Frau Duden, es entzieht sich wirklich meiner Vorstellungskraft, wie Sie behaupten können, daß das ehemalige Kasernengelände nicht mitten in einem Wohngebiet liegt. Ich kann Ihnen die Grundkarte zeigen, die auf meinem Platz liegt. Wenn rundherum Menschen wohnen, bedeutet dies eine Wohnnutzung; und Sie selbst wohnen auch dort.
Zum beliebten Argument von Studio Hamburg. Ich zitiere aus der „Welt“ vom 20. November. Die „Welt“ fragte Herrn Willich, Chef von Studio Hamburg:
„Warum beteiligt Studio Hamburg sich an dem Projekt eines Freizeitparks TV-World in Jenfeld? Wollen Sie Alternativen zu Ihrem Kerngeschäft aufbauen?“
Wo bleiben Ihre Argumente? Es geht nicht um die Alternativen. Sie bringen zwei Dinge total durcheinander. Es geht hier um einen Freizeitpark, aber Sie fangen an, vom Medienstandort Hamburg zu reden. Das paßt nicht. Während der gesamten Debatte – auch in der gestrigen – über Springer und über das Studio Hamburg hat niemand gesagt, daß das Projekt TV-World wichtig sei.
Sie vermischen die Dinge, und das geht unzulässigerweise über das hinaus, was man Sand-in-die-Augen-streuen nennt. Es ist das Verkleistern des eigenen Denkens und ist ein Armutsbeispiel.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich lasse über den Antrag aus der Drucksache 16/5532 abstimmen. Wer möchte zustimmen? – Gegenstimmen. – Stimmenthaltungen? – Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 50: Drucksache 16/5534: Gemeinsamer Antrag der GAL- und der SPD-Fraktion zum Thema Mehr Klarheit und Sicherheit bei Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen.
[Antrag der Fraktionen der GAL und der SPD: Mehr Klarheit und Sicherheit bei Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen – Drucksache 16/5534 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns alle kann jederzeit ein Unfall, ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt treffen. Das kann dazu führen, daß wir nicht mehr selbstverantwortlich handeln, Entscheidungen treffen und uns auch nicht zu unseren eigenen Belangen äußern können. Auch unsere nächsten Angehörigen, also Ehegatten und Kinder, können dann nicht für uns entscheiden, sie sind dazu nicht legitimiert.
Wenn wir selbst bestimmen wollen, wer, wenn wir es selbst nicht mehr können, unsere Angelegenheiten regeln soll und wie dies geschehen soll, sollten wir rechtzeitig vorsorgen und eine Vorsorgevollmacht ausstellen, eine Betreuungs- und auch eine Patientenverfügung erlassen.
Die Ausstellung einer Vorsorgevollmacht ist der rein private Weg der Vorsorge für solche Situationen. Daneben gibt es auch den gerichtlich kontrollierten Weg mittels einer Betreuungsverfügung. Das zuständige Amtsgericht muß dann das Verfügte bei einer eventuellen Betreuerbestellung berücksichtigen.
Diese Verfügungen und Vollmachten können alle Lebensbereiche umfassen, in denen eventuell etwas entschieden und geregelt werden muß: Vermögensfragen, die Frage der Aufgabe der eigenen Wohnung zugunsten des Umzuges in ein Heim, und auch die ärztliche Behandlung.
Der zuletzt genannte Bereich, die Gesundheitssorge und die Entscheidung über die ärztliche Behandlung, ist der schwierigste, für die meisten Menschen auch der dringendste. Patientenverfügungen – auch Patiententestamente genannt – werden mit dem Ziel abgeschlossen, die Autonomie am Ende des Lebens zu wahren. Es ist oft der Versuch, für sich selbst ein qualvolles, als würdelos empfundenes Sterben in Abhängigkeit von der Apparatemedizin auszuschließen. Darüber können wir in der nächsten Debatte noch ausführlicher nachdenken.
In Hamburg wird seitens der Gesundheits- und Sozialbehörde mit der Broschüre „Ich sorge vor“ für den Abschluß von Vorsorgevollmachten und den Betreuungs- und Patientenverfügungen geworben. Schon im Mai letzten Jahres – das habe ich damals abgefragt – waren einschließlich der vorangegangenen Broschüre über 230 000 Exemplare verteilt. Inzwischen dürften es weit mehr sein, denn die Behörde sorgt aktiv für die Verteilung.
Damit wird nicht zuletzt das Ziel verfolgt, vor allem teure Betreuerbestellungen von Berufsbetreuern zu vermeiden. Unklar ist, inwieweit dies gelingt. Kritisch anmerken möchte ich auch, daß die Problematik der propagierten Vorsorgevollmachten in der Broschüre unzureichend dargestellt ist. Damit müssen wir uns noch gesondert befassen.
Der Abschluß einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung macht nur Sinn, wenn sie im Fall der Äußerungs
und Einwilligungsunfähigkeit auch gefunden und überhaupt bekannt wird, daß der oder die Betroffene eine Verfügung abgeschlossen hat. Außerdem müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, daß das Verfügte auch anerkannt werden kann.
Ich möchte einiges nennen, aufgrund dessen wir auch den Antrag gestellt haben. In Hamburg ist es bisher nicht möglich, Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten bei den Amtsgerichten zu hinterlegen. In einigen Bundesländern ist das schon so, gesetzlich geregelt ist es aber nur in Bayern.
Bisher ist auch noch nicht klar, ob es Sinn macht, etwas ähnliches wie einen Organspenderausweis zu drucken, der wiedererkennbar ist und aus dem hervorgeht, daß eine Verfügung abgeschlossen wurde und wer im Fall der Fälle zu benachrichtigen ist. Die neueste Auflage der Behördenbroschüre sieht das vor. Sie enthält ein solches Exemplar, das man herausreißen und ins Portemonnaie stecken kann.
Die systematische Frage nach abgeschlossenen Vollmachten und Verfügungen sollte – wenn wir das Thema wirklich ernst nehmen – im Zusammenhang mit Krankenhaus- und Pflegeheimaufnahmen, ärztlichen Notfalleinsätzen oder auch bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst selbstverständlich werden.
In Hamburg müssen auch die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Vorsorgevollmachten und Betreuungsund Patientenverfügungen wie zum Beispiel der Stellenwert notarieller Beurkundungen geklärt werden. Die Anwendung von Vollmachten unterliegt keiner staatlichen Kontrolle, die Möglichkeit des Mißbrauchs ist daher nicht gering.
Ich halte es für absolut notwendig, die Gültigkeit einer Vorsorgevollmacht an eine notarielle Beurkundung, zumindest aber an eine Beglaubigung zu koppeln. Es kommt nämlich immer wieder vor, daß zum Beispiel Angehörige von demenzkranken Menschen Vollmachten vorlegen und berechtigte Zweifel aufkommen, ob der oder die Betroffene zum Zeitpunkt der Ausstellung der Verfügung überhaupt erfassen konnte, was sie unterschrieben hat.
Ich möchte noch etwas zur Popularität von Patiententestamenten sagen, die im Zusammenhang mit den ambivalent erlebten Fortschritten der modernen Medizin steht. Die Möglichkeiten der Intensivmedizin haben dazu geführt, daß die Lebensverlängerung nicht mehr als einziges und oberstes Ziel ärztlicher Behandlungen angesehen wird; auch von den Ärzten nicht. Die Bundesärztekammer hat drei Richtlinien in den Jahren 1979, 1993 und 1998 für die ärztliche Sterbebegleitung erlassen. In diesen Richtlinien hat der mutmaßliche Wille des nicht einwilligungsfähigen Patienten einen zunehmend hohen Stellenwert. Dieser mutmaßliche Wille wird in einer Patientenverfügung geäußert, deren Bedeutung für die ärztliche Entscheidung auch zunehmend betont wird.
Auch der letzte Deutsche Juristentag im September 2000 hat sich mit der Problematik befaßt. Man war sich einig, daß die Patientenverfügungen ein wichtiges Instrument der Selbstbestimmung für die Situation der eigenen Einwilligungsunfähigkeit ist.
Der Juristentag hat sich auch mit dem Problem der Ermittlung des mutmaßlichen Willens befaßt. Wie das geschehen ist, halte ich allerdings für problematisch. Mehr
heitlich war man der Ansicht, daß zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen frühere Vorstellungen ermittelt werden müssen. Wenn dies aber nicht möglich sei, solle eine objektive Interessensabwägung vorgenommen werden. Problematisch ist der Begriff der objektiven Interessensabwägung. Der Juristentag hat ihn in seiner Weisheit – es haben jedoch nur 50 Personen darüber entschieden – wie folgt definiert:
„Für die objektive Interessensabwägung ist das Wohl des Vollmachtgebers maßgebend. Dieses verlangt Leidensminderung, im Zweifel Lebenserhaltung und eine Behandlung nach dem aktuellen Stand der ärztlichen Kunst. Die Frage, wann von dem Prinzip der Lebenserhaltung abgewichen werden darf, muß in einer ethischen Grundsatzdiskussion auf breiter gesellschaftlicher Basis erörtert und beantwortet werden.“
Es ist für mich deshalb sehr problematisch, weil der gesellschaftliche Konsens das unbedingt zu schützende Lebensrecht des einzelnen relativieren könnte. Gerade wir Deutschen sollten das wissen. Darüber müssen wir diskutieren, und ich hoffe, wir haben heute damit begonnen. – Danke schön.
(Beifall bei der GAL, bei Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Dr. Mathias Petersen SPD)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Beginn des Wahlkampfes – das hat man uns beigebracht – sollte man eine Botschaft mindestens 20 bis 25 Mal gesagt haben, bevor sie als Message ankommt.
Wenn Sie heute abend den Inhalt zum zweiten Mal hören, dann ist das nicht zuviel. Denn da wir den Antrag gemeinsam eingebracht haben, werden Sie sich das alles noch einmal anhören müssen.
Die Koalitionsfraktionen haben den Antrag aus zwei Gründen eingebracht. Zum einen kann dieses Problem jeden treffen, es ist nicht vielen in der Öffentlichkeit bewußt und muß einmal deutlich dargestellt werden. Ich bedauere es besonders, daß auf der Pressetribüne kaum noch jemand anwesend ist, denn es ist ein Punkt, der in unseren Medien stattfinden sollte.
Der zweite Punkt, warum wir diesen Antrag einbringen, ist, daß es beim Verfahren zur Erstellung einer Vorsorgevollmacht Unklarheiten gibt, wenn eine private Daseinsvorsorge nicht vorliegt.