das geht aus der Antwort des Senats hervor – schon jetzt die Großstadt in Europa, in der am schnellsten gefahren wird. Wir haben eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 28 Stundenkilometern in der Stadt. Das ist deutlich mehr als in Berlin, Brüssel oder Madrid. Es gibt im europäischen Vergleich keine andere Großstadt, in der es schneller ginge. Trotzdem soll es hier unbedingt schneller werden.
Ob das klappt, das dürfen wir getrost infrage stellen, denn wir haben bei der Bundesanstalt für Straßenwesen, im Institut für Straßenverkehr Köln, im Deutschen Verkehrssicherheitsrat, an Universitäten und bei freien Planern nachgefragt. Dort haben alle gesagt: Ja, theoretisch mag das sein, aber genau festlegen kann man sich auf gar nichts, man kann das aber sehr genau untersuchen. Was macht der Senat? Er lässt nicht untersuchen, sondern macht einen Feldversuch in Hamburg und erklärt damit die Anwohner dieser Hauptverkehrsstraßen zu seinen Versuchskaninchen, anstatt nun einfach zu sagen, wir untersuchen es wissenschaftlich.
Tatsächlich ist es aber so, dass auch die Unfallgefahr auf diesen Straßen weiterhin wachsen wird. Es gibt drei gute Gründe, warum das so passieren wird.
Erstens: Der Senat antwortet, dass eine der häufigsten Unfallursachen „Fußgängerfehler beim Überschreiten der Fahrbahn“ und „Fehlverhalten gegenüber Fußgängern“ lautet. Das sind zusammen 30 Prozent aller Verkehrsunfälle in Hamburg.
Das habe ich genau gelesen. Nun machen Sie sich keine Sorgen, hören Sie mir lieber zu, dann begreifen Sie es auch.
Wenn dieses die häufigsten Unfallursachen überhaupt sind, dann kann mir doch niemand in diesem Hause erklären, dass die Gefahr dieser Unfälle geringer würde, wenn man die Geschwindigkeit heraufsetzt. Das ist doch unlogisch.
Das zweite große Unfallrisiko, das daraus erwächst, ist, dass zwischen schnellen und langsamen Fahrzeugen auf diesen Straßen ein immer größeres Geschwindigkeitsgefälle entsteht. Es gibt Suchverkehre, es gibt Abbiegeverkehre, es gibt Querungen und genau die Unfallursachen, die da heißen: Fehler beim Abbiegen, Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr, Verstoß gegen Vorfahrtsregelungen und noch einige andere werden durch ein größeres Geschwindigkeitsgefälle zwischen den Fahrzeugen geradezu provoziert.
Aber das Allerschlimmste ist die Gruppe von 16 Prozent aller Unfälle, die auf nicht angepasste Geschwindigkeit und Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückzuführen sind. Das sind jetzt schon 16 Prozent. Hier wird zum Halali auf den Hauptverkehrsstraßen geblasen.
Niemand kann mir erklären, dass diese Selbstüberschätzung von Autofahrern, die wir schon jetzt überall beobachten können, dadurch nicht weiter vorangebracht würde, dass hier gesagt wird, liebe Leute, nun fahrt mal bitte noch schneller auf den Hauptverkehrsstraßen.
(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Wieso soll ich denn schneller fahren? – Glo- cke)
Haben Sie Ihre eigenen Programme nicht gelesen? Sie wollen doch von Tempo 50 auf Tempo 60 erhöhen, also soll schneller gefahren werden. Die Folgen dieser Raserei
„Nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten bewirkt generell eine höhere Geschwindigkeit bei einem Aufprall eine höhere Energieabgabe.“
Bäh! Das möchte ich einmal hören, wie Sie auf einer Trauerfeier den Leuten erklären, dass dort eine Energieabgabe leider nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.
Wir wollen mal ganz sachlich festhalten, was bei Tempo 50 passiert. Da haben wir nach neuesten Berechnungen einen Bremsweg von ungefähr 25 Metern. Bei Tempo 60 sind das schon 32 Meter, bei Tempo 69, die man fast ungestraft noch fahren kann – denn erst bei Tempo 69 beginnt nach Ihrer Definition die Sanktionierung –, bei Tempo 69 ist der gesamte Anhalteweg bei 40 Metern. Das sind 15 Meter mehr, im Zweifelsfall 15 Meter zuviel.
Wenn wir das mal andersherum ausdrücken, ich fahre Auto mit Tempo 50, das können Sie sich gut vorstellen.
Quatsch mit Soße. Sie fahren Tempo 50 – nun hören Sie mir einmal zu, das werden Sie noch ertragen können – und wenn Sie dann abbremsen, weil sie dort eine Gefahr erkennen, dann sind Sie nach ungefähr 19 Metern schon bei einem Tempo von 25.
Das ist ein Tempo, das ein Kind, das Sie dort anfahren, nach aller Wahrscheinlichkeit noch überlebt. Wenn Sie Tempo 69 fahren, sind Sie noch in dieser Reaktions
sekunde und fahren mit Tempo 69 auf das Kind und dieses Kind wird den Unfall nicht überleben. Das ist der Unterschied. So deutlich sind die Unterschiede.
Auch dieser Unterschied gilt nur unter den günstigsten Voraussetzungen. Es ist hell, der Fahrer ist konzentriert, es ist nicht nass, es gibt keine Ablenkungen. Professor Lachenmayr, der Vorsitzende der Verkehrskommission der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, bezeichnet selbst dieses als wissenschaftlich nicht haltbar. Die Reaktionszeit von unterstellt nur einer Sekunde ist im Stadtverkehr zu kurz. Wenn Sie sich nämlich in der Stadt zum Beispiel auf Ihren Vordermann oder auf einen Fußgänger, der die Straße überquert, konzentrieren, dann sind Sie nicht mehr in der Lage, peripher zu sehen.
Das bedeutet aber, dass Sie Gefahren, die dort entstehen, wesentlich später erkennen und dass Sie dann im Zweifelsfall tatsächlich einen Unfall haben. Das wird alles noch viel schlimmer, wenn die in Hamburg völlig unüblichen Begleitumstände, wie Nässe, Dunkelheit während der Hauptverkehrszeit oder Ablenkungen durch Werbeanlagen, noch dazu kommen. Dann kracht es bei Ihnen.
Im internationalen Vergleich möchte ich jetzt einmal feststellen: In Dänemark, in den Niederlanden, in Großbritannien gibt es zurzeit flächendeckende Versuche, den Verkehr sicherer zu machen. In Schweden und in der Schweiz geht man sogar so weit, amtlicherseits „Vision Zero“ zu befördern. Das bedeutet eine Vision von null Verkehrstoten.
Das ist überhaupt nicht wahr, Herr Ehlers. Passen Sie auf, was Sie sagen. Machen Sie sich einmal schlau über das, worum es hier geht.
Die schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung hat einen ganzen Katalog vielfältigster Maßnahmen entwickelt, wie man den Verkehr sicherer machen kann. Allein auf die Idee, innerorts die Höchstgeschwindigkeit heraufzusetzen, kommt in unseren Nachbarländern merkwürdigerweise niemand. Wieso eigentlich? Auch Sie werden uns hier nicht erklären können, warum das nicht Unfälle geradezu provoziert.
Gerade im internationalen Vergleich habe ich immer wieder das einzige Bild vor Augen, was Verkehrspolitik angeht, dass der Senat sich irgendwie dort hinten in den Räumen in eine Zeitmaschine gesetzt und den Hebel auf Vergangenheit gestellt hat. Legen Sie ihn doch einfach auf diese Seite des Hauses und kommen Sie mit uns in der Gegenwart an.