Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

Auch das von Ihnen befürchtete Absinken des wissenschaftlichen Niveaus sehe ich nicht, denn das wird bei allen Hochschulen durch die starke Einbindung der Behörde für Wissenschaft und Forschung immer gewährleistet. Das gilt natürlich auch für eine eventuell zu gründende neue Fachhochschule der Polizei.

Es sind aber nicht nur die sozialen Erfordernisse an die Ausbildung gestiegen, sondern ganz erheblich auch die praktischen Ausbildungsanforderungen. Es gibt heute neue internationale Kriminalitätsstrukturen, international organisierte Kriminalität, die in immer schnellerem Tempo in verschiedenen Erscheinungsformen auftauchen. Es ist also die praktische Ausbildung besonders erforderlich. Heute agieren die Kriminellen mit hoch professionellem Know-how und gehen nicht mehr wie früher die Panzerknacker zu Werk. Wenn man bestimmte Kriminalitätsformen im Internet verfolgt, wie die Verbreitung von Kinderpornos, sieht man, dass man gut ausgebildete Polizisten braucht, die hervorragendes EDV- und Computerfachwissen haben müssen, das natürlich neben einer sozialen Kompetenz bestehen muss. Aber dieses Fachwissen ist unbedingt erforderlich.

Die praktischen Anforderungen sind also genauso wichtig wie die soziale Kompetenz. Die kann nun einmal die Polizei am besten selbst vermitteln, weil die Polizei weiß, welche Inhalte vermittelt werden sollen. Deswegen soll die Polizei auch ein Mitspracherecht bei den Inhalten haben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Eine allgemeine Hochschule wie die Hochschule für angewandte Wissenschaften kann diese polizeibezogenen Inhalte nicht vermitteln. Es ist auch nicht sinnvoll, denn polizeitaktische Konzepte in öffentlichen Veranstaltungen zu lehren, macht keinen Sinn. Deshalb macht es keinen Sinn, den Fachbereich der Polizei an eine öffentliche Hochschule zu verlegen. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Nockemann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In unserem demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesen werden die Anforderungen an die Bediensteten im öffentlichen Dienst zunehmend komplexer.

Bereits der Beamte in mittlerer Führungsfunktion entscheidet häufig über Sachverhalte mit enormer wirtschaftlicher und finanzieller Tragweite. Der Bürger hat daher das Recht und den Anspruch, auf allen Ebenen der Verwaltung kompetente Ansprechpartner vorzufinden. Damit korrespondiert selbstverständlich auch das Recht des im öffentlichen Dienst Beschäftigten auf eine qualitativ sehr hochwertige Ausbildung.

Wir haben im Rahmen der Verwaltung auch die so genannten neuen Steuerungsmodelle. Das bedeutet, Hierarchien werden flacher, das bedeutet aber auch, Entscheidungskompetenzen werden weiter nach unten verlagert. Damit wird eine qualitativ hochwertige Ausbildung zunehmend sinnvoll.

Aber auch das Selbstverständnis eines Staates bestimmt sich natürlich danach, welche Ausbildung dieser Staat seinen Beamten zukommen lässt. Aus diesem Grunde sind vor ungefähr 25 Jahren die so genannten verwaltungsinternen Fachhochschulen gegründet worden, auch als Reflex auf gewisse gesellschaftspolitische Veränderungen. Das war auch gut so.

Herr Dr. Maier, Sie sprachen es bereits an. Die Qualität der Ausbildung in struktureller und fachlicher Hinsicht ist in der Diskussion. Deswegen sind wir Ihnen dankbar, dass Sie das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Sie wissen natürlich, dass wir andere Planungen haben. Für den Bereich der allgemeinen Verwaltungsausbildung stimmt meine Fraktion genau wie die CDU der Übertragung an die HAW zu. Im Bereich der Polizei lehnen wir es ab. Eine gesamte Externalisierung der FHÖV wird es mit uns aus den im Wesentlichen auch von Herrn Lüdemann bereits genannten Gründen nicht geben, denn insbesondere die spezifischen Anforderungen an die Ausbildung der Polizeibeamten vertragen keine Externalisierung. Gerade dort brauchen wir eine stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis. Neben der wissenschaftlichen Theorie muss der Polizeibeamte unbedingt auch das polizeiliche Rüstzeug – ja, das Handwerkszeug – für seinen Alltag auf der Straße vermittelt bekommen. Am Ende seiner Ausbildung muss er zwingend über das Wissen verfügen, das ihn – falls erforderlich – in Sekunden rechtseingriffssicher macht und in die Lage versetzt, die jeweils richtige Entscheidung zu treffen. Am Ende der Ausbildung muss der Polizeibeamte sozusagen berufsfertig sein.

(Carsten Lüdemann CDU)

A C

B D

Das sehen wir bei der Ausbildung an der HAW für den Polizeibeamten nicht.

Wir denken, dass der Bereich der Polizei in der FHÖV gemeinsam mit der LPS zusammengelegt werden sollte. Ich kenne Ihre Befürchtungen und weiß, dass man fürchtet, wir würden dort eine Klippschule zusammenzimmern, an der sich eine gewisse Wagenburgmentalität entwickeln könnte. Dass wir das nicht wollen, können Sie vielleicht meinen eingangs gemachten Bemerkungen entnehmen. Ich sagte bereits, dass wir gewisse Ansprüche an die Ausbildung unserer Beamten haben.

Wir wollen für die Polizei ein interdisziplinäres, verwaltungswissenschaftliches Studium mit einer deutlichen Orientierung auf die tatsächliche Verwaltungspraxis. Der Beamte soll fit gemacht werden für den rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug. Wir wollen wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden, berufspraktische Fähigkeiten und Kenntnisse vermitteln.

(Erster Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Die weiteren Vorteile einer Zusammenlegung sind die Präsenzgewinne durch Vermeidung von Doppelausbildung für Aufstiegsbeamte und Kosteneinsparungen durch günstige Personalstrukturen sowie durch Synergie- und Rationalisierungseffekte. Die Fachaufsicht und auch die Qualitätssicherung soll bei der zuständigen Fachbehörde angegliedert werden. Diese Anbindung ist vorteilhaft, denn die aufsichtführende Behörde kennt die Anforderung der Praxis am besten.

Obwohl praxisnah ausgebildet werden muss, müssen die wissenschaftlichen Standards, die nach Auffassung der Rektorenkonferenz an ein Fachhochschulstudium gestellt werden, durchgehend gewährleistet sein. Neben der Vermittlung der Kernfächer, wie Polizeirecht, Führungslehre, Strafprozessrecht und anderem mehr, muss das Studium an der neuen Polizeiakademie oder der neuen Polizeifachhochschule für Führungsaufgaben qualifizieren, Schlüsselkompetenzen, psychologische und kommunikative Kenntnisse ebenso vermitteln wie moderne und anspruchsvolle Konfliktlösungsmechanismen.

Statt der Eingliederung in die HAW möchten wir bei der Polizei eine substanziell, strukturell und inhaltlich gelebte Fachhochschule, die diesen Namen auch verdient, also keinen Etikettenschwindel. Um dieses Ziel sicherzustellen, bedarf es sicherlich auch gewisser Einrichtungen, wie wir sie von allgemeinen Hochschulen kennen, das heißt die Einrichtung eines Hochschulrates und eines beratenden Kuratoriums. Die hochschuladäquate Personalstruktur – hauptamtliche Mitarbeiter, Professoren und auch wissenschaftliche Mitarbeiter – soll von uns gewährleistet werden. Wir wollen zwar keine vollständige Autonomie dieser Hochschule – das kann es in diesem Bereich auch nicht geben. Wir wollen aber auch keine administrative Bevormundung.

Weiter wollen wir zur Qualitätssicherung die Einrichtung eines umfangreichen Evaluationssystems. Was die allgemeine Finanzverwaltung angeht, können wir uns eine kleine Akademie vorstellen. Wir können uns aber auch eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern vorstellen. Für meine Fraktion ist diese Frage nicht so entscheidend wie die Frage der Ausbildung der Polizei, weil sie zahlenmäßig stärker ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schrader.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich werde es kurz machen, denn viele Argumente wurden genannt.

Eine eigenständige Hochschule für die Polizeiausbildung ist aus den genannten Gründen gerechtfertigt. Die Polizei stellt den zahlenmäßig weitaus größten Fachbereich an der bestehenden Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. Sie stellt außerdem ein Ausbildungskonzept, das in die öffentlich zugänglichen Hochschulen aus den genannten polizeitaktischen Gründen schwer integrierbar ist. In organisatorischer Hinsicht gibt es Ausbildungsgegenstände praktischer Natur, die zweckmäßigerweise auch nur am bisherigen Standort gelehrt werden können und auch mit den Ausbildungsgängen des mittleren Dienstes gemeinsam durchführbar sind. Das ist einfach die vernünftigste Lösung.

Ich möchte mich auch ganz klar gegen diese üblichen Ressentiments aussprechen, dass eine eigene Ausbildungseinheit der Polizei zu einer Wagenburgmentalität führen muss. Richtig ist natürlich, dass eine solche eigene Ausbildungseinheit der Polizei – wie an jeder anderen Hochschule auch – in qualitativer Hinsicht sicherstellen muss, dass dort studiert wird und in verwaltungstechnischer Hinsicht eine Selbstständigkeit entwickelt, die genau diese Wagenburgmentalität verhindert und die an das gesamte Hamburger Hochschulsystem angeglichen ist. Dies kann auch ein Kuratorium einschließen, so wie es für die anderen Hochschulen auch vorgesehen ist.

Unter diesen Gesichtspunkten ist auch die FDP, die sich einen besonderen bildungspolitischen Schwerpunkt gesetzt hat, für eine jetzt in Planung befindliche Fachhochschule. Ich gebe zu, dass es im Übrigen selbstverständlich wünschenswert wäre, wenn wir eine Hochschullandschaft hätten, in der es möglichst wenig zersplitterte eigenständige Körperschaften gibt, die die Ausbildung sicherstellen. Hierüber wird noch zu reden sein. Aber diesem Antrag können wir aufgrund des Fachbereichs Polizei so nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Michael Neumann SPD: Dann überweisen!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Maier.

Noch eine kurze Bemerkung.

(Dr. Michael Freytag CDU: Kurz behaupten alle!)

Ich gebe zu, dass wir hier über relative Argumente reden, die alle abzuwägen sind. Wenn Herr Lüdemann zum Beispiel sagt, in drei neuen Bundesländern seien eigene Polizeischulen gegründet worden, dann sollten Sie überlegen, warum dort nach 1990 eigene Polizeischulen gegründet wurden: Weil sich die Hochschulen natürlich zu dem Zeitpunkt nicht nur in der Abwicklungsphase befanden, sondern in einer Situation, in der sie – wenn Sie so wollen – total wissenschaftlich und ideologisch umgekrempelt werden mussten. Dass dabei das Bedürfnis entstand, separat die neu auszubildende Polizei im Osten sozusagen unter engere Fittiche zu nehmen, kann ich verstehen.

Im Übrigen ist diese Vorgehensweise im Westen aber völlig ungebräuchlich, so etwas zu tun. Sie sprachen zwar

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

davon, dass Baden-Württemberg eine solche Einrichtung habe, aber die anderen Länder haben sie durchweg nicht.

Ich sehe diese praktischen Erwägungen durchaus. Aber das Wichtigste, was man sich klarmachen muss, ist: Ein Polizist ist wahrscheinlich überhaupt die öffentlichste Figur unter den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst und die unmittelbare Ansprechgestalt, das unmittelbare InErscheinung-Treten des Staates auf der Straße. Diese Figur lassen wir als Einzige in einer Einheit ausbilden, in der sie nicht in eine unmittelbare Berührung oder in ständige Auseinandersetzung sowohl mit den Grenzen ihres Faches als auch mit anderen Personen anderer Ausbildungen kommt. Man ist also ganz unter sich.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das kann sie auch hinterher machen!)

Dass jede Institution diesen Wunsch einer Separat-Ausbildung immerzu hat, liegt auf der Hand, das kann nicht anders sein. Die Polizei und auch die Finanzämter wünschen dies. Das ist einfach die Logik jeder Institution. Sie werden tausend Gründe anführen, warum es nicht anders geht.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Na also!)

Wir als Öffentlichkeit dürfen nicht dieser Institutionslogik folgen, sondern müssen den Wunsch verfolgen, unsere Polizisten von vornherein in diese öffentliche Rolle hineinzuziehen.

Meine letzte Bemerkung. Es ist ja schön, dass Sie dankbar sind, dass wir dieses Thema zur Diskussion angemeldet haben, aber merkwürdig, dass Sie es noch nicht einmal an den Ausschuss zur Beratung überweisen wollen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Arbeitsverweigerung! – Rolf Kruse CDU: Man darf doch mal drüber reden!)

Das heißt reden ja, aber nicht darüber arbeiten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Nockemann.

Herr Dr. Maier, Sie gehen natürlich sehr analytisch an die Sache heran; das ist auch gut so.

Ich darf Ihnen aber noch einmal versichern: Aus Erfahrungen mit anderen Ländern – nicht mit anderen Bundesländern – weiß ich sehr wohl, wie wichtig und von welch zentraler Bedeutung eine gut ausgebildete und gesellschaftlich offene Polizei ist. Wenn Sie das im täglichen Umgang auch feststellen, Herr Dr. Maier, dann kann ich Ihnen versichern, dass wir uns diese Art von Polizei bewahren, nicht abschaffen und durch andere Modelle austauschen wollen.

Ich habe mehrere Jahre in der ehemaligen DDR gearbeitet. Wenn ich in Hamburg war und immer wieder gesehen und gespürt habe, wie mir ein Polizeibeamter entgegentritt – nachdem ich über Monate dies in den neuen Bundesländern erlebt habe –,

(Michal Neumann SPD: Täglichen Kontakt mit der Polizei? Was haben Sie denn angestellt?)