Protokoll der Sitzung vom 24.05.2000

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

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Frauen. Zum Beispiel, daß sie ihre Tätigkeit nicht mit einer Krankenversicherung, einer Rentenversicherung oder einer Arbeitslosenversicherung ausführen können. Das ist aber gerade für diese Frauen wichtig, denn sie sind ohnehin schutzlos, so daß sie wenigstens diesen geringen Schutz haben müssen, um nicht dann, wenn sie nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein.

Wir haben auf der einen Seite privilegierte Prostituierte, die sehr viel Geld verdienen, aber es gibt auch Elendsprostitution, insbesondere im Bereich der Kinder und Jugendlichen. Denken Sie daran, daß wir beispielsweise auch die Beschaffungsprostitution haben. Wir wissen genau, daß die Ursache dafür die Drogenabhängigkeit und die damit verbundene Abhängigkeit ist, immer wieder auf den Strich zu gehen, um dann am Ende letztlich seinen Körper mit allen Mitteln zu verkaufen.

Seit Öffnung des Ostens haben wir vor allen Dingen eine Szene von ausländischen Frauen. Sie haben auch darauf hingewiesen, Frau Simon, daß das ein besonderes Problem hier in Hamburg ist. Wir wissen, daß insbesondere Frauen aus unseren Nachbarländern hierherkommen und daß das, was sie hier verdienen, durchaus eine Alternative zu den Arbeitsplätzen ist, die sie in ihrem Heimatland haben. Insofern ist das auch ein durchaus reizvoller Arbeitsplatz. Wir wissen auch, daß viele mit falschen Versprechungen herkommen, weil man ihnen sagt, sie bekämen eine interessante Tätigkeit, aber am Ende ist es die Tätigkeit in einem Bordell.

Diesen Menschenhändlern – und wir wissen, daß es sie gibt –, die versuchen, hier Frauen einzuschleusen, muß man das Handwerk legen.Dafür brauchen wir auch die entsprechenden polizeilichen Maßnahmen, denn das können wir in unserem Land nicht dulden. Es ist zwar so, daß sich das Verständnis der Prostitution verändert hat, aber die Methoden in dem Bereich nach wie vor schlimm genug sind. Insofern, Frau Koop, war ich ein bißchen überrascht, daß sie in dem Punkt eine andere Position vertreten, obwohl ich Sie im Bereich der frauenpolitischen Debatte in diesem Parlament anders erlebt habe. Ich hatte gehofft und angenommen, daß die Frage der Rechtsstellung und der Stärkung der Frauen für Sie genauso wichtig ist wie für uns, weil es nicht darum gehen kann zu sagen, daß es ein ganz normaler Beruf ist, sondern daß es darum gehen muß, die Frauen, die sozusagen rechtlos sind, in den Stand zu versetzen, ihr Recht einzuklagen und ihre Rechte wahrzunehmen. Insofern geht es nicht darum, die Frauen über diesen Beruf zu diffamieren, sondern umgekehrt geht es darum, den Frauen diese Rechte zu geben.

Natürlich wäre es wünschenswert und schön, wenn wir dieses Problem nicht hätten, aber das lösen die Frauen allein sowieso nicht, sondern dann müssen wir vor allen Dingen die ändern, über die wir vielleicht auch einmal reden sollten, nämlich über die Männer, weil das natürlich die Bedingung dafür ist, denn die Nachfrage besteht ja wohl auch.Insofern darf man zwar moralisch argumentieren, aber man muß den Frauen helfen, aus diesem Dilemma herauszukommen, und das macht man nicht, indem man nur moralisch argumentiert.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich denke, daß wir in Hamburg eine Menge Initiativen haben, um die Frauen zu unterstützen. Vor allen Dingen versuchen wir, durch Aufklärung und Information die Frauen wieder zurückzubringen zu dem, was sie vielleicht möglich machen wollen, nämlich zu einer Alternative zu ihrem Ar

beitsplatz. Wir haben zur Zeit einige Projekte, die sich auf diese Ausstiegsorientierung beziehen, in der Diskussion. Wir werden auch noch einiges mehr machen. Ich bin mir aber angesichts der Situation der Frauen in diesem Bereich bewußt, daß wir nicht immer eine Alternative dazu haben, denn jedes Ausstiegsprojekt wird bedeuten, daß wir sehr viel mehr Geld zahlen würden. Insofern hat das auch alles seine Grenzen.

Wichtig ist, daß es bei uns seit 1987 keine Zwangsvorführung mehr gibt und diese jetzt auch bundesweit abgeschafft werden soll.Wir haben zum Beispiel gute Erfahrungen mit unserer Gesundheitsprävention und dem Projekt Amnesty for Women. Ich gehe davon aus, daß all diese Aktivitäten, die wir im Bereich der Beratung und Information haben, den Frauen helfen. Unser Projekt soll darüber hinaus auch den Frauen helfen, die hier illegal leben. Es soll sie schützen, um sie sozusagen geordnet in ihr Heimatland zurückzubringen.Auch das sind Möglichkeiten, den Frauen zu helfen, die unter ganz anderen Bedingungen hergekommen sind.

Lassen Sie uns das Thema Sozialversicherungspflicht und Anerkennung der Prostitution als Beruf so regeln, daß am Ende die Frauen etwas davon haben, die es dringend brauchen und darauf schon lange warten. Deshalb hoffe und wünsche ich, daß diese Initiative in Berlin demnächst rechtliche Realität wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.Damit ist die Große Anfrage 16/4110 besprochen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 b auf: Drucksache 16/4094: Große Anfrage der CDU zum Verfall des Hamburger Straßennetzes.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Weiterer Verfall des Hamburger Straßennetzes – Drucksache 16/4094 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Reinert hat das Wort.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Welche Rede halten Sie jetzt? Die von ’97, ’96 oder ’95?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Schmidt, ich werde die Rede auf dem Stand des Jahres 2000 halten. Das ist hier angemessen.Wenn Sie nachher das Wort ergreifen, werden wir einmal sehen, ob Ihnen etwas Neues aufgefallen ist. Uns jedenfalls ist etwas Positives an der Antwort des Senats auf unsere Anfrage aufgefallen.Positiv ist, daß die Baubehörde in diesem Jahr besser informiert ist als im vorigen Jahr.

Als wir im vorigen Jahr eine Anfrage zum selben Thema stellten, antwortete die Baubehörde, nachdem wir ein paar Mal nachfragen mußten: Ja, wir haben 76 Straßen in unserer Zuständigkeit Baubehörde, die grundinstandsetzungsbedürftig sind. Wie viele Straßen in den Bezirken grundinstandsetzungsbedürftig sind, wissen wir nicht. Die Baubehörde ist jetzt besser informiert, und sie hat uns in der Antwort geschrieben, daß in den sieben Hamburger Bezirken in der Zuständigkeit der Bezirke weitere 355 Straßen grundinstandsetzungsbedürftig sind. Da auf der Landesebene noch eine weitere Straße hinzugekommen ist, heißt das auf gut Deutsch:432 Hamburger Straßen sind kaputt. Auf die Kilometer bezogen heißt das: 247 Kilometer unseres Hamburger Straßennetzes, davon 56 Kilometer

(Senatorin Karin Roth)

Hauptverkehrsstraßen, sind in einem Zustand, der eigentlich nicht mehr zumutbar ist, wo grundinstandgesetzt werden müßte.

Das ist also auf der einen Seite der Bedarf.Wie sieht es aus mit dem, was für das Jahr 2000 geplant ist? Auch das hat uns der Senat erzählt. Geplant ist, in diesem Jahr von den 247 Kilometern kaputter Straßen 11,1 Kilometer wieder instand zu setzen. Meine Damen und Herren, das ist lächerlich.

(Beifall bei der CDU)

Im Bezirk Mitte sind 23,3 Kilometer Straßen kaputt. Mit dem Geld, das dem Bezirk Mitte zur Verfügung steht, kann er in diesem Jahr insgesamt 490 laufende Meter Straße wieder herstellen. Finden Sie das in Ordnung? – Wir nicht.

Der Sanierungsbedarf insgesamt auf ganz Hamburg bezogen beträgt 406 Millionen DM. Tatsächlich zur Verfügung stehen 63,654 Millionen DM. Das langt hinten und vorne nicht, und da muß sich der Senat etwas einfallen lassen, denn die Lage auf Hamburgs Straßen ist gekennzeichnet durch Spurrillen, durch Risse in den Fahrbahnen, durch Schlaglöcher, durch abgefahrene Deckschichten, durch verwitterte Fahrbahnen und zahllose Flickstellen. Die Lage ist dadurch gekennzeichnet, daß Reparaturen in erster Linie mit sogenanntem Kaltasphalt durchgeführt werden. Wenn Sie nicht genau wissen, was das ist, will ich einmal versuchen, Ihnen das an einem anderen Beispiel zu erklären.

Wenn Sie zu Ihrem Zahnarzt gehen und sagen, ich habe ein Loch im Zahn, dann sagt der Zahnarzt, ja, Sie haben Karies. Das macht aber eigentlich nichts, ich schmiere etwas darüber. Das ist die Wirkung von Kaltasphalt. Der Verfall der Straße geht ungehindert weiter.Er ist nur nicht mehr so sichtbar, wie es vorher der Fall war, aber das Problem wird in Wahrheit immer schlimmer.

(Dr. Holger Christier SPD: Das ist das Prinzip von Schminke!)

Nötig wären 60 Millionen DM im Jahr, um einen weiteren Verfall zu verhindern. Tatsächlich passiert in diesem Jahr folgendes: Die Baubehörde hat die Mittel für die Grundinstandsetzung der ihr unterstehenden Straßen um weitere 2 Millionen DM gekürzt. Wenn im letzten Jahr die Baubehörde noch 6,2 Kilometer Straßen instand setzen konnte, dann sind es in diesem Jahr nach der Planung der Baubehörde – nicht nach der Rechnung der CDU, sondern nach der Planung der Baubehörde – 4300 Meter Hauptverkehrsstraßen, die wieder instand gesetzt werden sollen.

Meine Damen und Herren! Das Hamburger Straßennetz hat einen Buchwert von 5,5 Milliarden DM.Der Zeitwert, der tatsächliche Wert, wird von Tag zu Tag geringer, der Instandsetzungsstau wird immer größer, und die Zukunft wird immer düsterer.

Nun sagt der Senator zwar, wir müssen gegenwärtig den Haushalt konsolidieren und deswegen können wir nicht soviel Geld ausgeben. Herr Senator, auf der anderen Seite haben Sie aber immer noch 1 Million DM übrig, um hier eine Verkehrsberuhigung zu machen, um dort ein Renommierprojekt auf die Beine zu stellen. Hier werden ganz einfach die falschen Prioritäten gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Jede Mark, die Sie heute bei der Unterhaltung des Straßennetzes zu wenig ausgeben, kommt in ein paar Jahren in mehrfacher Höhe als Erfordernis für Grundinstandsetzung

wieder auf Sie zu.Sie sagen zwar in der „Bild“-Zeitung, Herr Senator, daß nur 7 Prozent unserer Straßen kaputt seien und das sei doch eigentlich ein guter Wert. Da müssen wir auch mal genauer nachrechnen. Die Baubehörde ist zuständig für 516 Kilometer Straßen in Hamburg. Davon sind nach Aussage der Baubehörde 56 Kilometer kaputt. Das sind schon einmal 10,8 Prozent, also knapp 11 Prozent. Was sagt nun der Bausenator zu diesem Thema? Laut „Bild“-Zeitung vom 17. Mai:

„Für den, der täglich eine schlechte Straße fahren muß, ist das natürlich ärgerlich.“

Herr Senator, da haben Sie recht. Aber bekannterweise ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich. Das, was Sie hier machen, ist wirklich Veräppelung, um nicht zu sagen Verdummung der Hamburger Autofahrer.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte wirklich einmal wissen, was der Bausenator tun würde, wenn bekannt würde, daß es in jede neunte Hamburger SAGA-Wohnung hineinregnet, entweder durch das Dach, das Fenster oder durch die Wand. Das ist doch die passende Vergleichsgröße. Sie würden von heute auf morgen, so schnell kann man gar nicht gucken, ein Sofortprogramm auf die Beine stellen, um für die Mieter etwas zu tun, was auch zweifellos notwendig wäre, aber für die Autofahrer tun Sie nach wie vor so gut wie nichts.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Reinert?

(Bernd Reinert: Gerne!)

Herr Reinert, sind Sie denn der Meinung, daß ebenso viele Menschen in Autos wohnen wie in SAGA-Wohnungen?

Liebe Frau Sudmann, in unserer Stadt gibt es sehr, sehr viele Menschen, die aus beruflichen Gründen auf das Auto angewiesen sind. Nehmen wir als Beispiel nur den Wirtschaftsverkehr.Wenn die Menschen nicht auf das Auto angewiesen sind, nutzen sie vielleicht den öffentlichen Nahverkehr per Bus, und der bewegt sich genauso auf diesen kaputten Straßen.

Selbst der Bausenator sagt in dem eben erwähnten „Bild“-Zeitungsinterview, daß der Verkehr in Hamburg durch die Straßenschäden beeinträchtigt wird. Das sind die harten Fakten. Und, meine Damen und Herren, was aus der Antwort des Senats auf unsere Anfrage deutlich geworden ist: Der Senat hat überhaupt kein Konzept, wie er diese Straßenschäden wieder beseitigen will, wie er den Instandsetzungsrückstau aufarbeiten will. Es gibt kein Konzept, es gibt nur den Senator Wagner. Mir wäre es sehr viel lieber, es wäre andersherum.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Polle.

Herr Reinert, ich war gespannt auf das Update Ihrer Reden von ’94, ’97, ’99,

(Bernd Reinert CDU: 1994 habe ich nicht dazu ge- sprochen!)

(Bernd Reinert CDU)