Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Ich möchte mich in meinem Vortrag kurz auf zwei Punkte beschränken, die für Hamburg wichtig sind: erstens der Transfer des Multimedia-Wissens in die OldEconomy, in die traditionelle Wirtschaft, und zweitens die Zukunft des Medienstandorts Hamburgs, der von höchster Bedeutung ist, und die Beziehung zu Berlin, die heute auch schon angesprochen wurde.

Wie schaffen wir es, das Know-how aus den kleinen Multimedia-Unternehmen in die alte Wirtschaft zu transferieren? Wie können wir das in dieser Stadt organisieren, und warum ist das so wichtig?

Diese Frage, wie sich die Wirtschaft in den eigenen Betrieben mit der Digitalisierung auseinandersetzt und wie schnell sie sich fit macht, wird in Zukunft immer wichtiger sein. Das betrifft inzwischen insbesondere den Mittelstand, weil die Großunternehmen inzwischen die Notwendigkeit erkannt haben und entsprechende Milliardenbeträge investieren.

Hamburg hat sich einige Instrumente überlegt, wie man diesen Transfer von Wissen von staatlicher Seite unterstützen und wie man den Mittelstand animieren kann, auf das Internet zu setzen, auch wenn die augenblicklichen Nachrichten darüber uns zum Teil eher verharren lassen. Die Instrumente sind auch in der Großen Anfrage genannt worden. Das ist einmal ein Kongreß, der installiert wurde, der @company heißt. Ein weiteres gutes Beispiel – gerade für den Mittelstand – ist die Organisation von Best-practice-Beispielen, daß auch die kleinen und mittleren Unternehmen erkennen, was es ihnen bringt, wenn sie die Digitalisierung in ihren Unternehmen voranbringen. Ein weiteres gutes Beispiel für den Transfer von der New- in die OldEconomy und das Gespräch-in-Gang-Setzen ist für mich auch die E-Business-Lounge, in der auf Entscheiderebene der Austausch stattfindet.

Wir müssen uns noch einiges überlegen, um den Austausch von staatlicher Seite zu befördern, da es strategische Bedeutung für kleine und mittlere Unternehmen in dieser Stadt hat. Sie treten immer mehr in den Wettbewerb, der weit über die Grenzen Hamburgs hinausgeht.

Der Standortwettbewerb mit Berlin trifft uns da – ich will das neudeutsche Wort noch einmal benutzen, es wird in der Antwort des Senats auch gegeben –, wo unsere Stärken sind, nämlich im Content. Während wir mit München einen Standortwettbewerb im Multimedia-Bereich haben, der auf der IT-Schiene läuft, macht uns auf der anderen Seite im Inhalt, wo wir als alter Medienstandort stark sind, neuerdings Berlin Konkurrenz. Das ist ernst zu nehmen,

das hat der Senat in seiner Antwort auch so formuliert. Wir müssen uns in Hamburg überlegen, wie wir dieser Situation begegnen. Die Ursachen für die neue Standortkonkurrenz, die sich abzeichnet, sind tatsächlich – das hat der Senat gesagt – in zwei Gründen zu sehen:

Erstens die sogenannten weichen Standortfaktoren: Weltstadt im Wandel, Hauptstadtbonus.

Zweitens die Einbindung Berlins in die Förderung der EU für strukturschwache Gebiete – das ehemalige Ost-Berlin. Dadurch können den Unternehmen natürlich ganz andere Mittel angeboten werden, als Hamburg es laut EU-Recht kann.

Diese beiden Faktoren haben in letzter Zeit dazu geführt, daß einige Unternehmen und einige Mitarbeiter, insbesondere im Kreativbereich, sich Richtung Berlin orientiert haben.

Herr Klimke, wenn sich schon zwei Unternehmen wie TOnline und Bild.de zu einem großen Portal zusammentun, dann ist die Nachricht sicherlich bitter, daß der Redaktionssitz in Berlin ist. Aber es deutet darauf hin, daß Hamburg seine speziellen Stärken weiter ausbauen muß. Dazu gehört aus meiner Sicht folgendes:

Wichtig ist, daß wir die in den Gewerbehöfen angebotene Infrastruktur auf einem hohen Niveau belassen und weiter ausbauen. Auf der anderen Seite – und das macht uns in der Republik niemand nach – ist die Konsolidierung und der Ausbau unseres Netzwerkes – newmedia@work ist heute schon genannt worden –, aber auch der Förderkreis Multimedia e.V. von Bedeutung, der versucht, MultimediaUnternehmen und OldEconomy zusammenzubringen.

Ein wesentlicher Standortfaktor, der früher als weicher bezeichnet wurde, von dem ich aber glaube, daß er in Zukunft ein harter Standortfaktor wird, ist die Ausbildung. Hier wurden schon erste Schritte unternommen, indem wir den Multimedia-Führerschein für Quereinsteiger eingeführt haben. Außerdem wurden vom Senat Zusatzinvestitionen von über 8,5 Millionen DM für Hochschulen im MultimediaBereich beschlossen.

Wir tun dafür also etwas, Herr Klimke. Sie haben angemahnt, daß ein E-Commerce-Lehrstuhl installiert werden müßte. Das mag alles noch kommen, die Investitionen sind vom Senat eingeplant. Es ist aber fraglich, ob es unbedingt ein Lehrstuhl für E-Commerce sein muß. Es wird sich herausstellen, ob dies das strategische Feld ist, das momentan im Hochschulbereich vonnöten ist; das bleibt noch abzuwarten.

Diese Ausbildungsbereiche werden darüber entscheiden, ob die Mitarbeiter in Zukunft den Forderungen der Wirtschaft entsprechen. Wer zukünftig diese Mitarbeiter in unserem Land ausbildet, wird auch – wenn es um den Standortwettbewerb geht – die Unternehmen bekommen. Es geht dann nicht mehr darum, ob diesen Unternehmen Subventionen – wie von Berlin oder Bayern – gezahlt werden, sondern es geht um die Frage, ob es Menschen gibt, die entsprechend ausgebildet sind, damit sie für die Unternehmen arbeiten können.

Wenn wir es in dieser Stadt schaffen, daß wir die Ausbildung in diesem Bereich vorantreiben und sie als unser Standortprofil – neben den beiden anderen genannten – herausbilden, dann haben wir eine Chance gegen Berlin und München und gegen Köln sowieso. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei der SPD)

(Jürgen Klimke CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD kennzeichnet im wesentlichen, daß sie die Zeit völlig verpennt hat, in der solche Anfragen zu stellen sind.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei der CDU)

Die gesamte Welt Newmedia, Internet etc. setzt sich mit der gegenwärtigen Krise auseinander. Es gab sie auch schon, als Sie diese Anfrage gestellt haben. Alle diskutieren darüber, und Sie stellen eine Große Anfrage nach dem Motto: Wir in Hamburg sind toll, machen Newmedia besonders schön, und wir – die SPD – befinden uns im Wahlkampf. Ich weiß nicht, was Sie mit dieser Großen Anfrage noch alles ausdrücken wollten, aber sie ist eine Katastrophe. So kann man sich ernsthaft mit diesem Thema nicht auseinandersetzen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei der CDU – Präsidentin Dr. Dorothee Sta- pelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Die wichtigen Fragen, über die wir alle in den letzten zwei, drei, vier Monaten diskutiert haben, was beispielsweise diese Krise eigentlich bedeutet, sind überhaupt nicht angesprochen worden. Dementsprechend lohnt es sich eigentlich gar nicht, sich mit Ihrer Großen Anfrage auseinanderzusetzen, denn das ist durch die danebenlaufenden Fragen im wesentlichen geschehen.

Wir müssen zwei Dinge feststellen, die auch für die Politik wichtig sind:

Erstens: Das Internet und Newmedia haben es immer noch nicht geschafft, ein Konzept zu entwickeln, wie man eigentlich mit den Internet-Aktivitäten Geld verdienen kann.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Zweitens ist die Bedrohung durch Berlin sehr real; das weiß Herr Mirow ganz genau. Wir wissen, daß die Medienunternehmen von Berlin sehr umworben werden und daß es zwischen Hamburg und Berlin Absprachen über Kooperationen nicht nur für den Hafen, sondern auch für diesen Bereich geben muß. Der Verlust von Bild.de stellt für Hamburg ein ernstes Problem dar, weil dies ein erster Schritt ist, dem andere folgen werden. Es ist eine bedeutende politische Aufgabe. Das Ziel sollte sein, gemeinsam mit Berlin wachsen zu können. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, bei Jürgen Klimke und Jörn Frommann, beide CDU)

Das Wort hat Senator Dr. Mirow.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Schöne ist doch, daß sich die Zeiten ändern. Ich hörte von einem Vertreter der Gruppe REGENBOGEN, wie bedauerlich es sei, daß ein Teil der „Bild“-Organe seinen Standort nicht mehr in Hamburg habe. Wer hätte das vor 20 Jahren gedacht?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich möchte auf einige wenige Bemerkungen eingehen und mich dann dem aus meiner Sicht zentralen Thema zuwen

den. Zunächst zu der Bemerkung von Herrn Klimke, die bei Newmedia-Debatten nie fehlen darf: Das sei es nicht allein, wir müßten uns auch um die klassischen Medien kümmern.

Wer – wie Sie sicher, Herr Klimke – die letzte Handelskammerumfrage zur Lage der Medienwirtschaft in Hamburg angesehen hat, weiß, daß mit 9500 Unternehmen auch dieser Bereich erneut stark angewachsen ist. Die Unternehmen haben in ihrer Zukunftsvorausschau gesagt, daß ihre gehegten Erwartungen auf Wachstum ausgerichtet seien wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Meinen zweiten Hinweis möchte ich zur Ausbildung machen: Hierzu ist der Multimedia-Führerschein erwähnt worden. Ich möchte noch einmal ausdrücklich auf die Bemühungen hinweisen, in Hamburg eine MediaCity.Academie einzurichten. Das wäre eine uns von anderen Standorten abhebende Einrichtung. Insofern unterstützen wir dieses Bemühen im Rahmen unserer Möglichkeiten.

Weil Sie, Herr Klimke, die Hochschulen angesprochen haben, will ich hinzufügen: Wenn Sie das „Abendblatt“ von heute noch weiter zitiert hätten, dann hätten Sie viele Hinweise – sie sind in der Antwort auf die Große Anfrage auch vermerkt – über Maßnahmen zitieren können, die in den Hochschule im Bereich der Ausbildung erfolgt sind.

Wichtig ist, daß wir die Zahl der Studienanfänger im Bereich Informatik von 200 im Jahre 1996 auf heute über 400 haben verdoppeln können, denn das ist der Stoff, aus dem der Nachwuchs für die IT-Wirtschaft kommen muß.

Als drittes Stichwort haben Sie, Herr Klimke, das Thema E-Government genannt. Meine Kollegin Frau NümannSeidewinkel hat für Hamburg anläßlich der Cebit eine Auszeichnung für diesen Bereich entgegengenommen. Das spricht nicht dafür, daß wir hier Nachholbedarf haben.

(Beifall bei der SPD und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zu Berlin. Herr Müller, ich glaube, daß das Thema Bildung des Internet-Portals Bild.de und T-Online sehr speziell ist, das auch mit dem Haus Springer und der erklärten Absicht des neuen Vorstandes zu tun hat, die Aktivitäten in Berlin im Sinne des Doppelstandortes auszubauen. Generell sehe ich die Wettbewerbssituation zwischen Hamburg und Berlin weniger im Bereich der neuen Medien als in den klassischen Medien.

Ich möchte kurz auf die eigentlich zentrale Frage eingehen, wie es um die Unternehmen der NewEconomy – der neuen Medien – steht. Ich glaube, Herr Hackbusch, daß man es sich zu leicht macht, wenn man die Situation generell als Krise bezeichnet. Ich bin schon gar nicht der Meinung, daß es die Aufgabe der Politik und des Senats ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie man mit dem Internet Geld verdienen kann. Bei allem Respekt, aber hier gibt es zwischen der Wirtschaft und den staatlichen Stellen eine Arbeitsteilung.

Im übrigen gibt es ausweislich der Bilanzen viele Unternehmen, die mit dem Internet Geld verdienen. Frau Brockmöller hat auf die Entwicklung des Otto-Versands hingewiesen, die dafür sehr eindrucksvoll ist, daß man durch den intelligenten Einsatz des Internets durchaus Geld verdienen kann. Ich habe die Bilanzen des Otto-Versands jedenfalls nicht so gelesen, daß er demnächst Antrag auf eine Bürgschaft bei der Bürgschaftsgemeinschaft stellen muß.

Aber der für mich zentrale Punkt ist: Ich bin nicht ganz so zuversichtlich, wie es hier gelegentlich geäußert wurde, wer mit seinem Unternehmen gut arbeite, werde in jedem Fall auch eine gute Zukunft haben. Wir müssen uns schon eingestehen, daß es für die in Hamburg eine wichtige Rolle spielenden Unternehmen auch internationale Strukturen gibt, bei denen auf Teile ihres Unternehmens die Auswirkungen aus den USA spürbar sind. Wir müssen uns darum kümmern – ich tue das jedenfalls –, daß durch die Entwicklungen der großen Konzerne oder der neuen Unternehmen in den USA, die schon in eine beträchtliche Größenordnung gewachsen sind, die Hamburger Unternehmen keinen Schaden nehmen.

Zweitens wäre ich froh, wenn man das Forum der Bürgerschaft mitnutzen könnte, um ein Signal in die Stadt zu geben. Ich möchte jedenfalls die Gelegenheit nutzen, von dieser Stelle aus noch einmal sehr herzlich an die Banken und Kreditinstitute zu appellieren, jetzt die Taschen nicht zu sehr zuzunähen, sondern die Entwicklung in Erinnerung zu behalten, die sie im letzten Jahr mit Freude und Gewinnen begleitet haben. Es geht nunmehr darum, Unternehmen, die in eine neue Wachstumsphase übergehen, in einer Zeit zu finanzieren, in der die Kapitalmärkte dafür nicht so ohne weiteres geeignet sind. Wenn das nicht erfolgte – das wird kein Senatsprogramm ersetzen können –, dann liefen wir Gefahr, daß durchaus auch schon mittelständische Internet- und NewEconomy-Unternehmen womöglich ihre Stellung im Markt wieder einbüßen könnten. In einer solchen Situation haben die Banken und Kreditinstitute eine erhebliche Verantwortung, an die man sie vielleicht bei einer solchen Gelegenheit freundlich und kollegial erinnern kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Für den Senat möchte ich in aller Eindeutigkeit erklären, daß wir die gegenwärtige Entwicklung auf den Kapitalmärkten zwar sorgfältig beobachten, aber daraus nicht den aus meiner Sicht falschen Schluß ziehen, daß es mit der NewEconomy und den neuen Medien nicht so weit her sei. In der Verschmelzung von neuen Medien und Technologien und klassischen Wertschöpfungsstrukturen liegt für Hamburg eine große Chance. Was wir im Rahmen dessen tun können, werden wir beitragen, damit Hamburg diese Chance nutzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Damit ist die Große Anfrage besprochen.