Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

Wie sieht diese Geschichte denn aus? Die Menschen kommen hier her und stellen einen Asylantrag, der überprüft wird.Irgendwann wird darüber dann eine Entscheidung getroffen.

Wenn der Asylantrag abgelehnt wird, gehen diese Menschen vor das Verwaltungsgericht; dieser Weg steht ihnen offen.Beim Verwaltungsgericht wird durch die Richter noch einmal der gesamte Vorgang überprüft; dann gibt es eine Gerichtsentscheidung. Das Gericht stellt als dritte unabhängige Säule in unserem Rechtsstaat fest, daß kein Asylgrund vorliegt, so daß diese Menschen ausreisepflichtig sind.

Früher gingen diese Fälle automatisch vor die nächste Instanz, nämlich zum Oberverwaltungsgericht. Heute kann man nur noch einen Antrag auf Zulassung zum Oberverwaltungsgericht stellen, der aber kaum noch positiv beschieden wird.

Wenn die Menschen dann immer noch ausreisepflichtig sind, geht es erst richtig los. Es wird der erste Asylfolgeantrag gestellt, der auch abgelehnt wird, so daß sie immer noch ausreisepflichtig sind. Der anberaumte Termin zur Ausreise wird nicht wahrgenommen, es droht die Abschiebung.

Es kommt sehr oft vor – ich weiß, daß es jetzt großen Protest geben wird –, daß die Menschen nicht abgeschoben werden können, weil die Familie nur insgesamt abgeschoben werden kann. Das geht aber nicht, weil die Frau zufällig gerade schwanger geworden ist.

(Heino Vahldieck CDU: Das hat mit Zufall wenig zu tun!)

Ich sage nichts gegen die Schwangerschaft, aber sie bedeutet, daß nicht abgeschoben werden kann. Dadurch bleibt die ganze Familie hier.

Wenn das Kind geboren worden ist, wird für das neugeborene Kind, das nach jahrelangem Aufenthalt der Eltern in Deutschland zur Welt gekommen ist, ein Asylantrag gestellt, weil auch das Kind politisch verfolgt ist.Auch über diesen Antrag muß erst entschieden werden. So geht es immer weiter.

(Peter Zamory GAL: Und was ist mit dem Schutz der Familie?)

Dann wird – das mag relativ schnell gehen – über den Asylantrag des Babys entschieden. Danach kommt die Aufforderung: Nun ist nach vielen Jahren endgültig Schluß. Die Abschiebung steht bevor, weil Sie nicht freiwillig ausgereist sind.

Der Termin zur freiwilligen Ausreise ist schon lange verstrichen. Finden Sie sich zu einem bestimmten Termin am Flughafen zur Abschiebung ein. Die Tickets liegen bereit, aber die Familie kommt nicht und kann nicht abgeschoben werden. Da die Tickets verfallen, kostet es den Staat wieder einige Tausend DM.

(Christa Goetsch GAL)

Erst dann, wenn sie zu ihrer Abschiebung nicht freiwillig am Flughafen erschienen sind, laufen die Menschen Gefahr, daß die Polizei sie aus ihrer Wohnung abholt.Was ist daran so dramatisch, wenn sie morgens um 6.30 Uhr kommt? Die Polizei muß so früh kommen, weil

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Um 4 Uhr!)

dann die größte Wahrscheinlichkeit besteht, daß die ganze Familie zu Hause ist. Wenn die Kinder nämlich erst einmal aus dem Haus und in der Schule sind, kann natürlich nicht die ganze Familie abgeholt und abgeschoben werden.Deswegen müssen sie relativ früh abgeholt werden.

Das passiert aber nicht so überraschend.Denn spätestens, wenn die Familie nicht freiwillig am Flughafen erschienen ist, weiß sie, daß ihr jederzeit die Situation droht, daß die Polizei vor der Tür steht und sie abholt.Deswegen kann keiner sagen, daß dies völlig überraschend und dramatisch geschieht und dies eine Polizeiaktion sei. Die Menschen wissen, daß dies sofort passieren kann.

Was ist an der Uhrzeit 6.30 Uhr so dramatisch? Es gibt genug Menschen, die jeden Morgen so früh aufstehen müssen und nicht

(Elisabeth Schilling SPD: Das kann man so nicht vergleichen!)

wie Studenten den Luxus genießen können, auch nach einem Studium von 20 Jahren immer noch auszuschlafen.

Die Frage ist, wie dies durchgesetzt werden soll. Ich habe Ihnen den Ablauf eines solchen Verfahrens einmal geschildert. Es ist durchaus legitim und nach unserer Auffassung nicht inhuman, wenn die Menschen frühzeitig – eventuell auch noch vor 6 Uhr, wenn es sein muß, auch um 4 Uhr, weil die Maschine um 6.30 Uhr abfliegt – abgeholt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Doris Mandel und Lutz Kretschmann, beide SPD)

Herr Zamory, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Herr Lüdemann, Sie haben uns gezeigt, wie schutzwürdig die Familie laut Grundgesetz für die CDU ist. Aber darauf möchte ich nicht weiter eingehen.

(Beifall bei Mahmut Erdem GAL)

Ich möchte Herrn Wrocklage eine Frage stellen, weil mich an seinen Ausführungen ein Punkt berührt hat. Sie sagten, daß es für Ihre persönliche Verantwortung wichtig sei, für das gesundheitliche Wohl der Abzuschiebenden eigene Ärztinnen zu beschäftigen. Ich frage mich, warum Sie diesen Ärztinnen, die meines Wissens keine Facharztausbildung abgeschlossen haben, mehr vertrauen als den zugelassenen Fachärzten und Amtsärzten, die die Patienten, um die es geht, viel länger kennen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Herr Senator Wrocklage, Sie haben das Wort.

(Dr.Roland Salchow CDU:Schon wieder eine Krise in der Koalition!)

Herr Kollege Zamory, eine kurze Antwort. Sie wissen, wie Atteste aussehen können. Es besteht zum Teil objektiv Klärungsbedarf. Ich kann es doch nicht einem Beamten des mittleren Dienstes überlassen, wie er eine medizinische Begutachtung zu bewerten hat, also muß es ein Votum geben. Ich habe vorhin dargestellt, wie wir unsere Ärztinnen einsetzen, und das ist eine sehr gute und produktive Möglichkeit, die meiner Obhutspflicht entspricht. Dabei ist völlig unstrittig, daß letztlich im Konfliktfall Amtsärzte entscheiden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Frau Uhl, Sie haben das Wort.

Das war eine durchaus gute Frage von Herrn Zamory, weil er darauf aufmerksam macht, daß die Ärztinnen, die von seiten der Behörde beauftragt sind, im Zweifelsfall zu untersuchen, Amtsärztinnen sind. Die neueingestellten Ärztinnen haben natürlich eine andere Aufgabe. Sie haben die Aufgabe, das zu tun, was sie glauben, was die Ausländerbehörde ausschließlich tun muß, nämlich die Abschiebegründe positiv zu prüfen.

(Petra Brinkmann SPD: Erzählen Sie nichts über Dinge, von denen Sie nichts verstehen!)

Oh, Frau Brinkmann, kommen Sie hierher und sprechen Sie über Dinge, von denen Sie etwas verstehen.Ich mache Ihnen sofort Platz.

Es geht mir noch einmal um die Darstellung von Herrn Lüdemann. Herr Lüdemann hat in seiner Darstellung im juristischen Verlauf einen großen Fehler gemacht, der die ganze Situation vermeintlich ganz anders aussehen läßt. Eine Abschiebung ist nach dem Gesetzestext schon dann gegeben, wenn ein Termin am Flughafen für diese Familie vereinbart worden ist, das heißt, die Leute werden schon vorher abgeholt. Sie haben zu diesem Zeitpunkt noch keinen Abschiebungstermin bekommen, sondern werden überraschend abgeholt, weil sie seit Jahren zum Teil mit einer Duldung in Hamburg leben.Und genau das ist ein Teil der Kritik, daß sie nämlich nicht die Möglichkeit bekommen, ihre Abschiebung noch einmal juristisch überprüfen zu lassen, weil ein Verwaltungsgericht erst dann einen Antrag auf Prüfung annimmt, wenn ein Abschiebungstermin feststeht. Diese Leute werden aber abgeholt, ohne zu wissen, daß ein Abschiebungstermin feststeht.Auch deshalb werfen wir Ihnen vor, mit dieser Maßnahme nicht nur unmenschlich zu handeln, sondern auch das Recht zu beugen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Ich lasse zunächst über das Überweisungsbegehren der Gruppe REGENBOGEN abstimmen.Wer die Drucksachen 16/4911, 16/5051 und 16/4976 an den Eingabenausschuß überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Bei einer Enthaltung ist das mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Ich lasse dann über den Antrag aus der Drucksache 16/4976 abstimmen. Wer möchte diesen annehmen? – Danke schön.Die Gegenprobe.– Enthaltungen? – Bei zwei Enthaltungen mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Ich komme zum Antrag aus der Drucksache 16/5051. Wer möchte ihn annehmen? – Danke. Die Gegenprobe. – Ent

(Carsten Lüdemann CDU)

haltungen? – Bei zwei Enthaltungen mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Von der Drucksache 16/4911 soll die Bürgerschaft Kenntnis nehmen, und das hat sie getan.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 9 auf, eine Große Anfrage der CDU. Dat geit um de plattdüütsche Sprook un de Sprokencharta.

[Groote Anfroog vun de Afordneten vun de CDU: De plattdüütsche Sprook un de Sprokencharta – Drucksache 16/4815 –]

Wer möchte das Wort? – Herr Reinert, Sie haben das Wort.

Fro Präsidentin, leeve Froonslüüd, leeve Mannslüüd! Nu höbbt wei de Charta för de Regionolun Minnerheitensprooken, un wei hebbt se nu al ook twee Johr’n, un nu dört wei Platt snacken, winn uns de Kopp dorno steiht.

(Högen bi de GAL)

Man, eeg’lich, leeve Lüüd, is dat nix Neeges, dat dörsen wei vörher ook all. Dat gifft je dat scheune Leed in Hamborch: