Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zum Bereich Verkehr. Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort erhält Herr Reinert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Haushalt 2001 im Bereich Verkehrspolitik erleben wir den Verkehrssenator wie immer, mit einem einzigen Unterschied: Er hat es endlich geschafft, seine Verkehrsentwicklungsplanung durch den Senat zu bringen. Aber für den Haushalt wie für dieses Verkehrsentwicklungskonzept kann man sagen, soweit Prioritäten erkennbar sind, sind es die falschen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte dieses zunächst an dem Haushalt 2001 deutlich machen. Dort gibt es Positionen, die ein erhebliches Wachstum aufweisen, und Positionen, die wieder einmal zurückgefahren werden. Betrugen die Ausgaben/Vergütungen an Vertragsarchitektinnen und -architekten und so weiter 1999 noch 15,6 Millionen DM, so waren es in diesem Jahr 16,5 Millionen DM, im kommenden Jahr soll dieser Betrag auf 18 Millionen DM steigen.

Meine Damen und Herren! Ausgaben werden hier für Planungen, aber nicht für Handlungen getätigt. Wenn wir dagegensetzen, wie sich die Mittel für die Straßen und Brücken unserer Stadt entwickeln, und zwar alles zusammengezählt – Unterhaltungsmaßnahmen, Grundinstandsetzungsmaßnahmen, Neu-, Um- und Ausbau inklusive größerer Einzelvorhaben –, dann waren das 1999 noch 84 Millionen DM, in diesem Jahr 73 Millionen DM, und im kommenden Jahr wird das auf 69 Millionen DM zurückgefahren. Dieses ist angesichts des Zustandes und der Engpässe in unserer Stadt schlicht unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Im Bereich der Straßenunterhaltung kommt es zunehmend dazu, daß Mittel zweckentfremdet werden. Gegenüber den Vorgaben der Baubehörde wird sehr viel weniger Geld für die Fahrbahnen ausgegeben und sehr viel mehr für Geh-, Radwege und Bankette. Auch hier, Herr Senator, versagen Sie in der Steuerung gegenüber den Bezirken.

Allerdings muß man eines positiv hervorheben: In diesem Haushalt 2001 steht endlich wieder ein Titel mit einem Betrag, welcher ein guter alter Bekannter ist. Bereits im Haushaltsplan für 1992 fanden wir einen Betrag als Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 10,4 oder 10,5 Millionen DM für den Bau einer Ortsumgehung Finkenwerder eingestellt. Heute heißt das Ding DA-Trasse, und wir finden es wieder im Haushaltsplan mit einer Verpflichtungsermächtigung von 2 Millionen DM.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Falsch ist es immer noch!)

Der Senat hat hier jahrelang Notwendiges verzögert, und diese notwendige Maßnahme, die so lange verzögert wurde, rächt sich jetzt in ganz besonderem Maße. Jetzt beginnen die Arbeiten zur Erweiterung des Airbus-Werkes, und der gesamte landseitige Baustellenverkehr muß über die vorhandenen Straßen abgewickelt werden. Dieses zeigt, Herr Senator, Sie handeln nicht, Sie reden nur.

Hinzu kommt dieses Gekasper um die Autobahn A 26 im Zusammenhang mit der Ortsumgehung Finkenwerder. Hier bringt auch Ihre Verkehrsentwicklungsplanung immer noch keine Klarheit hinein. Da stehen immer noch so bedeutende Sätze, wie: Wenn Niedersachsen baut, wird Hamburg dieses weiterbauen.

Meine Damen und Herren! Die Tatsache ist mittlerweile, daß Niedersachsen 2001, 2003 mit dem Bau beginnt. Hamburg wartet weiter entschlossen ab und tut gar nichts. Aber wenn wir jetzt einmal unterstellen – das steht ja auch in der Verkehrsentwicklungsplanung –, daß die DA-Trasse 2005 fertig sein soll und tatsächlich fertig wird, Herr Senator, und dann die A 26 von Niedersachsen bis zur Landesgrenze gebaut wird, was machen Sie dann eigentlich? Dann müssen Sie, wenn Sie diese Zusage einhalten wollen, die A 26 weiterbauen. Das einzige, was Sie machen können, ist, daß Sie neben die A 26 auf Senatskosten ein Schild stellen: Wir sind dagegen. Aber Verkehrspolitik ist das nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Dieser Senator zeichnet sich durch Nichthandeln aus, durch das Werfen von verbalen Nebelkerzen. Das ganze Verkehrsentwicklungskonzept gehört in diese Kategorie. Es ist unklar und überholt. Ankündigungsweltmeister sind Sie und ein bedeutender Spatenstecher in dieser Stadt, zwar nur alle neun Jahre und kurz vor Wahlen einmal, aber immerhin. Nur, Herr Senator, lassen Sie sich gesagt sein: Jeder Mitarbeiter im Tiefbau wäre mit einer solchen Leistungsbilanz von zwei Spatenstichen in neun Jahren längst geflogen. Hoffentlich geht es Ihnen bald auch so.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Duden.

Danke, Frau Präsidentin! Lieber Herr Reinert, ich war gar nicht darauf gefaßt, daß Ihre Rede schon zu Ende ist.

(Henning Tants CDU)

(Dr. Holger Christier SPD: Er hat nichts zu sagen! Ich hatte das Gefühl, die war kaum angefangen. Aber bevor ich anfange, über den Verkehrsentwicklungs- plan zu reden, will ich noch eine Bemerkung an Herrn Tants machen. Ich habe zuerst überlegt, ob ich es mir verkneifen soll. Herr Tants hat gesagt, ich hätte behauptet, daß die Atmo- sphäre in Stadtteilen vergiftet würde, wenn es zum Verkauf von SAGA- und GWG-Wohnungen kommt. Ich habe mir ungewohnterweise für heute aufgeschrieben, was ich ge- sagt habe. Ich habe darauf hingewiesen – das mache ich sonst nicht –, daß wir eher die Gefahr sehen, daß eine Zweiklassigkeit erreicht wird. Ich finde, das ist ein solcher Unterschied, auch in der Aussage, daß ich das, was Herr Tants gesagt hat, eigentlich eher so würdigen würde, daß vielleicht eine vergiftete Atmosphäre im Parlament ent- steht, aber nicht in den Stadtteilen. Bevor Sie so etwas noch einmal sagen, sollten Sie überprüfen, ob das gesagt worden ist oder nicht. (Beifall bei der SPD)

Nun zum Einzelplan 6: Verkehr. Die Arbeit und die Diskussion am Verkehrsentwicklungsplan war der entscheidende Akzent der Verkehrspolitik in dieser Stadt. In vielen Diskussionsrunden ist es uns gelungen, eine breite Zustimmung für diesen Plan zu bekommen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wo denn? – Gegenruf von Michael Dose SPD: In Hamburg!)

Besonders positiv kann man hier bemerken, daß auch die Handelskammer, die sich aktiv an der Ausarbeitung des Verkehrsentwicklungsplanes beteiligt hat, hinter diesem Plan steht. In der Haushaltsrede im letzten Jahr im Dezember hatten wir eher noch befürchtet, daß das nicht so ist. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, und dafür kann man eigentlich nur Dank sagen. Das ist auch ein Signal, daß der Faktor Wirtschaftsverkehr in der Verkehrspolitik eine angemessene Rolle spielt. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, daß wir daran interessiert sind, daß alle in dieser Stadt, die sich fortbewegen, sei es zu Fuß, sei es als Fahrradfahrer, als Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs, aber auch als jemand, der privat oder aus beruflichen Gründen sein Auto nutzen muß, mit den Erwartungen und Anforderungen an die Verkehrsentwicklung in der Metropole Hamburg, sich in diesem Plan wiederfinden müssen. Ich denke, das ist uns gelungen.

(Beifall bei Michael Dose SPD – Bernd Reinert CDU: Das sieht auch einer Ihrer Fraktionskollegen so!)

Aber es wird auch deutlich, daß wir nicht übergewichtig auf die Interessen nur einer dieser Nutzergruppen eingehen können. Verkehrspolitik ist für uns, die Belange aller Nutzer zu berücksichtigen.

Wenn ich eben darauf hingewiesen habe, daß auch die Handelskammer mit im Boot des Verkehrsentwicklungsplans sitzt, so ist die Rolle der CDU und die von anderen Autolobbyvereinen, dem mit dem A am Anfang und dem C am Ende, zur Zeit doch eigentlich die: Sie sitzen isoliert in einem kleinen Ruderboot und versuchen krampfhaft, den Anschluß an die Verkehrspolitik dieser Stadt zu finden. Die CDU hat sich nicht daran beteiligt, Empfehlungen und Anträge aus den Anhörungen des Bauausschusses zum Verkehrsentwicklungsplan mitzuentwickeln.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört!)

Deshalb liest sich auch der Antrag der CDU so, als sei die Entwicklung der Verkehrspolitik der letzten Jahre nahezu spurlos an ihr vorbeigegangen ist. Ganz besonders deutlich ist das gestern abend zur späten Stunde bei ihrem wirtschaftspolitischen Sprecher geworden. Dessen Beitrag, Herr Reinert, sollte Sie zum Nachdenken bringen, aber vor allen Dingen sollten Sie ihm eine Nachhilfestunde in Sachen Verkehr in Hamburg bewilligen.

(Bernd Reinert CDU: Immerhin, das trauen Sie mir zu!)

Wir machen Verkehrspolitik mit Augenmaß, während die CDU noch mit der Wasserwaage nach Spurrillen sucht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Wünsche der CDU aus diesem Antrag lesen sich noch immer wie ein völlig undifferenzierter Wunschzettel für den Weihnachtstisch, auch versehen mit Lieblingsideen aus anderen Bundesländern. Daß die CDU in diesem Fall viele Realitäten verkennt, habe ich an dieser Stelle schon so oft gesagt, so daß ich mir das sparen kann.

Eines will ich aber noch besonders hervorheben, bevor Herr Polle dann zu anderen Punkten spricht. Das ist die Mär, diese Stadt sei nicht zu erreichen, es gäbe keine Parkplätze, es sei nichts und der Handel blute. Jeden AdventsSonnabend widerlegen eine Million Leute in dieser Innenstadt die These von Ihnen: Sehr drängelig, aber auch sehr eindrucksvoll, daß man durchaus in diese Stadt kommen kann.

Meine letzte Bitte an Sie: Beteiligen Sie sich an der Verkehrspolitik, gehören Sie nicht zu den Verweigerern, steigen Sie mit uns ins Boot, wir rudern in die richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält Herr Dr. Martin Schmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich richtig gezählt habe, ist das meine zehnte Rede zu einem Haushalt der Bürgerschaft zur Verkehrspolitik.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Früher hast du anders gesprochen!)

Was muß man bei einer solchen Gelegenheit tun? Als erstes muß man dafür sorgen, daß Sie mir zuhören. Das findet offenbar schon statt.

Zweitens muß man dafür sorgen, daß auch die Presse zuhört, damit man am nächsten Tag wenigstens mit einem Satz öffentlich erscheint.

(Beifall bei Elisabeth Schilling SPD – Barbara Duden SPD: Ja!)

Vielleicht schaffe ich das auch dieses Mal.

Schließlich wäre es dann auch noch sinnvoll, man würde sich an der Diskussion beteiligen, miteinander reden und versucht das mal.

Worum geht es? Man kann sagen, was steht im Haushaltsplan für 2001. Herr Reinert hat ein paar Sachen daraus zitiert. Ich finde, das ist relevant, aber wichtiger sind eigentlich die größeren Linien, um die es geht.

(Barbara Duden SPD)

Man kann auch darüber reden, was in den letzten drei Jahren an Verkehrspolitik geschehen ist. Zu ein paar Punkten will ich etwas sagen, aber dann muß man natürlich jetzt, da vor kurzem der Verkehrsentwicklungsplan erschienen ist, auch über die Zukunft der Hamburger Verkehrspolitik reden.

Ich will deswegen allgemein etwas zu der Frage sagen, was die Grünen eigentlich in der Verkehrspolitik wollten. Es mag in den vergangenen Jahren gelegentlich der Eindruck entstanden sein, als seien die Grünen prinzipielle Gegner des Autofahrens.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Seit einem Jahr nicht mehr!)

Das war von Anfang an so nicht richtig. Richtig war vielmehr, daß sich die Grünen gegen die negativen Begleiterscheinungen des Autoverkehrs gewandt haben. Das sind im wesentlichen die Unfälle, der Lärm, die Schadstoffe und der Platzverbrauch für die Autos in der Stadt. In all diesen Bereichen haben sich in den letzten 20 Jahren Änderungen vollzogen. Die Zahl der schweren und lebensgefährlichen Unfälle ist seit 30 oder 20 Jahren drastisch zurückgegangen. 1970 hatten wir in Hamburg im Durchschnitt an jedem Werktag einen tödlichen Unfall. Jetzt haben wir im Durchschnitt pro Woche einen tödlichen Unfall. Das sind natürlich große Unterschiede. Deswegen ist es auch deutlich, daß es in der Stadt keine Massenbewegung gegen den Autoverkehr als unfallbringendes Unternehmen gibt.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Keine tödlichen, aber Unfälle gibt es noch genug!)