beschmutzung der eigenen Stadt, sondern die Verantwortung, sich dieser Sache anzunehmen und sich das anzugucken.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Carmen Walther SPD)

Herr Kleist, wir haben uns den Verfassungsschutzbericht von 1998 diesbezüglich angeguckt und haben überlegt, ob es in diesem Augenblick eigentlich richtig ist, einen Antrag zu stellen, und ob das, was dort berichtet wird, nicht ausreicht. Dieser Verfassungsschutzbericht – wenn er sich nicht völlig anders darstellt – wird viel über neonazistische Aktivitäten im allgemeinen berichten.Über die Gewalttaten, um die es uns vor allen Dingen hier geht, berichtet man nur summarisch. Ich halte es für notwendig, diese einzeln aufgelistet zu bekommen, einzeln darüber zu sprechen, und das erfüllt der Verfassungsschutzbericht nicht. Das ist aber absolut notwendig, damit man ehrlich darüber diskutieren kann.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zu der Frage, die man im Zusammenhang mit den Verboten genauer diskutieren sollte. Historisch betrachtet habe ich sehr unterschiedliche Meinungen, wann Verbote wirklich etwas bewirken und wann nicht. Ich habe aber mitbekommen, daß die Verbote, die im Zusammenhang mit den Hamburger nationalsozialistischen Organisationen ANS/ NA und Nationale Liste ausgesprochen worden sind, zumindest dem Anschein nach in den letzten sieben, acht Jahren organisatorische Rückschritte für diese Organisationen bedeutet haben und Lohbrügge danach durchaus weniger organisierte Neonazis erleben konnte. Anschei

nend hat diese Art von Verboten durchaus auch zu positiven Ergebnissen geführt, auch wenn wir wissen, daß sich viele davon in anderer Form neu organisieren. Wir können diese Erfahrungen gemeinsam diskutieren und überlegen, inwieweit das ein vernünftiges Instrument ist. Die Hamburger Erfahrungen mit ANS und Nationale Liste scheinen darauf hinzuweisen, daß es doch vernünftige Aspekte und auch gute Ergebnisse gibt, und dementsprechend halten wir diese Forderung, das stärker ins Auge zu fassen, für richtig. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Carmen Walther SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wer will den Antrag an den Innenausschuß überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig an den Innenausschuß überwiesen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Senatsantrag zur Errichtung eines Gewerbehofes „Ökozentrum“, Drucksache 16/4134.

[Senatsantrag: Errichtung eines Gewerbehofes „Ökozentrum“ durch die HaGG Hamburger Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und Projektplanung mbH – Drucksache 16/4134 –]

Diese Vorlage möchte die SPD-Fraktion zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuß sowie mitberatend an den Stadtentwicklungsausschuß überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Bühler, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem „Ökozentrum“ in der Gaußstraße macht Hamburg meiner Wahrnehmung nach einen wirklich großen Schritt. Mit dem Zentrum wird Neuland betreten. Das, was zehn Jahre nach Rio immer noch auf praktische Erforschung wartet. Das Nachhaltigkeitszentrum – so der bessere Arbeitstitel der Betreiber – ist in hohem Maße innovativ. Das Konzept des Zentrums ist innovativ.

Ein Kernelement des Zentrums ist – neben den konkreten Kriterien der Nachhaltigkeit – für alle Unternehmen die Vernetzung. Die Vernetzung innerhalb des Zentrums, etwa durch gemeinsame Anlieferungen und damit Verkehrsvermeidung, durch gemeinsames Lernen und Austausch von Erfahrungen.Vernetzung aber auch mit dem Stadtteil, etwa über gemeinsame, überregionale Vermarktungskonzepte oder aber als ökologisches Einkaufszentrum. Vernetzung mit dem Umland, zum Beispiel durch die Erweiterung des E-Commerce-Angebotes durch Produkte aus dem Umland, durch die Einbindung ins Regionale Entwicklungskonzept und Vernetzung in Europa über die Förderung durch die Europäische Union und entsprechende Partner in Belfast, Rhodos und Sizilien.

(Vizepräsidentin Sonja Deuter übernimmt den Vor- sitz.)

Die Bauweise des Zentrums ist innovativ. Das Gebäude wird durch intelligente Bauweise den Energieverbrauch eines Niedrigenergiehauses erreichen. Für Gewerbebauten ein völlig unüblicher Wert und in Hamburg bestimmt eine große Seltenheit. Das Gebäude wird nachhaltiges Wirtschaften durch die Verbindung von Material und Technik begreifbar machen. Holz und Brennstoffzelle, das ist doch eine spannende Kombination.

Meine Damen und Herren! Die Politik, die das Zentrum auf den Weg bringt, ist innovativ. Das Projekt wurde im Stadtteil von unten entwickelt. Dort ist es entsprechend verwurzelt und wird von Handwerksbetrieben aus dem Viertel bis zum Bezirksamtsleiter getragen. Das Projekt wird von der Handelskammer und Handwerkskammer ebenso unterstützt wie von den Bauwagenplatzbewohnern, die in Zukunft mit dem Zentrum friedlich koexistieren wollen.

(Volker Okun CDU: Da wäre ich vorsichtiger!)

Es ist doch wohltuend, Uwe Hornauer, Bezirksamtsleiter in Altona, zu hören, der zusagt, mit den Bauwagenplatzbewohnern „ohne Streß“, wie er es formuliert, auf dem Weg zu einer guten Lösung bis zum Baubeginn zu sein. Ich bin froh, daß die CDU nur in diesem Hause und bestenfalls in der Presse scharfmachen kann, ansonsten aber nichts zu melden hat und daß vor Ort Menschen mit Sinn und Verstand nach guten Lösungen suchen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Das Nachhaltigkeitszentrum ist in hohem Maße innovativ, das Konzept, die Bauweise und die Politik um dieses Zentrum herum. Ein zweiter Blick lohnt. Innovation drückt sich gerade auch in der Liebe zum Detail aus, in einer gut durchdachten Lösung. Nachhaltigkeit ist ohne Liebe zum Detail nicht zu haben. Ich sage in hohem Maße innovativ und stelle mir – das habe ich auch schon gesehen, insbesondere bei der CDU – ein leichtes Lächeln hier im Hause vor. Innovation ist in diesem Hause normalerweise anders besetzt. Wir kennen doch die glänzenden Augen, insbesondere der Herren, die vor ihrem inneren Auge mit verlängerter männlicher Kraft unübertroffen schnell den Transrapid nach Berlin streben sehen, die glitzernd das größte Flugzeug der Welt aus dem Watt des Mühlenberger Lochs zum Himmel steigen sehen.

(Dietrich Wersich CDU: Was ist dabei?)

Bei solchen Bildern wird von Naturbeherrschung geträumt und von Innovation geredet. Diese Visionen haben Glanz. Entsprechend fliegen politische Repräsentanten jeglicher Couleur wie die Mücken ins Licht, um sich ein wenig von dem Glanz abzuholen.

Das Nachhaltigkeitszentrum gibt diesen Glanz auf den ersten Blick nicht her.Das Nachhaltigkeitszentrum ist eine Innovation mit Liebe zum Detail, von der Altona profitieren wird, von der die Handwerker im Viertel profitieren werden und von der auch die Bauwagenplatzbewohner profitieren werden. Das Nachhaltigkeitszentrum glänzt auf den zweiten Blick, und im Unterschied zum Transrapid und A3XX wissen wir, daß es in Hamburg gebaut wird.

Zehn Jahre nach Rio wird in Hamburg ein Kristallisationspunkt für nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der Agenda 21 geschaffen. Meine Damen und Herren, was gibt es Innovativeres als eine Gesellschaft, die gerade ihre ersten Schritte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit lernt?

Zum Schluß sei eine Spekulation erlaubt. Ich bin der Überzeugung, daß Innovationen wie das Nachhaltigkeitszentrum langfristig für die Zukunft Hamburgs von gleicher Bedeutung sein werden wie Projekte à la A3XX. Hier werden Wirtschaftsformen entwickelt, die langfristig zukunftsfähig sind. Vielleicht haben wir am Ende dieser Legislaturperiode beide Pole bedient: Schneller, höher, weiter. Auch Sie können zufrieden sein, und small ist beautiful.Einer von beiden ist jedenfalls bereits beschlossen.Ich wünsche dem Nachhaltigkeitszentrum einen guten Start, einen pünkt