Protokoll der Sitzung vom 28.02.2001

(Beifall bei Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Atomlobby sitzt fest im Sattel wie eh und je. Sie lacht sich ins Fäustchen. Den Konsensvertrag, der angeblich immer den Ausstieg regeln soll, hat diese Atomlobby bis heute nicht unterschrieben. Dort werden ihnen ein paar Nadelstiche versetzt, das lehnen sie nach wie vor ab. Sie unterschreiben diesen Vertrag nicht, denn sie wissen, diese Regierung wird ihnen genausowenig schaden wie alle anderen Regierungen vorher. Einzig Schaden zugefügt hat ihnen bisher die Anti-AKW-Bewegung auf der Straße und auf den Schienen, denn die haben zuletzt mit den Blockaden deutlich gemacht, die Transporte sind die Achillesferse der Atomlobby. Hier konnten Behinderungen erreicht werden, die den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in Frage stellen. Zwischenlagertransporte kann es nach den Erfahrungen der letzten Jahre maximal ein und nicht die geplanten 20 pro Jahr geben, denn jeder von ihnen wird von vielen tausend Menschen – ob es in Gorleben oder in Ahaus ist – behindert.

In Gorleben und in Ahaus ist etwas ganz Einzigartiges passiert, was bisher keine Regierung hinbekommen hat. Die Atomlobby ist daran gehindert worden, das zu tun, was sie will. Das ist eine sympathische Angelegenheit, die immer wieder erreicht worden ist.

Wie richtig das ist, zeigt auch, welchen enormen Rückhalt und Sympathien dieser Widerstand und Protest der Wendländer weit über ihre Region hinaus inzwischen im ganzen Bundesgebiet hat. Das ist den Betreibern ein Dorn im Auge. So träumen wir schon seit sehr langer Zeit von Zwischenlagern direkt an den Atomkraftwerken.

Bereits bei den ersten sogenannten Konsensgesprächen – das war Mitte der neunziger Jahre – haben sie dem damaligen Vermittler Gerhard Schröder davon vorgeschwärmt, und der hat sich für diese Idee erwärmt. Eine Realisierung dieser Pläne hat es dann nicht gegeben, weil sich zu dem Zeitpunkt niemand zugetraut hat, in diesem Land neue Atomanlagen durchzusetzen.

Natürlich waren nicht nur die Umweltgruppen dagegen. Es waren die Grünen dagegen, es gab auch in der SPD Leute, die dagegen gewettert haben. Alexander Porschke hat es damals vor vier Jahren in der 91. Sitzung der 15. Legislaturperiode zum Thema Zwischenlager auf den Punkt gebracht, als er sagte:

„Durch Ihre Durchsetzung der Zwischenlagerei ist es jetzt so, daß die Atomindustrie jegliches Interesse an einem neuen Konsens verloren hat, denn für sie geht es nur darum, daß sie weiterbetreiben können. Was das für unsere Kinder und Kindeskinder zur Folge hat, ist denen doch ganz egal.“

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Damit hat Alexander Porschke recht gehabt. Denen geht es in der Tat nur um den Weiterbetrieb, den sie mit den Lagern bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag sichern. Das war vor vier Jahren so, und das ist heute noch so. Nicht die Rahmenbedingungen haben sich seitdem geändert. Dort haben wir gemerkt, der Konsens regelt den Ausstieg nicht. Die Atomkraftwerke können weiterbetrieben werden.

(Dr. Monika Schaal SPD: Mit der Meinung stehen Sie aber ziemlich alleine da!)

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Einzig Rotgrün, einzig die Grünen haben sich verändert. So stehen wir jetzt vor der Situation, daß heute ausgerechnet von ehemaligen Anti-Atomkraftkämpfern den AKW-Betreibern der längste und sehnlichste Wunsch erfüllt wird. Ihnen wird der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gesichert. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Carmen Walther SPD)

Dieses erbärmliche Verhalten geht zu Lasten der Menschen an den Standorten. Eines ist auch klar: Angesichts der ungelösten Endlagerfrage werden aus den Zwischenlagern dauerhafte Lagerstätten. Weiter ist klar: Sicher sind diese Lager mit Sicherheit nicht, denn sie bieten keinen Schutz gegen Außeneinwirkungen, und sie schützen auch die Außenwelt nicht vor dem strahlenden Atommüll, der darin gelagert wird. Schutz soll nur der CastorBehälter bewältigen, Behälter, die noch nie wirklich getestet worden sind und bei denen an anderen Orten schon nach kurzer Zeit Probleme aufgetreten sind. Das ist unverantwortlich. Diese zusätzlichen Sicherheitsrisiken an den Standorten müssen unbedingt vermieden werden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

In Sachen Atomausstieg hat der Senat als Mehrheitsaktionär auf ganzer Linie versagt. Jetzt hat Hamburg aber noch Chancen als Kommune, wenigstens mitzuhelfen, diese neuen Atomanlagen zu verhindern. Für sämtliche fünf neuen Anlagen rund um Hamburg liegen jetzt die Antragsunterlagen aus. Jetzt können Einwendungen dagegen eingelegt werden, jetzt kann an dem Verfahren teilgenommen werden.

Alexander, wenn du auch nur ansatzweise zu dem stehst, was du vor vier Jahren hier gesagt hast, wirst du an dieser Stelle auch dafür sorgen, daß Hamburg als Kommune dafür eintritt, daß diese Zwischenlager nicht entstehen, denn die Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger muß Vorrang vor den Interessen der Atomlobby haben. Deshalb ist es eine Minimalforderung, über Einwendungen am Verfahren teilzunehmen. Das ist der Senat dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen in der Stadt schuldig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Diese Menschen sind weiterhin der Bedrohung durch die vier Atomkraftwerke und demnächst der Castor-Transporte ausgesetzt. Wenn der Castor tatsächlich Ende März bis nach Gorleben kommen sollte, werden auch die Transporte rund um Hamburg von den Standorten wieder aufgenommen werden. Dann wird es wieder Castor-Transporte durch die Hamburger Innenstadt, durch den Hamburger Hauptbahnhof, durch Barmbek, durch Bergedorf geben. Dann kann die Atomlobby diese gefährdende Unternehmung wieder aufnehmen, obwohl bisher nicht bekannt ist, welche Ursachen zu den Kontaminationen geführt haben, obwohl der Castor-Skandal als solcher nicht aufgeklärt worden ist. Die Betreiber machen Druck. Die Naßlager an den AKWs sind randvoll. Scheitert der Transport nach Gorleben, können die anderen Transporte von den Standorten nicht wieder aufgenommen werden, dann wird es dazu führen, daß das eine oder andere Atomkraftwerk abgeschaltet werden muß. Das ist zum Beispiel in Stade der Fall.

Wenn also der Ausstieg vorankommen soll, wenn der Ausstieg von Stade vorankommen soll, dann müssen die Castor-Transporte nach Gorleben gestoppt werden, und zwar Ende März.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Meine Damen und Herren von der GAL, aber auch in der SPD soll es Gegner und Gegnerinnen der Atomenergie geben, vergessen Sie Ihre Regierung einmal für einige Wochen, für einige Monate.

(Dr. Holger Christier SPD: Niemals!)

Sie haben erleben müssen, in Sachen Atomausstieg haben Sie versagt, auf Landesebene genauso wie auch auf Bundesebene. Vergessen Sie Ihre Regierung, erinnern Sie sich einen Moment an die Kraft, die die Straße entfalten kann. Stärken Sie uns mit Ihren Leuten im Wendland. Kommen Sie mit uns. Stellen Sie sich quer, wenn der Castor kommt.

(Holger Kahlbohm SPD: Das sind die Kämpfe der Vergangenheit!)

Die haben gezeigt, wie man sich der Atomlobby tatsächlich entgegensetzt. Kommen Sie mit uns, wenn es wieder heißt: Der Castor kommt. Wir stellen uns quer.

Wenn es Ihnen auch von Ihren Generälen und Vorsitzenden verboten wurde, wenn es Ihnen so sehr peinlich ist mitzukommen, machen wir Ihnen auch einen Platz bei uns im Kofferraum frei. Wir nehmen Sie mit, setzen Sie sich zu uns auf die Strecke. Machen Sie deutlich, dieser Transport muß verhindert werden, weil wir in Gorleben die Castor-Transporte durch Hamburg verhindern. Machen Sie mit. Fordern Sie mit uns, auch diese Stadt versucht, den Castor zu stoppen. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wir heben auch das Vermummungsverbot auf, dann erkennt Sie niemand!)

Das Wort erhält Frau Vogel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Jobs, Sie scheinen sehr beratungs- und debattenresistent zu sein. Es ist noch gar nicht so lange her, daß wir das gleiche Thema hier auch hatten. Immer und immer wieder das gleiche. Sie sollten wieder zur Realpolitik zurückkehren.

Ich möchte auf einige Argumente in Ihrer Rede eingehen und Ihnen zum Atomkonsens wieder einmal ein bißchen Nachhilfeunterricht erteilen.

Der Atomkonsens sieht vor, daß die EVU dezentrale Zwischenlager an den Standorten der Atomkraftwerke oder in deren Nähe errichten soll. Ferner wurde ein Verbot der Atomtransporte zur Wiederaufarbeitung ab 2005 vereinbart. Diese beiden Maßnahmen werden den Atommülltourismus, den Sie anprangern, stoppen und die Zahl der Atommülltransporte auf ein Drittel des bisherigen Umfangs reduzieren.

Ferner wird die Menge des noch anfallenden Atommülls durch die Laufzeitbefristung der Atommeiler begrenzt. Zwar wären kürzere Laufzeiten wünschenswert gewesen, aber bei dem Konsens ging es nicht um das Wünschbare, sondern um das Machbare. Außerdem haben wir dem Atomkonsens die Stillegung des AKWs Stade im Jahre 2003 zu verdanken.

Zu den Transporten. Deutschland ist aus rechtlichen, politischen und moralischen Gründen verpflichtet, seinen Atommüll aus Frankreich zurückzunehmen. Seit dem Regierungswechsel 1998 sind umfangreiche Maßnahmen zur

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Kontaminationskontrolle, zur Transportdokumentation und Meldepflicht getroffen worden. Dadurch ist gewährleistet, daß die international festgelegten Grenzwerte für die gesamte Dauer eines Transports mit ausreichender Sicherheit eingehalten werden. Den erteilten Transportgenehmigungen ist ein aufwendiges Begutachtungsverfahren der Gesellschaft für Reaktorsicherheit und des Ökoinstituts vorausgegangen.

Bundesumweltminister Trittin hat außerdem mit dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Gerhard Vogler, über die anstehenden Atomtransporte gesprochen. Beide sind sich einig, daß die Einhaltung der Strahlenschutzbestimmungen Voraussetzung für den Einsatz der Polizeikräfte ist.

Nach einer Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit ist das auch so. Danach werden bei Einsatzkräften im unmittelbaren Umfeld der Transportfahrzeuge keine Strahlenwerte oberhalb der Nachweisgrenze gemessen.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Zu Ihrer Aufforderung, mitzudemonstrieren. Ich möchte hier die Atomkraftgegner auffordern, ihren Protest gegen die Castor-Transporte friedlich kundzutun und auf menschengefährdende und gewalttätige Aktionen zu verzichten.

(Beifall bei der SPD – Norbert Hackbusch REGEN- BOGEN – für eine neue Linke: Warum sagen Sie das denn?)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Engels.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jobs, eines gestehe ich Ihnen zu. Man kann in der Frage des Weiterbetriebs von Kernkraftwerken sehr unterschiedlicher Auffassung sein. Da gibt es eben hier – ich bin fest davon überzeugt, in jeder Fraktion – unterschiedliche Vorstellungen, auch wenn es zum Beispiel in Bonn zu einem Kompromiß gekommen ist, der ist eben auch erwähnt worden, der dann Konsens heißt. Inwieweit das ein vernünftiger Konsens ist, sei dahingestellt. Das ist aber heute nicht das Thema.

Das Thema lautet: Wie gehen wir mit den real existierenden – daran kommen auch Sie nicht vorbei – radioaktiven Abfällen um? Die sind unangenehm, aber die sind vorhanden. Hier sind wir uns doch hoffentlich alle einig, daß diese Abfälle entsorgt werden müssen. Nun wollen wir sehen, was da Ihre Politik ist.

Sie sagen, Endlagerungsbestrebungen – zum Beispiel Stichwort Gorleben – müssen verhindert werden. Sie sind dafür dankbar, daß seitens der Bundesregierung zunächst ein Moratorium verhängt worden ist.

Pilotkonditionierungsanlagen – für eine wissenschaftlich und technisch vernünftige Vorbereitung einer Lagerung – wollen Sie auch nicht. Jetzt komme ich auf Ihren Antrag zu sprechen. Sie wollen aber auch nicht die zwischenzeitliche Lagerung dieser real existierenden Abfälle bei den Kernkraftwerken vor Ort.

Gut, das kann man nicht wollen, aber was wollen Sie dann nicht? Sie wollen dann auch nicht, daß sie wegtransportiert werden. Wie wollen Sie das denn überhaupt machen? Herr Jobs, Ihre Haltung ist grundsätzlich eine absolute Nein-Haltung, sie ist logisch vollkommen blödsinnig, und

Sie haben natürlich Ihre demagogischen politischen Absichten.

(Beifall bei der CDU)