In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, daß die jugendstrafliche Praxis unterschiedliche Formen des Jugendarrestes kennt. Er kann als Freizeitarrest verwendet werden, als Kurz- oder Dauerarrest. Freizeitarrest wird über bis zu zwei Freizeiten verhängt, wobei eine Freizeit von Sonnabendmorgen 8 Uhr bis Montagmorgen 7 Uhr reicht. Der Dauerarrest erstreckt sich über einen Zeitraum von einer bis zu vier Wochen.
Wurde der Jugendarrest bis in die siebziger Jahre noch mehr oder weniger als Schocktherapie verstanden, wird heute vor allem auf die erzieherische Ausgestaltung Wert gelegt. Die Jugendlichen sind nicht mehr in einer Verwahranstalt auf sich allein gestellt, sondern werden in dieser Zeit von Pädagogen begleitet. Das bedeutet, daß sie nicht einfach weggeschlossen werden, um ein paar Tage hinter Gittern zu verbringen, sondern daß ihr Aufenthalt genutzt wird, um mit ihnen über eine neue Lebensperspektive nachzudenken.
Um diese sinnvolle Arbeit überhaupt möglich zu machen, sollte unserer Ansicht nach auch eine zwangsweise Vorführung stattfinden. Denn welcher Jugendliche nimmt schon eine Auflage ernst, bei der eine Nichteinhaltung keine spürbaren Folgen nach sich zieht. Die Einhaltung einer vom Staat verhängten Maßnahme darf nicht in den Bereich der Beliebigkeit gestellt werden, sondern muß für jedermann verpflichtend sein.
Dieses Prinzip in Frage zu stellen, würde zum Beispiel im Bereich des Verkehrsrechts bedeuten, es dem ertappten Falschparker zu überlassen, ob er den von ihm verlangten Obolus bei der Bußgeldstelle entrichtet.Da zu erwarten ist, daß Autofahrer unter diesen Umständen davon absehen werden, könnte man dann die Bußgeldstelle auch gleich schließen.
Einsparungen im Bereich des Jugendarrestes haben dazu geführt, daß eine sinnvolle Arbeit mit den Jugendlichen kaum mehr möglich ist. Überdies erlaubt es die katastrophale Personalsituation nicht mehr, einen verhängten Arrest in sinnvoller Weise durchzuführen. Die Jugendlichen werden beispielsweise am Freitagabend nach Hause geschickt und müssen sich am Sonntag wieder einfinden.
Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, daß die Zahlen der jugendlichen Arrestanten in Hamburg kontinuierlich zurückgegangen sind. Es gibt wohl kaum einen umsichtigen Jugendrichter, der eine Maßnahme verhängt, deren Durchführung nur bedingt sichergestellt ist.
Die Justiz wird damit jedoch eines wichtigen Mittels in ihrem Maßnahmenkatalog beraubt.Sie wird fast gezwungen, sich zwischen einem mehr oder weniger beeindruckenden „du, du, laß das sein“ und der Verhängung einer Jugendstrafe zu entscheiden.
Wie wir alle wissen, kann jedoch nicht jede Übeltat mit einem versöhnlichen Handschlag oder einer Wiedergutmachungsleistung aus der Welt geschafft werden. Ebenso scheint es nicht angebracht, kleinste Vergehen mit rigoroser Härte anzugehen. Wir müssen umdenken, um der Jugendkriminalität in dieser Stadt erfolgreich zu begegnen. Die CDU hat ein solches Umdenken schon seit langem gefordert. Inzwischen sind auch auf SPD-Parteitagen ganz andere Töne zu hören gewesen.Gleiche Ergebnisse finden sich auch im Abschlußbericht der Enquete-Kommission.
Meine Damen und Herren, die Grenzen des Erlaubten müssen für junge Menschen deutlich und vor allem rechtzeitig gezogen werden.Das betonen mittlerweile Experten, gleich welcher Couleur.Wenn wir dieser Überzeugung sind, so stellt sich die Frage, warum wir keine ausreichenden Möglichkeiten schaffen.
Was wir mit unserem Antrag fordern, ist keine massive Verschärfung des Jugendstrafrechts. Vielmehr geht es uns darum, eine Situation zu schaffen, die es ermöglicht, alle vorhandenen Maßnahmen auszuschöpfen. Darüber hinaus fordern wir, daß eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe mit einem Jugendarrest gekoppelt werden kann. Es sind vor allem erzieherische Gründe, die für eine solche Neuerung sprechen. Gerade Gewalttäter betrachten eine Strafaussetzung zur Bewährung häufig als einen Freispruch zweiter Klasse. Die Anordnung eines Jugendarrestes macht ihnen die Gewichtigkeit ihres Handelns deutlich und eröffnet zugleich die Chance, ihr Leben wieder in richtige Bahnen zu lenken.
Meine Damen und Herren, besonders von der SPD, wenn Sie es mit Ihren Parteitagsbeschlüssen ernst meinen und es sich nicht nur um Fensterreden handelt, können Sie unserem Antrag eigentlich nur zustimmen, und dazu möchte ich Sie auffordern. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Harlinghausen, Ihre Vergleiche sprechen Bände.So ist es, wenn man mit einem groben Keil auf einen groben Klotz haut;da werden Sachen behauptet, die so gar nicht stimmen. Es wird Umdenken verlangt, wo längst alles andere schon läuft, von dem Sie unterstellen, daß das nicht der Fall ist.Es ist ein Märchen, daß die Jugendlichen im Arrest am Wochenende nach Hause geschickt werden. Wir haben den Rund-um-die-Uhr-Arrest. Das haben Sie vielleicht noch nicht mitgekriegt, aber wir haben ihn.
Ich will noch weiter auf den Antrag eingehen. Im ersten Teil wird unterstellt, wie es wörtlich heißt: „Hamburg nutzt als einziges Bundesland nicht die Möglichkeit der zwangsweisen Vorführung von Jugendlichen zum Jugendarrest.“ Die Wahrheit, Herr Harlinghausen, sieht aber ein bißchen anders aus.
Der Senat ist schon 1997 dieser Bundesratsinitiative beigetreten. Wir machen es hier jedoch anders, und zwar aus pädagogischen Gründen; das hat sich bei Ihnen vielleicht noch nicht herumgesprochen. Es gibt nämlich eine Absprache zwischen den Jugendrichtern und der Polizei. Das heißt, es gibt nicht einen formalen Akt mit einer Vorladung, weil das bei Jugendlichen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, pädagogisch nicht sehr sinnvoll erscheint, sondern man läßt die Betroffenen durch die Polizei holen; damit hat man gute Erfahrungen gemacht. Sie können sämtliche Statistiken nachlesen, es ist in der Tat so, daß die Jugendlichen dann kommen.
Außerdem unterstellen Sie – Sie sagen es nicht direkt –, daß die Jugendrichter nicht ganz in Ihrem Sinne handeln. Die Jugendrichter, die hier tätig sind – da müssen wir sehr aufpassen –, sind alle Repräsentanten der dritten Gewalt und als solche unabhängig, und das sollen sie auch bleiben.
Ja, ja, aber gerade da wollen Sie ja hineinarbeiten. Sie wollen genau gegen diese Praxis angehen. Es gibt ein großes Spektrum an Auflagen, die erteilt werden können und die genau beachtet werden.
Damit komme ich nahtlos zum zweiten Teil Ihres Antrags, und den finde ich regelrecht ärgerlich. Darin steht, daß Sie eine Bundesratsinitiative Hamburgs über die geltende Rechtslage hinaus anstreben, in der die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe mit einem Jugendarrest verkoppelt wird. Man muß einmal darüber nachdenken, was das inhaltlich genau heißt. Zur Zeit ist es so, daß ein Jugendrichter sich sehr genau überlegt, einem Jugendlichen Bewährung zu geben und dafür Auflagen zu erteilen.Wenn er
Ihrem Antrag folgen würde, stünde immer im Hintergrund: Paß aber auf, du kannst, auch wenn du die Bewährungsauflagen erfüllst, jederzeit im Arrest landen.
Was ist denn Bewährung? Wenn Auflagen, um eine Strafe zur Bewährung auszusetzen, nicht erfüllt werden, ist die Bewährung hinfällig, und dann kommt die Strafe. Was soll dann außerdem die Androhung des Arrestes? Das heißt nichts anderes als durch die Hintertür: Immer Knast. Auch Jugendarrest ist Wegsperren.Das paßt dann sehr genau in die Linie, die Sie neuerdings in der Stadt so großartig verbreiten.
Da haben Sie sich einen „Mister Haudrauf“ gekauft, der dann sagt: „Immer rein, immer wegschließen, immer zu die Klappe!“ Von Pädagogik keine Spur, und das Wort Resozialisierung wird dann überhaupt nicht mehr buchstabiert.
Wenn man im Hintergrund immer an das Wegsperren denkt, Herr Harlinghausen, schafft man heute in der Tat den Bodensatz für den Erwachsenenknast von morgen. Das soll uns doch wohl erspart bleiben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aufgrund des Beitrags meines Vorredners kann ich es kurz machen, denn es ist die letzte Debatte. Herr Ellger hat alles Wesentliche, gerade zu Punkt 2, schon ausreichend dargelegt. Wir werden diesen Antrag selbstverständlich ablehnen.
Es ist wie immer, Herr Harlinghausen. Sie zeigen sich in dieser Frage gegen jede Zubildung resistent, obwohl wir dieses Thema zwei Jahre intensiv in einer Enquete-Kommission bearbeitet haben.
(Rolf Harlinghausen CDU: Nur eigenartig, daß auf Parteitagen der SPD etwas ganz anderes be- schlossen wird!)
Ich spreche jetzt nicht von den Parteitagen der SPD. Ich stelle einfach fest, daß der Inhalt dieses Antrags völlig widersprüchlich zu dem ist, was übrigens auch im Konsens zu dem Thema Jugendarrest mit der Beteiligung Ihrer Fraktion im Bericht der Enquete-Kommission nachzulesen ist. Sie hätten nur einmal hineinsehen müssen, dann hätten Sie meiner Ansicht nach diesen Antrag nicht stellen müssen, wenn Sie vergessen haben, was wir dort niedergeschrieben haben.
Ferner haben Sie aus der Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Ihrer Kollegin Spethmann abgelesen. Sie hätten vielleicht nicht nur den ersten Absatz lesen sollen, sondern auch noch die Zahlen, die auf Seite 3 stehen. Da geht es auch noch einmal um die Vollstreckung des Jugendarrests. Daraus ist ersichtlich – Herr Ellger hat es Ihnen ja noch einmal erklärt –, daß im Jugendarrest auch vollstreckt wurde. Da, wo nicht vollstreckt worden ist, wurden andere Tatbestände deutlich; entweder wurden die Auflagen erfüllt, oder es wurde Jugendstrafe verhängt. Daher ist dieser Antrag aus meiner Sicht vollkommen überflüssig, und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag 16/4568.Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltung? – Dann ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Nunmehr sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.Ich wünsche Ihnen einen wohlbehaltenen Heimweg. Die Sitzung ist geschlossen.