Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

Eine wirkungsvolle und funktionierende Beteiligung ist jedoch nur möglich, wenn hierbei einige Grundsätze beachtet werden. Als Experten in der eigenen Sache muß den Kindern und Jugendlichen eine echte Mitbeteiligung und Mitbestimmung eingeräumt werden. Bloße Alibiveranstaltungen sind abzulehnen und werden als solche auch durchschaut. Alter und Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen sind jeweils zu berücksichtigen. Das Projekt muß für die Jugendlichen überschaubar sein und ihren

konkreten Lebensraum betreffen. Planung und Realisierung eines Projektes müssen in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen. Hierzu einige wesentliche Beispiele.

Erstens: Das Jugendparlament in Horn. Dort ist hervorzuheben, daß der Jugendhilfeausschuß in Hamburg-Mitte wegweisend das Jugendparlament bei der Bewertung und Veränderung von Jugendhilfeeinrichtungen einbezieht. Zudem verfügen die Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren über einen eigenständigen Etat von 20 000 DM. Da kann man tatsächlich etwas selber gestalten.

Zweitens: Die Planung des Mädchentreffs Neu Allermöhe. Schülerinnen haben in einer Zukunftswerkstatt ihre Wünsche und Vorstellungen für einen Mädchentreff formuliert. Sie wurden bei der Ausschreibung des Bauvorhabens und bei der Auswahl eines Vorschlags konsequent berücksichtigt. Der Siegerentwurf heißt übrigens „Lola“.

Drittens: Kinderstadtpläne wurden bereits für mehrere Stadtteile erarbeitet. Sie machen für alle sichtbar, wie Kinder ihren Stadtteil sehen und erleben. Hier könnten erwachsene Planer einiges dazulernen.

Bei der weiteren Festschreibung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen scheinen mir folgende Punkte besonders wichtig.

Erstens: Die Globalrichtlinien zur Kinder- und Jugendarbeit und zur Jugendhilfeplanung bedeuten, daß die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen als verbindliches Qualitätsmerkmal formuliert ist.

Zweitens: Das Hamburgische Schulgesetz öffnet Kindern und Jugendlichen Beteiligungsmöglichkeiten, die diese, wie man erfahren kann – ich denke, auch zur Freude der Senatorin –, ausgiebig nutzen.

Drittens: Agenda 21 und Aalborg-Charta verpflichten die Stadt im Sinne der nachhaltigen Stadtentwicklung, die Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen. Ob es hier noch weitere Festschreibungen geben muß, muß man für die Zukunft und bei der zukünftigen Beratung noch abwarten.

Insgesamt ist also festzustellen, daß die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Hamburg vielfach umgesetzt und praktiziert wird.

Weiterentwicklung von flächendeckender Umsetzung muß jetzt auch durch die Praxis und ihre Erfolge durch positive Anwendung erreicht werden. Wie immer braucht es dazu weitere gute praxisorientierte Vorschläge und sicherlich auch manchmal noch einige zusätzliche Bestimmungen. Hierüber sollten sich der Jugend- und Sportausschuß – vielleicht am besten mit Kindern und Jugendlichen und einigen erwachsenen Fachleuten, die sich damit schon beschäftigt haben – Gedanken machen. Vielleicht kommt er zu weiteren Vorschlägen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Überweisung der Drucksache an den Jugend- und Sportausschuß.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Harlinghausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist heute Weltkindertag, und eine Kindheit in Hamburg, so wissen wir nach der Lektüre der vorliegenden Senatsmitteilung und auch nach den Worten von Herrn Kahlbohm, ist das Paradies auf Erden.

Zu verdanken haben wir dieses natürlich dem beispiellosen Engagement des Senats und der Behörden.

(Vizepräsident Berndt Röder)

(Beifall bei der SPD und der GAL – Jürgen Schmidt SPD: Weiter so!)

Als vor zehn Jahren die Diskussion um eine verstärkte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen begann, verstrichen nur zwei Jahre, bis ein innerbehördlicher Arbeitskreis eingerichtet wurde. In rasantem Tempo nahm er sich aller Mißstände dieser Stadt an. Man krempelte die Ärmel hoch und räumte alles aus dem Weg, was dem Wohle unserer Kinder im Wege stand.

(Karin Rogalski-Beeck SPD: Bravo!)

Derweil hatten die Oppositionsparteien nichts Besseres zu tun, als die intensive Arbeit mit ärgerlichen Zwischenfragen zu behindern. Ich erinnere nur an die Große Anfrage der CDU „Berücksichtigung der Belange von Kindern und Jugendlichen bei der Planung von Neubaugebieten“ schon im Jahre 1996. Geduldig beantwortete der Senat die Fragen, während man in den Amtsstuben höhere Ziele verfolgte. Wie wir jetzt erfahren dürfen, sollen Kinderspielplätze künftig höchstens 400 Meter von den Wohnungen entfernt liegen, pädagogisch betreute Bauspielplätze sollen mindestens 4000 Quadratmeter groß und ganze Stadträume bespielbar sein. In den Quartieren hat man darüber eine Unmenge pragmatischer und vor allen Dingen schneller Lösungen gefunden.

Wie mir berichtet wurde, ist die Nutzung von Bauspielplätzen in der Gruppe der über Fünfundzwanzigjährigen dank der intensiven Einbindung von Jugendlichen im Prozeß der Planung seit einigen Jahren rasant angestiegen. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Behörde nicht ein weiteres Vorhaben aus der Taufe hebt, das sich in die unzähligen herausragenden Projekte einreiht, bei denen die Beteiligung und die Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen großgeschrieben wird.

Stellvertretend für viele möchte ich hier nur eines nennen, das durch seine innovative und zukunftsweisende Arbeit besonders hervorsticht.

In einem der Bezirksämter entwickelte das Jugendamt gemeinsam mit der Garten- und Friedhofsabteilung ein Verfahren, welches sicherstellt, daß in der Phase der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange Informationen zum Planverfahren rechtzeitig begraben werden. Auf diese Weise können nicht nur soziale Brennpunkte entschärft, sondern es kann auch wertvolle Kinder- und Jugendarbeit geleistet werden.

Im Bereich des öffentlich geförderten Wohnungsbaus war es die Baubehörde, die sich durch einen geradezu brillanten Schachzug für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzte. Sie gab nämlich ein Gutachten in Auftrag. Dieses Gutachten mit dem prägnanten und einprägsamen Titel „Nutzungsqualitäten im öffentlich geförderten Wohnungsbau im Hinblick auf Kinderinteressen und Frauenbelange“ brachte Atemberaubendes an den Tag. Ich zitiere:

„Auf die Belange von behinderten und älteren Menschen, alleinerziehenden Frauen und Kindern ist besonders Rücksicht zu nehmen.“

Meine Damen und Herren! Dies ist nur ein kleiner Auszug aus der Erfolgsgeschichte, die der Senat mit seiner Arbeit im Bereich der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen geschrieben hat. Ist es wirklich eine Erfolgsgeschichte? Schaut man in die einzelnen Stadtteile, so stellt sich das Bild ganz anders da.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Darf ich noch einmal an die Beschallungsanlage erinnern.

„Außer Runden Tischen nichts gewesen“ ist die Antwort, die man von Eltern, Kindern und Jugendlichen erhält, werden sie danach gefragt, was sich in den letzten acht Jahren seit der Gründung der innerbehördlichen Arbeitsgruppe „Kinder-Leben in Hamburg“ in ihrem Stadtteil verändert hat. Dieses „Nichts“ weiß der Senat dann natürlich äußerst eloquent zu verkaufen. Selbst für den, dem es gelingt, den Wortschwall zu enttarnen, hat der Senat noch eine Erklärung bereit. Ich zitiere aus einer Drucksache:

„Kindern und Jugendlichen fehlt in der Regel die Geduld, langwierige Planungsprozesse zu begleiten. Dieses gilt ganz besonders für die Umsetzung der eigenen Maßnahmen, wo Kinder und Jugendliche am konkreten Objekt bis hin zur Ausführung beteiligt sind.“

Wenn also gar nichts mehr geht, schiebt man ganz einfach dem Betroffenen die Schuld in die Schuhe.Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, weshalb eine auf Kinder und Jugendliche zugeschnittene Einladung oder Ansprache im Rahmen öffentlicher Plandiskussionen nicht vorgesehen ist. Das, worauf man sich zähneknirschend eingelassen hat, muß man ja nicht unbedingt noch umsetzen.

Weitaus weniger Berührungsängste hat da zum Beispiel die Hamburger Sportjugend, die mit ihrem lobenswerten Projekt „Körbe für Kids“ freie, eintönige Flächen für Kinder und Jugendliche nutzbar macht. Daß dieses Konzept zu den wenigen gehört, die tatsächlich erfolgreich sind, ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß die Schreibtische der Initiatoren nicht in irgendeinem Amt stehen. Nimmt der Senat etwas in die Hand, so folgt darauf sogleich die Einrichtung eines Arbeitskreises oder eines Runden Tisches. Dort wird dann so lange diskutiert, bis auch das letzte Kind, das von diesen Maßnahmen profitieren könnte, längst erwachsen ist. Doch das Motto, „gut daß wir darüber gesprochen haben“, hilft den Kindern und Jugendlichen in den Quartieren nicht. Junge Menschen, die in den durch jahrelange Vernachlässigung abgerutschten Siedlungen leben müssen, haben nicht endlos Zeit, auf die Ergebnisse von Kommissionen und Gutachten zu warten. Sie haben kein Verständnis für Fehlplanungen und leere Versprechungen, und noch viel weniger können sie akzeptieren, daß der tolle Plan, den man mit ihnen zusammen entwickelt hat, dann an den leeren Kassen der Finanzsenatorin scheitert.

Die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Planungen ist ein sinnvolles und äußerst erfolgversprechendes Konzept. Das allerdings nur, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind.

Erstens: Die erdachten Maßnahmen müssen tatsächlich zügig umgesetzt werden.

Zweitens: Die Beteiligten müssen von den erdachten Maßnahmen noch profitieren können.

Beides ist in Hamburg, wenn überhaupt, bisher nur in sehr begrenztem Umfang geschehen. Vielleicht bringt die von der SPD gewünschte Ausschußüberweisung und dann die Beratung im Ausschuß Neues, Bahnbrechendes zutage. Darauf freue ich mich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Holger Kahlbohm SPD:Ohne Sie wird das nicht gehen!)

(Rolf Harlinghausen CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Steffen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anknüpfend an die Beispiele, die meine Vorredner schon gebracht haben, war nicht nur die Sportjugend mit den Streetballkörben erfolgreich, sondern – das müßte hier auch noch einmal erwähnt werden – insbesondere auch das Programm „Spielräume Stadt“. Ansonsten will ich mich aber an den Beispielen nicht festhalten, sondern möchte noch einmal ins Blickfeld rücken, was diese Drucksache, die hier beantwortet wird, eigentlich für einen Sinn und Zweck hatte.

Jugendhilfe ist eine Querschnittsaufgabe.Diejenigen, die in der Jugendpolitik tätig sind, werden nicht müde, das zu erwähnen, und stellen manchmal bei ihren eigenen Abgeordnetenkollegen fest, daß das nicht immer so ernst genommen wird, wenn es um andere Fachgebiete geht.Diese Drucksache hat noch einmal deutlich gemacht, daß es eine schwierige Aufgabe ist, Behörden zu koordinieren, die notwendigerweise natürlich zusammenarbeiten müssen, wenn man den Belangen und Beteiligungen von Kindern und Jugendlichen sinnvoll Rechnung tragen will und alles, was politisches Handeln ist, auch daraufhin abgleichen will, ob es auch den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen entgegenkommt oder auch Gefahren von ihnen abwehrt. Das ist mit der Beantwortung dieses Ersuchens insoweit sehr gut gelungen, als es deutlich wird, wo das überhaupt alles berücksichtigt wird.

Ich habe in der Beantwortung tatsächlich drei Gesetze gefunden, in denen die unmittelbare und mittelbare Beteiligung von Kindern und Jugendlichen verankert ist. Es gibt eine Reihe von weiteren Richtlinien und Globalrichtlinien, Gesetzen, die aufgeführt wurden, bei denen dies nicht der Fall ist und immerhin Handlungsbedarf erkannt wurde. Das einmal festzustellen ist schon die Sache wert gewesen, diesen Ersuchensantrag zu stellen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch ganz sinnvoll, daß wir so etwas der Stadtentwicklungsbehörde mit als Auftrag gegeben haben, als einer Behörde, die auch in diesem Fall koordinierend übergreifend tätig werden kann und vielleicht den Nachbarbehörden mehr auf die Füße gucken kann, ob sie entsprechend handeln.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Etwas lächeln mußte ich, als ich – darauf hatte auch Herr Harlinghausen hingewiesen, und in diesem Fall muß ich daran anknüpfen – in der Beantwortung der Drucksache das Verhältnis von Kindern und Verkehr gelesen habe. Es ist schön, daß in diesem Zusammenhang immerhin deutlich wurde, daß sich zukünftig damit befaßt werden soll, wie Kinder vom Verkehr beeinträchtigt werden oder wie auch ihre Rechte im Zusammenhang mit Verkehr mehr Berücksichtigung finden können.Ich finde die Idee, dieses an zwei Pilotgebieten zu erproben, sehr sinnvoll und hoffe natürlich, daß dann auch zukünftig in der dafür zuständigen Behörde nachgedacht wird, wie man Kinder mittelbar und unmittelbar beteiligen kann. An den vielen Beispielen, die meine Vorredner zum Teil schon zitiert haben, ist durchaus deutlich geworden, daß es Methoden gibt, wie dies geschehen kann, so daß es für die Kinder und Jugendlichen nicht zur Überforderung wird, sondern daß das, was in ihren Möglichkeiten steht, dann auch von ihnen mit geleistet werden kann.

Beim Verkehr sehe ich durchaus noch Nachholbedarf. Ich möchte mir erlauben, an die Debatte, die wir vorhin hatten,

anzuknüpfen. Bei den Beiträgen wurde noch einmal deutlich, daß das, was Kinder und Jugendliche betrifft – auch bei der Debatte um den autofreien Tag –, überhaupt nicht zum Tragen gekommen ist. Das hätte ich mir viel ausführlicher gewünscht, wohl wissend von allen Abgeordneten, die auch dazu geredet haben, daß wir dieses Thema heute ebenfalls auf der Tagesordnung haben.

Wir werden der Ausschußüberweisung zustimmen und uns noch einmal ausführlich mit dieser Drucksache beschäftigen. Ich hoffe, daß wir letztendlich dazu kommen, daß es mehr als drei Gesetze gibt, bei denen die mittelbare und unmittelbare Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Planung für alle Belange, die sie betreffen, festgeschrieben werden. Das wäre für die Jugendhilfe in diesem Parlament wirklich ein großer Erfolg.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält der Abgeordnete Jobs.