Auch das Thema, über das wir heute sprechen, ist keine Erfindung dieses Senats oder der Koalition. Es ist auch noch nicht einmal originell, dass die Dezentralisierung der Bezirksjugendrichter in der Koalitionsvereinbarung steht, denn schon im Jahre 1987 gab es einen Antrag in der Bezirksversammlung Harburg auf Forderung eines Jugendgerichts.
„Die Bezirke sind seit 1985 für die Jugendgerichtshilfe zuständig. Das dazugehörige Personal ist dem Bezirksamt zugeordnet. Die betroffenen Jugendlichen können das Gericht in zumutbarer Entfernung erreichen. Sie“
Dieser Text stammt aus einem Antrag der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Harburg und ist heute so richtig wie im Jahre 1987.
Überhaupt bin ich schon ein wenig erstaunt, dass Sie nach unseren Bemühungen, die Aufgaben richtig zu machen, Ihr Oppositionsverständnis nach 15 Monaten immer noch in der Weise ausüben, dass Sie alles verteufeln, wirklich alles, was sich der Senat ausdenkt. Wieso haben Sie nicht die Größe, Vernünftiges auch einmal zu unterstützen?
Sie wissen ganz genau, dass es gegen die Dezentralisierung des Bezirksjugendgerichts zwei Argumente gibt.
Das eine ist das Beharrungsvermögen von Richterinnen und Richtern, die am Sievekingplatz arbeiten. Dafür habe ich Verständnis, denn natürlich ist jede Veränderung für jemanden, der sich an Situationen gewöhnt hat, zunächst einmal eine Belastung. Aber glauben Sie mir, dieser Senat ist nicht dafür gewählt worden, dass wir nur auf persönliche Wünsche von Richtern Rücksicht nehmen.
Das Zweite – auch dafür habe ich Verständnis – ist das Interesse der Staatsanwälte, möglichst zentral und nah an der Staatsanwaltschaft ihren Aufgaben nachzugehen. Selbstverständlich ist ein Staatsanwalt, der bisher am Sievekingplatz arbeitete, nicht begeistert, künftig mit der SBahn nach Harburg zu fahren. Die öffentliche Verwaltung ist jedoch nicht dazu da, dass die Bürger zu ihr kommen, sondern sie hat zu den Bürgern zu kommen. Und das ist unser Konzept.
Herr Maaß, auf welches argumentative Niveau haben Sie sich begeben? Sie werfen uns vor, dass wir den Tätern plötzlich mehr Respekt entgegenbringen als den Opfern. Mir ist keine Statistik darüber bekannt, dass besonders viele Opfer in der Nähe des Sievekingplatzes wohnen. Das ist doch ein absurdes Argument. Überhaupt ist die Mehrzahl Ihrer Argumente in einem Maße an den Haaren herbeigezogen, dass ich mich wundere, warum Sie sich eigentlich zum Sprachrohr von Partikularinteressen machen.
Bei Dezentralisierungsfragen muss man seriös ein Argument abwägen – das hat aber nicht erst dieser Senat getan, sondern auch der frühere –, nämlich weitere Wege, die sind in Hamburg aber keine Erfindung des Senats, sondern entsprechen der Größe unserer Stadt. Harburg liegt nun einmal vom Zentrum weiter entfernt als die Entfernungen innerhalb von Castrop-Rauxel. Wenn beispielsweise ein Staatsanwalt innerhalb Hamburgs zum Sievekingplatz fahren will, hat er dieselbe Fahrstrecke, als führe er nach Harburg.
Wenn ein Harburger Täter ein Strafverfahren über sich ergehen lassen muss, dann frage ich mich, wie Sie auf die Idee kommen können, immer nur den Staatsanwalt in den Blick zu nehmen und nicht zu fragen, warum Jugendgerichtshelfer, Bewährungshelfer, Zeugen, Opfer, Mütter, Familienangehörige zum Sievekingplatz fahren müssen. Wir können darüber keine Statistik erheben, aber die Reisetätigkeit wird vermutlich durch die Dezentralisierung des Bezirksjugendgerichts insgesamt gesenkt und nicht erhöht.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Also eine ökologische Maßnahme!)
Weder Ihnen noch sonst wem ist es bisher eingefallen, irgendein Argument zu nennen, das für die dezentrale Verwaltung der erwachsenen Strafrichter und gegen die dezentrale Verwaltung der Jugendrichter spricht. Es gibt kein Argument.
Entweder gibt es eine Zentralisierung aus vermeintlichen Kosteneinsparungsgründen oder es wird Justizpolitik auch dort bürgernah praktiziert, wo die Wege – das ist in Hamburg ohnehin so – etwas weiter sind. Deswegen hat der frühere Senat – er hat ja nicht alles falsch gemacht – das Prinzip der Dezentralisierung durchaus ernsthaft und seriös betrieben. In der nächsten Woche wird das Haus der
Gerichte eingeweiht. Der neue Senat wird sich dies nicht als eigenen Erfolg an den Hut stecken, denn die Entscheidung dazu ist vom früheren Senat gefällt worden. Das war eine kluge Entscheidung, die wir aufgegriffen und vertieft haben. Genau diese Linie führen wir fort. Es besteht aber ein kleiner Unterschied: Wir haben den Mut, ideologiefrei an die Dinge heranzugehen. Sie hatten vermutlich aus ideologischen Verengungen Schwierigkeiten, das Problem Jugendrichter anzupacken. Das unterscheidet uns; ansonsten sind wir so ziemlich auf einer Linie. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Kusch, natürlich haben Sie Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass die Dezentralisierung – wir haben es auch Segmentierung des Amtsgerichts Mitte genannt – durchaus von der früheren rotgrünen Regierung betrieben wurde. Das war uns auch ernst.
Zum Beispiel ist die Dezentralisierung der Familiengerichte – hören Sie gut zu, denn davon haben Sie keine Ahnung – unter anderem am Widerstand der Richter und der CDU gescheitert. Das Bezirksjugendgericht hatten wir indessen extra ausnehmen wollen, weil es sich hier um eine gewachsene Struktur handelt, die sinnhaft ist und die es nicht nötig hat, aufgegeben zu werden.
Ich bedauere es, Herr Senator, dass Sie das Problem auf vermeintlich zwei Kerne reduziert haben, nämlich auf die Individualinteressen von Richtern und Staatsanwälten. Das ist nicht so. Darum geht es nicht und darauf würden auch wir keine Rücksicht nehmen. Wenn Sie bei der Veranstaltung am 30. Januar dabei gewesen wären, dann hätten sie den Leitenden Oberstaatsanwalt hören können. Dieser sagte, dass die Staatsanwaltschaft deswegen dagegen sei, weil die Gefahr bestünde, dass durch die Reisetätigkeit der Staatsanwälte – was unweigerlich der Fall sein wird – wertvolle Arbeitszeit verloren gehe und damit Gewinne aufgezehrt würden, die durch den Einsatz von mehr Personal erreicht werden könnten.
Von den Richtern haben wir Beispiele gehört, wie es in konkreten Fällen des Aktentransportes, des Transportes von Gefangenen, des Informationsflusses zwischen dem Amtsgericht Barmbek, der Untersuchungshaftanstalt und den Staatsanwälten knirscht. Das muss man doch ernst nehmen.
Bei der Veranstaltung am 30. Januar hat uns eine Richterin auf dem Podium – leider haben Sie das nicht erlebt, weil Sie daran nicht teilnehmen wollten – vorgerechnet, dass dadurch wahrscheinlich ein Mehrbedarf von 14 Stellen entstünde. Wir werden das beobachten. Aber Sie müssen sich darauf gefasst machen, dass sehr schnell der Zeitpunkt kommt, an dem wir sagen: Stoppen Sie das Experiment, es hat keinen Sinn.
Noch eines. Es hat den Anschein, als wenn sich das Ganze an einzelnen Richtern manifestiert hat. Aber Sie werden das Problem nicht dadurch lösen, dass Sie das Bezirksjugendgericht auflösen und es dezentralisieren. Denn
Jugendrichter, die Sie an andere Gerichte schicken – das haben Sie selbst gesagt –, gehen dort nur hin, wenn sie es selbst wollen. Vermutlich sind diejenigen, die Sie im Auge haben, dazu gar nicht bereit.
Diejenigen, die weggehen, werden dort, wo sie hinkommen, kein Jugendstrafrecht sprechen, sondern der jeweilige Präsident oder Direktor des Amtsgerichts ordnet an, denn er kann sagen: Jugendstrafrichter brauche ich nur zur Hälfte, viel wichtiger ist, dass jemand für das allgemeine Zivilrecht zuständig ist.
Vor dieser Schwierigkeit stehen Sie. Wir werden das beobachten. Ich warne Sie: Machen Sie nicht den Fehler, aus ideologischen Gründen das Experiment fortzuführen. Stoppen Sie es, wenn es sich zeigt, dass es keinen Sinn mehr hat.
Ich hatte vorhin zum Ausdruck gebracht, dass Sie keine Ahnung davon haben, was Sie von sich geben. Sie haben gesagt, dass durch die Dezentralisierung der Bezirksjugendgerichte die Zuführdienste der Polizei zusätzlich belastet würden.
Wissen Sie eigentlich, wie das vor sich geht? Jeden Tag werden Transporte zu den Gerichten und zu den Vollzugsanstalten durchgeführt. Es entsteht kein zusätzlicher Aufwand. Wenn Sie meinen, Sie können sich in Zukunft meinen intelligenten Zwischenbemerkungen dadurch entziehen,