Protokoll der Sitzung vom 06.02.2003

Herr Dobritz, Ihre rechtlichen Ausführungen sind falsch. Sie liegen neben der Sache und werden sich korrigieren müssen, das kann ich Ihnen prophezeien. Aber das Thema des heutigen Tages ist ein ganz anderes. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Debatte darüber heute an sich nicht besonders sinnvoll ist,

(Michael Neumann SPD: Sagen Sie es mal der FDP!)

weil dies im Wirtschaftsausschuss diskutiert, geprüft und untersucht werden muss. Sie haben diesen Antrag gestellt, wir werden ihn unterstützen und somit ausreichend Zeit haben, darüber im Wirtschaftsausschuss zu reden.

Aber einige wenige Bemerkungen zu diesem Thema und zu keinem anderen Thema sollen mir gestattet sein. Wir haben erfreulicherweise in Deutschland eine große Medienvielfalt und der Erhalt dieser Medienvielfalt muss uns wirklich allen am Herzen liegen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ob das heute noch der Fall ist, ist im Moment eine offene Frage. Wenn die Wirtschaftspolitik in Berlin so weiter geführt wird wie zurzeit, dann sage ich ein großes Zeitungssterben voraus. Dieses Zeitungssterben liegt auf der Hand. Warum spreche ich von Zeitungen, wenn wir eigentlich über die öffentlich-rechtlichen Anstalten sprechen müssten? Das werde ich gleich erklären. Beim Durchblättern dieser schönen Papiere habe ich einen verräterischen Satz gefunden. Da heißt es – ich will ihn lieber zitieren –:

„ist sicherzustellen, dass... unkalkulierbare Einnahmerisiken vermieden werden.“

Das ist ein herrlicher Satz; solch einen Satz kann man nur in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt finden und sonst nirgends.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Denn was heißt das? Das heißt doch,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Die Melkkuh der Bürger!)

dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten sich in ihrem sicheren Sessel wohl fühlen können und auch wohl fühlen dürfen, weil sie – ich kritisiere das gar nicht – damit rechnen können, feste, garantierte Einnahmen über einen längeren Planungszeitraum zu haben. Das sollen sie und das müssen sie auch haben, denn sonst könnten sie ihren öffentlich-rechtlichen Anspruch nicht erfüllen. Ich will es nicht kritisieren, aber vor einem möchte ich ausdrücklich warnen. Hinter diesem Satz klingt doch heraus, dass bald wieder neue Anstrengungen unternommen werden, um Werbeeinnahmen zu erhöhen, die beim ZDF eine große Rolle spielen. Beim ZDF sind es 40 Prozent des Umsatzes, bei der ARD nur 4 Prozent. Insofern spielt es bei der ARD keine so große Rolle, aber immerhin waren es 460 Millionen Mark und im Jahr 2001 betrug der Rückgang 15 Prozent. Dieser fünfzehnprozentige Rückgang hat nicht dazu geführt, dass die ARD mit ihrem Betriebshaushalt in rote Zahlen geraten ist. Es werden sowohl in der ARD als auch

(Werner Dobritz SPD)

beim ZDF immer noch Überschüsse erwirtschaftet – erfreulicherweise, kann ich hinzufügen.

Was ich nicht möchte und wovor ich jetzt und heute schon warnen möchte, ist, dass bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten die Werbezeiten zulasten der Printmedien ausgeweitet werden, die Werbezeiten vielleicht mit Unterbrechungen ausgeführt werden und die viel umstrittene und viel diskutierte 20-Uhr-Grenze aufgegeben wird. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten – der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt –, zulasten des gesamten Werbekuchens die Einnahmeseite der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu verbessern und zu vergrößern. Davor möchte ich bei dieser Gelegenheit ausdrücklich warnen.

Ich füge hinzu, dass im Gegensatz zu diesen Anstalten, von denen wir jetzt reden, die vergleichbaren meinungsbildenden Qualitätszeitungen in der Bundesrepublik fast alle in den roten Zahlen sind, ob das die „Welt“ ist, die „FAZ“, die „Süddeutsche Zeitung“,

(Farid Müller GAL: Die „Welt“ immer!)

„Der Tagesspiegel“, die „Berliner Zeitung“ oder die „Frankfurter Rundschau“. Ich könnte ein Dutzend weiterer Zeitungen nennen, die alle rote Zahlen schreiben und in schweren Gewittern arbeiten, und ich bin ganz sicher, dass nicht alle überleben werden. Mit jeder Preiserhöhung im Werbefernsehen wird es den Zeitungen schwerer gemacht. Wissen Sie, was wir alle zahlen, was jeder Rundfunk- und Hörfunkteilnehmer täglich für dieses breit gefächerte Angebot zahlt? Das sind 54 Cent am Tag und dafür kann man keine Zeitung produzieren. Das kann man nur machen, wenn man Planungssicherheit hat, wenn man die Gebühren bekommt und weiß, dass diese alle vier Jahre erhöht werden. Aber ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, dass jede Gebührenerhöhung zu Abbestellungen bei Abonnementzeitungen führt; daran geht kein Weg vorbei.

Deswegen möchte ich nichts weiter tun, als Ihre Sensibilität für das zu erhöhen, was die Gebührenhoheit bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten ausmacht; das war mein heutiges Anliegen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort erhält der Abgeordnete Hardenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! HAM lasse ich weg, den Anlauf lasse ich weg und komme gleich zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Ich bin eigentlich froh, dass es die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gibt.

(Ingo Egloff SPD: Ich auch!)

Ansonsten hätten wir für ausführliche Informationen, politische Kommentare und wissenschaftliche Sendungen wenig Spielraum.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Quizsendungen und Soap Operas als Rahmenprogramm für Werbeblöcke würden garantiert zu einer Verschlechterung innerhalb der PISA-Studie führen.

Den nächsten Absatz kann ich weglassen, das haben wir gerade schon gehört.

Kommen wir kurz zur Programmgestaltung. Untersuchungen haben ergeben, dass die Zuschauerinnen und Zu

schauer die öffentlich-rechtlichen Sender für glaubwürdiger, anspruchsvoller und seriöser als die privaten Sender halten.

(Ingo Egloff SPD: Sind sie auch!)

So liegen die Anteile der politisch Interessierten dabei auch wesentlich höher; dasselbe gilt natürlich für die Hörfunksender. Da liegt die Tagesreichweite bundesweit schon allein über 50 Prozent. Aber besonders die Kultur, die Politik und die Infoprogramme der Landesrundfunkanstalten und überregional des DeutschlandRadios haben einen großen Anteil am gesellschaftspolitischen Integrationsauftrag.

Meine Damen und Herren! Wir sind froh, dass es die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gibt, denn gerade in Hamburgs Kultur treten ARD und ZDF als Sponsoren und Förderer auf. Hierauf möchten wir selbstverständlich nicht verzichten und sagen den Sendern danke. Über die Geschäftsberichte und alles andere werden wir uns sicherlich im Ausschuss unterhalten.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Farid Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Müller-Sönksen, Sie wollen über Medienpolitik reden. Wir hätten es gestern gerne getan, aber Sie haben es verhindert. Jetzt reden wir heute darüber, auch wenn Sie am Anfang ein bisschen vom eigentlichen Thema abgeschweift sind; uns ist es nur recht.

Ich kann Herrn Dobritz nur unterstützen. Was Sie planen, den Abbruch eines Wahlverfahrens zum Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien, ist politisch fragwürdig und degoutant und rechtlich mindestens fragwürdig. Unsere bisherigen Prüfungen haben ergeben – da hat Herr Dobritz ganz Recht –, dass dies fast verfassungswidrig ist.

(Carsten Lüdemann CDU: Fast verfassungswidrig gibt es nicht!)

Ich sage fast, weil wir noch in der Prüfung sind. Das ist eine sehr komplizierte Materie und man darf es sich dabei nicht so einfach machen wie Sie von der Koalition, einen Antrag einzubringen, ihn nach 14 Tagen wieder zurückzuziehen und heute einen neuen vorzulegen. So einfach kann man es sich bei dieser Materie nicht machen, aber uns scheint der Gang nach Karlsruhe wegen Ihrer Machenschaften nicht erspart zu bleiben.

Herr Müller-Sönksen will den Medienstandort Hamburg durch Entbürokratisierung stärken. Aber was ist wirklich los in Hamburg? Die Handelskammer hat, wie wir heute in den Medien gelesen haben, einen Vorschlag gemacht, wie der Medienstandort insgesamt gestärkt werden kann.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Die Handelskam- mer traut sich endlich mal, Vorschläge zu machen!)

Da gibt es sehr viele interessante Vorschläge und es ist eine schallende Ohrfeige für die bisherige Wirtschaftspolitik von Herrn Uldall. Wir werden zu gegebener Zeit darüber noch zu reden haben.

Nun zu Ihrem Plädoyer für einen Standort im Zusammenhang mit einer Novellierung des Hamburgischen Mediengesetzes. Herr Müller-Sönksen, da wollen wir doch erst

(Dietrich Rusche CDU)

einmal sehen, was Sie wirklich vorlegen. Möglicherweise meinen Sie damit, der Programmauftrag in Hamburg müsste noch einmal überdacht werden. Vielleicht sollen die Radiosender gar keine Nachrichten mehr senden, bisher müssen sie es noch jede Stunde. Dann haben Sie den pluralistischen HAM-Vorstand angedeutet, weshalb Sie ja den Antrag einbringen. Sie sehen nicht mehr, dass sozusagen – abgesichert in der Gesellschaft – ein Auge auf den privaten Rundfunk fallen soll.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Gucken sie mal nach Nordrhein-Westfalen!)

Das nennen Sie unmodern, ich nenne so etwas sehr modern.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, ich habe auch bei den Vorrednern zeitliche Waffengleichheit, was das Thema HAM angeht, hergestellt. Ich weise noch einmal auf das Thema dieses Tagesordnungspunkts hin.

(Dr. Michael Freytag CDU: Warten Sie es doch ein- fach ab, Herr Müller! Zu gegebener Zeit sprechen wir dann darüber!)