Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Große Anfrage 16/4572 besprochen.

(Senator Eugen Wagner)

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Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 24: Mitteilung des Senats über Investitionen in Moorburg im Rahmen des Erhalts der sozialen Infrastruktur.

[Senatsmitteilung: Investitionen in Moorburg im Rahmen des Erhalts der sozialen Infrastruktur – Drucksache 16/4511 –]

Wer meldet sich zu Wort? – Das Wort erhält Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Moorburg ist einer der Stadtteile, der schon längst, wenn es nach der Kernschen Vision gegangen wäre, zu Hafenanlagen und Wasser geworden wäre. Und wenn weiterhin die These gelten würde, daß mehr Hafen auch mehr Erfolg heißt, wäre die Zerstörung auch nicht aufgehalten worden. Das war die These der Politik vor 40 Jahren, und sie hat sich lange Zeit in dieser Stadt fortgesetzt.

1961 wurde durch die Festlegung im Hafenerweiterungsgesetz die Zerstörung Moorburgs beschlossen. 1981 beschloß die Bürgerschaft ein Konzept zur Räumung Moorburgs, und Mitte der neunziger Jahre sollte die Räumung umgesetzt worden sein und Moorburg hätte Hafen sein sollen. Statt dessen haben wir in diesem Jahr die 625Jahr-Feier Moorburgs miterleben dürfen. Wer immer von Ihnen dort war und die vielen tausend Besucherinnen und Besucher erlebt hat, die trotz Regens die Töpfermärkte, die Kunstausstellungen, die zumindest interessanten Musikveranstaltungen – so ganz hochkarätig waren sie nicht immer, aber sie waren spannend und witzig – besucht haben, der konnte feststellen, daß dieser Stadtteil weiterhin lebt, und er soll auch weiterleben.

Man kann an dieser Entwicklung ablesen, daß hier eine Kehre gelungen ist, von der noch nicht ganz klar ist – ich will das hier deutlich sagen –, ob sie in einer Sackgasse endet oder ob die Straße weitergeht.Die Tatsache, daß die Erweiterungspläne des Hafens sich weiter verändern, hinausschieben, hat dazu geführt, daß man in Moorburg dringend einem Gefühl vorbeugen mußte, daß ein Leben auf dem Abstellgleis stattfindet oder sich Stillstand breitmacht. Der rotgrüne Senat hatte beschlossen, diese schwer erträglichen Lebensumstände zu verändern, und das ist uns gelungen. Im Koalitionsvertrag ist eine Sicherung angemessener Wohn- und Lebensverhältnisse verabredet worden und die Verlängerung der Entschädigungsfrist für die Moorburger und Moorburgerinnen und ihre Investitionen vor Ort bis ins Jahr 2035.

Nun haben wir als Ersuchensantwort eine dezidierte Auflistung der Dinge, die bisher in Moorburg umgesetzt worden sind und die dazu beigetragen haben, daß dieses Dorf weiterhin lebt und immer größer wird, wie man zum Beispiel am Erweiterungsbedarf für den Kindergarten sieht.15 neue Plätze sind möglich geworden, werden finanziert und umgesetzt.

Der erste wichtigste Punkt war allerdings die Installation eines ständigen Gesprächskreises.Ich sage einmal an dieser Stelle, trotz Federführung der Wirtschaftsbehörde wird hier konstruktiv, regelmäßig und mit wachsender Begeisterung diskutiert. Projekte werden entwickelt, und dann kommt es eben gerne mal zu strittigen Abstimmungen.Das ist nicht dramatisch, das fördert die Kreativität auf beiden Seiten.

Ein großes Projekt ist die Besielung des gesamten Ortes. Dieses Projekt ist angegangen worden. Die linden Düfte, die man manchmal an windstillen Sommerabenden mit

nehmen konnte, werden hoffentlich bald aus den Nasen verschwinden.

Der Instandsetzungsbedarf der Häuser, auch der SAGAHäuser sage ich jetzt, ohne den direkten Bezug zur vorigen Debatte wählen zu wollen, ist durch ein Gutachten ermittelt worden. Es gab dringende Notwendigkeiten, aufgrund einer Asbestverseuchung Wohnraum abreißen zu müssen. Hier ist es tatsächlich möglich gewesen, ein wenig über das Verabredete hinauszugehen, denn für diesen abzureißenden Wohnraum kann Ersatz geschaffen werden.

Der Lebensmittelladen, den es dort gab und der zur Versorgung der Bevölkerung dringend notwendig ist – das wird wohl niemand abstreiten –, ist erhalten worden, wenn auch in einer Form, die man fast schon nicht mehr als TanteEmma-Laden bezeichnen kann. Er reicht für die Bewohnerinnen und Bewohner aus, die sich dort täglich aufhalten.

Die Stimmung, die in Moorburg herrscht, ist immer noch eine sehr skeptische. Natürlich gibt es weiterhin Ängste darüber, was in den nächsten Legislaturperioden und was nach dem Jahr 2035 passiert. Diese Ängste können wir ihnen im Moment nicht nehmen, aber die Drucksache zeigt, wieviel der rotgrüne Senat mit unserer Unterstützung bereit ist zu investieren und es auch weiterhin tun wird.Ich denke, daß wir mit diesem Ortsteil auf einem guten Weg sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Frau Cords.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon ein bißchen spät, und deshalb habe ich mir gedacht, ich gehe diese Moorburg-Story einmal von der ganz anderen Seite an.

Wir befinden uns im Jahre 2000 nach Christus. Ein großer Teil des Stadtgebietes wird als Hafen genutzt. Für eine Erweiterung des Hafens haben der Senat und die Bürger seit langem Vorsorge getroffen. Damit sind die Stadt und seine Bürger hoch zufrieden. Die ganze Stadt? Nein. Ein von unbeugsamen Bürgern und Bauern bewohntes Dorf am Rande des Hafens hört nicht auf, gegen die Pläne Widerstand zu leisten. Diese Situation macht den Regierenden das Leben nicht leichter, sie sind in Bedrängnis, weil sie nämlich nicht genau sagen können, ab wann das kleine Dorf für den Hafenausbau in Anspruch genommen wird, und so weiter.

Meine Damen und Herren, Sie ahnen es inzwischen längst, es geht um Moorburg, ein fast noch intaktes Dorf im Hafenerweiterungsgebiet unserer Stadt. Zu berichten ist heute über eine Stellungnahme des Senats zur Drucksache 16/3567.

Ich darf einige Details zur Historie ergänzen, Frau Möller hat schon davon berichtet. Ich sehe hier nicht so viele Abgeordnete, die diese Historie aktiv begleitet haben.Es muß im Senat und in den Gremien, die das Hafenentwicklungsgebiet Moorburg damals mit verfolgt haben, sehr heftig zugegangen sein.

1982 wurde mit dem Gesetz zur Hafenentwicklung die Inanspruchnahme und Räumung von Moorburg für die Hafenerweiterung endgültig beschlossen. Noch 1981 ging der Senat davon aus, daß eine Inanspruchnahme von Moorburg-Mitte in absehbarer Zeit notwendig sein würde.

(Vizepräsidentin Sonja Deuter)

Detailliert wurden Regularien und Maßnahmen verabredet und beschlossen. Als eine der Maßnahmen wurde unter anderem nur eine kleine Translokation der aus dem Mittelalter stammenden Moorburger Kirche aufgeführt sowie die Verlagerung weiterer bedeutender und erhaltenswürdiger Bauwerke. Ich sehe, daß sich nur einige Kollegen aus der damaligen Legislaturperiode – es war die 81er – an die umfangreichen Beratungen in kommunalen und bürgerschaftlichen Gremien erinnern.Als Anhang zu dieser Drucksache gibt es übrigens sehr interessante Protokolle nachzulesen.

Heute, im Jahre 2000, sind die zeitlichen und wirtschaftlichen Perspektiven für die Hafenerweiterung nicht, wie damals angenommen, eingetreten. Der Senat hat dieser – das möchte ich jetzt in Klammern setzen und mit einem Fragezeichen versehen – voraussehbaren Situation seit 1981 mit neuen Fristsetzungen zur Nichtinanspruchnahme von Moorburg Rechnung getragen. Er hat damit keine Bestandsgarantie ausgesprochen, sondern eine Zusage für Regreßansprüche und Abfindungen für den Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme für Hafenzwecke gegeben. Diese Fristverlängerungen erfolgten im Februar 1986 bis 2005, November 1994 bis 2015 und 1997 bis 2035. Mit der letzten Fristverlängerung, also einem Ergebnis des SPD/ GAL-Koalitionsvertrages, wurden erstmals für Moorburg Investitionen zum Erhalt der sozialen Infrastruktur verbindlich beschrieben. Damit sind für Moorburg Maßnahmen möglich geworden, die aufgrund des Status Hafenentwicklungsgebiet seit 1981 nicht möglich waren; Frau Möller hat es beschrieben.

Ich möchte aber noch etwas zu dem Ergebnis und zur Beurteilung dieser Drucksache, die wir heute als Bericht vom Senat bekommen haben, sagen.Ich folge den Gesprächen der Bürger vor Ort im ständigen Gesprächskreis Moorburg – ein Ergebnis dieser Koalitionsvereinbarung – und kann Ihnen dazu berichten: Mit aller Moorburger Leidenschaft wird dort gestritten, um die jeweils beste machbarste Lösung gerungen, und – siehe Drucksache, ich will das hier nicht ausführen – man kommt zu Ergebnissen; natürlich im Sinne von Kompromissen.

Des weiteren möchte ich noch eine Bemerkung in Klammern machen. Vielleicht liegt der Erfolg auch darin, daß dort nicht am Runden Tisch gestritten wird; es ist ein ständiger Gesprächskreis; man achte auf die feinen Unterschiede.

Die SPD dankt den Vertretern aus Fachämtern und den beteiligten Bürgern des ständigen Moorburger Gesprächskreises für ihren zum Teil ehrenamtlichen, engagierten und konstruktiven Einsatz. Im Sinne des historischen Vorbildes wünsche ich den Moorburgern immer wieder Jagdglück und den Fang eines kapitalen Wildschweins.

Ich möchte noch einen Nachsatz aus dem Hafenentwicklungsgesetz verlesen, der im Vorwort steht.Darin steht eine Zusage des Senats – ich zitiere –:

„Der Senat wird in Abständen von etwa fünf Jahren darlegen, wie er die Tendenzen der Hafenentwicklung im Hafennutzungsgebiet und im Hafenerweiterungsgebiet beurteilt und welcher Flächenbedarf nur durch Maßnahmen im Hafenerweiterungsgebiet gedeckt werden kann.“

Wir fänden es gut, wenn wir dazu eine zusammenhängende Darstellung bekämen, an der man sich orientieren könnte. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Frommann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben zwei sehr schöne Wortbeiträge von Frau Möller und von Frau Cords in einer etwas geänderten Form gehört.Sie waren im wesentlichen durch die rosarote Koalitions- und Regierungsbrille formuliert; insbesondere hinsichtlich der GAL tut es mir leid,

(Antje Möller GAL: Rotgrün bitte! – Dr. Monika Schaal SPD: Durch eine schwarze Brille sieht man so schlecht!)

dies zu hören.

(Antje Möller GAL: Es geht um die Ergebnisse!)

Man muß eins bedenken: Für die CDU-Fraktion stand bisher außer Frage, daß wir die Moorburger unterstützen, solange Sie uns die Flächen vorhalten.Dies wird auch so bleiben, solange Bedarf vorhanden ist; das gehört sich einfach so. Diesen Anspruch, glaube ich, dürfen die Moorburger auch an ganz Hamburg stellen.

Lassen Sie mich trotzdem noch einige Anmerkungen zu dem Gesagten machen. Was haben Sie damals vereinbart? Diese Frage stellt sich, wenn ich mir beide Drucksachen ansehe. In der Drucksache 16/2285, in der der Senat darlegt, heißt es – ich zitiere –:

„In der Grundlagenvereinbarung“

damit sind die beiden Koalitionäre gemeint,

„für die Legislaturperiode 1997 bis 2001 haben die den Senat tragenden Parteien unter anderem vereinbart, die aktuellen Lebens- und Wohnverhältnisse der Bewohnerinnen und Bewohner im Hafenerweiterungsgebiet... zu verbessern.“

Man achte auf die Feinheiten, denn in der jetzt vorgelegten Fassung, Drucksache 16/4511, heißt es:

„In der Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 1997 bis 2001 haben die Koalitionspartner für das Hafenerweiterungsgebiet der Zone I in Moorburg-Mitte Maßnahmen zur Sicherung angemessener Wohn- und Lebensverhältnisse für die Bewohnerinnen und Bewohner von Moorburg-Mitte verabredet.“

Das ist für mich schon ein qualitativer Unterschied und steht dem gegenüber, Frau Möller, was Sie uns hier eben gesagt haben.

Damals hat man versucht, verschiedene Vereinbarungen und Maßnahmen umzusetzen; diese wurden auch mit der ersten Drucksache beschlossen.Zum einen handelt es sich dabei um das Hafenentwicklungsgesetz, darüber haben wir eben schon etwas gehört. Wir haben über die Verlängerung der Entschädigungsfrist bis zum Jahr 2035 gesprochen und über die Einrichtung des ständigen Gesprächskreises in Moorburg und nicht über den Runden Tisch, wie Frau Cords erläutert hat.

Gerade dieser ständige Gesprächskreis hatte verschiedene Funktionen und Ziele, die auch näher erläutert wurden. Danach werden die Besiedelung von Moorburg-Mitte – eine sehr wichtige Maßnahme –, die Pflege der Bausubstanz, die Wohnbelegung und Mieten, die Jugendarbeit sowie Infrastrukturverbesserungen, Kirchenbelange und der Umweltschutz angegangen.

Wenn wir uns jetzt den Bericht des Senats, der uns vorliegt, einmal genau anschauen, sind davon nicht mehr viele

(Ingrid Cords SPD)