Zunächst wird „Faustlos“ an zwei Grundschulen in jedem Bezirk für die Einschulungsklassen ab August 2003 eingeführt. Durch die Erprobung in allen Bezirken können nach eineinhalb Jahren Erfahrungen ausgetauscht werden. Es werden eventuelle Unterschiede durch strukturelle und soziale Eigenheiten der einzelnen Bezirke festgestellt und über Erweiterungen entschieden.
Die Basis für bessere Lernergebnisse ist eine konfliktfreie Lernumgebung und ein besseres Miteinander. Hier soll „Faustlos“ helfen, neue Impulse für Lehrer und Schüler in der Konfliktbewältigung, das heißt für ein konfliktfreies Lernen, zu geben.
Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass die Schulanfänger sich sprachlich verständigen können. Auf einer emotionalen Ebene verständig miteinander zu kommunizieren, Konflikte zu besprechen und auszuleben, geht nur, wenn die gemeinsame Sprache hierzu trägt. Sprachkompetenz ist die Voraussetzung, damit „Faustlos“ zur Wirkung kommt. Die Weichen hierfür wurden bereits im letzten Jahr erfolgreich durch die Regierungskoalition und den Senat gestellt.
Das gemeinsame Ziel der Regierungskoalition und des Senats in Hamburg ist, die Träger der Erziehung durch gezielte, nachhaltige und flächendeckende Präventionsprogramme zu unterstützen und zu stärken. „Faustlos“ muss an Hamburger Grundschulen mit einer Selbstverständlichkeit wie das ABC und das Einmaleins flächendeckend zum Wohle der Lehrer, Schüler und Eltern in die Bildungslehrpläne aufgenommen werden. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vermittlung und Stärkung sozialer Kompetenzen zur Vermeidung aggressiven Verhaltens gehören zum täglichen Brot aller Grundschulpädagogen und bilden geradezu das Rückgrat des schulischen Erziehungsauftrags. Dieser Auftrag kann sinnvollerweise durch geeignete Projekte untermauert werden. So gesehen ist „Faustlos“ ein solches Projekt und vom Prinzip her unterstützungswürdig.
Aber die dramatische Zunahme von Gewalt in Schulen, mit der Sie Ihren Antrag heute Abend begründen, entspricht nicht der Sachlage. Vielmehr verzeichnet die Kriminalstatistik der Polizei seit 1999 einen Rückgang der jungen Straftäter. Auch die Studien aus den Jahren 1998 und 2000 des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen belegen einen Rückgang der Kinder- und Jugenddelinquenz bei einem gleichzeitigen Ansteigen der Anzeigebereitschaft der jugendlichen Opfer.
(Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive ist das gewesen!)
Während in der zweiten Jahreshälfte 1998 noch 32 Prozent der befragten Schüler mindestens einmal von Schulgewalt betroffen waren, war die Rate im Jahre 2000 mit 25 Prozent signifikant niedriger. Das sind nackte Zahlen.
Das bedeutet, die präventive Maßnahme, die wir in der Vergangenheit ergriffen haben, zeigt die ersten sichtbaren Erfolge, meine Damen und Herren.
Das ist zwar noch kein Grund zum Jubeln, sondern vielmehr zum gemeinsamen Weitermachen im Sinne einer friedfertigen Schulkultur. So weit sind wir uns einig.
Wir sind aber nicht einer Meinung, wenn Sie „Faustlos“ damit begründen, dass es in dieser Stadt keine vergleichbaren Programme gibt.
„Die Broschüre liegt jetzt vor. Darin werden auch die vielen Programme und Ansätze beschrieben, mit denen Schulen in der Vergangenheit für eine friedfertige Schulkultur und ein demokratisches Konfliktverständnis gekämpft haben.“
In der genannten „Handreichung“ werden viele Maßnahmen zur Stärkung der psychosozialen Kompetenz vorgestellt, unter anderem das Programm „Fit und stark fürs Leben“. Dieses Programm aus dem Jahre 1998 ist erfolgreich angesetzt und evaluiert worden. Die Zahl von 450 Lehrern und Lehrerinnen, die in den letzten zwei Jahren an den entsprechenden Fortbildungen teilgenommen haben, spricht für sich. Wenn Sie „Faustlos“ in die Bildungspläne der Grundschulen aufnehmen, wie es in Ihrem Antrag beabsichtigt ist, zwingen Sie die Schule zum Erwerb eines Monopolproduktes, auf dessen weitere Entwicklung Sie keinen weiteren Einfluss haben, weil es rechtlich geschützt ist. Das finden wir aber pädagogisch, Frau Kasdepke, nicht so sinnvoll, gerade im Hinblick auf die Selbständigkeit der einzelnen Schulen.
In Ihrem Antrag fehlt außerdem jegliche Verfahrenstransparenz in Bezug auf den finanziellen Aufwand. Immerhin kosten die Unterrichtsmaterialien mindestens 448 Euro, die Schulungsangebote 105 Euro pro Person; das sind keine Peanuts.
Meine Damen und Herren! Auch das Institut für Lehrerfortbildung in Hamburg erarbeitet zurzeit ein Gesamtcurriculum für Krisenintervention und Konfliktmanagement. Alles in allem wäre es also sinnvoll, die gelaufene und laufende Arbeit zur Kenntnis zu nehmen und mit neuen Konzepten zu vergleichen, bevor wir hier heute ein neues Programm beschließen. Daher beantragen wir die Überweisung an den Schulausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei guten Anträgen kann man es relativ kurz machen. Dieses ist ein guter Antrag der Schill-Fraktion und deswegen möchte ich nur einige Gedanken dazu
ergänzen. Die schulischen Maßnahmen zur Intervention bei akuten Gewaltvorfällen und zur Prävention gewalttätigen Verhaltens haben sich in Hamburg bisher von den Angeboten eher an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen 1 und 2 gewandt. Als Beispiel hierfür kann ich das erfolgreich arbeitende Streitschlichterprogramm anführen, an dem sich bisher in Hamburg 37 Schulen beteiligen und zwölf weitere eine Einführung beabsichtigen. Die Streitschlichter sind speziell geschulte Schüler, die helfen, ihren Mitschülerinnen und Mitschülern bei der Klärung der Konflikte im Schulalltag zu helfen und nach einvernehmlichen Lösungen, ähnlich wie wir es bei den Erwachsenen dann aus der Unternehmenswelt kennen, als Mediatoren zu suchen. Dieses Programm ist jedoch nicht für den Einsatz im Grundschulbereich geeignet, da die als Streitschlichter tätigen Schüler verständlichermaßen ein gewisses Mindestalter haben müssen.
Aber zu glauben, dass deswegen die Grundschulbereiche gewaltfreie Orte seien, wäre weit gefehlt. Aus früheren Drucksachen ist schon zu entnehmen, so unter anderem für den geneigten Leser oder die geneigte Leserin bereits aus der Drucksache 16/4560, dass es in der Klasse 4 aufgrund von Erhebungen gelegentlich zu Gewaltvorfällen in Hamburg kommt, die sich nicht nur – und das ist der entscheidende Punkt – gegen Mitschülerinnen und Mitschüler richtet, sondern auch gegen Lehrkräfte. Aus diesem Grunde war es unerlässlich, dass die Bürgerkoalition im Rahmen des im letzten Oktober aufgelegten Programmes „Cop4U“ allen Schulen und somit auch den Grundschulen feste polizeiliche Ansprechpartner zur Verfügung gestellt hat. Insofern ist dieser Antrag der Kollegin Kasdepke auch als konsequente Fortführung der Betreuung zu sehen und verfolgt eine ganz konkrete und stringente Linie.
Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurde von der Behörde für Bildung und Sport im Entwurf der Schulgesetznovelle – und das soll man auch nicht unerwähnt lassen – eine Neufassung der Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in Paragraph 49 vorgelegt. Auch hier, meine Damen und Herren, können wir also heute sagen, dass wir nicht nur in den großen Würfen, die dann auch noch hier im parlamentarischen Haus lange beraten werden, versuchen, die Situation zu verbessern, sondern auch in den so wichtigen kleinen Bereichen im Alltag versuchen, die Situation an den Schulen zu verändern, und ich füge einfach hinzu, versuchen, mit kleinen Mitteln, die nicht viel Geld kosten, viel zu erreichen. Wenn ich mir ansehe, wie viel Mühe sich bei dem Antrag hier auch gegeben wurde, bei der knappen Haushaltslage wirklich auch etwas Gutes zu erarbeiten und möglichst zügig umzusetzen, dann ist das für mich so eine Initiative, wo man wirklich sagen kann, hier seien sich in der Grundfassung, denke ich, alle einig.
Der Paragraph 49 ist auch, in genau dieser Konsequenz, von CDU, FDP und Schill-Partei so zu sehen, dass sowohl die Anwendungsmaßnahmen erweitert werden sollen, andererseits aber die bestehenden Maßnahmen für die Lehrkräfte besser handhabbar gestaltet werden. Auf diese Art und Weise erreichen wir dann beides: Wir erreichen, dass die Maßnahmen verzahnt ineinander greifen, Maßnahmen, die die Mitschülerinnen und Mitschüler betreffen und die sie selber regeln können, und auf der anderen Seite, wo die Behörde und die Lehrkräfte eingreifen, und dann ist das ein verwobenes und stringentes Modell, das wir auch an den Grundschulen haben. Die Ausweitung der
Interventionsmaßnahmen ist allerdings, meine Damen und Herren, allein nicht ausreichend, da an den Schulen Intervention und Prävention aufeinander abgestimmt werden müssen, um im Alltag sinnvoll eingesetzt zu werden. Insofern ist es wichtig, die Defizite im Bereich der Gewaltprävention im Primarbereich der Hamburger Schulen zunächst einmal zu benennen, sie offen zu legen und dann auch anzugehen, und hier ist es in der Tat wichtig, auch zügig zu handeln.
Wir befinden uns in Hamburg, und das will ich nicht verschweigen, in der glücklichen Situation, dass wir zum Glück nicht bei Null anfangen müssen, da wir auf ein Projekt zurückgreifen können, welches international, aber auch in Deutschland schon erprobt worden ist. Vor über acht Jahren – Frau Kasdepke hat das aufgeführt – wurde das „Faustlos“-Curriculum in Heidelberg und Mannheim in Kindergärten und Grundschulen erfolgreich eingesetzt. Es vermittelt in alters- und auch entwicklungsadäquater Weise den Kindern Kenntnisse und Fertigkeiten in den Bereichen, die ich nicht noch einmal wiederholen möchte. Die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen uns, dass es gelingen kann, das Sozialverhalten bei Schülerinnen und Schülern zu stärken, die Gewaltbereitschaft schon in einer frühen Phase zu senken und damit das Lernverhalten zu verbessern. Drei Dinge also, aber zwei, die uns massiv am Herzen liegen, nämlich als schulische Maßnahme das Lehr- und Lernverhalten für den weiteren Entwicklungsweg der Schülerinnen und Schüler an der Schule zu verbessern, aber auch die Persönlichkeitsstärkung der Schülerinnen und Schüler an den einzelnen Schulen, was zunächst einmal mit der Lehr- und Lernbereitschaft per se nichts zu tun hat. Aufgrund dieser positiven Ergebnisse halten wir eine Umsetzung und Erprobung von „Faustlos“ bereits zu Beginn des nächsten Schuljahres quasi modellhaft an 14 Grundschulen für erforderlich und wären auch jetzt bereit, wenn dann entsprechende positive Erfahrungen gemacht werden, vom Grundansatz dieses Modell auf Hamburg auszuweiten.
Somit kann „Faustlos“ einen frühzeitigen und wertvollen Beitrag zur Gewaltprävention leisten. Dieses ist viel erfolgversprechender, als mit Interventionsmaßnahmen und teuren Reparatur- und Trainingscenter-Maßnahmen im Nachhinein entsprechende negative Karrieren zu korrigieren versuchen und das Versäumte nachzuholen.
Meine Damen und Herren, wir bitten um Ihre Zustimmung und wären grundsätzlich auch nicht abgeneigt, wenn ähnliche Ideen wie diese, die umsetzbar sind, die erfolgreich erprobt worden sind, als Anregungen und zur Diskussion auch von Rotgrün eingebracht werden. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Drews! Jetzt haben Sie aber so einen Schlenker hineingebracht, der für dieses Thema eigentlich absolut unnötig ist, das, denke ich, in diesem Hause jeder sehr ernst nimmt. Ich habe noch einmal ein bisschen recherchiert. Ich begrüße ausdrücklich, Frau Kasdepke, dass Sie die Anstrengungen fortführen, die in der letzten Legislaturperiode gemeinsam unternommen wurden – das ist, glaube ich, wohl einer der dicksten Ordner, die ich habe – und im Rahmen derer viele Projekte auf den Weg gebracht worden sind. Wir wissen alle, dass sich die Auswirkungen
nicht gleich im folgenden Monat zeigen, sondern es einer gewissen Zeit bedarf. Ich habe angefangen mit „Hamburg macht Schule“ von 1999, „Schule und Gewalt“, wo die ersten Projekte – „Streitschlichter“ und so weiter – losgingen. Ergänzend ist auch ganz wichtig die Broschüre „Hinsehen, Handeln, Helfen“, „Konflikte und Gewalt“, auch aus der letzten Legislaturperiode. Es ist eine wunderbare, sehr ausführliche Broschüre, die gemeinsam mit außerschulischen Stellen erstellt wurde, also nicht nur durch die Schulbehörde, dazu gehört die Polizei, dazu gehören soziale Einrichtungen im Stadtteil, dazu gehört zum Beispiel auch die Volkshochschule. Frau Fiedler zitierte schon aus der sehr guten Folgebroschüre „Gewalt in der Schule“. Das alles hat Kontinuität und ist nur gut so. Ich begrüße außerordentlich, dass Frau Kasdepke die Pfeiffer-Studie zitiert hat, die im Kontext vor allen Dingen die Ursachen von Gewalt darstellte. Herr Pfeiffer ist der ehemalige Justizminister in Niedersachsen. Ich freue mich auch sehr, dass Sie ein Präventionsprojekt der Gesamtschule „Erich Kästner“ hier so hervorheben, das sicherlich zu begrüßen ist.
Ich möchte aber noch zwei, drei Worte verlieren, denn es gibt keine schnellen Antworten. Die Präventionsprojekte sind wichtig, aber es gibt auch immer wieder Phasen und neue Situationen. Vor 15 Jahren gab es das Abziehen noch nicht. Inzwischen hat das wieder nachgelassen, weil das Anti-Raub-Programm und die Anti-Abzieh-Programme gefruchtet haben. Wir werden uns immer wieder auch neuen Situationen stellen. Wenn ich noch einmal an die Debatte nach Erfurt erinnern darf: Da haben wir gerade in diesem Hause diskutiert, was eigentlich alles nötig sei. Es gibt eben nicht nur eine schnelle Gesetzesänderung als Maßnahme. Es bestehen große Erwartungen an Schulen, aber auch an Eltern und an die Kooperation zwischen Eltern, Schule und außerschulischen Einrichtungen.
An dieser Stelle muss man noch einmal deutlich sagen, dass natürlich auch andere Bedingungen eine Rolle spielen. Gerade die sozialen Benachteiligungen sind natürlich auch ein großer Nährboden für Gewalt. Im Bereich Jugendarbeitslosigkeit ist eine Menge zu tun. Wenn die Jugendlichen ohne Perspektiven und Zukunftschancen aus der Schule kommen, sind Präventionsprojekte sicherlich wichtig, aber alleine tun sie es auch nicht. Wir wissen aus der Pfeiffer-Studie, dass es neben der Perspektivlosigkeit – Ausbildung und so weiter, wie genannt – eben auch eine große Rolle spielt, wie viel Gewalt Kinder in den Familien erleben. Wir wissen, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit, aber auch als Jugendliche von ihren Eltern massiv geschlagen oder misshandelt werden, erheblich häufiger selbst gewalttätig werden als junge Menschen, die nicht geschlagen worden sind. Das hat die Pfeiffer-Studie sehr deutlich gemacht. Kinder gewaltfrei zu erziehen, Körperstrafen und seelische Verletzungen als unzulässig zu erklären, wie das gerade auch Frau Peschel-Gutzeit immer wieder betonte und auch inzwischen das rotgrüne Gesetz in Berlin entsprechend vorgibt, sind extrem wichtig. Wir müssen also immer auch in konzertierter Aktion die Prävention und die Perspektiven beachten.
Alles andere ist gesagt, wobei ich, Herr Drews, in Ihrem genannten Paragraphen 49 natürlich alles andere als eine präventive Maßnahme sehe. Ich finde den Paragraphen 49 in der Novellierung höchst bedenklich, weil er in ein Grundrecht der Eltern eingreift und pädagogische Maßnahmen mit Erziehungsmaßnahmen austauscht. Da werden wir bei der Schulgesetznovelle noch reichlich zu debattieren haben. Wir würden als GAL-Fraktion den Antrag gerne im Ausschuss diskutieren. Es täte uns gut, dieses Thema im
Ausschuss einmal wieder sachlich und fachlich ausführlich zu diskutieren. Insofern wünschen wir uns als GAL-Fraktion eine Überweisung an den Ausschuss. – Danke.