Protokoll der Sitzung vom 27.03.2002

Wenn sich auch nur ein Entscheidungsträger die Mühe gemacht hätte, vor Ort einen Blick auf die realen Verhältnisse zu werfen, dann hätte er schon mit bloßem Augenschein festgestellt, dass diese Brücke genauso überflüssig ist wie die übrigen Millionen für den Rest dieser Velo-Route.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Krista Sager GAL: Das Letzte ist nun leider falsch! – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Polle?

(Vizepräsident Peter Paul Müller)

Eines dürfen wir nie vergessen: Es ist nicht unser Geld, über das wir sprechen und das wir ausgeben, sondern es sind die Gelder der Bürgerinnen und Bürger Hamburgs.

(Doris Mandel SPD: Ich zahle Steuern, Sie nicht?)

Darum ist es unsere vordringlichste Aufgabe, das Geld der Steuerzahler so sparsam und so wirkungsvoll wie möglich einzusetzen.

Die nachhaltige Konsolidierungspolitik unserer Koalition setzt hier bereits erste Zeichen.

Wir haben neue politische Schwerpunkte formuliert. Der Senat hat fünf Kommissionen unter der Leitung des ehemaligen Rechnungshofspräsidenten Dr. Dieckmann eingesetzt, die derzeit ohne irgendwelche Tabus Verwaltungsstruktur und öffentliche Aufgaben einer konsequenten Aufgabenkritik unterziehen und Lösungsvorschläge unterbreiten. Diese Kommission ist bei dem Präses der Finanzbehörde angesiedelt und damit absolute Chefsache.

Nicht nur die sinnlose Vernichtung von Steuergeldern und der Verzicht auf Einnahmemöglichkeiten zieht sich alljährlich wie ein roter Faden durch den Bericht des Rechnungshofs.

(Erhard Pumm SPD: Roter Faden ist immer besser!)

Noch viel schwerer wiegt, dass die Verwaltung immer wieder aufs Gröbste haushalts- und wettbewerbsrechtliche Grundsätze verletzt hat. Sie hat dabei wiederholt gegen das Etatrecht der Bürgerschaft verstoßen. Das habe ich im letzten Jahr schon erzählt und in diesem Jahr muss ich das wieder erzählen.

(Anja Hajduk GAL: Und nächstes Jahr müssen wir das wieder erzählen!)

Von eingeschränkter Ausgabenpolitik, von der Achtung bürgerschaftlicher Rechte gibt es überhaupt keine Spur. Jährlich gibt es immer wiederkehrende Missachtungen.

(Manfred Mahr GAL: Hängen Sie sich nicht so weit aus dem Fenster!)

Wir werden den Jahresbericht in seinen Einzelheiten jetzt nicht diskutieren. Ich versichere Ihnen aber, dass wir den einzelnen Fällen im Rechnungsprüfungsausschuss und im Haushaltsausschuss gezielt nachgehen werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Kahlbohm.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Liebe Frau Ahrons und liebe Vertreter des Rechnungshofs! Frau Ahrons, dieser Bericht des Rechnungshofs ist in der Sache nichts Besonderes, sondern er spiegelt das wider, was jährliche Praxis ist.

(Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Mit anderen Worten: Der Rechnungshofsbericht ist falsch!)

Beim staatlichen Handeln, auch von Beamten, Politikern und – das werden Sie im nächsten Jahr sehen – auch von Ihnen werden Fehler gemacht. Diese gehören aufgespürt und geändert.

Dieser Rechnungshofsbericht ist nicht irgendeine Abschlussbilanz eines Senats und auch kein Gesamtbericht über Steuerverschwendungen, sondern er ist ein Bericht über das, was in der Realität passiert.

(Lachen bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Ja, ja!)

Der jährliche Prüfbericht und die Tätigkeit des Rechnungshofs ist von großer Bedeutung, denn der Rechnungshof ist gewissermaßen die Controlling-Instanz des Unternehmens Hamburg. Der Bericht hat natürlich wie jedes Jahr seine Bedeutung und muss abgearbeitet werden, um daraus Konsequenzen folgen zu lassen.

(Hartmut Engels CDU: Das werden Sie die näch- sten drei Jahre auch wieder erzählen!)

Die Konsequenzen geschehen auf zweierlei Weise: Zum einen auf direktem Wege zwischen Rechnungshof und Verwaltung – das spiegelt sich zum Teil bei den Äußerungen der Verwaltung zu den Darlegungen des Rechnungshofs wider – und zum anderen durch den Rechnungsprüfungsausschuss, über den das Parlament an der Haushaltskontrolle beteiligt ist. Dort wird alles Punkt für Punkt bearbeitet.

Wenn wir einmal darstellen, in welchem Verhältnis der uns vorliegende Bericht zu den vorangegangenen steht, dann ist wie jedes Jahr zu fragen: Was ist aufgespürt worden? Welche Bedeutung hat dies in seiner Gesamtheit? Wenn wir von den 10 Milliarden Euro ausgehen, die der Hamburger Haushalt ausmacht, wird man feststellen können, dass der Anteil der Beanstandungen – in der Regel sind die Vorwürfe alle berechtigt – im Promillebereich liegt. Das ist ärgerlich genug. Ich möchte damit nur einmal die Verhältnisse geraderücken.

(Henning Tants CDU: Die Rede heben wir uns auf!)

Da wo gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht.

(Ralf Niedmers CDU: Aha!)

Ganz überwiegend handelt es sich bei den beanstandeten Ausgaben um Fehler beim Verwaltungshandeln. Verbesserungspotenziale werden nicht selbständig erkannt und Missstände nicht schnell genug abgestellt. Gerade weil sich Betriebsblindheit schnell einschleichen kann, ist eine externe und überparteiliche Instanz so wichtig. Sie ist häufig viel besser in der Lage zu beurteilen, wo Fehler gemacht und Chancen nicht genutzt werden. Bei den beanstandeten Ausgaben handelt es sich in der Regel um ein Fehlverhalten Einzelner oder bestimmter Verwaltungsabteilungen.

Der Rechnungshof macht Verbesserungsvorschläge. Er ist insofern eine treibende Kraft für Modernisierungen und Veränderungen im Verwaltungshandeln und zeigt deshalb auch einen besseren Einsatz von Steuergeldern auf.

Gelegentlich werden natürlich auch gröbere Missstände, das heißt persönliches Fehlverhalten und sogar ins Kriminelle hineinreichende Punkte aufgespürt. Das muss alles abgearbeitet werden. Ich stelle mit Zufriedenheit fest, dass wir uns darin alle einig sind. Der Versuch, hier ein parteipolitisches Süppchen zu kochen, taugt nicht. Wenn man sich die Einzelheiten der jeweiligen Beanstandungen anschaut, stellt man dieses fest.

Ich möchte typische Beispiele nennen:

(Barbara Ahrons CDU)

Erstens beim UKE und dem Nichtgeltendmachen von Verwaltungskosten bei der Drittmitteleinwerbung. Hier gibt es hohe Beamte oder Angestellte, die das zu verantworten haben, weil sie Möglichkeiten übersehen haben.

Zweitens bei der Sozialhilfe im Hinblick auf die Rabatte für die Krankenfürsorge.

Drittens beim Bürgerhaus. Das ist ein kleiner Skandal. Er ist aber darin begründet, dass jemand nicht reagiert hat, wenn man im Bürgerhaus eine Show fördert, die nachhaltig keine Besucher hat.

Das sind Dinge, die abgestellt gehören. Unter Umständen muss hier eine Rüge ausgesprochen oder ein noch schärferes Mittel angewendet werden, aber hier liegt kein Fehler des Senats vor. Es wäre ein Fehler des Senats, wenn nachhaltig solche Dinge nie abgestellt werden oder kein Versuch gemacht würde, diese zu verändern. Das ist aber nicht der Fall.

Ein besonderes Konfliktfeld entsteht immer dann – auch zwischen Rechnungshof und dem Senat –, wenn Dinge im politischen Entscheidungsbereich liegen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Er verniedlicht immer nur!)

Da kann es schon einmal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Rechnungshof und Verwaltung kommen, ob ein Ziel hätte wirtschaftlich erreicht werden können. Das ist besonders der Fall, wenn die politischen Ziele nicht so klar formuliert oder erkennbar sind oder wenn der Rechnungshof diese für nicht so wichtig hält. Wir Politiker müssen dann entscheiden, was wir wollen.

So ist zum Beispiel bei der Gestaltung von Fahrradwegen vielleicht nicht nur der kürzeste Weg, sondern seine Attraktivität ein wichtiges politisches Ziel, womit dann bestimmte Ausgaben begründet sind. Frau Ahrons, das ist ein politisches Wollen und nicht die Verschwendung von Steuergeldern.

(Beifall bei der SPD)

Der von Ihnen genannte Fahrradweg ist bewusst durch einen Park und nicht an der Straße geführt worden. Insofern ist das gewollt.

(Bernd Reinert CDU: Das ist doch eine Geldver- schwendung!)

In diesen Fragen ist die politische Mehrheit entscheidend, was sie will.