Protokoll der Sitzung vom 08.05.2002

[Antrag der Fraktion der GAL: Neuregelung der Stellplatzbestimmungen – Drucksache 17/801 –]

Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Bauund Verkehrsausschuss überweisen. Wer begehrt das Wort? – Herr Wohlers.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich Sie grob über den Inhalt der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Globalrichtlinie über notwendige Kfz- und Fahrradstellplätze informieren. Ich halte dies für notwendig, weil man sonst das Abkassieren von Bauherren in der Vergangenheit nicht in vollem Umfang verstehen kann.

Werden gewerbliche Gebäude errichtet, bei denen mit Besucherverkehr beziehungsweise Kundenverkehr zu rechnen ist, sind gemäß der Hamburgischen Bauordnung eine bestimmte Anzahl von Stellplätzen zu errichten. Dies entspricht auch den Bauordnungen der anderen Bundesländer.

Die Anzahl der in den Landesbauordnungen den jeweiligen Nutzungen zugestandenen Stellplätze entspreche nach Aussage vieler Betroffener nicht mehr den aktuellen höheren Ansprüchen. Die benachbarten Bundesländer verstehen allerdings die den jeweiligen Nutzungen zugestandenen Stellplatzzahlen nicht als Obergrenze, sondern als Mindestanforderung. Auch hier ist ein Umdenken in Hamburg erforderlich.

Den Ländern steht es frei, für genau definierte Stadtgebiete per Satzung Bereiche auszuweisen, in denen von den nutzungsabhängigen Stellplätzen nach unten hin abgewichen werden muss. Das Hamburger Stadtgebiet wurde relativ grob in drei sogenannte Abminderungsgebiete aufgeteilt. Die Innenstadt wird durch den Verlauf des Wallrings begrenzt, die innere City wird in etwa durch den Ring 2 und nach Süden hin durch die Elbe begrenzt. Beim restlichen Stadtgebiet betrifft dies jeden Umkreis von circa 400 Metern zu S- und U-Bahn-Stationen.

Im Abminderungsgebiet I der Innenstadt durften nur 25 Prozent der notwendigen Stellplätze gebaut werden. Waren also zum Beispiel 20 Stellplätze notwendig, durften nur fünf gebaut werden. Im Bereich der Innenstadt macht eine solche Vorgabe auch Sinn, da hier der öffentliche Personennahverkehr sehr gut ausgebaut ist und zusätzlicher Verkehr vermieden werden soll.

Im Abminderungsgebiet II der inneren City durften nur 50 Prozent der notwendigen Stellplätze gebaut werden. Die bekanntermaßen unterschiedliche Struktur des Bereiches innerhalb des Rings 2 lässt schon erahnen, dass mit einer solchen willkürlichen Festlegung nur am Ziel vorbeigeschossen werden konnte.

(Senator Rudolf Lange)

A C

B D

Im Abminderungsgebiet III – dem übrigen Stadtgebiet – durften nur 75 Prozent der notwendigen Stellplätze im Umkreis von 400 Metern zu Schnellbahnstationen errichtet werden. Auch hier wurde – wie im Abminderungsgebiet II – keine beziehungsweise nur eine geringe Auswirkung auf die Entlastung der Straßen vom ruhenden Verkehr sowie eine Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs festgestellt.

Aufgrund der neuen verkehrspolitischen Zielsetzung der Koalitionspartner und der gemachten Erfahrungen wurde durch den heutigen Senat mit Wirkung vom 1. Januar 2002 auf die Abminderungsgebiete II und III verzichtet.

Seit der Novellierung der Hamburgischen Bauordnung im Jahre 1995 – wie vorhin ausgeführt – war es dem Hamburger Senat erlaubt, die Herstellung von Stellplätzen nach Maßgabe seiner ideologischen Überzeugung zu untersagen, aber gleichwohl die gesetzliche Ablösesumme vom Bauherrn zu kassieren.

Dies vorausgeschickt, möchte ich Sie bitten, sich das folgende Beispiel auf der Zunge zergehen zu lassen:

Sie sind als Bauherr aufgrund der Hamburger Bauordnung verpflichtet, zum Beispiel 50 Stellplätze zu errichten, und wollen dies auch tun. Sie dürfen aber aufgrund der Lage Ihres Baugrundstückes im Abminderungsgebiet I tatsächlich nur 13 bauen. Für die geforderten, aber gleichzeitig untersagten 37 Stellplätze müssen Sie einen Ablösebetrag in Höhe von zurzeit circa 355000 Euro bezahlen. Vor dem 1. Januar 2001 – zu diesem Termin wurde der Ablösebetrag gesenkt, weil man sich wohl seiner Dreistigkeit zu sehr schämte – wäre dieser noch höher ausgefallen. Damals wären annähernd 550 000 Euro fällig gewesen. Das ist ein nicht unwesentlicher Kostenpunkt innerhalb der Kalkulation.

Falls Sie nun die Welt nicht mehr verstehen, geht es Ihnen so wie manchem Bauherrn oder vielen Bauherren, die in Hamburg bauen wollten, sich dann aber lieber nach einem Investitionsstandort außerhalb Hamburgs umgesehen haben. Selbst wenn der Bauherr durch das Nichterrichten von Stellplätzen Geld sparen kann, ist ihm damit nicht geholfen. Er muss auf die steigende Motorisierungsrate der Bevölkerung reagieren, um seine Immobilie langfristig attraktiv zu gestalten. Von einer Entlastung der Bauherren kann also in keiner Weise gesprochen werden.

Wenn der Bauherr künftig außerhalb der Innenstadt willens und in der Lage ist, tatsächlich die mindestens notwendigen Stellplätze zu errichten, soll er dies ohne Hindernisse können. Möchte er mehr errichten, wird ihm dies in der Regel auch ermöglicht. Ist es ihm nicht möglich, seiner Stellplatzpflicht nachzukommen, kann er selbstverständlich durch Zahlung einer Ablösesumme von dieser Pflicht befreit werden.

Im Bereich der Innenstadt bleibt zwar das Abminderungsgebiet bestehen, eine Ablösung der untersagten Stellplätze findet aber auch hier künftig nicht mehr statt. Die Regelung der Ablösezahlungen war eine Hamburgensie der besonders kuriosen Art.

Die Bauordnung bedurfte dringend der erfolgten Überarbeitung, um von der ideologischen Attraktion Abstand zu nehmen. Lassen Sie uns der vorliegenden Änderung der Hamburgischen Bauordnung gemeinsam zustimmen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Herr Dose hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es fing heute sehr harmonisch an. Auch bei der Olympia-Debatte haben wir uns gut vertragen; aber das ist jetzt vorbei.

Herr Wohlers, wer hier von ideologischer Überzeugung spricht, der sollte so fair sein zu nennen, wofür das Geld benötigt wurde und nach unserer Meinung weiterhin benötigt wird: Für die Verbesserung des ÖPNV. Da gibt es noch manche Station, die behindertengerecht ausgebaut werden muss. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Dafür wird das Geld fehlen.

(Beifall bei Dr. Andrea Hilgers SPD – Heino Vahl- dieck CDU: Das glaubt nur einer!)

Außerdem sehen wir erhebliche Ungerechtigkeiten, wenn Sie ein bestimmtes Gebiet ausnehmen. Wer in Wandsbek, Eimsbüttel, Bergedorf, Harburg oder im Bezirk Nord investiert, muss für die Stellplätze alle notwendigen Kosten tragen. Das ist auch gut und richtig so. Diese sinnvolle Regelung soll nach dem Willen des Senats künftig im Bereich der inneren City, also innerhalb des Wallringes, nicht mehr gelten. In diesem wirtschaftlich sehr attraktiven Bereich können Bauherren und Investoren künftig Dreiviertel der Kosten für die Errichtung von Stellplätzen sparen. Nun ist die Innenstadt bisher nicht gerade eine Investitionswüste. Insofern ist diese Absicht völlig überflüssig und geradezu lächerlich sowie ungerecht gegenüber den anderen Stadtteilen.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Sie können zulasten der Hamburger Steuerzahler und des Hamburger Haushaltes sparen. Das ist völlig unberechtigt und stößt auf unseren erheblichen Widerstand. Welche Folgen hat das Senatsvorhaben?

Erstens: In der inneren City werden Investoren gegenüber denen in anderen Bereichen Hamburgs stark bevorzugt. Das macht stadtentwicklungsmäßig überhaupt keinen Sinn. Diese Einschätzung wird offensichtlich vom Senat geteilt, denn er versucht gar nicht erst, sein Ansinnen mit Argumenten zu unterfüttern.

Zweitens: Dem Hamburger Haushalt gehen erhebliche Einnahmen verloren. Das ist ein auffälliger Widerspruch zwischen dem ständigen Lamentieren des Senats über die schlechte Haushaltssituation und seiner willkürlichen Bereitschaft, einigen wenigen Investoren kostspielige Geschenke zu machen. Vielleicht erklären Sie das einmal den Hamburger Bediensteten in den Behörden oder auch den Lehrern. Was zurzeit dort abläuft, steht mit diesem Vorhaben wirklich in einer gewissen Beziehung.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die Schulden haben Sie zu verantworten!)

Warum will der Senat diese Regelung? Die offizielle Begründung in der vorliegenden Drucksache lautet: Die Investoren der inneren City haben nach der gegenwärtigen Regelung für ihre Zahlungspflicht kein Verständnis. Wer hat denn Verständnis für die Zahlungspflicht in Wandsbek oder Bergedorf? Wenn die dortigen Investoren auch kein Verständnis haben, gibt es dann die nächste Gesetzesänderung? Das hat mit Logik wenig zu tun.

(Bernd Reinert CDU: Ihre Rede auch nicht!)

Herr Reinert, Sie haben auch schon stärkere Zwischenrufe gemacht.

(Reiner Wohlers Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

(Bernd Reinert CDU: Ich habe ja Rücksicht auf Sie genommen!)

Herr Reinert, vielleicht hören Sie erst einmal zu. Dann können Sie sich später vielleicht auch zu Wort melden.

Die eigentliche Begründung für das Senatsvorhaben ist wohl, dass die den Senat tragenden Parteien im Wahlkampf einschlägige Versprechungen gemacht haben. Normalerweise ist es gut, wenn man Versprechungen auch einhält. Wenn aber dieser Senat der gebrochenen Versprechungen doch etwas hält, gibt es Anlass zu erhöhter Aufmerksamkeit bei der Frage: Warum soll ausgerechnet dieses Versprechen gehalten werden?

Die Baubehörde will zugunsten einiger weniger Investoren auf Einnahmen verzichten, um ein Wahlversprechen zu halten. Herr Reinert, dieselbe Baubehörde hat auch allen Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen, die Straßen künftig besser zu unterhalten. Dieses Versprechen wurde sofort gebrochen. Die Straßenbauunterhaltungsmittel wurden dramatisch gekürzt.

(Bernd Reinert CDU: Jetzt reden Sie doch einmal über die Grundinstandsetzungsmittel!)

Sie warten, bis die Straßen ganz kaputt sind und mit den Investivmitteln reparieren Sie sie wieder.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Mattner CDU: Darauf haben wir 44 Jahre gewartet!)

Das halten wir für unsinnig, Herr Reinert. Sie wissen genau wie wir, dass 95 Prozent der Hamburger Straßen in einem sehr guten Zustand übergeben worden sind.

(Lachen bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Es gibt also gebrochene Versprechungen gegenüber der gesamten Bevölkerung und gehaltene Versprechungen gegenüber einigen wichtigen Investoren. Man muss sich doch fragen: Wem wurde was versprochen? Zusätzlich ist zu fragen: Wem wurde was wofür versprochen? Wir werden jedenfalls die weitere Entwicklung – dazu gehören auch die Rechenschaftsberichte der Parteien – genau im Auge behalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet nach dem Motto: Tue Gutes und sprich davon. Unsere Botschaft ist, dass wir durch die Abschaffung der Stellplatzablöse wieder ein investitionsfreundliches Klima in dieser Stadt schaffen. Dazu kann man den neuen Senat nur beglückwünschen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Dass die SPD, Herr Dose, nicht begeistert ist, verwundert mich nicht. Die unterschiedlichen Auffassungen haben wir schon in der letzten Legislaturperiode ausgetragen. Ihr eben angeführter Vergleich mit den Außenbezirken und der Innenstadt hinkt nach meiner Auffassung ganz gewaltig. Sie wissen ganz genau, dass der Grund und Boden in der Innenstadt wesentlich teurer ist als in den Außenbezirken. Insofern stimmt hier irgendetwas nicht.

Lassen Sie mich am Anfang gleich klarstellen, dass wir eine Ausschussüberweisung der Senatsvorlage – wie von der GAL beantragt – ablehnen. Gleichfalls werden wir den Zusatzantrag ablehnen, weil er nicht unserer politischen Zielrichtung entspricht, die unter anderem vorsieht, so viel Stellplätze wie möglich herzustellen, um den Parkplatzmangel ein wenig zu entspannen.