Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn dies aber aus Ihrer Sicht das gleiche ist – dafür befinden wir uns in der politischen Debatte –, dann haben wir unterschiedliche Bewertungen.

Im Zusammenhang mit der Ökosteuer geht es mir, Herr Engels, um etwas anderes. Ich nehme wahr, daß Sie nichts davon halten, daß der Staat mit solchen Mechanismen – mit denen nicht nur der Finanzierungsteil der Rentenversicherung sichergestellt wird – Druck auf die Autofahrer ausübt. Sie nehmen vor allen Dingen Anstoß daran, daß der Staat durch die Höhe der Mineralölsteuer Druck auf die Menschen ausübt, umzusteigen und weniger Benzin zu verbrauchen.Das kann man im politischen Raum durchaus kontrovers diskutieren.

Aber ich finde, wenn es um die Beteiligung an einem Tag geht, der davon lebt, daß die Teilnahme freiwillig ist, wenn es darum geht, Autofahrerinnen und Autofahrer zu motivieren, ihr Auto einmal stehenzulassen und tatsächlich in die Stadt ohne Auto zu kommen, die ganz normalen Wege zur Arbeit, ins Geschäft, kleine Erledigungen und so weiter ohne Auto zu schaffen – und das ist das Konzept, das europaweit verfolgt wird –, dann kann man das in Hamburg genausogut wie in Rom, Paris und anderen großen und schönen Städten dieser Welt.

(Beifall bei der GAL)

Herr Engels, es wäre schön, wenn die CDU da einmal über ihren Schatten springen und sagen könnte, ja, wenn es um freiwillige Maßnahmen geht und es darum geht, einmal festzustellen, daß es durchaus andere Formen der Mobilität gibt, dann sind wir dabei. Dazu rufen wir auch auf. Ich glaube, wenn Sie mit zur Beteiligung an diesem autofreien Tag aufrufen würden, dann wäre das ein Gewinn für den Erfolg eines solchen autofreien Tages.Es wäre ein Gewinn für die Lebensqualität in der Stadt, und es wäre ein Gewinn für den Umweltschutz.

(Beifall bei der GAL – Hartmut Engels CDU: Gleich- zeitig verunglimpfen Sie die Ökosteuer damit!)

Ich finde, es ist zweierlei, ob man mit einer Ökosteuer, die alle trifft und die tatsächlich ein Regelungsmechanismus des Staates ist, oder ob man eine freiwillige Maßnahme bewirkt.

Aber ich möchte auch etwas zu den Staus sagen. Natürlich wird es Veranstaltungen geben, die Straßenraum für etwas anderes als Autofahren in Anspruch nehmen.Das ist immer wieder einmal möglich.Herr de Lorent hat schon darauf hingewiesen, daß man zum Beispiel mit 750-PS-starken Rennwagen die Straßen für Sportevents nutzen kann. Wir hatten auch das Alstervergnügen.Da war der Jungfernstieg mit angrenzenden Straßen gleich für eine halbe Woche gesperrt. Darauf will ich gar nicht alles abstellen, sondern ich will darauf abstellen, von wem eigentlich der ganz normale Stau, den Sie in jedem besseren Berufsverkehr beobachten können, verursacht ist.

(Bernd Reinert CDU: In Hamburg gibt es Staus! Das müssen Sie einmal Herrn Wagner erzählen!)

Doch von den Autofahrern, die diesen Stau darstellen. Die stehen sich gegenseitig im Weg und machen andere dafür verantwortlich. Ich glaube, das muß man sich einmal klarmachen. Wenn wir uns an einem Tag im Jahr einmal die Mühe machen, Schulen, Kindergärten, Sportgruppen und so weiter, kleine Teile des öffentlichen Straßenraums abseits vom Hauptverkehrswegenetz für andere Erlebnisse zugänglich zu machen als die des Einfach-nur-da-durchBrausens, dann ist das doch wirklich keine Zumutung und kein Sachverhalt zum Ärgern, sondern dann ist das ein guter Beitrag dafür, festzustellen, daß es in dieser Stadt noch etwas anderes gibt, als sich mit dem Auto von einem

Ort zum anderen zu bewegen, und die Stadt einmal auf eine andere, noch schönere Weise zu erleben. Sie sollten sich einen Ruck geben und dazu aufrufen mitzumachen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Reinert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Senator Porschke, passen Sie auf, daß Sie keinen Ärger mit Herrn Senator Wagner bekommen.Sie haben eben behauptet, in Hamburg gebe es Stau.

(Barbara Duden SPD:Sie haben ihn doch lange ge- sucht und nicht gefunden!)

Das bestreitet der Senator doch mit äußerster Konsequenz.Wenn wir hier bei dem Thema „autofrei“ sind, so hat auch der Senator Porschke, zusammen mit seiner Kollegin Sager, angekündigt, er werde sich an diesem autofreien Tag beteiligen. Ich kann mir richtig vorstellen, wie im Senatorenbüro die Mannschaft rotiert hat, um ein ansprechendes Programm für diesen Sondertag zusammenzustellen.

(Walter Zuckerer SPD: Ja, warum nicht!)

Es muß mindestens eine Veloroute darin sein, mindestens einmal die Fahrradmitnahme in der S-Bahn, man muß auch bei einem Schulstraßenfest vorbeigekommen sein und dergleichen Dinge.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Sie könnten Sekretär bei Senator Porschke werden! – Walter Zuckerer SPD: Sie sind ein politisches Talent!)

Besonders sinnvoll in bezug auf eine normale Abwicklung der Arbeiten ist das vielleicht nicht zwangsläufig. Dann müssen wir uns einmal fragen, warum denn hier in Hamburg so viele Leute mit dem Auto fahren.

Da gibt es die berühmten 700 000 Fahrten unter vier Kilometern. Ich sage Ihnen einmal ganz ehrlich: Wenn ich einen Kasten Mineralwasser kaufe – das sind nur zwei Kilometer –,

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Es gibt wunderbare Sprudlerzubereiter!)

dann stelle ich mir den Kasten Mineralwasser lieber ins Auto als auf die Schulter

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

und halte das für durchaus vernünftiges Verhalten. Es gibt wenige Menschen, die hier in Hamburg Auto fahren, weil es so unwahrscheinlich viel Spaß macht. Es gibt sehr viele Menschen, die mit dem Auto fahren, weil es sehr viel zweckmäßiger ist und weil der ÖPNV hier in Hamburg alles andere als Spaß macht.

(Glocke)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu? – (Zustimmung) Bitte, Frau Sudmann.

Herr Reinert, darf ich Sie einladen, daß wir beide einmal einen Kurs machen, wie man eine Kiste Mineralwasser auf dem Fahrrad transportiert? Ich komme gern nach Bergedorf. Machen Sie mit? Ich würde das tun.

(Senator Alexander Porschke)

Gut, jetzt könnte ich das Sortiment noch erweitern.

(Heiterkeit)

Liebe Frau Sudmann, da ich eine fünfköpfige Familie mit Getränken versorge, ist es kein Vergnügen, das mit dem Fahrrad oder zu Fuß oder sonstwie zu transportieren.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke und Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Wieviel Mineralwasser trinken Sie denn? – Wolf-Dieter Scheurell SPD: Was hat das mit dem autofreien Tag am Freitag zu tun?)

Herr Scheurell versteht, wie üblich, nichts, aber das macht auch nichts, nur, daß Sie immer dazwischenbölken müssen. Wenn Leute in Hamburg das Auto benutzen und nicht den öffentlichen Nahverkehr, dann hat das sehr oft den Grund, den Frau Sudmann hier an einigen Beispielpunkten nannte, weil wir hier im öffentlichen Nahverkehr ganz gewaltige Defizite haben. Wenn viele Pendler von außen mit dem Auto in unsere Stadt kommen, dann liegt das daran, daß wir ihnen hier in Hamburg nicht das entsprechende Angebot an Eigentumsmaßnahmen gemacht haben.

(Oh-Rufe bei der SPD und der GAL)

Wenn wir einmal auf den konkreten autofreien Tag zu sprechen kommen, so hieß es da in der Vorankündigung der „taz“ vom 5. Februar 2000, daß teilnehmende Städte sich verpflichten,

„... wenigstens für diesen einen Tag ihr Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern.“

(Antje Möller GAL: Ja, haben wir gemacht!)

Haben Sie gemacht? Wodurch machen Sie das? Dadurch, daß die Kinder zwei HVV-Busse anmalen dürfen? Aber zu der Verbesserung des Angebots im HVV zitiere ich den Sprecher der Verkehrsbetriebe Hamburg/Holstein laut „Bergedorfer Zeitung“:

„Wir haben uns nicht auf einen größeren Ansturm von Fahrgästen vorbereitet. Sollte er wider Erwarten doch einsetzen, werden die vorhandenen Reserven ausreichen.“

Mit anderen Worten: Da ist nichts an zusätzlichem Angebot. Ja, da fährt ein Solarschiff auf der Alster – Donnerwetter.

(Barbara Duden SPD: Das ist doch schön!)

Ja, schön ist das, und damit komme ich zum nächsten Punkt.

Es heißt dann auch in dieser Ankündigung von www.autofreier.tag:Die öffentlichen Verkehrsmittel haben etwas zu bieten. Ich würde mir wünschen, daß das an 364 anderen Tagen im Jahr auch so wäre, daß die öffentlichen Verkehrsmittel etwas zu bieten haben.

(Petra Brinkmann SPD: Ist es doch!)

Das Problem Graffiti an Bussen und anderen Verkehrsmitteln haben wir ganzjährig, aber das ist eigentlich nicht das, was ich darunter verstehe. Die Teilnehmer werden ihren Spaß haben, aber ansonsten wird sich nichts ändern, und man sollte das tiefer hängen.

Was Sie mit dieser Aktion an diesem Freitag erreichen, ist, daß für die Teilnehmer dabei rüberkommt, die autolose Gesellschaft bedeutet Spaß, Freizeit, Vergnügen,

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Aber kein Mineral- wasser!)