Protokoll der Sitzung vom 24.05.2000

möchte in dieses Land aus sozialen Gründen, aus humanitären Gründen und auch, weil ich hier arbeiten möchte, kommen. Diese Möglichkeiten gibt es bereits, und mich würde einmal interessieren, welche Ziele mit einem Einwanderungsgesetz verbunden werden.

In der letzten Legislaturperiode gab es den Vorschlag, den Familiennachzug zu erleichtern und rein ökonomische Kriterien für den Arbeitsmarkt zu definieren. Das war der weitreichendste Vorschlag; er kam von den Grünen. Eine Diskussion über Menschen, die aus den unterschiedlichsten Motiven hier sind, die sich allein an der ökonomischen Nützlichkeit ausrichtet, kann und darf nicht das sein, was unter Offenheit und Vielfalt verstanden wird und worauf sich alles konzentriert.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Glocke)

Ihre Redezeit ist abgelaufen. Frau Uhl, kommen Sie bitte zum Schluß.

Deshalb habe ich drei andere Ziele genannt, die sich zum Teil als Zielformulierung decken, aber in den Wegen dorthin enorm unterscheiden. Die Aufforderung des Bundespräsidenten war, den Streit zu führen. Ich glaube, das ist ein Thema, bei dem es sich lohnt, diesen Streit zu führen. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Frau Senatorin Roth.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Einwanderung, Zuwanderung und Asyl ist ein Thema, das nicht nur in Deutschland diskutiert wird, sondern europaweit, denn nicht nur Deutschland, sondern auch andere europäische Staaten werden mit diesem Thema konfrontiert. Insofern möchte ich darum bitten, daß wir bei dem Thema ein Stück weit über unseren eigenen Tellerrand hinwegschauen und sehen, welche europäischen Regelungen und Debatten vorhanden sind, um dann für die Bundesrepublik eine entsprechende Regelung zu finden.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

In Hamburg haben wir diese Diskussion schon öfter geführt. Es ist so, daß wir seit Jahren eine große Zuwanderung in unterschiedlicher Weise haben. Auf der einen Seite haben wir die Aussiedler – nebenbei gesagt, geht dieser Teil des Kontingents eher zurück – und auf der anderen Seite die Asylbewerber, deren Anteil auch zurückgeht. Dann haben wir einen größeren Teil von Zuwanderungen in ungeregelten Verfahren, also sogenannte Duldungen, die längere Zeit vorhanden sind. Das heißt, Frau Goetsch, wir haben, wenn man diese zwei Gruppen zusammennimmt, sehr unterschiedliche Gruppen von Flüchtlingen mit sehr unterschiedlichen Statusregelungen.

Wenn wir also darüber reden, wie wir Zuwanderung steuern und wie es sinnvollerweise geschieht, um noch einmal an den Bundespräsidenten anzuknüpfen, dann müssen wir auch die unterschiedlichen Statusgruppen im Auge haben und für diese auch unterschiedliche Regelungen vorsehen.

Ich glaube, in diesem Hause gibt es zum Thema Notwendigkeit der Integration von ausländischen Mitbürgerinnen

und Mitbürgern überhaupt keinen Dissens, denn in keinem Bereich ist das in Frage gestellt. Wir machen in Hamburg eine hervorragende Integrationsleistung. Denken Sie nur an die Schulen, aber auch an die Vielzahl von Sprachkursen, Spracherwerbsmöglichkeiten und unsere Initiativen, Ausbildungs- und Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen, damit diejenigen, die hier sind und eine Arbeitserlaubnis haben, in den Arbeitsprozeß integriert werden.

Insofern macht Hamburg in bezug auf die Integrationsanstrengung eine Menge. Auch unsere deutsch-ausländischen Begegnungsstätten und alles, was dazu gehört, um Integration und das Leben miteinander und untereinander zu organisieren, sind in Hamburg vorbildlich. Allerdings ist bei der Green-Card-Debatte aufgefallen, daß wir, bezogen auf die Zukunft, unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung einige Probleme haben werden.Zur Zeit haben wir vor allen Dingen deshalb Probleme, weil in der Vergangenheit in bezug auf die Qualifizierung von bestimmten Fachkräften, insbesondere auf Bundesebene, vieles nicht gelaufen ist. Wir haben auch durch die Untätigkeit der alten Bundesregierung ein erhebliches Defizit. Das muß jetzt ausgeglichen werden. Aber – und das ist entscheidend – mittelfristig ist das nicht eine Frage von Green Cards, sondern eine Frage, wie wir zukünftig die Zuwanderungen steuern und Regelungen einführen, die dazu dienen, daß beispielsweise aus ökonomischen, aus sozialen Gründen Zuwanderung möglich ist. Insofern finde ich die Hinweise des Bundespräsidenten sehr wichtig, daß er hier deutlich macht, daß wir in diesem Zusammenhang auch einen Regelungsstau haben. Das heißt, wir brauchen aus meiner Sicht auch eine sachliche Debatte darüber, wie und in welcher Weise wir Einwanderungsregelungen schaffen können. Das kann allerdings nicht dazu führen, daß diese Einwanderungsregelungen das Thema des Asyls außer Kraft setzen. Deshalb möchte ich an der Stelle noch einmal den Bundespräsidenten zitieren, denn das sind zwei Seiten einer Medaille, aber sie gehören zusammen.

Der Bundespräsident sagt nämlich:

„Die Regeln für Integration und Einwanderung müssen von den sozialen und wirtschaftlichen Interessen geprägt sein, die unsere Gesellschaft hat. Um so wichtiger ist es, zwei Dinge auseinanderzuhalten: Einwanderung und das Recht auf Asyl.Eine Einwanderungsregelung ist eigennützig, das Recht auf Asyl ist uneigennützig.“

In diesem Sinne sollten wir auch zukünftig diskutieren, und lassen Sie uns das gemeinsam tun.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Erdem.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Machaczek, Sie hatten 16 Jahre Zeit, Integrationspolitik zu machen.16 Jahre haben Sie hier eine Abgrenzungspolitik betrieben. Wenn heute über das Thema Ausländerkriminalität diskutiert wird, so ist das ein Produkt Ihrer Politik der sechzehnjährigen Ausgrenzung.

Ich kann mich daran erinnern, als ich in die Schule kam, daß die Frage war, ob ich in die Sonderschule oder in die sogenannte Regelschule kommen soll. Das ist in Niedersachsen gewesen. Da hat damals die CDU regiert. Das ist Ihre Politik gewesen. Haben Sie in den 16 Jahren eine Leitlinie für Immigrations- und Integrationspolitik geschaffen? Nein. Sie haben das Asylgrundrecht beschnitten. Sagen

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie mir einmal, welche Position Sie jahrelang bei dem Spracherwerb der hier lebenden Immigranten vertreten haben. Sie haben jahrelang die Kürzung vorgenommen. Das ist die Integrationspolitik, die Sie uns beschreiben wollen.

Jetzt stellen Sie sich hier hin, um unverschämt zu sagen, die Regierung, die jetzt in Berlin regiert, ist nicht dazu geeignet, Integrationspolitik zu machen. Gleichzeitig fordern Sie die nochmalige Kastration des Grundrechts auf Asyl. Sie sind kein Jurist. Sie kennen die Geschichte des Grundrechtes vielleicht nicht. Aber ich sage Ihnen eines, die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben damals dieses Grundrecht bewußt in Artikel 16 aufgenommen – das heißt im Grundrechtsabschnitt der Verfassung –, weil es in der Geschichte Deutschlands eine tragische und schlimme Zeit gab, in der niemand die Menschen, die flüchten wollten, aufgenommen hat. Wir wollen sie aufnehmen. Deswegen haben wir ein Grundrecht auf Asyl.Ich bedauere, wenn von Ihnen – gerade, weil ich Sie persönlich eigentlich schätze – gefordert wird, das Grundrecht auf Asyl zu beschneiden und sozusagen kein Recht zu gewähren. Das muß ich entschieden zurückweisen.

Unsere Partei fordert weiterhin, und ich denke, ich spreche auch für die Kollegen von der SPD, daß das Grundrecht, so wie es ist, bleibt. Ich denke, daß es auch völkerrechtlich keine anderen Möglichkeiten gibt, das Grundrecht noch weiter zu kastrieren.

Zu der Frage Zuzug hat unsere Partei jahrelang ein Einwanderungsgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gefordert. Sie sagen, wir haben jetzt im Rahmen der Green Card auch die Zuzugsregelung gefordert. Wenn das eine mit dem anderen klappt, dann werden wir zustimmen. Das ist absoluter Unsinn.Die Green-Card-Debatte ist etwas anderes als die Einwanderung in diese Republik. Einwanderungen in diese Republik brauchen wir dringender denn je. Frau Goetsch hat gesagt, sogar die Industrie fordert das, nicht nur die Grünen. Wenn wir das gefordert hätten, dann hätte man gesagt: Oh, wieder mal Randthemen. Nein, die Industrie fordert das. Das fordert jetzt sozusagen Ihre Klientel. Da müssen Sie einmal reagieren.

Ich finde, Ihre Haltung, meine Damen und Herren von der CDU, war heute ganz schlecht. Sie müssen darauf reagieren und zukünftig eine Politik machen, daß in dieser Gesellschaft eine Integration erfolgt, die auf Gleichheitsgrundsätzen beruht und nicht darauf, daß wir, die Immigranten, immer eine Bringschuld haben und Sie sagen, ich gehe bei dem Portugiesen zum Essen und das reicht uns an Integration. Nein, ich fordere für die hier lebenden Immigranten von Ihnen, der Mehrheitsgesellschaft, daß Sie sich für Integration bereit halten, auch der deutschen Gesellschaft. Die Mehrheitsgesellschaft muß Minderheitsgesellschaften Angebote machen, und daran fehlt es mir.

Es fehlen mir auch bei diesem Senat die Integrationsleitlinien für Politik in dieser Stadt.Ich denke, die Senatorin hat hier definitiv noch nichts gesagt, aber sie hat uns versprochen, daß diese Leitlinienpolitik für eine Integration in dieser Stadt in dieser Legislaturperiode kommen soll. Ich hoffe, daß sie bald kommt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Grund.

Meine Damen und Herren! Von den 150000 Menschen, die in den letzten Jahren in Hamburg

zugewandert sind – Sie wissen es alle –, ist der allergrößte Teil nichtdeutscher Staatsbürgerschaft oder neudeutscher Staatsbürgerschaft, weil sie Spätaussiedler gewesen sind, weil sie keinen deutschen Paß hatten oder einen neuen bekommen haben.

Ich stelle hier noch einmal fest, daß Hamburg in diesen Jahren eine ungeheure Integrationsleistung gebracht hat. In den Schulen ist dies geschehen, in den Betrieben ist es geschehen, in der Nachbarschaft ist es passiert.Das darf man nicht billig und klein reden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Hans-Peter de Lo- rent GAL)

Dies ist nicht uneigennützig geschehen, meine Damen und Herren.Wenn man die Dinge auf die Spitze treibt und gräbt einmal herum und würde sich die Frage stellen, was in dieser Stadt passieren würde, wenn morgen sämtliche Menschen ausreisen würden, die keinen deutschen Paß besäßen. Ich sage Ihnen, diese Stadt wäre funktionsunfähig. Wir würden im Schmutz ertrinken,

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

die Betriebe würden ihre Produktion einstellen, wir würden kulturelle Bereicherung verlieren und vieles weitere mehr. Hamburg würde nicht so weiterleben, wie es heute lebt. Ich finde, das muß man sich immer wieder neu vor Augen führen, wenn man über solche Fragen spricht.

Wer über Einwanderungsrecht redet, muß wissen, daß Einwanderungsrecht Steuerung bedeutet. Es bedeutet kommen lassen, bedeutet aber auch verbieten von Kommen. Wer weiß, welche Zuwanderungen wir in Deutschland allein durch das Thema Kriegsflüchtlinge und Asyl haben, der weiß, wenn er redlich mit den Fakten umgeht, daß in Wahrheit nur noch wenig bleibt, was dann an steuerbarer zusätzlicher Zuwanderung überhaupt möglich ist. Von daher bitte ich alle Beteiligten, mit diesen Begriffen sehr, sehr redlich umzugehen und die Öffentlichkeit nicht mit flüchtigen Argumenten zu täuschen.

Das Thema Arbeit und ausländische Arbeitnehmer ist ein besonderes Problem. Das Ausländerrecht hat restriktive Elemente.Die Anteile des restriktiven Ausländerrechts sind unter der CDU-Regierung erheblich größer geworden. Es hat aber auch gewährende Rechte. Gerade in der Frage des Arbeitsrechtes leben wir in diesem Lande in einem Zielkonflikt. Wir sollten ihn doch einmal ehrlich aussprechen. Auf der einen Seite sind die Menschen darüber böse, daß Zuwanderer hier leben und ohne eigene Arbeit Aufenthalt, Unterkunft, Sozialhilfestatus und Asylstatus genießen.Das wird kritisiert.Auf der anderen Seite, würde man sehr großzügig und sehr schnell mit den Arbeitserlaubnisrechten umgehen, würde das Problem auftauchen, daß die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zu einem neuen Problem wird. Denn die Arbeitslosigkeit ist noch immer nicht klein.Sie wissen ganz genau, wenn man in die Statistik hineinschaut, daß gerade für einfachere Tätigkeiten ein besonderer Mangel an Arbeitsplätzen besteht und dort der Konkurrenzkampf besonders groß ist. Mit diesen Ehrlichkeiten muß man doch wenigstens umgehen in dieser Stadt. Ich finde, meine Damen und Herren, insoweit ist es leicht erklärt, daß wir dafür sind, daß all diejenigen, die soziale, humane oder sonstige Gründe haben, hier herkommen und arbeiten sollen. Frau Uhl, das kann man niemandem ernsthaft empfehlen, daß man einen solchen Unsinn macht, wie Sie ihn hier vorschlagen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

(Mahmut Erdem GAL)

Solche Empfehlungen führen eindeutig nur zu mehr Blockaden. Ich bin der Auffassung, daß wir es den Menschen in der Stadt gut erklären müssen, daß es vernünftig ist, Zuwanderern, die zu Recht, also legal, hier leben und voraussichtlich auch hier weiterleben werden, eine Arbeitserlaubnis zu geben, weil sie zu ihrem eigenen Lebensunterhalt beitragen und diesem Lande in Wahrheit helfen. Das muß aber dosiert und gesteuert passieren. Deshalb bin ich dafür, das nicht emotional, sondern sachlich zu diskutieren. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Elke Thomas CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Machaczek.

Ich hatte eigentlich geplant, nicht noch einmal zu reden, aber Herr Erdem backt sich die CDU immer so, wie sie ihm gerade paßt.

(Beifall bei der CDU – Bernd Reinert CDU: Sehr gut!)

Das will ich jetzt nicht beklatschen, aber ich bedanke mich für den Beifall meiner Fraktion.

Herr Erdem, wir haben überhaupt nicht gefordert, das Asylrecht abzuschaffen. Das ist doch völliger Quatsch. Nur – und das sagte auch Herr Schily...

(Glocke)