Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg gibt dem Verbraucherschutz Vorrang. Das ist Programm, haben wir gerade von Herrn Schmidt gehört. Das ist Wahlprogramm, muß man den Eindruck haben, weil bisher in dieser Frage wirklich nicht viel passiert ist in dieser Stadt.
Der Umgang der Gesundheitssenatorin mit den Ergebnissen der von ihr veranlaßten Überprüfung von Wurstwaren – das haben wir gerade gehört – ist auch aus unserer Sicht zutiefst bedenklich gewesen. Immerhin ein Viertel aller Produkte wurde beanstandet, und trotzdem hat sie zu den Namen geschwiegen. Sie hat dazu gesagt, die bedenklichen Erzeugnisse sind aus den Regalen genommen worden. Aber aus unserer Sicht und vor allem aus Sicht all der Verbraucher kann das nicht ausreichen, denn wer kümmert sich darum, wer erklärt das den Leuten, die diese Produkte möglicherweise schon gekauft haben? Wer kümmert sich darum, daß diese Schäden, die dort vielleicht angerichtet worden sind, möglicherweise noch minimiert werden? An dieser Frage können wir feststellen, daß der Verbraucherschutz in Hamburg keinen hohen Rang eingenommen hat. Hier hat der Verkäuferschutz Vorrang vor Verbraucherschutz. Das geht aus unserer Sicht so nicht.
Wer dazu den Vertrauensverlust der Verbraucher gegenüber der Landwirtschaft beklagt und hier selber die Fakten nicht auf den Tisch legt, der sollte sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, wie die SPD das heute wieder macht.
Hamburg gibt dem Verbraucherschutz Vorrang? Um noch bei dem Thema zu bleiben: Gucken wir uns andere Vorgänge dazu an. Fleischerzeugung, Tierzucht ist gerade wieder ein weites Feld und ein großes Thema geworden. Was macht Hamburg in den anderen Bereichen, die jetzt zur Debatte stehen? Was passiert tatsächlich bei der Überwachung von Medikamentenvergaben auf den Bauernhöfen? Oder bei den Schafen: Wegen der Prionenkrankheit warnen Verbraucherorganisationen vor dem Verzehr von Lammfleisch. Das Robert-Koch-Institut hält die Gefahr für so groß, daß es tatsächlich einen flächendeckenden Test für notwendig erachtet.
Was macht Hamburg hier? Bringen Sie den Test voran? Überprüfen Sie die landwirtschaftlichen Betriebe in dieser Stadt? Bisher ist davon nichts zu hören gewesen, Frau Roth. Wo bleibt der Verbraucherschutz in dieser Frage in der Stadt? Bisher haben wir nicht viel davon gesehen – und nicht nur im Bereich Lebensmittel. Wir reden nachher noch zum Thema „Glücksspielsucht“.
Auch da wird deutlich, wie wenig der Schutz der Verbraucher tatsächlich im Vordergrund steht, wie wenig sie geschützt werden vor den Gefahren, die dahinterstecken.
So kann man das fortsetzen. Es gibt viele Bereiche des öffentlichen Lebens, wo sich diese Vorrangstellung nicht ab
zeichnet. Diese Lobhudelei, die wir gerade gehört haben, täuscht keineswegs darüber hinweg, welch schwaches Bild der Senat bei diesem Thema abgibt.
Wer Verbraucherschutz will, der muß unseres Erachtens unabhängige Einrichtungen schaffen und unterstützen. Das geschieht in Hamburg nicht ausreichend. Die Verbraucher-Zentrale, eine Einrichtung, die über ein hohes Vertrauen hinsichtlich ihrer Kompetenz bei den Bürgerinnen und Bürgern verfügt, ist in den letzten Jahren im Rahmen der Einsparpolitik geschwächt worden. Sie ist zusammengestrichen worden und kann ihre Arbeit nicht mehr in dem Rahmen fortsetzen, wie es vor vielen Jahren einmal möglich war.
Pro Kopf wurden 1999 in Hamburg 51 Pfennig an institutioneller Zuwendung gezahlt; in Nordrhein-Westfalen beispielsweise über 1 DM, Herr Dr. Schmidt. Damit liegt Hamburg an elfter Stelle der Pro-Kopf-Zuwendung. Nennen Sie das eine Vorrangstellung? Nennen Sie das vernünftiges Umgehen damit? Aus unserer Sicht ist es das nicht, weil gerade diese unabhängigen Beratungs- und Verbraucherschutzstellen in Hamburg besser gefördert werden müssen.
Aber wir haben dieses Thema nicht zum ersten Mal am Wickel. Wir können nicht verkennen, daß wir, wenn wir über Verbraucherschutz reden, tatsächlich über zu schaffende Reparatureinrichtungen reden müssen. Wir dürfen nicht das Ziel aus den Augen verlieren, daß sich Menschen wieder bedenkenlos und vor allen Dingen gefahrlos ernähren können. Wir können nicht zulassen, daß wir von dem BSE-Skandal in den nächsten Medikamentenskandal bei den Schweinen kommen, dann vielleicht zurück zum Dioxinskandal bei den Hähnchen oder zum Salmonellenskandal bei den Eiern. Es ist deutlich an dieser Frage und immer wieder, es muß eine generelle Veränderung in der Erzeugung dieser landwirtschaftlichen Produkte erfolgen. Es muß eine Hinwendung zu einer artgerechten Tierhaltung, zum ökologischen Landbau geben. In dieser Frage ist auch in dieser Stadt noch sehr viel zu tun. Da bleibt Ihnen noch sehr viel Arbeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Weg aus der aktuellen Vertrauenskrise der Verbraucher kann nur über Transparenz und Offenheit vom Erzeuger bis zum Vertreiber geführt werden. Die ergriffenen Maßnahmen müssen dabei in einer konsequenten Abfolge ineinandergreifen. Über allen Maßnahmen aber steht die Maxime: Gesundheit und Verbraucherschutz haben oberste Priorität.
Wir können nicht ausschließen, daß morgen oder übermorgen auch bei einem vergleichsweise geringen Bestand von 8000 Rindern in Hamburg BSE diagnostiziert wird. Darauf sind wir mit einem Maßnahmenkatalog und verabredeten Verfahren vorbereitet.
Aktiver Verbraucherschutz ist die inzwischen vorgeschriebene BSE-Testung über 30 Monate alter Rinder. Wir haben in Hamburg mit der Fleischwirtschaft verabredet, daß bereits die Rinder unter 30 Monaten – alle freiwillig – getestet werden.
Das ist eine wichtige Maßnahme zum Verbraucherschutz. Die Forderung nach einer verstärkten Forschungsaktivität ist richtig. Hier hat die Bundesregierung umgesteuert, und das war dringend notwendig.
Verbraucherschutz hat in Hamburg einen hohen Stellenwert. Die Lebensmittelüberwachung dient dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung, aber auch vor Täuschung. Es muß klar sein, die primäre Verantwortung für die Transparenz und die richtige Deklaration liegen bei dem Hersteller und bei dem Handel. Wir haben zu kontrollieren, um die Verstöße sicherzustellen, aber wir haben auch die notwendige Ahndung vorzunehmen. Das muß alles nach Recht und Gesetz gehen.
Erstens: Es wurden alle fraglichen Produkte aus den Regalen genommen. Das ist Verbraucherschutz, wie er sich gehört.
(Beifall bei der SPD und bei Anja Hajduk und Antje Möller, beide GAL – Dietrich Wersich CDU: Und die zu Hause?)
Zweitens: Von Handel und Herstellern dürfen wir eine Schärfung des Problembewußtseins erwarten. Die Zeiten sind vorbei, daß sie sich herausreden können, sie hätten es nicht gewußt. Sie wissen, daß wir kontrollieren, und sie wissen auch, daß sie die Verantwortung dafür tragen.
Wir setzen nach. Die zweite Aktion läuft, und dann folgt das, was ich angekündigt habe. Dann werden auch die schwarzen Schafe genannt.
Obwohl es in der Öffentlichkeit umstritten war – es wäre sehr viel bequemer gewesen, die Namen zu nennen –, müssen eine Senatorin und eine Behörde sich an Recht, Ordnung und Regelungen halten und abwägen, ob ihr Verhalten dazu beiträgt, daß an das Land Hamburg hohe Schadenersatzforderungen gestellt werden. Ich habe mich dafür entschieden, wie übrigens alle anderen Länder auch, keine öffentliche Bekanntgabe zu machen.
Beim Umgang mit der Lebensmittelüberwachung kommt es darauf an, nicht effekthascherisch zu argumentieren, sondern beim Handeln Klarheit im Kopf zu haben. Insofern müssen wir darauf achten, daß das, was wir uns vornehmen, Rechtsbestand hat.
Deshalb bin ich froh, daß sechs weitere Länder mit im Boot sind, um gemeinsam eine andere Vorgehensweise zu organisieren. Ich hoffe, am Montag kommt der Rest der Re
publik hinzu, so daß wir gemeinsam vorwärts gehen und dann die Möglichkeit haben, die Namen der Hersteller oder aber auch den Handel zu nennen. Die Zeit ist vorbei, daß man sich herausreden kann. Wir wollen Transparenz und Offenheit, und dafür setze ich mich nicht nur im Bundesgebiet ein, sondern auch in Hamburg.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vorweg ein, zwei allgemeine Bemerkungen zum Thema BSE. Bis heute bestreiten die Briten, daß Tiere in der Inkubationszeit – wie lange sie auch immer sein mag – anstecken können, obwohl man bis heute nicht weiß, was, wann ansteckend ist. Nur die Franzosen haben sich mit Recht gewehrt, britisches Beef zu importieren, denn auf der Insel gibt es immer noch Hunderte von BSE-Fällen. Die schlauen Briten importieren einen großen Teil ihres Rindfleisches aus dem gesunden Westschweden und exportieren ihr bedenkliches Rindfleisch in die Europäische Union. Kritische Wissenschaftler wurden auf der Insel systematisch kaltgestellt. Dürfen wir also mit dem Zeigefinger auf die Insel zeigen?
Vor Jahren hatte die streitbare Veterinärärztin Frau Dr. Herbst 20 Verdachtsfälle gemeldet. Das Ergebnis war: Die Tiere kamen in die Wurst, und die Veterinärin wurde entlassen.
(Ole von Beust CDU: Umgekehrt wäre schlimmer! – Heiterkeit im Hause – Dr. Roland Salchow CDU: Haben Sie das richtig herum gesagt?)
Bis 1999 wurde ein Zusammenhang zwischen BSE und der neuen Form der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung bezweifelt. Hochoffizielle Aussagen wollten uns weismachen, daß sich der BSE-Erreger aus der Nahrung fernhalten lasse. Bis heute ist nicht auszuschließen, daß BSE in die Nahrungskette gelangt, denn kein Labor-chemischer Test ist hundertprozentig. Durch Tötung mittels Bolzenschuß kann der BSE-Erreger sogar ins Muskelfleisch gelangen.