Protokoll der Sitzung vom 10.12.2002

Herr Grund, zu Ihnen komme ich gleich noch. Sie bieten ja immer Anlass zu Kommentaren.

Sie haben also vollkommen Recht damit, dass ein richtiges Konzept der Techniker-Krankenkasse – ich führe das einmal ein bisschen weiter aus – ein sehr durchdachtes Konzept mit Augenmaß ist. Man hat also nicht gesagt: Wir machen jetzt alle komplett, also zwangsweise. Die Selbstbeteiligung ist auf freiwilliger Basis, das maximale Risiko sind 60 Euro, die Vorsorgebehandlung wird ausgenommen. Das ist alles genau der richtige Ansatz. Das wäre jetzt ein winziger Teil einer echten Strukturreform. Ich finde es sehr gut, dass Sie das für die Grünen hier unterstützen. Ich habe nur ein Problem: Die Gesundheitsministerin, Frau Schmidt, sie ist nicht von Ihrer Partei, hat den ganz dicken Dampfhammer herausgeholt, sich dagegen ausgesprochen und will diesen kleinen Versuch einer Strukturreform gleich wieder verhindern. Wie gesagt, es ist nicht Ihre Partei, aber diese Ministerin lebt auch von Ihren Stimmen. Frau Dr. Freudenberg, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie etwas Vernünftiges machen wollen oder eine völlig verfehlte SPD-Gesundheitspolitik unterstützen wollen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ein Wort nur zu Achidi J., wir wollen den Namen ja nicht weiter nennen: Sie bringen uns in eine schwierige Situation. Sie wissen, dass es mittlerweile eine anonymisierte Kurzfassung der Gutachten zu dieser Frage gibt, und die Bürgerschaft hat noch nicht hierzu beschlossen, dass dieses nun öffentlich diskutiert werden kann. Ich persönlich und die FDP-Fraktion sind sehr dafür, dass es so schnell wie möglich passiert. Insofern habe ich ein bisschen Probleme, Ihnen zu antworten. Ich sage Ihnen nur eines: Aus diesem Fall den Schluss zu ziehen, wir wollten den Brechmitteleinsatz gar nicht mehr machen, ist völlig verfehlt. Wenn Sie die Gutachten lesen, ich hoffe, Sie haben es getan, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Achidi J. an vielem gestorben ist, nur nicht an den Maßnahmen der zuständigen Ärzte. Das darf man vielleicht hier schon einmal sagen, die Einzelheiten werden wir dann sehen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Mathias Petersen SPD: Woher wissen Sie das denn? – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Woher wissen Sie das Gegenteil?)

Ich möchte zum Bereich Gesundheit auf drei Punkte eingehen, zunächst einmal auf die Krankenhäuser. Sie wissen

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

alle, dass die Hamburger Krankenhäuser wie alle anderen deutschen Krankenhäuser seit vielen Jahren unter einem engen Korsett leiden, und nun mussten sie auch noch den Keulenschlag aus Berlin erleben. Eine Nullrunde, die in Wirklichkeit eine Minusrunde ist, und sie wurden mit gar nicht einmal sanfter Gewalt zu dem Fallpauschalensystem gezwungen, was ursprünglich optional sein sollte. Das bleibt ein Keulenschlag. Herr Dr. Petersen meinte noch vor wenigen Wochen hier sagen zu müssen, das sei alles Panikmache, dass die Krankenhäuser hier in Hamburg in Gefahr geräten. Herr Dr. Petersen, es dauerte nur wenige Tage, bis Sie widerlegt wurden. Das Altonaer Kinderkrankenhaus ist in Gefahr und das Amalie-Sieveking-Krankenhaus ist in Gefahr

(Dr. Mathias Petersen SPD: Quatsch! – Petra Brink- mann SPD: Deshalb doch nicht!)

und ich sage Ihnen voraus: Das sind nur die ersten Beispiele. Es wird noch wesentlich mehr Beispiele geben und damit sind Sie auf wunderbare Weise widerlegt worden.

Nun aber die nächste Frage. Ich gebe zu, das weiß ich auch erst seit zwei Tagen: Die Bundesregierung hat, möglicherweise sogar ungewollt, zum nächsten Schlag gegen die gesetzliche Krankenversicherung ausgeholt. Sie alle wissen, dass es den Vorschlag des Hartz-Konzeptes I und II gibt, was ja schon in wirtschaftspolitischer Hinsicht problematisch ist. Darüber will ich jetzt nicht reden. Das kommt vielleicht noch in anderen Debatten. Was Ihnen vielleicht noch nicht bewusst ist: Das wird das gesetzliche Gesundheitssystem ungefähr 2 Milliarden Euro kosten. 2 Milliarden Euro entziehen Sie den gesetzlichen Krankenversicherungen mit diesem Hartz-Konzept. Das ist ziemlich genau so viel, wie dieses vermaledeite Vorschaltgesetz angeblich bringen soll. Ergebnis: Nicht ein Euro wird mehr in der Kasse sein, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung hat auch hier völlig die Übersicht verloren und verpasst allen Krankenhäusern, auch den Hamburgern, einen weiteren Keulenschlag. Das ist die Situation.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Jetzt wollte ich eigentlich von Herrn Grund hören, dass er dagegen schimpft. Aber da hat er schon aufgegeben. Na gut.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Scherzkeks!)

Jetzt zu den speziellen Hamburger Problemen. Herr Wersich führte schon aus, dass hier der LBK seit vielen Jahren eine dominante Rolle spielt. Diese gilt es abzubauen. Es ist so, dass mehrere kleine Häuser, nicht nur die genannten, sondern auch zum Beispiel diejenigen, die zusammen das Diakonie-Klinikum bilden wollen, ebenfalls in Schwierigkeiten sind. Wenn wir da nichts tun, wird es sehr unangenehme Folgen haben. Wie können wir diese Probleme lösen?

Zunächst einmal, das wurde von Herrn Wersich schon völlig richtig ausgeführt: Durch eine Privatisierung des LBK und den Abbau der beherrschenden Stellung sowie durch eine Gleichberechtigung der freigemeinnützigen Krankenhäuser bei den Investitionen. Hierzu auch ein entsprechender Antrag der Koalition. Wo ich schon bei den Investitionsmitteln bin: Es wird immer gesagt, der neue Senat habe ja gar nicht genug Geld für die Investitionen für die Krankenhäuser. Ja, warum hat er das denn nicht? Weil Rotgrün bereits über die Hälfte des Geldes, was für die Legislaturperiode für Krankenhausinvestitionen vorgesehen war,

festgelegt und verfrühstückt hat. Die können wir also gar nicht mehr ausgeben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Mathias Petersen SPD: Werden sie denn ausgegeben?)

Wenn es also, meine Damen und Herren, Mängel geben sollte, wenn wir nicht alles sofort machen können, liegt das nicht an uns, sondern es liegt daran, dass der rotgrüne Senat auch hier Altlasten hinterlassen hat. Das ist die Situation.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Mathias Peter- sen: Das AK Barmbek ist eine Altlast?)

Im Übrigen ist es völlig falsch zu sagen, der neue Senat – das hatte, glaube ich, Herr Petersen gesagt – habe gar kein Herz, kein Interesse an den Krankenhäusern, wolle gar keine Investitionsmittel bereitstellen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Wann habe ich das gesagt?)

Herr Petersen, heute Morgen hat der Senat beschlossen: Weitere 40 Millionen Euro stellt der Senat zusätzlich zu dem, was Sie vorgesehen hatten, bereit, und zwar ganz gezielt nicht verkleckert, sondern für das wichtigste Projekt, was es in dieser Stadt in diesem Bereich gibt, das Diakonie-Klinikum. Das ist eine hervorragende Leistung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Frau Dr. Freudenberg, jetzt will ich Sie wieder ein bisschen in Schutz nehmen, damit Sie nicht in Schwierigkeiten geraten.

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL: Das ist nicht nötig!)

Ich hatte Sie vorhin gelobt. Nun kann ich das Lob bei der Drogenpolitik leider nicht fortsetzen. Sie haben ernsthaft gesagt, es gebe in dieser Stadt keine Drogenpolitik mehr. Meine Damen und Herren, wir haben etwas ganz anderes gemacht. Wir haben erst eine echte Drogenpolitik begonnen. Wir haben nämlich Drogenpolitik endlich einmal auf zwei Beine gestellt. Das Bein der Drogenhilfe hatten Sie auch schon. Wir werden im nächsten Jahr durch externe Evaluation sehen, wie gut das nun wirklich war. Das Bein hatten Sie schon. Aber das zweite Bein, die strenge Verfolgung aller Dealer, haben erst wir jetzt richtig durchgesetzt. Das ist doch der Punkt!

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Mathias Petersen SPD: Ja, das ist Ihre Gesundheitspolitik!)

Wir haben die Drogenpolitik überhaupt erst richtig eingeführt. Das ist der Unterschied zu dem, was Sie gesagt haben. Jetzt haben Sie gesagt: Ja, der Titel 8660.68461 – ich erkläre es gleich, keine Angst –, Zuschüsse an Vereine und dergleichen im Bereich der Drogenhilfe, wird abgesenkt. In der Tat, das ist so, um knapp über 4 Prozent und ich gebe auch gerne zu, die FDP ist davon nicht begeistert. Aber, meine Damen und Herren, im Unterschied zu Ihnen haben wir uns das nicht leicht gemacht. Wir haben da sehr gründlich über die Einzelheiten nachgedacht. Wir haben nicht etwa pauschal mit dem Rasenmäher gesenkt oder gekürzt und vielleicht irgendwo noch einen Schonbereich gefunden. Nein, wir sind da sehr dezidiert herangegangen.

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Wir haben zunächst einmal kleine Einrichtungen von Kürzungen ganz ausgenommen und wir sind sehr nach der Frequentierung gegangen. Jetzt kommt schon wieder ein Lob für Frau Dr. Freudenberg: Entschuldigen Sie bitte, Sie haben ja vollkommen Recht, dass bei der Drogenhilfe Eimsbüttel ein Viertel gekürzt werden kann. Nur die SPD sieht das noch nicht ein. Meine Damen und Herren, sehr gezielt und dezidiert, so schonend wie möglich haben wir das gemacht und nicht etwa nach dem Rasenmäherprinzip. Darum ist es auch erträglich.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Im Übrigen wies der Kollege Wersich schon darauf hin, dass unter dem Strich sogar mehr Geld für die Drogenhilfe zur Verfügung steht, denn wir müssen das Heroin-Modellprojekt dazurechnen. Dies hat übrigens zwei Effekte. Einmal, dass man sagt: Wir geben dafür viel mehr Geld aus. Aber es hat auch einen anderen Aspekt. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie Sie immer groß gesagt haben: Ja, das ist ganz wichtig und muss unbedingt passieren. Nur, Sie waren unfähig, das zu machen. Jahrelang wurden uns hier Standorte präsentiert, die allesamt komplett ungeeignet waren. Immer wieder sind Sie gescheitert. Wir haben nach wenigen Monaten einen sehr guten Standort am Högerdamm gefunden. Nicht einmal dazu waren Sie in der Lage. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Schließlich zum Verbraucherschutz. Es ist gar keine Frage, dass der eine ganz hohe Bedeutung hat. Die Haushaltsansätze bleiben entgegen Ihren Ausführungen im Wesentlichen gleich

(Dr. Mathias Petersen SPD: Im Wesentlichen!)

und es war auch richtig, das Hygiene-Institut und das Amt für Umweltuntersuchungen zusammenzuführen. Das Problem ist nur, was wir so oft in Hamburg haben: Wo ist denn die Hilfe von der Bundesebene? Auf der Bundesebene hört man eigentlich nur Schlagworte wie Agrarwende, die sich eigentlich selbst ad absurdum geführt hat. Sie wissen genau, der letzte Lebensmittelskandal war im Bereich der ökologischen Landwirtschaft. Es ist also Unsinn zu sagen, die klassische Landwirtschaft muss weg und dafür eine ökologische her. Das bringt nichts. Sie müssen strengere Kontrollen durchführen und Ihre Minister müssen einmal dafür sorgen, dass ihre Behörden besser kontrolliert werden. Dann sind wir vor dem nächsten Lebensmittelskandal viel sicherer als mit allen Schlagworten, meine Damen und Herren. Das ist die Lage.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Letzte Bemerkung: Wir können uns hier in Hamburg Mühe geben, wie wir wollen. Solange Gesundheitsministerin Schmidt in Berlin die Keule schwingt, kommt das deutsche Gesundheitswesen nicht weiter und immer mehr Hamburger Krankenhäuser werden in Schwierigkeiten geraten. Was wir tun können, machen wir, aber gegen so viel Unvernunft kann Hamburg allein nichts tun, nur der Wähler und der wird wieder eine Chance kriegen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort bekommt Senator Rehaag.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine Haushaltsdebatte und deswegen eingangs einige Zahlen. Von den auf die Behörde für Umwelt und Gesundheit im Haushaltsjahr 2003 entfallenden 368,6 Millionen Euro Gesamtausgaben macht der Ressortbereich Gesundheit und Verbraucherschutz mit rund 181 Millionen Euro knapp die Hälfte aus. Die Sach- und Fachausgaben im Bereich Gesundheit und Verbraucherschutz betragen knapp 75 Millionen Euro. Für Investitionen sind etwas mehr als 70 Millionen Euro veranschlagt.

Gesundheitspolitik für Hamburgs Zukunft muss sich – das kann man nicht oft genug betonen – am Leitbild der „Wachsenden Stadt“ orientieren; das setzen wir auch um. Für den Gesundheitsstandort Hamburg gelten in diesem Sinne drei Zielvorgaben: die Qualität in der gesundheitlichen Versorgung unserer Bürger und Bürgerinnen kontinuierlich zu sichern und weiterzuentwickeln, hierbei aber Gesundheit für den Einzelnen bezahlbar bleiben zu lassen

(Dr. Mathias Petersen SPD: Notfallversorgung!)

Sie müssen erst einmal zuhören, Herr Dr. Petersen –,

(Dr. Mathias Petersen SPD: Ach so, sagen Sie erst mal, was Sie mit der Notfallversorgung vorhaben!)

den Gesundheitsstandort Hamburg als einen bedeutenden Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor mit attraktiven und qualifizierten Arbeitsplätzen weiter zu stärken – haben Sie dazu auch etwas zu sagen? Nein, gut – und durch das hervorragende Angebot gerade an hochspezialisierten klinischen Versorgungsleistungen den internationalen Stellenwert Hamburgs im Gesundheitsmarkt der Zukunft voranzutreiben.

Dies alles ist zentraler Bestandteil des Leitbildes „Wachsende Stadt“. Für den Erfolg dieser Strategie kommt es wesentlich darauf an, dass die Hamburger Krankenhäuser fit für die Zukunft, also fit für den immer stärker werdenden Wettbewerb gemacht werden. Die Fallpauschalen, die ab 2004 anstelle der Pflegesätze in den Krankenhäusern verbindlich eingerichtet werden, sind ein Schritt in Richtung leistungsbezogene Finanzierung. Die Hamburger Krankenhäuser sind auf das neue Vergütungssystem gut vorbereitet. Mehr als die Hälfte der Hamburger Kliniken werden bereits im nächsten Jahr an dem DRG-Optionsmodell teilnehmen. Um unsere Krankenhäuser aber auch international konkurrenzfähig zu machen, müssen bestehende Wettbewerbshindernisse beseitigt werden. Hierzu gehört auch, dass sich kleinere Krankenhäuser zusammenschließen, um überlebensfähig zu bleiben.

Aus aktuellem Anlass sage ich an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit: Die Meldungen der letzten Tage, auch was heute hier erörtert wurde, wonach insbesondere die beiden Hamburger Kinderkliniken von einer Schließung bedroht seien, treffen nicht zu.