Das wichtigste prozessuale Instrument, als Verletzte aktiv am Prozeß teilnehmen zu können, ist die Nebenklage. Die Nebenklage kannte die Prozeßordnung von Anfang an. Sie führte aber über viele Jahrzehnte ein Schattendasein. Man ging früher davon aus, die Nebenklage solle dem Verletzten ermöglichen, seinen eigenen Vergeltungswünschen Ausdruck zu verleihen. Erst seit wenigen Jahren setzt sich die Auffassung durch, daß die Nebenklage dazu dient, den Verletzten als Subjekt des Verfahrens in den Stand zu versetzen, selbst aktiv am Verfahren teilzunehmen, darauf einzuwirken, sich zum Beispiel gegen Schuldzuweisungen und Herabwürdigungen zu wehren, sowie Opfern Gerechtigkeit zu gewährleisten. Wer je an einem Strafverfahren teilgenommen und erlebt hat, wie die Verteidigung, was ihre Aufgabe ist, Opferzeugen sozusagen auseinandernimmt, der kann sofort verstehen, wie herabgewürdigt sich ein solcher Opferzeuge oder eine -zeugin fühlen muß.
Die Nebenklage eröffnet recht umfassende Anwesenheitsrechte im Prozeß, Antragsrechte, Fragerechte und sogar die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Diese Rechte werden aber bisher – und sicher vor allem aus Unkenntnis – nur sehr gering genutzt, und das wollen wir ändern.
Wenn also die Hamburger Initiative – selbstverständlich geht das nur über den Bundestag – Gesetz wird, werden künftig alle Zeugen schon mit ihrer Ladung nicht nur über ihre Pflichten, daß sie erscheinen müssen, sondern auch über ihre Rechte, zum Beispiel zur Nebenklage, belehrt werden müssen, werden künftig alle Nebenklageberechtigten eine Mitteilung über die Verhandlung erhalten, was zur Zeit nicht der Fall ist, und erhalten künftig alle nebenklageberechtigten Verletzten ein Recht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung, und zwar unabhängig davon, ob sie Nebenklage erhoben haben oder nicht.
Mit diesen Maßnahmen werden in der Strafprozeßordnung die Voraussetzungen für eine Stärkung der Nebenklage geschaffen, und ich hoffe, daß diese Gesetzesänderungen auch den Umdenkungsprozeß in den Köpfen aller am Prozeß Beteiligten, der Verteidigung, der Staatsanwaltschaft, der Richter und Richterinnen nachhaltig fördern wird, daß alle einen neuen Begriff bekommen von der Rolle eines Verletzten.
Natürlich genügt es nicht, dies alles zu Papier zu bringen. Deshalb streben wir mit der Hamburger Initiative auch ein
ganzheitliches Konzept an, über das ich die Bürgerschaft bereits informiert habe. So haben wir auf Landesebene bessere Informationen und verständlichere Hinweise für die Betroffenen geschaffen. Wir haben Informationsblätter geschaffen, die Ladungsformulare überarbeitet und eine von uns veranlaßte, aber nun bundesweit zu verteilende Handreichung für Opferzeugen geschaffen.
Wir haben weiter – das ist schon erwähnt worden – die Zeugenschutzzimmer erweitert, die ganz hervorragend angenommen werden. Unsere Opferzeugen berichten uns immer wieder, was für eine große Hilfe diese Betreuung in den Zeugenschutzzimmern ist.
Wir können selbstverständlich die Hände nicht in den Schoß legen, und wir tun das auch nicht. Festzuhalten bleibt aber, daß wir mit dem Bundesratsbeschluß über unseren Gesetzentwurf einen großen Meilenstein in der kriminologischen Entwicklung erreicht haben, eine Entwicklung, die man mit Recht als Renaissance des Opfers bezeichnet. Ich würde Sie bitten, uns zu folgen, wenn ich sage, daß ich sehr froh bin, daß diese wirklich bedeutsame rechtspolitische Initiative aus Hamburg – nur deswegen wird sie heute hier diskutiert –, die zunächst übrigens wenig Interesse zu finden schien, nun auf so gutem Wege ist. Gerade weil so oft beklagt wird, das Strafverfahren kümmere sich nur oder vorwiegend um die Angeklagten, war es nötig, die Weichen eindeutig neu, nämlich in Richtung auf die Geschädigten, auf die Verletzten, zu stellen. Ihnen gebührt keine geringere Aufmerksamkeit und Fürsorge. Von ihm, der zur Straftat im allgemeinen überhaupt nicht beigetragen hat, muß ein Rechtsstaat so gut wie möglich weiteren Schaden abwenden, und das kann mit dieser Initiative gelingen. Ich wäre insbesondere den Damen und Herren von der CDU dankbar, wenn sie überlegen würden, was wohl die Gründe sein könnten, daß alle CDU-regierten Länder zugestimmt haben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Senatorin, wer würde dem Gesetzentwurf seine Anerkennung und seine Gefolgschaft verweigern wollen? Aber, wir sollten nicht so tun, als wäre der Opferschutz eine Erfindung unserer Jahre und eine Erfindung der Sozialdemokratie.
Lassen wir uns nicht irreführen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in einem effektiven Rechtsstaat ist der Strafprozeß darauf angelegt, die Opfer vor Straftaten zu bewahren. Der Staat hat die Aufgabe, die Rechtsordnung gegenüber jedermann zu sichern, und die energische und harte Strafe soll dem Opfer Wiedergutmachung widerfahren lassen. Insofern ist eine entschiedene Bestrafung die wichtigste Form der Wiedergutmachung für das Opfer. Das soll nicht verkennen, daß in dem neuen Entwurf wichtige Veränderungen enthalten sind: zum Beispiel die Stellung des Opfers im Strafverfahren. Aber, Frau Senatorin, es ist geradezu grotesk – das hätte ich von Ihnen nicht erwartet –, daß Sie es so darstellen, als sei das Opfer bisher lediglich Objekt eines über seinen Kopf geführten Verfahrens gewesen. Es stand immer im Mittelpunkt, weil man ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen will.
Die Verbindung zwischen Straf- und Zivilverfahren ist sicher sehr nützlich, weil durch Geld nicht alles, aber manches ge
richtet werden kann. Die psychologische Betreuung von traumatisierten Opfern ist ganz gewiß eine Fürsorgepflicht des Staates, aber dem steht auch eine Negativbilanz gegenüber.Was ist von dem Opferschutz zu halten, wenn das Opfer eines Diebstahls oder gar einer Gewalttat erfahren muß, daß der Prozeß gar nicht eröffnet wird, weil die Staatsanwaltschaft mangels Personalausstattung nicht durchermitteln kann? Ist das vielleicht ein Opferschutz?
Was bleibt vom Opferschutz, Frau Senatorin, wenn Drogenopfer am Hauptbahnhof erleben, daß Drogendealer innerhalb von 48 Stunden, nachdem sie einkassiert worden sind, wieder auf der Straße sind? Haben die vielleicht ein Vertrauen in den Opferschutz und in den Rechtsstaat? Was bleibt schließlich von dem armen Opfer, das von einem Heranwachsenden niedergeknüppelt worden ist, welcher dann vor einem Gericht wie ein Jugendlicher behandelt wird, obwohl es sich um einen robusten, gefährlichen, erwachsenen Gewaltverbrecher handelt? Ich weiß, daß Sie da kein direktes Einwirkungsrecht haben, weil die unabhängige Justiz dafür zuständig ist, aber das Klima in dieser Stadt ist so, daß die Justiz es wagt, weiterhin so zu verfahren. Das muß sich ändern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Professor Karpen, es ändert nichts daran, daß das Strafrecht strukturell ein Täterstrafrecht ist.Was hat ein Opfer davon, wenn ein Täter hart bestraft wird, und sonst passiert gar nichts? Davon hat es überhaupt nichts. Entscheidend ist – das macht diese Initiative deutlich –, daß die Rechte des Verletzten im Strafverfahren gestärkt werden. Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, daß nach dem bisherigen Strafrecht die Rechte der Opfer ausreichend berücksichtigt sind? Wenn Sie mir da zustimmen, verstehe ich Ihre ganze Kritik nicht. Es geht darum, den Opfern wirklich zu helfen und nicht nur theoretisch. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keiner von uns geht gern ins Krankenhaus, aber wenn es sein muß, müssen wir uns darauf verlassen, gut aufgehoben zu sein. Vor diesem Hintergrund ist alarmierend, daß in den nächsten Jahren gemäß einem Gutachten der Gesundheitsbehörde über 2600 Betten und damit fast 18 Prozent aller Hamburger Krankenhausbetten abgebaut werden sollen. Die Frage ist unbeantwortet, wo dieser Abbau in der Stadt stattfinden soll. Angesichts dieser Zahlen wird sich der Existenzkampf der Hamburger Krankenhäuser weiter verschärfen.
Nun ist Bettenabbau nicht gleich Kapazitätsabbau, denn durch die Verkürzung der Krankenhausaufenthaltsdauer können mehr Patienten in der gleichen Zeit beziehungsweise mit weniger Betten versorgt werden.Das gilt aber nur dann, wenn genug Personal für die Patienten bleibt, also genügend Krankenpflege, Ärzte und andere. Aber das ist
jetzt schon in manchen Hamburger Krankenhäusern nicht mehr der Fall. Dazu kommt das europäische Urteil zur Arbeitszeit der Ärzte, das uns aufschreckt und nach Berechnung der Hamburger Ärztekammer zu zusätzlichem Bedarf von 400 Arztstellen führen wird. Auch diese Kosten weiß heute niemand aufzubringen.
Natürlich sind im Krankenhaus schnellere Abläufe und früheres Entlassen in vielen Bereichen zu begrüßen, bei vielen Operationen, die heute schon ambulant durchgeführt werden können, bei jungen Menschen, die sich schnell wieder von einer Krankheit erholen. Aber es gibt auch viele Menschen, die diese rasante Entwicklung aufgrund von Alter und Krankheit nicht mitmachen können und für die Krankenhausmitarbeiter nicht mehr die notwendige Zeit haben. Es ist schon heute keine Seltenheit, daß Patienten zu früh entlassen werden, daß ihre Fähigkeit, sich selbst zu helfen, komplett überschätzt wird oder daß gar nicht bekannt ist, in welches häusliche Umfeld die Entlassung erfolgt. Hier entwickelt sich schon jetzt eine soziale Frage, in der die Schwachen in Gefahr sind. Hiervon können Ihnen Patienten, Hausärzte und Pflegedienste in der Stadt ungezählte Beispiele geben.
In diesem zur Zeit tobenden finanziellen Wettbewerb sehen wir seltsame Entwicklungen. Zum Beispiel ist in dem Gutachten die Rede davon, daß in der Geriatrie Betten abgebaut werden sollen. Angesichts der demographischen Entwicklung immer mehr älterer Menschen ist das eine 180Grad-Wendung in der bisherigen Debatte und für mich schlichtweg unverständlich. Wir erleben auch, daß in der Gerontopsychiatrie – Versorgung Demenz- und Alzheimerkranker – Betten abgebaut wurden:dieses Jahr – entgegen dem Krankenhausplan – 20 Prozent und erneut in diesen Wochen 10 Prozent.
Ich habe den Eindruck, Frau Senatorin Roth, daß die Behörde schon lange die Steuerung im Krankenhausbereich verloren hat und es nur noch um die wirtschaftlichen Interessen von Krankenhausträgern und den Krankenkassen geht. An dieser Stelle muß die Politik und damit auch das Parlament die Lobbyfunktion der Patienten übernehmen. Die Bevölkerung muß darauf vertrauen können, daß das Gut Gesundheit ausreichend zur Verfügung gestellt wird. Deshalb stellen sich die Fragen: Zu welchen Folgen für die Patienten wird die Umwälzung im Krankenhausbereich führen? Wo in Hamburg und an welchen Kliniken will die Gesundheitssenatorin diese Kapazitäten abbauen und ganze Krankenhäuser schließen?
Als CDU werden wir diesen Prozeß sehr kritisch begleiten und beobachten, mit welchen Methoden und Maßstäben Sie dabei vorgehen werden. Wir haben kritisiert und kritisieren weiterhin Ihre Wettbewerbsverzerrung durch eine ungerechte Verteilung der staatlichen Investitionsmittel, die vollendete Tatsachen schaffen.
Sie sind vielleicht nicht im Krankenhaus gewesen und haben das nicht notwendig, Herr Zamory. Aber von Ihren Patienten sollten Sie es besser wissen.
Dies führt zur Gretchenfrage, Frau Roth, wie Sie es als Senatorin für Gesundheit und gleichzeitig als Vorsitzende des Aufsichtsrates des LBK halten werden.Wir wollen als CDU zum Wohle der Patienten keinen Kahlschlag in der hamburgischen Krankenhauslandschaft, sondern humane Krankenhäuser statt Gesundheitsfabriken.Wir wollen, daß es weiterhin eine Auswahl für den Patienten und Vielfalt der Anbieter statt Großkonzerne gibt, und schließlich wollen wir
Qualität statt Massenabfertigung. Dafür werden wir uns auch in Zukunft für die Hamburger Krankenhäuser und Patienten einsetzen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg ist eine Metropole im Gesundheitswesen. Die Standortpolitik der CDU heißt: Schlechtreden. Da machen wir nicht mit.
In unseren Krankenhäusern wird Hochleistungsmedizin angeboten, die von vielen Tausenden Patientinnen und Patienten aus dem Rest der Republik wahrgenommen wird. Wir danken allen Beschäftigten in diesem Bereich, die sich aufopferungsvoll für die ihnen anvertrauten Kranken einsetzen.
Der medizinische Fortschritt macht es notwendig, daß immer wieder neu über Organisationsformen der einzelnen Dienstleister nachgedacht werden muß. So entsteht zum Beispiel durch den Neubau des AK Barmbek mit der Klinik Finkenau ein medizinisches Zentrum, das mehr Patientinnen und Patienten auf noch höherem Niveau als bisher behandelt – und das bei einer Bettenreduktion von 1000 auf 600 Betten.
Der Senat wird am kommenden Freitag die Ergebnisse eines Gutachtens zum Krankenhausplan 2005 – in Verbindung mit einer Empfehlung eines Expertengremiums aus Kassenvertretern und Krankenhausgesellschaft – vorstellen. Wir werden nach dem Studium dieses Gutachtens zu entscheiden haben, wie wir mit diesen Empfehlungen umgehen werden. Der Gesundheitsausschuß hat das Thema Krankenhausplanung für die nächste Sitzung schon lange vorgesehen.
Die SPD-Fraktion wird streng darauf achten, daß die hohe Qualität der medizinischen Versorgung erhalten bleibt. Wir werden uns dafür einsetzen, daß der Standort Hamburg für das Gesundheitswesen führend bleibt. Sie verunsichern mit Ihrer Panikmache Patientinnen und Patienten sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburger Kliniken. Sie kochen mit den Ängsten der Menschen Ihr parteipolitisches Süppchen.Wir werden Ihnen diese Suppe kräftig versalzen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wersich, Ihre Krokodilstränen können Sie sich sparen. Sie beklagen den sich verschärfenden Existenzkampf. Ich möchte Sie daran erinnern, daß Herr Seehofer der Hauptverantwortliche war mit seinem Druck auf die Kassen, der von diesen an die Krankenhäuser weitergereicht wurde, daß sich dieser Existenzkampf beziehungsweise der Wettbewerb verschärft hat. Es ist scheinheilig, jetzt zu beklagen, was Ihre eigene Politik ausgelöst hat.