Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Auf wen trifft denn das Argument des strukturellen Problems wirklich zu? Auf exakt Ihre Lieblingsschulart. Allein jede siebte Oberstufe der Gesamtschulen erreicht die von Ihnen hier lautstark verlangte Mindestzügigkeit nicht. Ziehen Sie doch bitte daraus die Konsequenzen

(Beifall bei der CDU)

und überlegen Sie sich, wo das eigentliche Problem liegt.

Sie haben außerdem beklagt, daß zum Beispiel wichtige Leistungskurse wie Chemie, aber insbesondere Physik wenig gewählt würden.Wer hat denn hier jahrelang mit einem vielfältigen Angebot an Suspensions-, Auswahlmöglichkeiten und Ersatzleistungen verlangt, den Schwierigkeiten möglichst auszuweichen? Es war doch Ihre Politik, die Sie bei der ausdrücklichen Zustimmung zum letzten Schulgesetz

(Beifall bei der CDU – Günter Frank SPD: Das ist in jedem Bundesland so!)

damit verbunden haben.

Sie fordern nun aufgrund der von Ihnen selbst herbeigeführten Probleme ein grundlegendes Überdenken insbesondere der hamburgischen gymnasialen Oberstufen. Sie wollen die Zentraloberstufen einführen, die Sie auch noch mit dem Begriff „Profil“ begleiten, damit es sich nicht ganz so schlimm anhört.

Dazu kann ich Ihnen nur sagen – im übrigen vielen Dank für Ihre Worte, Frau Brüning –, daß die CDU eine Politik der Abschaffung des Langzeitgymnasiums nicht mitmachen und mit aller Kraft bekämpfen wird.

(Beifall bei der CDU – Günter Frank SPD: Das ist genau wie in anderen Bundesländern!)

Eine letzte Bemerkung: Das strukturelle Problem der hamburgischen Schulpolitik besteht nicht aufgrund der Zahlen

rechnerei von Frau Goetsch oder anderer, sondern darin, daß sie maßgeblich an der betriebenen Schulpolitik beteiligt sind. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Senatorin Pape.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mitte der neunziger Jahre sorgte die TIMSS-Studie für ein erhebliches Rauschen im Blätterwald. Sie wurde für vielfältige Interessen genutzt. Hit- und Rankinglisten werden heute gern als Ersatz für die Bewertung von nachvollziehbaren Kriterien eingesetzt. So wundert es nicht, daß besonders das Abschneiden der deutschen Schüler im internationalen Vergleich – sie lagen im Mittelfeld und nicht an der Spitze – Schlagzeilen in den Medien machte und auch in die Schlaglichter des flüchtigen Interesses rückte.

Weitaus bedeutsamer aber sind die Befunde über die erreichten Kompetenzstufen im naturwissenschaftlichen und mathematischen Bereich. Daß selbst in der gymnasialen Oberstufe nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Schüler höhere Kompetenzstufen erreicht, ist in meinen Augen außerordentlich bedenklich. Dieser Umstand gab und gibt Anlaß, sich mit der Art des Unterrichts und wie Lernprozesse organisiert werden, ernsthaft zu befassen.

In Deutschland – auch in Hamburg – ist diese Diskussion aufgenommen worden. So war es vielleicht kein Zufall, daß ich nach nur einer Woche, nachdem ich das Amt als Schulsenatorin angetreten habe, im Institut für Lehrerfortbildung die sehr gut besuchte Tagung mit dem Thema „Die gymnasiale Oberstufe – ein Lernort für junge Erwachsene?“ eröffnen konnte. Denn wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe gingen und gehen oftmals von Hamburg aus. Wir befinden uns heute in der Diskussion über die zukünftige Ausrichtung.

Unter der Präsidentschaft von Frau Senatorin Raab hat die Kultusministerkonferenz 1995 eine Expertenkommission eingesetzt, die die Prinzipien der gymnasialen Oberstufe überarbeiten und Vorschläge zur Weiterentwicklung vorlegen sollte. In ihrem Ausschußbericht hielt die Kommission fest, daß sich die grundlegenden Prinzipien und die Struktur der gymnasialen Oberstufe bewährt haben. Das gilt insbesondere für die Gliederung in der Einführungs- und der Qualifikationsphase, das Kurssystem mit Grund- und Leistungskursen, die Zuordnung der Fächer zu Aufgabenfeldern und das System der Ermittlung der Gesamtqualifikation.

Herr Engels, in der Kultusministerkonferenz sitzen CDU-, SPD-Länder und Länder, die von unterschiedlichen Koalitionen, aber keine Länder, die ausschließlich von den Grünen regiert werden.

(Hartmut Engels CDU: Schauen Sie mal nach, wer in der letzten Legislatur zum Schulgesetz zuge- stimmt hat! Das waren Herr Edler und Konsorten!)

Herr Engels, die Grundprinzipien der gymnasialen Oberstufenreform von 1972 sind dort bestätigt worden.

Die KMK ist in ihren Beratungen aber auch zu dem Schluß gekommen, daß die konkrete Praxis der gymnasialen Oberstufe der Fortentwicklung und Erneuerung bedarf. Hamburg hat als erstes Bundesland die hierauf fußenden Richtungsentscheidungen der KMK in der Ausbildungsund Prüfungsverordnung umgesetzt. In der Studienstufe

(Hartmut Engels CDU)

können Schulen Kompetenzkurse anbieten, wenn sie hierfür ein curriculares Konzept entwickelt haben.Sie sollen die Fächer durch fachübergreifenden und fächerverbindenden Unterricht ergänzen. Schülerinnen und Schüler können eine besondere Leistung, die – ähnlich wie die 1996 eingeführte Facharbeit – selbständig entwickelt, dokumentiert und präsentiert wird, in die Gesamtqualifikation einbringen. Der Unterricht kann in der Vorstufe durch ein mehrwöchiges betriebliches Praktikum ergänzt werden. Auslandsaufenthalte werden erleichtert und unterstützt, und in jedem Halbjahr können die Schulen Intensivkurse mit zwei Wochenstunden in Deutsch, Mathematik und in Fremdsprachen anbieten.

Die Antworten zu der Großen Anfrage zeigen – in dem Punkt stimme ich Frau Goetsch ausdrücklich zu –, daß bisher von diesen Möglichkeiten nicht in dem Umfang Gebrauch gemacht wird, wie es meiner Meinung nach wünschenswert wäre. Ich möchte deswegen gern die Kolleginnen und Kollegen auffordern, mutiger zu sein und häufiger die Möglichkeiten im Interesse der Schülerinnen und Schüler zu nutzen.

Um dem umfassenden Bildungsauftrag der gymnasialen Oberstufe gerecht zu werden, bedarf es innerhalb ihrer Strukturen der Weiterentwicklung durch die Stärkung neuer Lernformen und Lernarrangements,

(Unruhe im ganzen Hause – Glocke)

der Förderung des Erwerbs von Wissen, von Kompetenzen des selbstgesteuerten und -verantworteten Lernens und von Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Diese Prinzipien sind Grundlage der Bildungsplanarbeit für die gymnasiale Oberstufe.

Unter den genannten Rahmenbedingungen haben ideenreiche Kolleginnen und Kollegen und engagierte Schulleitungen durch interessante Versuche des fächerübergreifenden Lernens, durch individualisierte Anforderungen bis hin zu den doppelt qualifizierenden Bildungsgängen in Bergedorf und Steilshoop sowie der Profiloberstufe an der Max-Brauer-Schule, gute Beispiele der innerschulischen Reformarbeit in Hamburg gegeben.

Allen Kolleginnen und Kollegen, die diese engagierte Arbeit konzipieren und alltäglich mit lebendiger Praxis füllen, sei auch von dieser Stelle herzlich dafür gedankt.

Hamburg verfügt im Bereich der staatlichen und staatlich anerkannten Schulen über 101 Standorte gymnasialer Oberstufen, die in diesem Schuljahr von über 18 500 Schülerinnen und Schülern besucht wurden. Das heißt – Frau Goetsch hat das auch schon gesagt –, daß im statistischen Mittel 62 Schülerinnen und Schüler pro Jahrgang die Oberstufe besuchen, aber eben nicht gleichmäßig auf die Schulen verteilt sind.

Aus zum Teil zu kleinen Oberstufengrößen erwachsen aber auch Probleme bei der Entwicklung eines sinnvollen und attraktiven Grund- und Leistungskursangebots. Die Hamburger Schulen gehen unterschiedliche Wege bei der Lösung dieses Problems. So gibt es vollständige Kooperationen, verschiedene gemeinsame Kursangebote oder auch die Teilnahme einzelner Schülerinnen und Schüler am Unterricht anderer Schulen; Frau Goetsch und Frau Brüning haben dies in Einzelheiten ausgeführt.

Auf der Grundlage konkreter Vorschläge möchte ich mittelfristig weitergehende Verbesserungen mit allen Beteiligten beraten und herbeiführen. Bei einer solchen Überprüfung müssen schon alle Möglichkeiten ins Visier genommen

werden. Dabei muß die Vielfalt der Angebote etwa bei den Fremdsprachen, den Künsten oder den Naturwissenschaften in den Stadtteilen gesichert werden. So haben Schülerinnen und Schüler die Chance, Schwerpunkte, wie es die ursprüngliche Intention der Oberstufenreform vorsah, nach eigener Wahl zu setzen. Darüber hinaus besteht im Rahmen der bewährten Grundstruktur der gymnasialen Oberstufe für die Weiterentwicklung auch in folgenden Bereichen Handlungsbedarf:

Erstens bei der Überarbeitung der Lehrpläne hinsichtlich des Beitrags des einzelnen Unterrichtsfaches für vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Wissenschaftspropädeutik und Studierfähigkeit mit Blick auf die inhaltliche, didaktische und methodische Gestaltung des Unterrichts. Diese Überarbeitung ist mit der Erstellung der Bildungspläne für die gymnasiale Oberstufe bereits in Angriff genommen und wird demnächst abgeschlossen sein.

Zweitens: Die Konsolidierung und Weiterentwicklung von Konzepten einer erwachsenengerechten Lernkultur, von Unterrichtsarrangements und Lernformen, die die Selbsttätigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler in hohem Maße fördern. Hierfür wird bereits ein umfangreiches Fortbildungsangebot und wissenschaftliche Begleitung angeboten.

Drittens: Qualitäts- und Standardsicherung mit Blick auf das Abitur. Die Einrichtung schul- und schulformübergreifender Prüfungsausschüsse einerseits und die für das Abitur 2001 geplanten gegenseitigen Hospitationen bei mündlichen Abiturprüfungen mit Schleswig-Holstein und Bremen andererseits werden dafür sachdienliche Anhaltspunkte liefern. Zusätzliche Erkenntnisse erwarten wir aber auch aus der Lernfortschrittsuntersuchung der Jahrgangsstufe 11, die im Jahre 2002 planmäßig erhoben und im Jahr 2003 vorgelegt werden wird.

An der Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe wird in Hamburg sehr intensiv und umsichtig gearbeitet. Diese Entwicklung muß aber auch mit Strukturen einhergehen, die eine angemessene Oberstufengröße erreichen und sich durch eine geeignete Vernetzung von mehreren Schulen mit den vorhandenen Ressourcen optimal nutzen lassen. Alle an den Schulen Beteiligten sind aufgefordert, hier an kreativen Lösungen mitzuwirken. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit stelle ich fest, daß die Große Anfrage besprochen worden ist.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 63: Drucksache 16/4467: Gemeinsamer Antrag der SPD und der GAL über Hilfe für rheumakranke Kinder.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Hilfe für rheumakranke Kinder – Drucksache 16/4467 –]

Hierzu wünscht das Wort die Abgeordnete Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesem Jahr war der 17. Juni der Tag des rheumakranken Kindes. Ziel war es, auf die speziellen Belange und Defizite bei der Versorgung dieser Kinder hinzuweisen.

Auch die Regierungsfraktionen wollten diesen Zeitpunkt nutzen, um auf die sich zuspitzende, kritische Versorgung rheumakranker Kinder in Hamburg aufmerksam zu machen. Wir wollen den Verantwortlichen, nämlich der Kas

(Senatorin Ute Pape)

senärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen, deutlich machen, wie wichtig uns eine frühzeitige Diagnostik und eine spezielle und gute Behandlung dieser Kinder ist.

Rheumaerkrankungen bei Kindern kann man sich als Laie schlecht vorstellen.Rheuma mag die Oma haben, aber von einem Kind hört man dieses selten.

Rheumaerkrankungen bei Kindern gleichen nicht der Erkrankung der Erwachsenen. Die Krankheitsbilder, die Diagnose, der Krankheitsverlauf, aber auch die Therapiemöglichkeiten unterscheiden sich.