Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

(Beifall bei der SPD – Henning Tants CDU:Gute Sa- chen müssen nicht immer teuer sein!)

Mir fällt etwas anderes ein, aber das würde von der Präsidentin gerügt werden.

Ich denke, die Abwandererproblematik werden wir auch mit dem Antrag der CDU-Fraktion heute nicht zum Stillstand bringen. In Wirklichkeit muß man das grundlegender und auch ernsthafter miteinander diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich habe in dem Zusammenhang außer Ihrem Telefon oder dem Internet vermißt, was Sie sich wirklich vorstellen können, was wir hier in Hamburg für Wohnungspolitik mit Familien und für Familien machen. Hamburg bietet gerade auch für Familien mit Kindern attraktiven Wohnungsbestand an, wobei man sehen muß, daß eigentlich Papa, Mama und zwei Kinder ungefähr 25 Prozent aller Hamburger Haushalte ausmachen. Dieser Prozentsatz hat sich – damit Sie jetzt nicht mit einem Zwischenruf kommen und sagen, das liegt daran, daß wir die Leute in Scharen nach Stormarn und Herzogtum Lauenburg und wo auch immer hingetrieben haben – seit Jahren höchstens im Bereich von 1 bis 1,5 Prozent verändert. Das heißt, die Hamburger Familie ist zur Zeit – leider kann man vielleicht auch sagen – nicht Papa, Mama und zwei Kinder.

Gleichwohl muß man sich einmal genauer ansehen, wie sich die Situation für diese Personengruppe darstellt. Eine große Anzahl von freien, großen Wohnungen, die man

eigentlich nur finden muß, indem man eine Nummer wählt, gibt es leider nicht. Im freifinanzierten Mietwohnungsbau konkurrieren heute Familien mit kinderlosen Doppelverdienern. Für wen sich dann im Zweifel ein Vermieter entscheidet, brauchen wir hier nicht zu diskutieren.Es ist aber in den meisten Fällen ziemlich klar, nämlich gegen die Familie. Deshalb sind auch heute die meisten Familien auf den preisgebundenen Sozialwohnungsbau angewiesen. Bei der SAGA gibt es Wartelisten für Reihenhäuser und Wohnungen mit Garten, bei denen natürlich, wenn die Leute darin wohnen, die Fluktuation eher gering ist.

Die Antwort von SPD und GAL – das sollte Sie auch interessieren – auf diese Problematik war übrigens, daß wir den Anteil der Wohnungen für vier und mehr Personen im geförderten Mietwohnungsbau auf 40 Prozent angehoben haben. Das ist in Wahrheit für Familien, die eine Wohnung in Hamburg suchen, nützlicher als ein vielleicht immer besetztes Telefon.

(Beifall bei der SPD)

Nicht konkurrieren können wir natürlich mit den Flächenstaaten, was das Angebot von Grundstücken betrifft, auf die man Häuser bauen kann, um die man dann herumgehen kann. Das ist vermutlich der Traum eines jeden. Aber auch hier kann man natürlich darüber nachdenken und diskutieren, ob wir nicht mit den Flächen des Landesbetriebes Krankenhäuser, die in sehr attraktiven Lagen in dieser Stadt liegen, vorrangig auf Wünsche von Familien nach Wohnungen oder Reihenhäusern mit Gartenanteilen eingehen.Zusätzlich zu diesem Engagement haben wir in den vergangenen Jahren im Wohnungsbau überdurchschnittlich viel für Familien getan. Da hätte ich von Ihnen erwartet, daß Sie das zumindest, wenn Sie es hier auch nicht in der Rede deutlich machen, wahrnehmen.

Damit wir all denjenigen – das Gute vergißt man ja allzu schnell – noch einmal auf die Sprünge helfen: Reinbeker Redder, Rahlstedter Höhe, Neu Allermöhe-West sind Beispiele für Wohnungsbau, den wir in dieser Stadt in den letzten Jahren vorrangig für Familien mit Kindern gemacht haben.

Nun fragt man sich natürlich, was kann eigentlich solch ein Familienlotse? Lotse klingt natürlich erst einmal sehr maritim und sehr hamburgisch. Aber jeder normale Wohnungsuchende würde sich doch, bevor er eine Wohnung bezieht, erst einmal darüber informieren, wie komme ich dahin, wie komme ich da weg, was gibt es in der Umgebung, wie sind die Schulwege für Kinder. Ich glaube nicht, daß man das in Wahrheit über solch ein Telefon regeln kann.

Viele Familien lassen sich in Hamburg für attraktiven Wohnraum vormerken, gerade auch in den Bereichen, in denen sie Wohnungen finanzieren können. Also gibt es in einigen Bereichen auch einen Nachfrageüberhang. Das spricht natürlich alles dafür, daß die Datensammlung, die man dort bereithalten muß und die vermutlich bei der kontinuierlichen Pflege wesentlich teurer sein würde als die 50 000 DM, die Sie uns hier avisiert haben, daß man vermutlich in den Bereichen eine völlig unattraktive Datensammlung zusammenbekäme, weil die Familien heute auch andere Wege beschreiten würden, Wohnungen zu finden.

Aber weil wir der Meinung sind, daß man die Problematik Familien, Wohnen, Hamburg und viele andere dieser Dinge beraten sollte, sind wir dafür, den Antrag an den Bau- und Verkehrsausschuß zu überweisen. Sie haben mich allerdings kurzzeitig zu dem Eindruck gebracht, daß Ihnen das

(Henning Tants CDU)

gar nicht recht ist. Aber wir halten das Thema insgesamt, und zwar in einem sehr viel größeren und wichtigeren Ansatz, für diskussionswürdig in dieser Stadt, daß wir sagen, dann überweisen wir Ihren Antrag an den Bau- und Verkehrsausschuß und beraten es dort anständig und richtig.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Deuter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tants, die Einrichtung von Familienlotsen als Ergänzung zum Mietertelefon ist erst einmal eine gute Idee. Ich weiß gar nicht, warum Sie von vornherein solch ein Feindbild haben, daß wir das gleich bekämpfen würden.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Erfahrung!)

Nur, worum geht es insgesamt? Eines der Anzeichen, daß Hamburg familienfreundlicheren Wohnraum braucht, ist die ansteigende Stadtflucht. Das haben Sie sehr gut erkannt, denn diese Abwanderung bedeutet eine enorme Schwächung der Finanzkraft Hamburgs. Sie haben in Ihrem Antrag richtig erwähnt, daß das nicht das einzige ist, was wir zu beachten haben, sondern daß es auch um soziologische und demographische Auswirkungen geht.

Im städtischen Raum sind Familien vor allem durch den Zerfall von sozialen Gemeinschaften und dadurch von Isolation bedroht. Das betrifft nicht nur die Klientel, die Sie erwähnen, Herr Tants, sondern ganz besonders Kleinfamilien, Alleinerziehende und sogenannte Patchworkfamilien. Das sind die, die nach einer Trennung mit neuen Lebensabschnittspartnern und gemeinsamen und/oder eigenen Kindern zusammenleben.

Der GAL geht es um all diese Familien und, wie ich Frau Duden eben verstanden habe, natürlich der SPD auch. Es geht uns aber zusätzlich auch um die im Antrag erwähnten Familien der CDU, nämlich diejenigen, die sich außerhalb der Stadt als Alternative Eigentum leisten können.

Es ist mehr als deutlich, daß es dringenden Handlungsbedarf für Hamburg gibt, die Bedarfe von Familien in der Städtebauweise stärker als bisher einfließen zu lassen, Familien vermehrt ins Stadtbild zu integrieren und somit Anreize zu schaffen, daß diese in Hamburg bleiben. Da dies auch die Grundlage der Hamburger Koalitionsvereinbarungen ist, hat die GAL gerade – und jetzt hören Sie gut zu – eine Bestands- und Bedarfsanalyse über Wohnraum für Familien gemacht. Diese Ergebnisse sind in das Konzept familienorientiertes Wohnen eingegangen.Ein diesbezüglicher Antrag wird Ihnen nach der Abstimmungsphase noch in diesem Jahr zugehen, denn wir haben nicht nur gelesen und gewartet und gewartet, sondern gehandelt.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: War das das, was die Bausparkasse unter- sucht hat?)

Nein, das hat unser Familienressort untersucht, Frau Sudmann.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Oh, mein Gott!)

Die von der CDU angedachten Familienlotsen können nur dann Auskunft über Wohnprojekte geben, wenn diese tatsächlich auch dafür geeignet sind, ausreichend Anreiz zu bieten, in Hamburg zu bleiben.Aber gerade das ist ja die Crux. Familienorientierter Wohnraum unterscheidet sich

heute nämlich beträchtlich von der Bauweise vergangener Jahrzehnte, denn die Bedarfe von Familien haben sich grundlegend verändert. Die individueller gewordenen Familienformen verlangen nach Wohnungen mit nutzungsneutralen Räumen, mit flexiblen oder teilflexiblen Wänden, Allräumen, Wohnküchen und Schalträumen. All das werde ich Ihnen bei der relevanten Debatte genauer definieren. Hinzu kommt die Innenhofgestaltung, Gemeinschaftsräume, integrierter, weitgehend barrierefreier Wohnraum in Wohneinheiten für ältere, behinderte oder kranke Hausbewohnerinnen, denn Familie heißt nicht nur das Vorhandensein von Kindern, sondern zum Beispiel auch von zu pflegenden Angehörigen und zunehmend von Senioren.

Hamburg bietet seit kurzem reizvolle Ansätze von familienorientiertem Wohnraum, und da hat Frau Duden zwei wertvolle Projekte nicht einmal erwähnt. Für die im Antrag erwähnte Klientel im Eigentumsbereich ist jetzt das Projekt Hagenbeckstraße entstanden. Die dort gebauten Maisonettewohnungen mit Einzelhauscharakter verfügen neben hoher Wohnqualität bei geringem Flächenverbrauch – auch das ist ganz wichtig – über familienorientierte Wohnraumgestaltung.Grünflächen mit Biotopen und autofreiem Wohnen zeigen auf, mit welchen Angeboten Familien heute in einer Stadt gehalten werden können, und zwar auch und gerade die einkommensstärkeren Familien. Familienorientiertes Wohnen im Ansatz ist ebenso – und darauf kommt es uns in unserer Politik an – bereits im sozialen Wohnungsbau zu finden, und zwar bei den Hallenhäusern in Hamm-Süd. Herr Senator Wagner und ich haben uns bei der Einweihung getroffen. Sie, Herr Tants, haben wir dort leider nicht gesehen.

Dem Bedarf von Familien wurde insofern Rechnung getragen, als daß zum Beispiel durch flexible und teilflexible Wände, wie ich das eben vorgetragen habe, durch unterschiedlich große Wohneinheiten, durch integrierte, barrierefreie Wohnungen sowie durch Wohnraum erweiternde Außengestaltung der Innenhöfe die Wohnqualität von Familien – und das im sozialen Wohnungsbau – entscheidend verbessert wurde.

Das sind zwei Projekte mit Vorbildcharakter.Der Nachfrage entsprechend müssen noch ausreichend viele, und zwar in ganz Hamburg, folgen, weil wir Familien in der Stadt halten wollen. Ein Familienlotse kann da wenig ausrichten.

Zur Zeit hat nur ein Teil der vielen Menschen, die beim Mietertelefon anrufen, Nachfragen zum Wohnraum. Zugleich gibt es etliche Nachfragen zu einer Reihe anderer Mietprobleme, wovon wiederum nur ein Teil Familien sind. Diese suchen allerdings oft etwas, was ihnen so nicht in Aussicht gestellt werden kann. Ein Familienlotse könnte aber in der Tat ein ergänzender Schritt zu den im Koalitionsvertrag und im Stadtentwicklungsplan beschlossenen Unterstützungen neuer Wohnformen darstellen. Dieses wird in dem erarbeiteten Konzept der GAL demnächst für Familien vorgestellt. Dazu einen Familienlotsen einzusetzen, der Ansprechpartner am Mietertelefon ist, könnte in der Tat eine sinnvolle Ergänzung sein, um die Nachfragen zu bündeln und über das entstehende Angebot zu informieren. Daher, Herr Tants, werden wir Ihren Antrag an den Ausschuß überweisen, allerdings nicht, damit er dort verrottet, zerrissen und ewig diskutiert wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Uhl.

(Barbara Duden SPD)

Liebe Kolleginnen! Das ist eine sehr spannende Debatte, weil Frau Deuter über etwas gesprochen hat, das keiner hier kennt. Auf der anderen Seite malt sie ein Bild darüber, was auf uns zukommen wird und bei dem alle Herzen auf einmal höher schlagen müssen,

(Sonja Deuter GAL: Hoffentlich!)

weil es das bisher gar nicht gibt und in der Wirklichkeit auch etwas anders aussieht.

So werden beispielsweise die Wohnungsgrößen im sozialen Wohnungsbau seit einigen Jahren eher kleiner. Die Wohnungsgrundrisse können leider nicht so geschnitten werden, daß dort Familien flexibel in unterschiedlicher Zusammensetzung leben können.

(Sonja Deuter GAL: Das ist nicht richtig! Wir haben das ermittelt!)

Gegenwärtig gibt es bei Wohnprojekten nicht die Situation, daß jemand sagt, er interessiere sich dafür, ein solches Projekt zu starten und es auch durchführen zu können, da es keine solche Grundstücke gibt. So glorreich, wie die Gegenwart dargestellt wird, ist sie in der Tat nicht.Ich fände es toll, wenn es einen Antrag gäbe, der all diese Probleme auf einmal löst. Das wäre dann das erste Mal, daß die GAL einen solchen Antrag vorlegt, aber ich würde es sehr begrüßen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Einen Vorschlag, wie von der CDU hinsichtlich eines Familienlotsen, kann man machen. Er ist nicht bahnbrechend, aber auch nicht besonders schädlich. Ich glaube nur nicht, daß man all das, was Sie damit verbunden haben, Herr Tants, wirklich mit solchen Lotsen lösen kann, zumal ich auch die Grundlage dessen in Frage stellen möchte.

Es gibt ein Gutachten, wie wir gesehen haben, das die Stadtentwicklungsbehörde gemeinsam mit einer Bausparkasse in Auftrag gegeben hat; und so sind auch die Ergebnisse.

(Dr.Martin Schmidt GAL:Schwäbisch Hall, aus dei- ner Heimat!)

Deswegen halte ich von dem Gutachten auch nicht besonders viel.

Eines wurde aber deutlich, daß die Stadtflucht von Familien und Besserverdienenden, über die jetzt überall gesprochen wird – das ist ein neues Thema, das die GAL für sich entdeckt hat, wie ich bei einem Kongreß gesehen habe –, nicht immer so ist, wie es dargestellt wird. Den Lösungen, die man daraus ableitet, daß nämlich in Hamburg immer mehr Eigentumswohnungsbau benötigt würde, kann man so nicht folgen. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)