Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

(Beifall bei der SPD – Manfred Silberbach Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Nur innerhalb Ham- burgs nicht!)

Hören Sie erst einmal zu, dann können Sie später immer noch Ihre Kritik üben.

Was Hamburg selbst angeht, so besteht die eigentliche politische Herausforderung in der Gestaltung der Folgeunterbringung. Dabei wäre es geradezu töricht, die verschiedenen Bedarfsgruppen gegeneinander auszuspielen. Wenn darüber hinaus Frau Möller gegenüber der „Welt am Sonntag“ auf die besonders stark betroffene Gruppe der Spätaussiedler hinweist, dann könnte dies als Hierarchisierung der Dringlichkeit verstanden werden.

Die SPD-Fraktion kann und will sich nicht der Verantwortung für diese Probleme entziehen, die in den vergangenen Jahren nicht gelöst worden sind. Dennoch sieht es so aus, dass die dezentrale Unterbringung von Zugewanderten oft genug auf Widerspruch vor Ort gestoßen ist. Neben den unbegründeten Ängsten und den leider immer wieder artikulierten Formen von gewöhnlicher und alltäglicher Ausländerfeindlichkeit gibt es auch sicherlich real existierende Probleme. Diese sind aber nur durch umfassende Konzepte und durch gemeinsame Anstrengungen zu lösen, die neben Wohnen auch Bildung, Sprachförderung und Beschäftigung beinhalten.

Lassen Sie mich nun etwas zu den Kapazitäten der Folgeeinrichtungen sagen. Es kommt darauf an, die 3400 Menschen mit Wohnberechtigung aus der ersten Folgeunterbringung herauszuholen und in bezahlbare Wohnungen zu vermitteln; das hat auch Frau Möller ausdrücklich gesagt. Hier müssen gemeinsame Anstrengungen unternommen werden. Dass hier Operationalisierungsmöglichkeiten bestehen, hat das Modellprojekt Harburg schon gezeigt. Durch eine Vereinbarung zwischen Bezirksamt, BAGS, SAGA, GWG und der privaten Wohnungswirtschaft konnten kurzfristig 300 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht werden. Das ist die Wirklichkeit, meine Damen und Herren.

Diese Vereinbarung, die noch bis Ende 2006 läuft, ist beispielhaft und sollte auch auf andere Bezirke übertragen werden. Das Exempel zeigt, dass sozialstaatliches Handeln zur Lösung der Probleme immer noch dinglich ist und nicht das Postulat herrscht, den Staat auf seine so genannten Kernaufgaben, insbesondere im Bereich der Repression, zu limitieren.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Beschaffung von Wohnraum für Flüchtlinge gilt es immer, die Integrationsbereitschaft der ansässigen Bevölkerung nicht zu überfordern. Das finde ich richtig und wichtig. Das Harburger Projekt setzt deshalb auf Dezentralität und zieht die richtigen Konsequenzen aus Erfahrungen der Vergangenheit.

Richtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir innerhalb Hamburgs eine kommunale Solidarität brauchen; das ist überhaupt das Wort des Augenblicks.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GAL)

Dennoch hilft es nicht weiter, pauschal die Unterbringung in bestimmten Stadtteilen wie – um einen Vorschlag von Frau Möller zu nennen – zum Beispiel Barmbek-Süd zu fordern. Ich denke, am Grünen Tisch kann man die gleich

(Antje Möller GAL)

mäßige Verteilung der Bevölkerungsgruppe nicht herstellen. Es geht darum, die sensiblen Biotope der Stadtteile sorgfältig zu untersuchen und die richtigen Lösungen für die Bevölkerungsgruppen zu finden.

Abschließend möchte ich sagen: Eine vernünftige Weiterentwicklung des Harburger Pilotprojekts kann eine spürbare Verbesserung der Lebensbedingungen von Zuwanderern ermöglichen; das wird uns allen zugute kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man hat den Eindruck, als ob Sie in den letzten Jahren in Hamburg nicht regiert hätten.

(Beifall bei Elke Thomas CDU – Dr. Andrea Hilgers SPD: Ich weiß nicht, woher Sie das nehmen!)

Das will ich Ihnen jetzt erklären. Frau Hilgers, Sie gucken immer so muffelig, hören Sie erst einmal zu, vielleicht erhellt sich danach Ihre Miene.

(Uwe Grund SPD: Lass es doch sein, Sie Flegel!)

Können Sie mir sagen, wie Ihr schlüssiges Gesamtkonzept zur Integration der Zuwanderung war oder ist? – Nein, Herr Grund, das können Sie nicht, weil es schlichtweg keines von Ihnen gab.

(Uwe Grund SPD: Das ist flegelhaft!)

Die SPD hat in den letzten Jahren kein schlüssiges Konzept erarbeitet. Es gab und gibt von Ihnen für eines der dringendsten Probleme keine Antworten. Sie stellen sich nun hier hin und verlangen – heute nicht so deutlich – vom Senat nach etwas mehr als 100 Tagen eine Gesamtkonzeption.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Textbaustein!)

Frau Möller, für mich ist Ihr Verhalten gegenüber der „Welt am Sonntag“ eigentlich schon etwas unverfroren. Sie haben mit Ihrer Art von Integrationspolitik, die in Wirklichkeit keine ist, immer nur reagiert. Wenn es laut und unbequem und wenn geschimpft wurde, dann reagierten Sie; gestaltet haben Sie gar nichts.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Eine Fortsetzung dieser Vogel-Strauß-Politik wäre verhängnisvoll

(Anja Hajduk GAL: Bei Ihnen kommen wir mit dem Lesen nicht nach!)

und würde sämtliche Integrationsbemühungen zum Scheitern verurteilen. Es würden sich auf beiden Seiten, sowohl bei den Einheimischen als auch bei den Zuwanderern, Emotionen aufstauen, denen man mit Diskussionen nicht mehr beikommen könnte. Das Paradebeispiel Ihrer Politik war 1998 die Diskussion um die von Ihnen gebrochenen Worte und Zusagen um das Pavillondorf Hemmingstedter Weg.

(Erhard Pumm SPD: Wie soll es denn nun weiter- gehen?)

Sie sehen, dass der Senat in dieser Angelegenheit eine vollkommen unsortierte Politik vorgefunden hat. Jetzt komme ich zu dem, was wir wollen.

Wir wollen, dass Gerechtigkeit und Verlässlichkeit die Markenzeichen einer neuen Integrationspolitik werden. Herr Pumm, auch hier gilt – wie auf anderen Feldern – unsere neue Sozialpolitik. Die Kernaussagen: Wer kann und nicht will, dem müssen wir nicht helfen. Wer aber will und nicht kann, hat unsere uneingeschränkte Unterstützung verdient.

(Erhard Pumm SPD: Bravo, bravo!)

Die Sozialbehörde, das wissen Sie, arbeitet mit Hochdruck – das hat die Senatorin mehrfach ausgeführt – an einer neuen Gesamtkonzeption. Diese kann man nicht einfach so nach 100 Tagen, so mir nichts, dir nichts, vorstellen.

(Erhard Pumm SPD: Erwartet auch niemand!)

Es gibt viele offene Fragen, von denen ich drei ansprechen möchte.

Wie schaffen wir es – da gebe ich Ihnen Recht –, dass Familien, die einen Wohnberechtigungsschein haben, schneller aus Wohnunterkünften in Wohnungen zu vermitteln sind? Wie schaffen wir eine gerechte Verteilung der Asylbewerber? Wie schaffen wir eine neue Vertrauenskultur zwischen Einheimischen und Zuwanderern? Wir sind uns sicherlich alle einig, dass dies keine einfachen Fragen sind. Sie bedürfen der Antworten.

Künftig – da bin ich mir ganz sicher – werden wir bei der Vorlage dieser Gesamtkonzeption vor allen Dingen für die Einheimischen und die Zuwanderer eine berechenbare Integrationspolitik in Hamburg verwirklichen und – wenn wir diese dann endgültig definiert haben – auch zügig in die Praxis umsetzen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: Lauter Luftblasen! – Anja Hajduk GAL: Was haben Sie denn früher gemacht? Sie waren doch schon im Parlament!)

Das Wort hat Herr Rutter.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst haben wir festgestellt, dass viele Wohnungen fehlen. Ich komme noch einmal zur Frage des gestrigen Tages zurück: Wie schaffen wir eigentlich geeigneten Wohnraum ohne Flächenbedarf? Ich muss zugeben, dass ich ein wenig Probleme mit dieser Großen Anfrage habe, und möchte darum nur schlaglichtartig auf einige Punkte eingehen.

Sie fordern weitgehend eine statistische Bestandsaufnahme. Ich hätte mir im Umgang mit diesem diffizilen Thema etwas mehr Phantasie gewünscht, denn darin ist viel Sprengstoff enthalten. Zum Beispiel ist eine Aufschlüsselung nach Bezirken und Trägern für die Planung von Maßnahmen wenig hilfreich; wir denken hier eher an die Größenordnung von Quartieren. Stattdessen denken Sie immer noch in Dimensionen öffentlicher Belegungs-, Bindungs- und Dringlichkeitsscheinregelungen. Das ist uns – um es deutlich zu sagen – zuwider.

Weiter fragen Sie nach den Leerstandszahlen. Es stehen unter anderem viele Wohnungen leer, die mit dem richtigen Gedanken der Durchmischung saniert worden sind. Durchmischung ist aber nur möglich, wenn gleichzeitig das Umfeld attraktiv gestaltet wird. Niemand, der sich eine

(Luisa Fiedler SPD)

teurere Wohnung leisten kann, zieht dort hin, wo das Umfeld nicht genügend attraktiv ist. Daran müssen wir arbeiten.

Warum ist in der Vergangenheit niemand darauf gekommen, leer werdende Kasernen für Wohnungslose zu nutzen? Ich habe diese Frage mehrfach auf Veranstaltungen gestellt, wo es um Wohnungslose ging. Man hat nicht so recht gewusst, warum man darauf nicht gekommen ist. Denn was für unsere Soldaten gut genug war, wird für Wohnungslose möglicherweise auch gut genug sein.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Jan Ehlers SPD: Wo haben unsere Soldaten denn eigentlich ihre Frauen gelassen?)

Ich sprach von Obdachlosen, die man gewöhnlich allein auftauchen sieht.

Besonders unangenehm hat mich die Frage nach der verstärkten Sozialarbeit bei pflegen & wohnen berührt. Das ist schon ein durchsichtiger Versuch, dem Landesbetrieb zusätzlich umfangreiche soziale Aufgaben zuzuschieben. In der erwähnten Drucksache 15/6978 heißt es unter anderem: