Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

(Michal Neumann SPD: Täglichen Kontakt mit der Polizei? Was haben Sie denn angestellt?)

dann war ich sehr stolz auf die Weltoffenheit der Polizeibeamten, die wir hier ausgebildet haben. Ich garantiere Ihnen, dass wir dies nicht verändern wollen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt der Überweisung der Drucksache 17/2272 an den Innenausschuss zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieses mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse in der Sache abstimmen. Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 17/2272 annehmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieses bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 29 und 37, Drucksachen 17/2262, Bericht des Jugend- und Sportausschusses über die Drucksache 17/1753: Entwurf eines Gesetzes zur Angebotsentwicklung und Finanzierung der Kindertagesbetreuung in der Freien und Hansestadt Hamburg – Einführung des Kita-Gutscheinsystems und den Antrag der Koalitionsfraktionen: Kleinkindbetreuung und Konnexitätsprinzip.

[Bericht des Jugend- und Sportausschusses über die Drucksache 17/1753: Entwurf eines Gesetzes zur Angebotsentwicklung und Finanzierung der Kindertagesbetreuung in der Freien und Hansestadt Hamburg – Einführung des Kita-Gutscheinsystems – Drucksache 17/2262 –]

[Antrag der Fraktionen der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Kleinkindbetreuung und Konnexitätsprinzip – Drucksache 17/2208 –]

Wer begehrt das Wort? – Der Abgeordnete Dr. Schinnenburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf nebst Anlagen zum Kita-Gutscheinsystem bietet nicht weniger als ein Dutzend Fortschritte für Eltern und Kinder in dieser Stadt.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Genauso viele Nach- teile!)

Erster Vorteil: Es wird für eine gleichbleibende Qualität der Betreuung gesorgt. Mit den Trägern wurden detaillierte Qualitätsvereinbarungen getroffen. Kinder und Eltern können sich also darauf verlassen, dass für alle Kitas die gleichen Qualitätsanforderungen gelten.

(Petra Brinkmann SPD: Nicht nur da!)

Zweiter Vorteil: Über 90 Prozent der Ressourcen werden für Kinder von Berufstätigen vorgesehen. Das bedeutet, dass sich die Chancen von Berufstätigen, für ihr Kind einen Kita-Platz zu erhalten, deutlich erhöhen. Davon profitieren zum einen die Eltern, aber auch die Kinder der Berufstätigen. Viele von ihnen werden nun erstmals einen Kita-Platz beziehungsweise längere Betreuungszeiten erhalten. Sie bekommen also eine feste Bezugsgruppe anstatt womöglich eine wechselnde Betreuung durch Verwandte und Bekannte.

Dritter Vorteil: Erstmals werden gezielt Betreuungszeiten für Kinder vorgesehen, die einen besonderen Sprachförderbedarf haben. Die Kinder, die bei der Sprachstandsuntersuchung 18 Monate vor der Einschulung schlecht abschneiden, erhalten eine Garantie für eine mehr als vier

(Dr. Willfried Maier GAL)

stündige Betreuung. Dies hilft nicht nur den betroffenen Kindern selbst, sondern allen. Wir werden so erreichen, dass es keine Grundschulklassen mehr geben wird, in denen mehr als die Hälfte der Kinder kein Deutsch spricht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Vierter Vorteil: Eine Garantie auf besonders ausgedehnte Kita-Betreuungszeiten erhalten außerdem Kinder mit einem problematischen Elternhaus, wenn zum Beispiel Drogen oder Gewalt im Spiel sind.

Fünfter Vorteil: Die aufgewendeten Mittel werden deutlich effizienter genutzt. Weil keine leer stehenden, sondern nur noch besetzte Plätze finanziert werden, kommt es zu nicht unerheblichen Einsparungen. Die Einsparungen belaufen sich nach vorsichtigen Schätzungen auf bis zu 10 Millionen Euro. Dieses Geld kommt nicht etwa dem Finanzsenator zugute, sondern bleibt im System.

Sechster Vorteil: Das Kita-Gutscheinsystem beruht auf dem modernen Grundsatz der Subjektförderung anstatt auf der überholten Objektförderung. Das bedeutet, dass sich Kinder und Eltern nicht mehr der vorhandenen Struktur anpassen müssen, vielmehr erhalten sie eine Bewilligung entsprechend ihren Bedürfnissen. Nach kurzer Zeit werden sie durch ihre Nachfragemacht dafür sorgen, dass das den Bedürfnissen entsprechende Angebot entsteht.

Siebter Vorteil: Diese Nachfrageorientierung wird dafür sorgen, dass die Kitas dort räumlich angebunden werden, wo sie gebraucht werden. Das kann keinesfalls eine noch so ausgeklügelte staatliche Planung erreichen.

Achter Vorteil: Das neue System kann flexibel auf die Verschiebungen in der Altersstruktur der Wohnviertel reagieren. Nicht selten gibt es Wohnviertel, die aufgrund vieler junger Familien besonders viele Kinder im Kita-Alter haben. Nur wenige Jahre später sind die Kinder aus diesem Alter heraus. Dafür gibt es eine neue Häufung von Kindern in einem anderen Wohnviertel. Kein System kann die dann notwendige Verlagerung von Kita-Plätzen so präzise und so schnell herbeiführen wie das Kita-Gutscheinsystem.

Neunter Vorteil: Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis eines sehr kooperativen Verfahrens. Abgesehen von zahlreichen Gesprächen mit den Trägern wurde auch die Basis mit einbezogen. Im Juni 2002 haben die Regierungsfraktionen viele hundert Kita-Mitarbeiter ins Rathaus eingeladen und angehört. Außerdem wurden wesentliche Regelungen des neuen Systems, wie die Qualitätsvereinbarung, nicht vom Gesetzgeber festgelegt, sondern in Vereinbarung mit den Trägern geregelt.

Zehnter Vorteil: Es handelt sich um ein Gesetz mit Augenmaß. Es wurden mehrere Übergangsregelungen getroffen. Ich nenne folgende Beispiele: Fortsetzung der Förderung bis Jahresende, vier Monate Fortbestehen der ausgedehnten Förderung von Berufstätigen bei Eintritt in die Arbeitslosigkeit und anderes mehr. Auf diese Weise werden persönliche Härten weitgehend vermieden.

Elfter Vorteil:

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Letzte Frage! Er hört gleich auf!)

Erstmals werden gezielt Regelungen für Tagesmütter und -väter getroffen. Diese wurden bisher vernachlässigt, obwohl es sich hierbei um eine besonders individuelle und flexible Betreuung handelt. In einer besonderen Verord

nung werden Vergütung und rechtliche Rahmenbedingungen geregelt. Außerdem gibt es Anreize für die Tagesmütter und -väter, ihre Qualifikation weiter zu steigern.

Zwölfter Vorteil: Für viele Eltern sinken die Elternbeiträge, da mit In-Kraft-Treten des Gesetzes das Kindergeld nicht mehr als Einkommen gewertet wird. Durch diese Konstruktion werden die Elternbeiträge im Übrigen sozial gezielt abgesenkt. Am meisten profitieren die Eltern davon, die circa 1500 bis 2000 Euro im Monat verdienen, während bei hohem Einkommen überhaupt keine Entlastung eintritt. Das neue Gesetz bietet also ein Dutzend bedeutender Vorteile.

Die Bürgerkoalition gibt fast 300 Millionen Euro für die Kindertagesbetreuung aus.

(Rolf Kruse CDU: Donnerwetter! – Ingo Egloff SPD: Das zahlt der Steuerzahler!)

Das Kita-Gutscheinsystem wird dafür sorgen, dass dieses Geld für die Kinder und Eltern optimal eingesetzt wird. Mit dem Kita-Gutscheinsystem ist Hamburg Vorreiter für einen Systemwechsel in Deutschland. Sie werden es sehen, auch die SPD-geführten Länder werden dies übernehmen.

Mit dem Kita-Gutscheinsystem reduziert die Bürgerkoalition den oft beklagten Reformstau in Deutschland. Ein altes, verkrustetes sowie ineffizientes System wird durch ein intelligentes und flexibles ersetzt. Kinder und Eltern werden die Gewinner sein. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Böwer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Schinnenburg, ich habe mir Ihre zwölf Vorteile angehört. Das erinnert mich eher an den Filmtitel „The dirty Dozen“.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Genau!)

Ihr vorgelegter Gesetzentwurf ist weder sozial noch hat er einen Bildungsanspruch. Er geht sehr deutlich an Realitäten in den Familien vorbei. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Rolf Harling- hausen CDU: Das ist der Küblböck von Hamburg!)

Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Nicht nur wir haben die Befürchtung, dass Ihr Gutscheinsystem dazu führen wird, dass in den so genannten sozialen Brennpunkten – konkret auf der Veddel, in Steilshoop, in Wilhelmsburg und in Neuwiedenthal – zwischen 20 und 30 Prozent der Betreuungsangebote abgebaut werden. Das wäre ein sozialpolitischer Skandal, der auf Ihre Kappe geht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn man allein die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Schwerpunkt macht und die sozial notwendige Aufgabe von Kindertagesstätten ausblendet, dann ist das fatal für die Entwicklung dieser Stadt und verbreitert den Graben zwischen denen, die haben, und denen, die nicht haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Gehen wir von den von mir genannten Stadtteilen in jene Stadtteile, in denen es eine höhere Erwerbsquote gibt. Hier stellen wir fest – das sind Ihre eigenen Zahlen –, dass zwischen 18 000 und 19 000 Plätze fehlen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen.

(Rolf Kruse CDU: Wo waren die Plätze bisher?)