Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

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Demnächst stehen mit den Betreiberinnen und Betreibern von Spielbanken wieder Konzessionsverhandlungen an. Wir meinen, daß das ein guter Zeitpunkt ist, derartige Aspekte aufzunehmen und in diese Verhandlungen mit einzubringen.

Es ist notwendig und vor allem allerhöchste Zeit, daß auch in Hamburg die zuständigen Stellen endlich aus dem Quark kommen und sich der Probleme der Glücksspielsucht offensiv annehmen. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält die Abgeordnete Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich werde zunächst ein paar allgemeine Anmerkungen zur Glücksspielsucht machen und komme dann auf den Antrag der REGENBOGEN-Gruppe zu sprechen.

Die Glücksspielsucht ist als Krankheit anerkannt und das schon seit vielen Jahren. Sie wird zu den klassischen Süchten gerechnet, und obwohl die Spielsucht schon seit sehr langer Zeit bekannt ist, wird sie erst seit gut zehn Jahren als pathologisch-psychische Störung mit Kontrollverlust bezeichnet.

Rentenversicherungen erkennen die Spielsucht für den REHA-Bereich bis heute nicht an. Eine gesetzliche Regelung, die die Spielsucht in die Empfehlungsvereinbarungen der ambulanten Rehabilitation aufnimmt, ist dringend notwendig.

Obwohl die Spielsucht eindeutig als Krankheit anerkannt ist, verlangen Kostenträger, meistens Krankenkassen, für die finanzielle Absicherung der Therapie häufig den Nachweis einer anderen Sucht als Primärdiagnose.

Glücksspielsucht ist, wie Herr Jobs schon gesagt hat, die teuerste uns bekannte Suchtform, und es ist viel mehr Geld notwendig als für die Beschaffung von Drogen. Daher sind auch über 50 Prozent der abhängigen Spielerinnen und Spieler in die Beschaffungskriminalität geraten. Banküberfälle mit Spielzeugpistolen sind in diesem Bereich etwas Normales.

Glücksspielsucht gehört außerdem zu den heimlichen Süchten. Man torkelt nicht, man hat keine Fahne, man fällt nicht auf. So können Spielerinnen und Spieler sehr lange Zeit ihr Problem für sich behalten und vereinsamen, ohne Hilfsangebote nachzufragen. Neueste Studien belegen eindeutig, daß Glücksspielsucht eine kriminogene Potenz hervorruft. In Regionen mit starker Verbreitung der Glücksspielsucht ist auch immer ein Anstieg von Kriminalität zu verzeichnen.

Der Einstieg in die Glücksspielsucht ist deshalb so gefährlich, weil er fast immer mit Erfolgserlebnissen beginnt. Das große Verlieren nach dem ersten Gewinn wird meistens erst sehr spät realisiert. Ein Aufhören ist dann häufig schon nicht mehr möglich, weil sich nach der Wahrscheinlichkeit eigentlich bald wieder ein Gewinn einstellen müßte. Das trifft aber leider meist nicht zu. Ist das eigene Vermögen erst einmal verspielt, kann der Spieler sehr schnell in die Kriminalität abrutschen.

Spielsüchtige bedürfen der ärztlichen und therapeutischen Hilfe und brauchen Beratungsangebote. Allein schaffen sie es nicht, aus ihrer Sucht herauszufinden, genausowenig wie Alkoholabhängige.

Damit komme ich zu dem Antrag der REGENBOGENGruppe. Um es vorweg zu sagen, wir werden diesen Antrag in dieser Form hier heute ablehnen. Ich möchte das aber begründen, weil Sie es nach meinen einführenden Worten so vielleicht nicht nachvollziehen können.

Zunächst einmal ist Ihr Antrag in den Punkten, die Sie heute darstellen und fordern, im Grunde genommen ein Haushaltsantrag. Wir haben in der letzten Sitzung den Haushalt für dieses Jahr verabschiedet, und ich kann mir kaum vorstellen, daß wir in der ersten Sitzung nach den Haushaltsberatungen Veränderungen für den Haushalt vornehmen werden.

Zweitens: Ihr Antrag suggeriert, daß es ganz einfach wäre, Therapiekonzepte aufzustellen. Die Drogenbeauftragte und Fachleute beobachten die Spielszene seit langem und sind immer wieder zu der Ansicht gekommen, daß der Spielsucht ähnlich zu begegnen sei wie der Alkoholsucht. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die Einrichtungen mit niedrigschwelligen Angeboten aus dem Bereich der legalen Süchte Hilfsangebote für Spielerinnen und Spieler anbieten. Es ist einfach nicht korrekt, wenn Sie es hier so darstellen, als tue der Senat nichts. Ich könnte Ihnen auf der Stelle konkrete acht Beratungsangebote in der Stadt nennen, bei denen Spielerinnen und Spieler Hilfe bekommen. Daher ist es nicht korrekt, wenn gesagt wird, hier würde nichts getan.

Bei der Beratung und Behandlung von Süchten hat Hamburg in den letzten Jahren den Schwerpunkt für Konsumenten harter Drogen gesetzt und in diesem Bereich sehr viel Geld investiert; sehr viel mehr Geld als im Bereich weicher Drogen. Das hatte auch mit der sehr frühen Anerkennung der Sucht weicher Drogen als Krankheit und damit der Finanzierung der Krankheit zu tun. Daß das auch von den Abgeordneten meiner Fraktion sehr kritisch gesehen wird, zeigen unsere Anträge zum Haushalt 2000 für die Einrichtung einer neuen Beratungsstelle für Alkoholabhängige im Westen dieser Stadt. Ferner haben wir eine Beratungsstelle für Glücksspielsucht bei der Vergabe der Tronc-Mittel, wenn auch in sehr geringem Maße, mit einem Beitrag bedacht.

Ich komme zu einem dritten Punkt. Da es im Bereich der Suchtbehandlung keinen Königsweg gibt, lohnt es auch nicht, vom Senat irgendwelche Schnellschüsse zu fordern, nämlich noch vor der Sommerpause ein Konzept vorzulegen. Ich kann Ihren Zeitdruck gut verstehen, aber wir können es so nicht nachvollziehen.

Die Eile ist auch insofern nicht angebracht, als die Zahl der Abhängigen in Hamburg seit Jahren konstant ist, ähnlich wie Sie es bereits gesagt haben, etwa um 8000. Wir werden also die Konzepte aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und den Niederlanden heranziehen und gemeinsam mit Fachleuten überlegen, was von deren Erfahrungen zu übernehmen ist. Man muß in dieser Stadt nicht alles selbst ausprobieren, um bestimmte Erkenntnisse zu gewinnen.

In der Tat haben Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein dieser Art der Sucht mehr Zeit und Geld gewidmet als Hamburg und damit auch erste Erfahrungen gesammelt. So werden in Schleswig-Holstein Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spielbanken geschult, um Süchtige zu erkennen und anzusprechen. Die Maßnahmen reichen von Verwarnungen bis zum Zutrittsverbot für Spielbanken. Das Spielbankgesetz wurde in Schleswig-Holstein 1995 dahin gehend geändert, daß ein Teil der Spielbankabgabe für ge

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

meinnützige Zwecke zu entrichten sei. Das ist ein interessanter Vorschlag. Hierbei ist aber zu bedenken, daß Hamburg die Spielbankabgabe zwar ganz dem Haushalt zuführt, wie Sie gesagt haben, dafür aber ein Vielfaches der schleswig-holsteinischen Mittel in die Hilfsangebote für alle Suchtabhängigen steckt und diese auch allein finanziert.

Wir werden uns über die Erfahrungen von Schleswig-Holstein informieren. Ihr Modell aus der Schweiz kennen wir nicht; ich denke, Sie meinen vielleicht das Projekt aus den Niederlanden. Bei uns in der Fraktion gibt es durchaus auch Überlegungen, ob man einen gewissen Teil der Troncabgabe in Beratungs- und Hilfsangebote fließen lassen kann.

Anfang Februar findet im Gesundheitsausschuß eine Anhörung von Hamburger Wissenschaftlern aus der Suchtforschung statt. Dort haben wir die Gelegenheit, uns über die neuesten Erkenntnisse in der Spielsucht zu informieren. Alle gewonnenen Erkenntnisse wird die SPD-Fraktion bündeln und für sich bewerten. Dann werden wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner beraten, ob, wo und wann ein spezielles Beratungsangebot für Spielsüchtige erweitert und verbessert werden soll.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Fuchs.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Brinkmann, wenn Sie für die SPD erklären, daß Sie diesem Antrag nicht zustimmen, ist das natürlich Ihre Sache, aber ich halte es doch für bemerkenswert und ein bißchen bedenklich. Die CDU-Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Gestatten Sie mir, mit einigen wenigen Bemerkungen die Begründung hierfür zu liefern.

In der Tat ist festzustellen, daß das Thema Sucht bei vielen Menschen noch mit stofflicher Abhängigkeit verbunden ist. Insofern besteht die große Gefahr, daß dieser Problematik nicht mit der notwendigen Entschiedenheit entgegengetreten wird. Glücksspielsucht, das haben meine beiden Vorredner bereits betont, ist eine sehr heimliche, aber doch die teuerste Sucht, die wir heute feststellen können. Daß es pathologisches, süchtiges Spielen gibt, haben medizinische und klinische Erfahrungen längst gezeigt. Dies ist und kann nichts Neues mehr sein.

Frau Brinkmann, wenn Sie sagen, daß es beispielsweise um die Anerkennung bei den Kassen geht, dann steht auch in diesem Fall Endstation Sucht gleichlautend mit Endstation Klinik. Wir meinen, daß eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik genau die Aufgabe hat, dies zunächst einmal zu vermeiden. Sie vermeidet es dadurch, daß sie sich rechtzeitig und in aller Entschiedenheit diesem Problem zuwendet.

Was ist eigentlich Glücksspiel? Wir kennen den guten alten „Daddelautomaten“, das Kartenspiel, das elegante Spielkasino, aber wir wissen im wesentlichen noch nicht, wo die Grenze ist. Wann fängt das Suchtspiel an, wann hört es auf, wer ist gefährdet und wer nicht? Gleichwohl kommt zu den bisher herkömmlichen Spielformen ein ganz neuer Belzebub, so nenne ich es einmal: das Internet, das Spiel mit unsichtbaren Werten und unsichtbaren Gegnern. Ich zitiere einmal aus einer „Spiegel-online“-Notiz vom 17. August 2000, in der es heißt:

„Süchtige brauchen eine hohe Ereignisfrequenz.“

Das ist eine rasche Spielabfolge, und die ist im Internet technisch einwandfrei zu realisieren und außerdem rund um die Uhr verfügbar. Die soziale Kontrolle fehlt völlig. Was ein süchtiger Spieler im Internet treibt, fällt seinem Umfeld, wenn überhaupt, erst viel zu spät auf. In den öffentlichen Spielclubs wird der Spieler meistens mit Bargeld konfrontiert, im Internet setzt der Kontrollverlust über das finanzielle Gebaren und die Lage erst sehr viel später ein.

Es gibt einige, die meinen, daß die Gefahr noch nicht ganz so groß sei und wir erst am Anfang dieser Entwicklung stünden, weil es Zocker gibt, die sagen, daß es aus technischen Gründen im Internet zu lange dauert, bis die nächste Karte gezogen wird; es dauert manchmal sechs bis sieben Sekunden. Ich bin kein Spieler, aber wenn dies einen entschiedenen Zocker stört, dann wissen wir, wenn das Netz stark frequentiert ist – und das ist der Beweis dafür, daß von den Möglichkeiten im Internet ein hoher Gebrauch gemacht wird – , daß es teilweise zu lange dauert. Diese Dinge sind technischer Natur und werden sehr schnell abgebaut sein.

Deshalb gestatten Sie mir, einen Hinweis auf die USA zu geben, wo sich eine auf höchster politischer Ebene eingerichtete Kommission mit dem Problemfeld der Glücksspiele im Internet befassen wird. Diese Kommission hat den zweijährigen Auftrag, die sozialen und ökonomischen Auswirkungen des Glücksspiels auf die Gesellschaft zu untersuchen.

Neben dem Effekt des Angebots im Internet soll sie unter anderem auch den Zusammenhang zwischen Glücksspielkriminalität und pathologischem Glücksspiel beurteilen.

Es ist keine Frage, daß vor dem Hintergrund einer völlig unzureichenden Behandlung dieses Themas durch den derzeitigen rotgrünen Hamburger Senat langfristige Konzepte und vor allem auch die Positionierung in dieser Frage dringend notwendig sind.

Das Fazit ist – in der Kürze der Zeit –, daß wir die Troncabgabe natürlich abführen können; ich glaube, so einen Antrag hat die SPD vor einigen Jahren selbst einmal gestellt. Bei dem Handling dieser Problematik geht es im wesentlichen aber um die politische Glaubwürdigkeit. Diese politische Glaubwürdigkeit sehen wir als CDU – das darf ich hier einmal so sagen – in Hamburg gefährdet.

(Beifall bei Jürgen Mehlfeldt CDU)

Man soll nicht immer Vergangenes bemühen, ich darf aber dennoch einmal sagen, daß ich als damaliger Bezirksabgeordneter mit Vehemenz gemeinsam mit der GAL gegen die Errichtung einer Spielbank in der Wandsbeker Marktstraße protestiert habe; Wolfgang Baar lacht, er war auch dabei.

(Barbara Duden SPD: Aber er hat nicht gespielt!)

Wir haben es damals schon mit genau den Argumenten getan, wie Herr Jobs, Frau Brinkmann und ich sie hier angeführt haben. Das heißt, wir haben die Suchtproblematik schon sehr deutlich im Auge gehabt und Kontakt mit denjenigen aufgenommen, die für diese Frage zuständig sind und die nötige Kompetenz besitzen.

Wenn Sie sich hier jetzt auf der einen Seite bestimmter Argumente bedienen, um entsprechend glaubwürdig zu sein, müssen wir Ihnen sagen, daß es in Anlehnung an die BSEDiskussion, die wir zu Beginn heute morgen hatten

(Petra Brinkmann SPD)

(Barbara Duden SPD: Das kommt Ihnen nur so lange vor!)

entschuldigen Sie bitte, Frau Duden, heute nachmittag –, ein Etikettenschwindel ist, um es einmal deutlich zu sagen. Einerseits wird gesagt, so etwas darf nie wieder passieren oder wir brauchen Konzepte, und andererseits wird in Hinterzimmern über die Vergabe neuer Konzessionen verhandelt. Meine Damen und Herren, das ist scheinheilig und Etikettenschwindel.

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)