Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

„Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder falschen Leumund machen, sondern ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.“

Nur so zum Nachdenken. Das gilt dann auch für die Damen und Herren, die zunächst konditionale und dann reale Rücktrittsgesuche aufgrund dessen stellen, was ich Ihnen eben vorgetragen habe. Das war nämlich der ganze Befund, der die Opposition dazu gebracht hat, mit den Worten „Jetzt reicht es“ den Rücktritt von Herrn Wrocklage zu fordern.

Damit kommen wir zum politischen Hauptpunkt der ganzen Affäre. Wir haben jetzt folgendes vor uns: In dieser Stadt gibt es eine Mini-Partei, die nach den bisherigen Umfragen durchaus Chancen hat, in die Bürgerschaft zu geraten, nämlich die des Herrn Schill. Die CDU unter Herrn von Beust, der vor vielen Jahren angetreten ist, eine liberale Großstadtpartei zu führen und zu formen, schließt eine Koalition mit diesem wildgewordenen Rechten nicht aus.

Es ist nicht ohne Ironie zu sehen, daß es nach vielen anderen Vorsitzenden der CDU in ihrer Fraktion ausgerechnet Ole von Beust sein wird, der als Steigbügelhalter von Schill in die hamburgische Geschichte eingehen wird.

(Anhaltender Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Beitrag von Herrn Schmidt war sicherlich

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Nicht schlecht!)

in einigen Passagen überzeugend und richtig, aber er hatte auch, wenn man genau zuhörte, etwas sehr Historisches an sich. Er guckte alte Entwicklungen an, was interessant war und nach meiner Meinung auch wichtig ist, aber auf die neue Situation, auf die Äußerungen des neuen Innensenators, Herrn Scholz, in den letzten zwei, drei Tagen, ist er nicht eingegangen. Leider hat der neue Innensenator zu meinem Bedauern gesagt, daß die CDU in ihren Kritiken des letzten halben Jahres im Zusammenhang mit der Inneren Sicherheit überall recht hat. Das hat er leider gesagt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und der CDU)

Er hat gesagt, daß es richtig war, daß die CDU sich hingestellt und gesagt hat: Wir wollen keine Sparmaßnahmen für die Polizei. Herr von Beust hat sich hier hingestellt und gesagt, es muß eine Gerechtigkeit in dieser Stadt sein, es darf nicht nur im sozialen und im kulturellen Bereich gespart werden, aber wir wollen bei der Polizei nicht sparen. Jetzt

(Dr. Martin Schmidt GAL)

stellt sich dieser Innensenator und mit ihm Herr Runde hier hin und sagt, die CDU hatte recht, hier wird nicht mehr gespart. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die in den sozialen Institutionen und im kulturellen Bereich arbeiten, weil dort weiter heftig gespart, und zwar zusätzlich noch gespart wird, wie wir heute festgestellt haben, und das ist ungerecht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die zweite wichtige Sache. Wir waren in der Aufklärung gerade bei den Menschen, die sich ein bißchen mehr in dieser Stadt und im Zusammenhang mit Ursachen und Verhältnissen auskennen. Der Drogenabhängige in dieser Stadt wird nicht – und das haben wir doch gelernt, und zwar meist gemeinsam – durch den Dealer drogenabhängig. Das war doch eine Erkenntnis, die wir gemeinsam festgestellt haben. Nicht der Dealer ist daran schuld, sondern er ist süchtig und braucht den Dealer, um diese Sucht zu befriedigen. Das ist furchtbar, das ist dramatisch, aber das ist eine Sache, wo wir in gewisser Weise aufklärerisch vorgehen müssen.

Jetzt erleben wir Herrn Scholz, wie er in der gleichen populistischen Art und Weise wie die CDU hier eintritt nach dem Motto: Wir werden die Drogenszene dadurch bekämpfen, daß wir auf die Intensivdealer reinschlagen, daß diese in einiger Zeit nicht mehr zu sehen sind, wie er sogar gesagt hat. Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist platt!)

Das hat mit Aufklärung im Zusammenhang mit diesem Punkt nichts mehr zu tun. Ich verstehe da die GAL nicht. Das ist einer der ganz wenigen Fortschritte, die im Zusammenhang mit Koalitionsvereinbarungen erreicht worden sind, und die werden mit dieser Erklärung praktisch vom Tisch gewischt.

(Doris Mandel SPD: Das stimmt doch nicht!)

In den nächsten Tagen und Monaten wird um den Populismus zwischen Schill, CDU und SPD gekämpft, und das wird man Wahlkampf nennen. Leider wird durch diese Entscheidung das Thema ins Zentrum des Wahlkampfs rücken.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist doch Quatsch!)

Das ist sicherlich nicht gut für die Aufklärung. Das Problem ist leider, daß wir diesen Mechanismus von Politik schon von dem großen Vorbild Herrn Schröder kennen, der nämlich auch immer gerne die CDU-Politik mit seiner SPD besetzt hat, um zu sagen, was wollt ihr denn, ich mache doch die Politik, die ihr alle wollt. Am Ende – und das ist die Befürchtung, die ich habe – weiß man den Unterschied zwischen SPD und CDU und was die mit der Inneren Sicherheit machen, nicht mehr. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete von Beust.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Schmidt, Sie haben schwere Vorwürfe ausgesprochen. Ob die stimmen oder nicht, kann ich genausowenig beurteilen wie, ob das, was in den Zeitungen berichtet wurde, stimmt.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Wenn es so ist, wie Sie sagen, Herr Schmidt, dann frage ich, warum Sie dann Herrn Wrocklage zum Rücktritt gezwungen haben, meine Damen und Herren. Dann hätten Sie es durchstehen müssen.

(Beifall bei der CDU – Lachen und Unmutsäuße- rungen bei der SPD und der GAL)

Wer ein schlechtes Gewissen hat, schreit, und Sie schreien zu Recht laut. Das kann ich gut verstehen, denn, wenn es so unmoralisch, so unanständig war und dieser arme Mann zu Unrecht unter allem hat leiden müssen,

(Barbara Duden SPD: Das ist unglaublich! – Doris Mandel SPD: Was wollten Sie ihm noch zumuten!)

finde ich Heldentum nach Ladenschluß ziemlich billig, Herr Dr. Schmidt.

(Beifall bei der CDU)

Dann hätten Sie zu ihm stehen müssen.

Unterstellen wir einmal, es stimmt, was Sie gesagt haben, dann frage ich mich, wo Ihre große Moral und Ihre großen Grundsätze und Ihr Anspruch auf Anstand und Ehrlichkeit gewesen sind, als es zum Beispiel um ungeheuerliche, nicht bewiesene Vorwürfe gegen Kohl und Schäuble wegen Bestechlichkeit ging. Da haben Sie geschwiegen, da haben Sie genauso mitgemacht.

(Beifall bei der CDU – Unmutsäußerungen bei der SPD und der GAL)

Ich sage noch einmal, als es um die Vorwürfe der Bestechlichkeit ging.

(Doris Mandel SPD: Sie haben den Biedenkopf ver- gessen!)

Darum meine ich, wer moralische Ansprüche an andere hat, der sollte diese nur dann äußern, wenn er mit sich selber im reinen ist und sich selber genauso verhält, wie er es von anderen erwartet. Sonst ist es Doppelmoral.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Schmidt, ich hätte große Lust, mit Ihnen jetzt eine Filzdebatte zu führen. Aber daß Sie den Umstand, daß sämtliche Spitzen der Hamburger Verwaltung

(Barbara Duden SPD: Sprinkenhof!)

und nahezu sämtliche Spitzen der Justiz und der öffentlichen Unternehmungen mit Sozialdemokraten besetzt sind, mit einer A-15-Stelle in der Landeszentrale für politische Bildung vergleichen, das ist doch schon ein Treppenwitz, Dr. Schmidt. Das hat überhaupt nichts damit zu tun,

(Beifall bei der CDU)

zumal der von Ihnen monierte Fall von den Grünen mitgetragen wurde. Ich weiß gar nicht, was Sie haben.

Meine Damen und Herren! Ansonsten möchte ich gerne an das anknüpfen, was Herr Hackbusch gesagt hat. Es ist in der Tat so, wenn Herr Scholz das macht, was er ankündigt – ob er das macht, das werden wir ja sehen –, daß er entschieden gegen die öffentliche Drogenszene vorgeht, daß mit der SPD eine Verschärfung des SOG gemacht wird, wie wir es selber gefordert haben, daß mit Intensivtätern härter umgegangen wird, daß man über Brechmittel nachdenkt, dann kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch zu der Einsicht, aber warum erst jetzt?

(Beifall bei der CDU)

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Hätten Sie und die Sozialdemokraten die Einsicht früher gehabt, hätten Sie sich und der Stadt viele Probleme ersparen können.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)