Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

Gerade vor dem Hintergrund des Landesgleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderung ist es zwingend erforderlich, den Ausbau weiter voranzutreiben und zu einem Abschluss der gesamten Prioritätenliste zu kommen. Unser aller Ziel muss es sein, dass Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft ein autonomes Leben führen können.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Sie werden ja ganz unruhig, Frau Brinkmann, bleiben Sie ruhig, ich bin ja gleich fertig.

Ich möchte allerdings gerade den Kolleginnen und Kollegen, die sich in der Materie nicht so auskennen, sagen, dass Barrierefreiheit nicht nur die Absenkung von Bordsteinkanten oder Ähnliches bedeutet, sondern alle Behinderungen, gleich welcher Art, beinhalten muss.

(Erhard Pumm SPD: Butter bei die Fische!)

Als Beispiel will ich hier einmal die Seh- und Hörgeschädigten nennen. Auch hier benötigen wir innovative Lösungen zur Barrierefreiheit. Die Senatspläne, die bezirklichen Beratungsstellen für körperbehinderte Menschen zu reduzieren

(Doris Mandel SPD: Ja!)

und stattdessen zu zentralisieren, mögen auf den ersten Blick zwar bedauerlich sein, sind aber nicht zwingend unangebracht – Herr Weinberg hat das bereits erwähnt –, nämlich dann, wenn Zentralisierung mit einer Qualitätssteigerung einhergeht. Dies bemerkte auf der Anhörung, wo ich nicht war, unter anderem Herr Gleiss von Autonom Leben e.V. und ich wage auch nicht, ihm zu widersprechen.

(Doris Mandel SPD: Das hat er nicht gesagt!)

Doch, selbstverständlich hat er das erwähnt und auch da können wir das Wortprotokoll, das geführt worden ist, gerne noch einmal im Ausschuss hinzuziehen. Es muss natürlich gewährleistet sein, dass die Beratungsstellen behindertengerecht erreichbar sind und tatsächlich eine Qualitätssteigerung erfahren. Sie sehen also – und das ist der einzig kleine Vorwurf, den man vielleicht an dieser Stelle benutzen darf, da ich voll damit übereinstimme, dass dieses kein Wahlkampfthema sein darf –, dass Gleichstellungspolitik auch uns am Herzen liegt und dieses keinen Alleinanspruch der Sozialdemokratie rechtfertigt.

(Dirk Kienscherf SPD: Dann tun Sie doch mal was!)

Wir werden also einer Überweisung, Herr Kienscherf, in den Ausschuss zustimmen und dann eine sachorientierte Übereinstimmung finden. – Danke.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Petra Brinkmann SPD: Das braucht doch nicht in den Ausschuss, wenn wir uns einig sind!)

Frau Dr. Freudenberg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich wäre es am gescheitesten,

(Marcus Weinberg CDU)

der Senat legte jetzt ganz schnell den angekündigten Gesetzesentwurf für ein Landesgleichstellungsgesetz vor, denn dann hätten wir das alles gelöst.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Schade, dass die Senatorin gerade draußen ist. Vielleicht ist sie aber trotzdem bereit, uns heute zu sagen, wann dieser angekündigte Entwurf kommt. Es hieß mal im Herbst. Herbst haben wir ja jetzt. Vielleicht bekommen wir ihn ja übermorgen, das wäre schön.

(Dr. Michael Freytag CDU: Am 23. September ist Herbstanfang, noch haben wir Sommer!)

Der Antrag „Barrierefreier Ausbau der Schnellbahnhaltestellen“ ist trotzdem gut, denn er wird hoffentlich bewirken, dass jetzt endlich mit der weiteren Planung begonnen wird, denn bisher hat die neue Regierung hier wohl gar nichts getan, sondern sich auf den Lorbeeren – und die waren ja wirklich ziemlich gut von Rotgrün – gemütlich ausgeruht. Die Maßnahmen, die wir begonnen haben, werden jetzt allmählich fertig, aber Neues ist noch gar nicht in Planung und begonnen worden. Da kann ich nur sagen: Bitte beeilen Sie sich.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zumindest in dem europäischen Jahr der behinderten Menschen im nächsten Jahr sollten Sie Ihr Landesgleichstellungsgesetz vorlegen. Wir werden es dann, wenn es gut ist, auch schnell verabschieden.

Herr Weinberg, bei Ihnen kann man immer nur sagen, nicht quaken, sondern Taten. Was Sie hier vorgeblubbert haben, haben wir irgendwie nicht richtig verstanden.

(Beifall bei der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Das war sehr sachbezogen, was er sagte!)

Vor allem hätte ich gerne ein bisschen besser verstanden, was Sie von diesen ominösen Arbeitsgruppen in den Gesundheits- und Umweltämtern erzählt haben, die da irgendwelche Beratungsstellen planen. Das sind Dinge, die hier im Parlament noch nicht diskutiert worden sind. Die sind uns auch nicht zugänglich. Man hört mal dieses, man hört mal jenes und merkt, dass die Leute nervös sind. Ich kann das auch gut nachvollziehen. Wir wüssten aber gerne – das sind ja nun mal unsere Dinge, die wir fragen können, auch wie die Haushaltsplanung ist –, was die ominösen weiteren Einsparungen von 450 000 Euro im Bereich der bezirklichen Gesundheits- und Umweltämter zu bedeuten haben. Soll das jetzt in diese Körperbehindertenberatungsstellen gehen oder werden die zusätzlich eingespart? Das wissen wir alles noch nicht. Da hoffen wir auch, dass wir am Dienstag in den Haushaltsberatungen endlich Klarheit bekommen.

Auch der Malwettbewerb ist, denke ich, eine Selbstverständlichkeit, dass das hier in Hamburg umgesetzt wird. Wir können immer nur wieder appellieren: Nehmen Sie es ernst, Behindertenpolitik ist wirklich ganz, ganz wichtig.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Dr. Schinnenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Dr. Willfried Maier GAL: Jetzt kommt es wieder, dass schwerbehinderte Menschen selbstständig sind!)

Herr Dr. Maier, ich sehe, meine Beiträge sind zumindest bei Ihnen auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich begrüße das außerordentlich, dass Sie mir da zustimmen.

Frau Brinkmann, Sie haben es für nötig befunden, die Wahlplakate unseres noch amtierenden Bundeskanzlers zu zitieren. Sie haben davon gesprochen, wir Sozialdemokraten schaffen das. Wir haben gestern darüber diskutiert, dass gerade im Bereich der Arbeitsmarktpolitik Herr Schröder nichts geschafft hat. Er hat sein Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslosen nicht erreicht.

(Petra Brinkmann SPD: Zum Thema, Frau Präsi- dentin!)

Frau Brinkmann, nun warten Sie doch mal ab. Frau Brinkmann, Sie wissen doch ganz genau, Alter bringt eigentlich Gelassenheit. Halten Sie sich daran.

(Dr. Verena Lappe GAL: Das kann bei Ihnen noch dauern!)

Ja, das ist richtig, ich bin auch ein bisschen jünger.

(Wolfgang Franz SPD: Sagen Sie mal einen brauch- baren Satz! – Glocke)

Meine Damen, meine Herren! Wenn Sie alle durcheinander rufen, versteht kein Mensch mehr ein Wort und das Protokoll kann auch nichts mitschreiben. Also bitte etwas mehr Ruhe.

Sie haben gesagt, wir schaffen das in der Behindertenpolitik. Dann wollen wir uns doch einmal angucken, was die rotgrüne Bundesregierung in der Behindertenpolitik geschafft hat.

(Petra Brinkmann SPD: Ja, das gucken wir uns an!)

Da gibt es einen netten Artikel im „Tagesspiegel“ aus Berlin vom 10. September 2002, eine gute Woche her. Was steht da? Erster Satz:

„Die Bundesregierung wird ihr Ziel, bis zum Oktober 50 000 neue Stellen für schwerbehinderte Arbeitnehmer zu schaffen, vermutlich nicht erreichen.“

(Petra Brinkmann SPD: Vermutlich, vermutlich!)

Erster Fehlschlag.

Zweiter Satz, eine halbe Seite weiter:

„Die Bundesregierung hat zum Jahresanfang 2001 die Pflichtquote für die Beschäftigung Behinderter gesenkt.“

Meine Damen und Herren, was haben Sie geschafft, nichts haben Sie geschafft für Behinderte. Das ist nämlich die Lage.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Erhard Pumm SPD: Das ist totaler Quark!)

Jetzt zur Frage des Ausbaus der Schnellbahnhaltestellen. Es ist richtig, dass hier schon einiges erreicht wurde. Es ist aber auch richtig – insofern stimme ich der Tendenz Ihres Antrages zu –, dass die Prioritätenliste überarbeitet werden muss. Sie ist viele Jahre alt, sie muss den neuen Gegebenheiten angepasst werden.

(Krista Sager GAL: Nein, sie ist abgearbeitet! Sie haben überhaupt keine Ahnung!)