Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß das hier einfach noch einmal richtigstellen.
Herr Wersich und Herr Hackbusch, ich habe dieses Gutachten nicht. Ich kenne nicht eine einzige Zeile daraus. Ich habe vor circa drei Wochen eine Einladung von der Senatorin bekommen, daß am kommenden Freitag das Gutachten veröffentlicht wird. Herr Wersich, Sie können mir nicht vorwerfen – Herr Hackbusch ist kein Mitglied des Gesundheitsausschusses –, daß wir im Gesundheitsausschuß nicht ausführlich jedes Thema offen diskutieren. Damit gehen wir natürlich auch in die Öffentlichkeit. Daß Sie hier etwas diskutieren, was noch nicht öffentlich ist, und mir unterstellen, daß ich das Gutachten kenne, finde ich frech; das gehört sich nicht.
Das tut er doch nicht, Frau Blumenthal, ich kann nur wiederholen, daß ich dieses Gutachten nicht kenne.
Ich möchte zusammenfassen: Es ist Panikmache, wenn etwas in den Raum gestellt wird, das aufgrund von Unkenntnis nicht beantwortet werden kann. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute einen fliegenden Übergang in der Gesundheitspolitik. Bezüglich der Überschreitung des Arzneimittelbudgets in Hamburg geht es um Dichtung und Wahrheit.
In der Hamburger Presse war vor kurzem von einem Arzt geäußert worden, daß er aufgrund des Arzneimittelbudgets keinen Hustensaft mehr verschreiben könne. Das durfte er bereits seit acht Jahren nicht mehr, weil der damalige Minister Seehofer die Verordnung von Bagatellarzneimitteln zu dem Zeitpunkt verboten hat. Das gehört also in den Bereich der Dichtung.
Tatsache ist, daß das Arzneimittelbudget in Hamburg – nur Berlin liegt darüber – durch die verordnenden Ärzte, also durch meine Zunft, erheblich überschritten wurde. Gegenüber der Summe von 1996 wurde eine Aufstockung des Arzneimittelbudgets um 7,5 Prozent sozusagen lege artis vereinbart. Es handelt sich hierbei um eine Summe von 894,37 Millionen DM für das Jahr 1999. Real wurden in Hamburg im letzten Jahr 994 Millionen DM ausgegeben; das bedeutet eine Steigerung von 11,1 Prozent. Pro Versicherten sollte eigentlich eine Summe von 515 DM ausgegeben werden, aber daraus wurden 554 DM.
Seit 1996 ist in Hamburg diese Summe um 36 Prozent angestiegen. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt liegt diese Steigerung bei 8,3 Prozent. In Hamburg wurden im gleichen Zeitraum also 27,7 Prozent mehr verordnet als im Bundesdurchschnitt. Das ist allerdings von der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg begründungspflichtig.
Selbst wenn man die zugegeben notwendigen und teuren Therapien für MS- oder Tumorkranke oder für HIV-Positive, die den Ausbruch der Krankheit vermeiden sollen, davon abzieht, bleibt laut Studie der Betriebskrankenkassen immer noch eine hohe Überschreitung, die klärungsbedürftig ist.
Die Verhandlungen des Arzneimittelbudgets mit den Krankenkassen sind anders als die über die Budgets der sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung, die nur in der Höhe des Bruttoinlandsproduktes steigen darf. Beim Arzneimittelbudget ist es möglich, daß KV und Krankenkassen eine Anpassung des Budgets aushandeln. Das ist in Hamburg für das Jahr 2000 bewußt von der KV verzögert worden. Sie wurde im Februar und im März dazu aufgefordert, hat aber nicht darauf reagiert. Die ersten Verhandlungen zwischen Krankenkassen und der KV fanden Ende Mai statt und wurden im Juni fortgesetzt. Wie wir wissen, blieben sie ergebnislos.
Hier stellt sich schon die Frage, ob deswegen – wie häufig erwähnt – die Bundesgesundheitsministerin zur Buh-Frau der Nation gemacht wird oder ob dieses nicht als Bumerang auf die Beteiligten, insbesondere auf die KV, zurückfällt.Die Mehrheit der Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik überschreitet nämlich nicht das Arzneimittelbudget.
Darüber hinaus bieten Sie hinsichtlich der Medikamentenversorgung und der Einschätzung innovativer, neuer Medikamente – die nicht unbedingt immer besser sein müssen – einen Beratungsservice für Ärzte an, die Zwangsmitglieder der KV sind. Es gibt also bei der Hälfte der Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik keine Budgetüberschreitung. Warum ist sie in Hamburg so hoch?
Es gibt für uns niedergelassenen Ärzte auch keine zeitnahe Information, wie und ob wir das uns zur Verfügung stehende Arzneimittelbudget überschritten haben. Ich habe erst vor kurzem erfahren, wie vor einem Jahr meine Medikation aussah:Ich lag in meiner Fachgruppe mit 20 Prozent darunter. Das sind Informationen, die nicht zeitnah erfolgen, sondern ein Jahr später.
Das sind alles Dinge, die geändert werden müssen. Die Ministerin wird ein Transparenzgesetz vorlegen,
das den einzelnen Arzt dazu verpflichten wird, auch dem Kassenpatienten mitzuteilen, welche Leistungen er an ihm erbracht hat und welche Punkte er zumindest abrechnet. Ein halbes Jahr später wissen wir erst, was diese Punkte wert sind.
Es geht auch darum, gegenüber der KV und den Krankenkassen für Transparenz zu sorgen. Denn obwohl die Kassen für die gesamtmedizinische Versorgung in Hamburg jährlich allein 1,3 Milliarden DM an die KV bezahlen – das ist eine sehr große Summe –, ist es so...
Sie haben bereits die Redezeit überschritten. Ich würde Ihnen eigentlich noch einen Schlußsatz einräumen wollen.
Ein Satz noch zur Kollektivhaftung. Das ist ein Punkt, der durch Verhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Ministerin und den Beteiligten hoffentlich bald zurückgenommen und positiv geregelt wird. Aber ohne Budget geht es nicht!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ein Patient vom Arzt damit abgespeist wird, daß er ein bestimmtes Medikament nicht mehr verordnen kann, so ist diese Aussage falsch. Denn entweder ist dieses Medikament medizinisch notwendig; dann muß und kann er es auch verordnen. Und wenn es nicht medizinisch notwendig ist, dann hätte er es auch nicht verordnen dürfen.
Wie orientiere ich mich in meiner Praxis, ob ich im Budget richtig oder falsch liege? Seit Juli letzten Jahres gibt es sogenannte Richtgrößen. Das heißt, ich habe eine gewisse Summe pro Patient. Bei Hausärzten beträgt diese im Durchschnitt pro Rentner circa 250 DM und für Krankenkassenmitglieder circa 80 DM. Das heißt, ich habe eine gewisse Summe zur Verfügung, die ich für meine Patientinnen und Patienten ausgeben kann.Mein Computer sagt mir tagtäglich, wie ich in diesem Budget stehe.
Wenn ich dieses Budget um 5 Prozent überschreite, dann werde ich von meiner Kassenärztlichen Vereinigung angeschrieben und zu einem Gespräch eingeladen. Dort muß ich darlegen, ob ich meine Medikamente wirtschaftlich verordnet habe oder nicht. Kann ich diese Wirtschaftlichkeit belegen, habe ich kein Problem. Kann ich dieses nicht, werde ich selbst in Regreß genommen.Mir selbst ist es, genau wie Herrn Zamory, noch nicht passiert, weil ich in der Regel unterhalb dieser Budgetgrenze liege.
(Karl-Heinz Ehlers CDU: Ist das hier eigentlich der Ort, das hier klarzumachen für jeden einzelnen Arzt in diesem Parlament? – Antje Blumenthal CDU: Das ist Werbung, was Sie hier machen!)
Hören Sie doch erst einmal zu, Herr Ehlers. Ich glaube nicht, daß Sie das verstehen. Ich versuche, dies in einer Weise zu erklären, daß Sie das verstehen könnten.
Das Gesamtbudget der Ärzte – das hat Herr Zamory schon dargelegt – beträgt über 800 Millionen DM. Wenn dieses Gesamtbudget in Hamburg überschritten wird – das wissen wir noch nicht, weil die Zahlen noch nicht vorliegen –, dann werden alle Hamburger Ärzte in Höhe von 5 Prozent in Regreß genommen. Das ist deutlich weniger als während der vorherigen Regierung.Bei der CDU/F.D.P.-Regierung mußten die Ärzte die gesamte Überschreitung tragen.
Es kann durchaus sein, daß ein Arzt wirtschaftlich verordnet hat und trotzdem in Regreß genommen wird, weil das Gesamtbudget überschritten wurde.Diese sogenannte Kollektivhaftung halten wir nicht für sinnvoll. Bei den Ärztinnen und Ärzten fehlt leider eine konsequente Verpflichtung zur Fortbildung. Ich bin von meiner Kassenärztlichen Vereinigung noch nie aufgefordert worden, verpflichtend an einer Fortbildung in der Pharmakotherapie teilzunehmen.Das ist ebenso wie die Überprüfung dieser Richtgrößen durch die Kassenärztliche Vereinigung und durch die jeweiligen Prüfausschüsse der Krankenkassen dringend notwendig.
Wenn dies alles so eingehalten wird, kann jede Patientin und jeder Patient jedes Medikament, das medizinisch notwendig ist, auch bekommen.Wenn Ärztinnen und Ärzte das verweigern, müssen sie zur Verantwortung gezogen werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verschärfung der Budgetierung, die von der rotgrünen Bundesregierung beschlossen wurde, trifft den Hauptanteil der Patienten, nämlich die gesetzlich Versicherten, nicht aber die Sozialhilfeempfänger und die Privatpatienten.
Ich bin kein Arzt, aber ich darf versichern, daß das, was Gesundheitsministerin Fischer auf diesem Gebiet geleistet hat, als ein unsagbares Chaos, geprägt durch sehr wenig Fingerspitzengefühl und noch weniger politischen Instinkt, bezeichnet werden kann.
Ganz am Rande, Herr Dr. Petersen – er ist nicht anwesend –: Ich habe mir aufgrund meiner Tätigkeit oft eigenes berufliches Interesse nachsagen lassen müssen, aber Sie werben hier für Ihre Praxis.Es mag ja sein, daß es bei Ihnen gut läuft, aber ich habe in Hamburg nicht eine einzige Ärztin oder einen Arzt gefunden, die oder der dieses neue Budgetierungsgesetz nicht zumindest als fragwürdig und äußerst problematisch angesehen hat.Dazu gehören auch Ärzte, die ausdrücklich Rotgrün präferieren.