Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Und so müssen wir natürlich auch bei den Bürgern, die vom weiteren Ausbau in Finkenwerder betroffen sind, dafür werben, daß es hier um eine Entscheidung für die gesamte Metropole geht. Welche Bedeutung das hat, können Sie auch daran erkennen, daß Hamburg den ersten Preis bei URBAN 21 in Berlin bekommen hat auch mit dem Hinweis darauf, daß es gelungen ist, ein so hochwertiges industrielles Projekt in einer Metropolregion über Grenzen hinweg durchzusetzen und zu Interessenausgleichen zu kommen. Ich werbe deshalb um das Verständnis der Menschen vor Ort.

Ich möchte aber als Hamburger nicht nur darauf hinweisen, was für ein Eingriff es ist, sondern was es für die Verträglichkeit in der Region um Finkenwerder herum bedeutet. Wie war das denn in den siebziger Jahren in Finkenwerder? Alle, die Hamburger sind und zu der Zeit bewußt gelebt haben, können sich doch noch erinnern.Nicht einmal 500 Meter, einen knappen Kilometer entfernt stand dort noch die größte Werft der Welt. Und wer sich diese Bilder anschaut, der sieht das noch. Es war doch nicht so, daß, wenn man aus dem Fenster des Hauses auf dem Süllberg schaute, man anschauliche, schicke und schöne Industriearchitektur sah.Das war ein richtiger Klotz.Dort wurde gehämmert, genietet und geschweißt in drei Schichten rund um die Uhr. Wer die damaligen ökologischen Standards kennt, der weiß, daß dort nicht alles sehr schön absorbiert worden ist, was an Dreck herunterkam, sondern auch vieles in die Elbe geflossen ist.

Wenn man das einmal mit dem vergleicht, was dort heute ist, dann erlaube ich mir wirklich die Bemerkung, daß es vergleichbar ruhiger, leiser und verträglicher geworden ist. Trotzdem habe ich in diesem Zusammenhang einen Wunsch. Wenn das Mühlenberger Loch

(Zurufe von der SPD: Ein Teil!)

ein Teil des Mühlenberger Lochs – zugeschüttet wird und die neuen Hallen dort stehen, dann hätte ich eine Bitte an die Investoren: Ich meine, man kann auch zeigen, was Industriearchitektur im 21. Jahrhundert ist. Ich finde, die Hallen dürften architektonisch auch etwas Zusätzliches bieten und einen gewissen Ausdruck von Zukunft vermitteln.

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich den Ausblick wagen. Ich finde, die erfolgreiche Bewerbung muß Realität werden. Im übrigen diskutieren Sie beim nächsten Tagesordnungspunkt Initiativen für Arbeit und Ausbildung. Was unter diesem Tagesordnungspunkt läuft, hat damit auch zu tun, denn wir schaffen dort in der Tat die Arbeitsplätze, die uns immer wieder quantitativ vom Senat und von DaimlerChrysler vorgegeben worden sind, und das bedeutet einen gewaltigen Schub in vielen Bereichen der Ausbildung. Ich hoffe, daß das Arbeitsamt, die entsprechenden Fachhochschulen und auch die Firmen, die ausbilden müssen, mitmachen.Das hängt alles miteinander zusammen, und man muß sich das auch immer wieder klarmachen.

Meine Damen und Herren! Dieses Projekt wollen wir. Dies haben wir Sozialdemokraten immer gewollt. Wir sind froh, daß es so weit gekommen ist. Wir sagen herzlichen Dank an alle, die schon in den achtziger Jahren und Anfang der neunziger Jahre die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Wir nehmen da keinen aus, auch die nicht, die dieses 1997 noch mit durchgesetzt haben. Wir lehnen den GAL-Antrag

(Zurufe von der GAL: GAL-Antrag?)

Entschuldigung –, den REGENBOGEN-Antrag natürlich ab. Ich finde, der Senat hat seine Leistungen gebracht, und er hat Anspruch darauf, daß wir diesen REGENBOGENAntrag ablehnen.

An der Entwicklung der Luftfahrtbranche kann man eine Form von erfolgreicher Vergangenheit, erfolgreicher Gegenwart und auch erfolgreicher Zukunft sehen.Ich sage immer, an einem richtig wunderschönen Regenbogen und nicht an solch einem grauen, schlappen, nassen, runterhängenden Regenbogen sollten wir Hamburger uns heute und auch für die Zukunft freuen. Wenn der Senat demnächst – und ich erwarte und hoffe es auch – die sofortige Vollziehung beantragen wird, dann wird er dafür auch unsere Unterstützung haben. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hackbusch, Sie sind auf Ihren Antrag gar nicht eingegangen. Sie haben gesagt, der erkläre sich von selber und sei ein Selbstgänger. Das sehe ich ein bißchen anders. Sie wollen, daß mit der Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs erst begonnen wird, wenn alle anhängigen Rechtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind.

Wir wissen alle, wie lange so etwas dauert: Drei Instanzen, eventuell geht man noch zum Bundesverfassungsgericht. Fünf Jahre müssen Sie rechnen, bis das abgeschlossen ist. Wir kennen aber auch den Zeitplan der DASA. Im Jahre 2005 soll der erste A3XX abheben. Das heißt also, wenn man Ihrem Antrag zustimmen würde – und das scheinen Sie ja zu wollen –, würde das das Aus für die Endfertigung des A3XX in Hamburg bedeuten.

Es sind heute ungefähr 200 Klagen anhängig. Im Rahmen dieser Klagen können die Kläger den sofortigen Vollzug der Teilzuschüttung angreifen. Sie können sich vor den ordentlichen Gerichten damit durchsetzen, sie können das prüfen lassen.Das ist ordentliche rechtliche Prüfung.Was Sie wollen, ist genau das Gegenteil. Sie wollen mit dem Antrag erreichen, daß mit dem Bau überhaupt gar nicht erst ange

fangen wird, auch wenn der Senat und die DASA im Recht sind, denn mit Ihrem Antrag setzen Sie ein faktisches Aus für die Endfertigung hier in Hamburg.Wenn Sie ehrlich gewesen wären, hätten Sie Ihren Antrag anders formuliert, nämlich den Senat aufgefordert, auf die Endfertigung des A3XX hier in Hamburg zu verzichten.

(Zurufe von REGENBOGEN – für eine neue Linke – Hartmut Engels CDU: Auf die lange Bank schie- ben und zum Scheitern bringen! So lautet der An- trag!)

Auf die lange Bank schieben bedeutet, wenn man unter Zeitdruck ist, daß es eines Tages nicht mehr geht, und das wissen Sie ganz genau.

Das wollen wir nicht, das will auch die Mehrheit der Bevölkerung nicht.Ich glaube – Herr Dobritz, Sie haben das sehr eingehend und ausführlich gesagt –, die Vergabe der Endfertigung nach Hamburg, wenn auch geteilt mit Toulouse, ist nicht nur vom Senat und der Bürgerschaft – wenigstens mit Mehrheit –, sondern auch von weiten Teilen der Bevölkerung als ein großer Erfolg für Hamburg angesehen worden. Daß Sie gesagt haben, daß man den Beteiligten dafür danken soll, spiegelt, glaube ich, auch die Einstellung der Bevölkerung in Hamburg wider. Sie haben auch gesagt, was das für Hamburg bedeutet. Deshalb will ich nicht noch einmal darauf eingehen.

Aber bei aller Euphorie, die wir heute haben, sollten wir nicht vergessen, daß es doch ein schmerzhafter Eingriff in das Mühlenberger Loch ist, in ein ganz sensibles Ökosystem hier in Hamburg. Das ist ein Thema, bei dem man abwägen muß, welches das wichtigere Gut ist, die Industrieansiedlung oder die unversehrte Erhaltung der Natur. Ich glaube, das ist bei vielen Industrieneuansiedlungen der Fall. Das wird immer wieder auftreten. Hier hat der Senat und haben auch wir als Bürgerschaft richtig entschieden, daß wir die Teilzuschüttung des Mühlenberger Loches durchführen wollen.

Ich sehe aber eines als viel problematischer an – darauf sind Sie auch eingegangen, Herr Dobritz –, und das ist die Beeinträchtigung der Menschen. Das ist nicht die optische Beeinträchtigung, da stimme ich Ihnen zu. Man muß heute auch Großindustriehallen bauen, und dort wird eine mit ungefähr 700 Metern Länge und 40 Metern Höhe unwahrscheinlich große Industriehalle gebaut. Da kann man es auch durch gute Architektur optisch so gestalten, daß man, wenn man sie sieht, nicht in Ohnmacht fällt. Aber die Lärmbelästigung wird ganz erheblich werden. Allein die Flugbewegungen werden sich von vorher 3500 auf gut 10 000 fast verdreifachen, und das betrifft viele Menschen.

Ich gehe allerdings davon aus, daß sich die Lärmentwicklung in den gesetzlichen Grenzen hält, wobei ich zugestehen muß, daß die gesetzlichen Grenzen ziemlich hoch sind, und die Menschen, die in der Einflugschneise und in der unmittelbaren Nähe, der unmittelbaren Umgebung des Werksgeländes, wohnen, werden ordentlich darunter leiden müssen. Sie können sicher sagen, im Flughafengebiet ist das auch der Fall, aber auch da leiden die Menschen.

(Barbara Ahrons CDU: Daran sind sie schon ge- wöhnt, oder wie?)

Man gewöhnt sich daran, Frau Ahrons, und ich weiß, wovon ich rede. Ich wohne nämlich direkt in der Einflugschneise. Wenn bei mir die Flugzeuge über die Terrasse fliegen, sind die Fahrgestelle bereits ausgefahren, und das macht sehr viel Krach.Das dauert – ich habe einmal auf die

(Werner Dobritz SPD)

Uhr geguckt, als ich mich hierfür vorbereitete – ungefähr 15 Sekunden, dann ist das Flugzeug weg. Wenn meine Enkelkinder da sind und es kommt solch ein großes Flugzeug an, dann finden sie das sogar noch schick. Damit will ich das nicht verniedlichen, aber wir müssen einsehen, daß wir den Menschen viel zumuten. Ich habe einige Freunde und Bekannte, die bei uns in der Gegend wohnen, die sagen, das halten wir nicht aus, wir werden wegziehen. Das können sich nicht alle leisten. Einige werden es tun, aber die Menschen sind gezwungen, diese Belästigung zu ertragen. Auch hier müssen wir eine Güterabwägung durchführen. Ich glaube, unsere Haltung ist da ganz klar: Wir müssen den Menschen auch Nachteile zumuten, wenn es um das Wohl der Stadt und den Wirtschaftsstandort Hamburg geht.

Lassen Sie mich die Antwort auf den REGENBOGEN-Antrag in einem Satz zusammenfassen: Für Hamburg ist die Airbus-Entscheidung ein großer Erfolg, und wir sollten uns diesen Erfolg hinterher nicht selber kaputtmachen.Deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei Ingrid Cords und Uwe Grund, beide SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist jetzt die zweite Debatte, die mich etwas verwirrt. Wir haben einen Antrag vorliegen, der aus einem Satz besteht, und gleichzeitig hat die Debatte im Stil einer Aktuellen Stunde stattgefunden, frei flottierend rund um das Thema A3XX herum. Wenn das alle machen, könnte ich jetzt sagen, dann mache ich das auch.

Entscheidend für die politische Verabredung in bezug auf die Aktivitäten im Mühlenberger Loch waren – analog unserer rotgrünen Verabredung – drei Dinge.Zwei davon sind eingetreten. Was noch aussteht, ist die Produktionsentscheidung für den A3XX. Es ist eben schon ausgiebig besprochen worden, was alles entschieden wurde. Die Angebotsvergabe ist begonnen worden. Es ist entschieden worden, wie die Standorte jeweils mit den Produktionsanteilen, zumindest ungefähr, ausgestattet sein sollen. Was noch aussteht, ist die Produktionsentscheidung, und das ist der entscheidende Hebel für die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs. Von daher wird der REGENBOGEN-Antrag auch von uns abgelehnt.

Die Gesamtdebatte darum ist in ihrer Qualität überhaupt nicht besser geworden, als sie das in den letzten Monaten war. Es ist ein einziges Sammelsurium von Spekulationen, von Annahmen, von Debatten darüber, ob wir eine längere Start- und Landebahn brauchen oder nicht. Ich würde es sehr hilfreich finden, wenn wir uns erst einmal auf dem Boden dessen bewegen, was wir tatsächlich in der Hand haben: Da ist ein Planfeststellungsbeschluß für eine festgelegte Länge, begründet auf einer Planrechtfertigung, die unter anderem einen bestimmten Flächenbedarf skizziert, der wiederum dann eine bestimmte Produktion zugrunde liegt. Das sind die Realitäten. Wenn die Entscheidung, die jetzt für Hamburg getroffen wurde, mit dem nicht übereinstimmt, dann muß man neu nachdenken. Im Moment sieht es für mich so aus, als würde das Bild noch zusammenpassen.Von daher möchte ich mich auch nicht an weiteren Spekulationen beteiligen.

(Beifall bei der GAL)

Der Abgeordnete Hackbusch bekommt das Wort.

Meine Damen und Herren! Es geht um drei Dinge, die sich darauf beziehen, was an schriftlichen Sachen vorliegt. Es gibt einen Planfeststellungsbeschluß, Frau Möller, der deutlich sagt, wie und unter welchen Bedingungen an diesem Ort produziert werden kann.

Wir stellen fest, daß bestimmte Voraussetzungen und Dinge, die im Zusammenhang mit dem Beschluß vom 23. Juni in der Stadt diskutiert worden sind, nicht übereinstimmen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das ist erstens die Tatsache, daß mehr Arbeitsplätze versprochen worden sind und gegenwärtig in der Stadt auch diskutiert werden. Vor allen Dingen sind von der EU-Kommissarin mehr Arbeitsplätze genannt worden, als dort wirklich entstehen werden. Das kann man aufgrund der Produktionsentscheidung berechnen, und das sind keine festen Zahlen, sondern Sie verbreiten in dieser Stadt die Illusion, es würden Tausende von Arbeitsplätzen kommen. Aufgrund des Produktionsbeschlusses vom 23. Juni kann man das nicht behaupten.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zweitens: Ich habe auch die Zitate aus dem Planfeststellungsverfahren im Zusammenhang mit der Landebahn genannt. Es ist unverantwortlich zu sagen, wir nehmen eine bestimmte Produktion und ein Auslieferungszentrum nach Hamburg, und im Planfeststellungsverfahren stellt man fest, daß das dort gar nicht bedient werden kann. Das ist doch eine bestimmte Art von Salamitaktik, erst einmal zu sagen, wir machen das – ich habe die Zitate genannt –, obwohl wir in dem Augenblick genau wissen, daß zwei Jahre später das nächste Planfeststellungsverfahren stattfinden wird. Dann wird gesagt, aber wir haben doch schon die ersten Schritte gemacht, das muß doch ausgeweitet werden, wir brauchen dafür eine endgültige Entscheidung, und das ist notwendig. Das ist eine Salamitaktik, die nicht hinnehmbar ist.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Drittens zu Herrn Brinkmann und dem, wie diese Dinge alle zusammenpassen. Neuenfelde, Finkenwerder und Airbus kommen seit Jahren miteinander zurecht. Natürlich gibt es Rangeleien. Natürlich gibt es Auseinandersetzungen um Industrieemissionen und so weiter.Aber mit diesem Schritt, der jetzt gemacht wird, wird eines dieser Dörfer zerstört werden, das Alte Land nicht nur in seiner Kultur, sondern auch in seiner Produktion, und zwar im wesentlichen in seiner Apfelproduktion. Das wissen Sie, das ist hier mehrfach benannt worden, und das bringt das Gleichgewicht durcheinander, und das wäre nicht nötig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag abstimmen.

Wer möchte demselben seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: Drucksache 16/4401: Senatsmitteilung zur Hamburger Initiative für Arbeit und Ausbildung.

(Dr. Joachim Brinkmann CDU)