Protokoll der Sitzung vom 27.03.2002

Jetzt kommen wir zu den Punkten 34 und 35, Drucksachen 17/381 und 17/382, Anträge der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP: Erweiterung des Angebots der bilingualen Grundschulen in Hamburg auf die Sprache Französisch und Fortführung eines bilingualen Schulangebotes in der Sekundarstufe I.

[Antrag der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP: Erweiterung des Angebotes der bilingualen Grundschulen in Hamburg auf die Sprache Französisch – Drucksache 17/381 –]

[Antrag der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP: Fortführung eines bilingualen Schulangebotes in der Sekundarstufe I – Drucksache 17/382 –]

Zur Drucksache 17/381 liegt Ihnen ein Antrag der GAL-Fraktion, Drucksache 17/514, vor.

[Antrag der Fraktion der GAL zur Drucksache 17/381: Intensivierung der Standortsuche für Grundschulen mit bilingualem Angebot in türkisch-deutscher Sprache und Erweiterung des Angebotes der bilingualen Grundschulen um die Sprache Russisch – Drucksache 17/514 –]

Diesen Antrag möchte die FDP-Fraktion an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Freund.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der eben sehr kontroversen Debatte hoffe ich, dass wir jetzt weniger Probleme und Konflikte haben, denn dies ist ein Thema, das für die gesamte Stadt sehr positiv ist.

Bilinguale Grundschulen sind unzweifelhaft eine Bereicherung für Hamburg.

(Beifall bei Alexander Porschke GAL und Martin Woestmeyer FDP)

In einem zusammenwachsenden Europa ist es wichtig, nicht nur wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen. Menschen des gleichen Kulturkreises, die gemeinsame Werte in Europa haben, müssen einander auch verstehen, denn Verständigung über Sprachgrenzen hinweg wird uns auch in Zukunft den Frieden in Europa sichern. Die Basis

(Ekkehard Rumpf FDP)

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gemeinsamer Werte ist wichtig. Vor diesem Hintergrund werde ich gleich noch auf den Zusatzantrag der GAL zurückkommen und beziehe mich erst einmal auf den ersten Antrag.

Die Einrichtung einer deutsch-französischen Grundschule ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden den Eltern und Kindern in Zukunft eine zusätzliche Möglichkeit geben, die Chancen eines zweisprachigen Unterrichts zu nutzen. Wer ein internationales Unternehmen wie die EADS in Hamburg ansiedelt, muss im Wettkampf um die Standorte, um die französischen Facharbeiter diesen Anreiz anbieten.

Nun zum zweiten Antrag: Die Idee, im Jahre 1999 erstmals eine zweisprachige Grundschule zu installieren und zu etablieren, war eine sehr gute Idee. In diese Richtung zielt auch unsere Initiative, eine Sekundarstufe I im bilingualen Bereich einzurichten. Die Fortsetzung des Modells macht angesichts der guten bisherigen Ergebnisse Sinn. Dieses Modell ist aus unserer Sicht ein Standortvorteil unserer Stadt und muss fortgesetzt werden. Mehrsprachigkeit ist ein Zeichen von Toleranz und Weltoffenheit. Gleichzeitig bietet sie eine gute Integrationschance. Die Vorteile für die Schüler sind ebenfalls evident. Ein internationales Studium fällt wesentlich leichter, wenn man vorher mehrsprachigen Unterricht gewohnt war. Das Gleiche gilt für die Berufe im internationalen Handel, die im dualen System am Ende der Sekundarstufe I als Option zur Wahl stehen.

Ich hoffe deshalb, dass wir in diesem Punkt der Zukunftsentwicklung im Schulbereich einen breiten Konsens herstellen, und bitte um Ihre Zustimmung zu diesen zwei Anträgen.

Jetzt komme ich noch einmal zurück auf den kurzfristig eingereichten Zusatzantrag der GAL und sehe im Moment eine Reihe von Gründen, die von Ihnen gewünschten weiteren bilingualen Schulen nicht zu schaffen. Entscheidend für eine mögliche Einrichtung ist aus unserer Sicht der Integrationsgedanke. Dieser entsteht aus der Mischung – so sieht das Konzept es vor – zur Hälfte von Kindern mit deutschsprachigem Elternhaus und den aus bilingualen Ehen oder anderen europäischen Ländern dieses Kulturkreises. Bei den von Ihnen gewünschten Sprachen, nämlich Türkisch und Russisch, sehen wir bei den entsprechenden Minderheiten in unserer Gesellschaft eine Tendenz zur Abschottung. Es kann auch nicht in Ihrem Sinne sein, das zu erreichen. Dieses wollen wir nicht unterstützen, indem wir an Schulen ein Angebot bieten, das es diesen Gruppen ermöglicht, ihre Kinder in einzelnen Schulen zu konzentrieren.

(Jan Ehlers SPD: Solche Schulen gibt es zuhauf in Hamburg!)

Ferner ist unserer Meinung nach zu befürchten, dass aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe die Zahl der Anmeldungen von Kindern mit deutschsprachigem Elternhaus in einer deutsch-türkischen Grundschule gering sein wird. Diese Entwicklung würde den vorab beschriebenen Effekt, nämlich den der Abschottung, noch verstärken. Wir wollen die türkischen Kinder in Deutschland integrieren; das ist auch Ihr Ziel. Dazu gehört die Teilnahme am Schulsystem und vordringlich der Erwerb der deutschen Sprache. Alle anderen Entwicklungen führen in die falsche Richtung. Die gesellschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren hat dies leider eindrucksvoll belegt.

Fazit: Nicht alles, was für die in Hamburg lebenden Gruppen von Portugiesen, Franzosen, Italienern oder Spaniern

als Modell geeignet ist, lässt sich beliebig auf andere Gruppen übertragen. Die Größe der ethnischen Minderheiten ist aus unserer Sicht unerheblich.

Vor diesem Hintergrund bin ich gespannt auf die Diskussionen über die hoffentlich zur Abstimmung kommende Überweisung an den Schulausschuss und warte auf Ihre Argumente. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Die Abgeordnete Fiedler hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird den Drucksachen 17/381 und 17/382 und insbesondere dem GAL-Zusatzantrag ihre Unterstützung und Zustimmung geben.

Die unter dem rotgrünen Senat eingeführten Modellklassen zur zweisprachigen Alphabetisierung – Italienisch/ Deutsch, Portugiesisch/Deutsch, Spanisch/Deutsch – sollen um eine deutsch-französische Grundschule ergänzt werden; das ist gut. Selbstverständlich unterstützen wir die Fortführung der italienisch-deutschen Grundschule mit einem bilingualen Angebot ab Klasse 5.

Europas Reichtum – das hat Frau Freund auch gesagt – ist der Reichtum einer vielfältigen und differenzierten Sprachenkultur. Aber hier hören, Frau Freund, unsere Gemeinsamkeiten auf.

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Damit kann ich leben!)

Es gibt, wie Sie wissen, viel mehr Sprachen als Nationen, viel mehr Kulturen als Nationen und selbstverständlich gehören alle in Europa gesprochenen Sprachen zum europäischen Sprachenreichtum. Das ist Türkisch, das ist Kurdisch, das ist Farsi, das ist Afrikaans und das sind ganz viele andere Sprachen, die in unserem Sprachraum gesprochen werden. Alles andere, Frau Freund, ist nichts anderes als Linguizismus oder, wenn Sie es noch klarer hören wollen, als Sprachrassismus.

(Oh-Rufe bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das hat nichts mit Rassismus zu tun!)

Übrigens hört die Globalisierung nicht an der Grenze der europäischen Länder auf. Es gibt einen wissenschaftlichen Begriff und der heißt: Linguizismus. Gucken Sie einmal im Wörterbuch nach, was das bedeutet.

(Beifall bei der SPD)

Diese Modellklassen, Frau Freund, sowie die bilingualen Zweige an Gymnasien mit Fachunterricht in englischer und französischer Sprache und auch die Einführung von Englisch im Grundschulbereich sind allesamt Zeichen dafür, dass in der Hamburger Schullandschaft ein, allerdings notwendiger, Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Wir haben uns befreit aus dem Korsett der Monolingualität und der Monokulturalität.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Und Sie, Frau Freund, nennen das Abschottung. Ich glaube, wir sprechen zwei unterschiedliche Sprachen. Ich rede jetzt allerdings nicht italienisch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

(Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Meine Damen und Herren! Hamburg und seine Schullandschaft ist durch Migration geprägt

(Karl-Heinz Winkler Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Leider!)

und damit meine ich die sprachliche Vielfalt. Wenn Sie „leider“ sagen, dann kommentiere ich das einfach nicht.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Auf Ihre Kommentare können wir verzichten, die hatten wir gerade!)

Ob Sie es bedauern oder nicht, das ist Fakt und zur Lebenswirklichkeit dieses Faktes gehören 30 Prozent Kinder, die eine andere Sprache sprechen. Sie repräsentieren einen Reichtum von über 100 Sprachen und Kulturen. Dennoch bleiben all diese Sprachen und Kulturen in den meisten Fällen ungenutzt und ungewürdigt. Sie werden überhaupt nicht kapitalisiert und das ist eine Schande.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Vermittlung der sprachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ist seit 40 Jahren ein kontrovers diskutiertes Thema und Mittelpunkt bildungspolitischer Diskurse. Das sehen wir jedes Mal, wenn wir das Thema anfassen oder wenn wir überhaupt über diesen Personenkreis sprechen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Und wer anderer Meinung ist, ist ein Rassist!)

Auch in Hamburg, das gebe ich zu, war jahrelang die Sprachförderpolitik von einem kompensatorischen Gedanken geprägt. Aber mit der Novellierung des Hamburger Schulgesetzes im Jahre 1997 wurde die Förderung der Zweisprachigkeit zum Postulat und als Erziehungsauftrag der Schule sozusagen in das Gesetz eingebettet. Es heißt wörtlich:

„Kinder und Jugendliche, deren Erstsprache nicht Deutsch ist,“

hören Sie jetzt zu –

„sind unter Achtung ihrer ethnischen und kulturellen Identität so zu fördern, dass ihre Zweisprachigkeit sich entwickeln kann.“